Insolvenzverfahren und Werbungskosten: BFH verwehrt Abzug bei rein insolvenzbedingten Aufwendungen

Die steuerliche Berücksichtigung von Kosten im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren ist immer wieder Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun mit Urteil vom 6. Februar 2024 (IX R 10/21) klargestellt: Aufwendungen, die ausschließlich durch ein Insolvenzverfahren verursacht sind, dürfen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften abgezogen werden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Kosten auch außerhalb des Insolvenzverfahrens angefallen wären.


Hintergrund: Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist

Im Urteilsfall ging es um die steuerliche Behandlung von Kosten, die im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks während eines Insolvenzverfahrens angefallen waren. Die Veräußerung erfolgte innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist und unterlag damit der Einkommensteuer gemäß § 23 EStG. Der Kläger machte verschiedene Kosten – darunter Steuerberatungskosten und Vorfälligkeitsentschädigungen – als Werbungskosten geltend.


Das Urteil des BFH: Keine Werbungskosten bei reiner Insolvenzveranlassung

Der BFH verneinte den Werbungskostenabzug, soweit die Aufwendungen allein auf die Durchführung des Insolvenzverfahrens zurückzuführen waren. Diese Kosten seien der privaten Vermögenssphäre zuzuordnen und steuerlich irrelevant.

Aber: Aufwendungen, die auch bei einer Veräußerung außerhalb des Insolvenzverfahrens angefallen wären (z. B. Notarkosten, Steuerberaterhonorare für die Verkaufsabwicklung, Bankentgelte), können anteilig als Werbungskosten geltend gemacht werden – soweit sie eindeutig dem steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäft zuzuordnen sind.

Praxis-Tipp: Die Aufwendungen müssen entsprechend aufgeteilt werden. Der steuerlich relevante Anteil ist – wie vom BFH gefordert – zu schätzen.


Insolvenzverfahren: Keine außergewöhnliche Belastung

Neben dem Werbungskostenabzug prüfte der BFH auch, ob die Insolvenzkosten als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend gemacht werden können. Auch hier erteilte das Gericht eine klare Absage: Insolvenzen seien nicht unüblich, sondern ein allgemeines Lebensrisiko. Damit fehlt es an der gesetzlich geforderten Außergewöhnlichkeit.

Die frühere – großzügigere – Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2016, die eine Ausnahme bei unverschuldeter Überschuldung zuließ, ist damit überholt.


Betriebsvermögen: Insolvenzkosten ggf. als Betriebsausgaben abzugsfähig

Abweichend davon können Insolvenzaufwendungen durchaus Betriebsausgaben sein, wenn sie mit dem Betriebsvermögen im Zusammenhang stehen. Das gilt etwa dann, wenn der Insolvenzverwalter mit der Fortführung oder Abwicklung eines Betriebs beauftragt wurde. Entscheidend ist hier die betriebliche Veranlassung – unabhängig davon, ob im Verfahren auch private Schulden angemeldet werden.


Offene Rechtsfrage: Einkommensteuer aus Zwangsversteigerung – Masseverbindlichkeit oder nicht?

Ein weiteres, nun beim BFH (Az. IX R 5/24) anhängiges Verfahren betrifft die einkommensteuerliche Einordnung der Steuerlast aus einer Zwangsversteigerung während des Insolvenzverfahrens. Das FG Münster entschied, dass die Einkommensteuer keine Masseverbindlichkeit ist, wenn die Beschlagnahme vor, die Versteigerung aber nach Insolvenzeröffnung stattfand. Das Finanzamt müsse sich in die Gläubigerliste einreihen und bekomme nur die Quote.

Anders hatte dies der X. Senat des BFH im Jahr 2020 gesehen, wenn der Insolvenzverwalter vor der Versteigerung ausreichend Zeit zur Freigabe des Grundstücks hatte.

Das neue Urteil des IX. Senats dürfte hier für Klärung sorgen – und ist für viele laufende Insolvenzverfahren von erheblicher Bedeutung.


Fazit: Insolvenzaufwendungen nur in Ausnahmefällen steuerlich relevant

  • Kosten rein aufgrund des Insolvenzverfahrens sind nicht als Werbungskosten abziehbar.
  • Kosten, die unabhängig vom Insolvenzverfahren angefallen wären, können anteilig berücksichtigt werden.
  • Eine Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung ist ausgeschlossen.
  • Für Betriebsausgaben gelten andere Maßstäbe – bei betrieblicher Veranlassung ist ein Abzug möglich.
  • Offene Fragen zur steuerlichen Einordnung von Insolvenzfolgen bleiben – das BFH-Verfahren IX R 5/24 wird mit Spannung erwartet.

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