Am 24. Oktober 2024 entschied der BFH (Az.: VI B 35/24 AdV), dass die Aussetzung der Vollziehung (AdV) bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Zinshöhe nur für Zinszeiträume ab dem 1. Januar 2019 und lediglich für den Differenzzinssatz von 0,35 % pro Monat gewährt werden kann.
1. Hintergrund des Verfahrens
Der Antragsteller hatte gegen die Festsetzung von Aussetzungszinsen durch das Finanzamt für die Jahre 2001 und 2002 Einspruch eingelegt. Konkret ging es um die Höhe der Zinsen von 0,5 % pro Monat, die vom 16. August 2008 bis zum 27. März 2023 berechnet wurden.
Nach der Ablehnung des Antrags auf AdV durch das Finanzamt wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht, das den Antrag ebenfalls ablehnte. Mit seiner Beschwerde vor dem BFH beantragte der Steuerpflichtige die vollständige Aussetzung der Vollziehung.
2. Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass die Vollziehung des Zinsbescheids nur teilweise auszusetzen ist:
- Betroffener Zeitraum: Vom 1. Januar 2019 bis 27. März 2023.
- Differenzzinssatz: 0,35 % monatlich statt der gesetzlich festgelegten 0,5 %.
3. Begründung des BFH
Verfassungsrechtliche Zweifel
Der BFH hatte die Höhe der Zinsen (0,5 % monatlich) bereits zuvor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorgelegt. Diese Zweifel begründen sich auf:
- Die anhaltende Niedrigzinsphase, die den Zinssatz als unverhältnismäßig erscheinen lässt.
- Ungleichbehandlung: Nachzahlungszinsen wurden auf 0,15 % pro Monat gesenkt, während die Aussetzungszinsen weiterhin 0,5 % betragen.
Differenzzinssatz von 0,35 %
Die Aussetzung wurde auf 0,35 % begrenzt, da dieser Wert die Differenz zwischen den Aussetzungs- und Nachzahlungszinsen darstellt und verfassungsrechtlich bedenklich ist.
Keine vollständige Aussetzung
Die vollständige Aussetzung der Zinsen wurde abgelehnt, da für Zeiträume vor dem 1. Januar 2019 und die darüber hinausgehende Höhe der Zinsen keine ausreichenden verfassungsrechtlichen Zweifel bestehen.
4. Auswirkungen und Ausblick
- Teilweise Aussetzung: Steuerpflichtige können für Zinszeiträume ab dem 1. Januar 2019 eine AdV in Höhe des Differenzzinssatzes von 0,35 % beantragen.
- Präzedenzwirkung: Die Entscheidung gibt Steuerpflichtigen mit ähnlichen Zinsbescheiden Argumentationsspielraum, bleibt jedoch auf verfassungsrechtlich zweifelhafte Zinshöhen beschränkt.
- BVerfG-Entscheidung: Eine abschließende Klärung steht aus. Sollte das BVerfG die Zinshöhe für verfassungswidrig erklären, könnten weitere Anpassungen folgen.
5. Fazit
Die Entscheidung des BFH setzt klare Grenzen für die AdV bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an Aussetzungszinsen. Steuerpflichtige, die von hohen Zinsforderungen betroffen sind, sollten ihre Bescheide prüfen und gegebenenfalls AdV beantragen. Für detaillierte Unterstützung stehen wir Ihnen als Steuerberatungskanzlei gerne zur Verfügung.
Ihr Steuerberater-Team