Das Finanzgericht Niedersachsen hat in einem Urteil vom 15. Mai 2024 (Az. 9 K 28/23, Rev. BFH VI R 22/24) entschieden, dass Zivilprozesskosten in Höhe von 17.740 Euro als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt werden können. In dem zugrunde liegenden Fall drohte eine Rückabwicklung der unentgeltlichen Übertragung eines Forstbetriebes, was eine potenzielle Existenzgefährdung für den Steuerpflichtigen darstellte.
Rechtliche Grundlagen zur Absetzbarkeit von Prozesskosten
Die Absetzbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen wurde mit einer Änderung im Jahr 2013 stark eingeschränkt. Seitdem sind diese nur noch in Ausnahmefällen nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig, sofern:
- Der Steuerpflichtige Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren.
- Die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr in dem üblichen Rahmen befriedigt werden können.
- Der Rechtsstreit einen existenziell wichtigen Bereich berührt.
- Der Streitgegenstand des Prozesses selbst als außergewöhnliche Belastung abziehbar ist.
Bedeutung der Entscheidung
Prozesskosten werden in der Praxis häufig nicht als zwangsläufig angesehen, weshalb sie in der Regel steuerlich nicht absetzbar sind. Das Urteil des FG Niedersachsen stellt eine wichtige Ausnahme dar, da es die Bedeutung einer drohenden Existenzgefährdung in die steuerliche Beurteilung mit einbezieht.
Gegen das Urteil wurde vom Finanzamt (FA) Revision eingelegt, da höchstrichterlich noch nicht geklärt ist:
- Ob die Gefahr der Existenzvernichtung sich auf eine vorübergehende oder dauerhafte Existenzvernichtung beziehen muss (z. B. Erwerbsunfähigkeit).
- Wie das Kriterium der Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse im „üblichen Rahmen“ steuerrechtlich auszulegen ist.
Fazit
Die Entscheidung des FG Niedersachsen könnte einen wichtigen steuerrechtlichen Präzedenzfall schaffen, sofern der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision bestätigt. Steuerpflichtige sollten daher aktuelle Entwicklungen zur Absetzbarkeit von Prozesskosten in existenziellen Fällen genau beobachten. Eine abschließende Klärung durch den BFH bleibt abzuwarten.