Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) bringt Klarheit für einen rechtlichen Graubereich: Werden Schmiergelder vom Strafgericht eingezogen, mindert sich die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage. Damit wird eine unzulässige Doppelbelastung des Täters vermieden – mit wichtigen Folgen für Steuerberater und die steuerliche Praxis.
💼 Der Hintergrund: Bestechung im geschäftlichen Verkehr
Ein Projektleiter im Bauwesen hatte sich durch wiederholte Annahme von Vorteilen – etwa kostenlose Bauleistungen am eigenen Haus – der Bestechlichkeit strafbar gemacht. Die erhaltenen „Schmiergelder“ wurden strafrechtlich eingezogen, und der Täter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Das Finanzamt sah die Schmiergeldzahlungen als Entgelte für steuerpflichtige sonstige Leistungen – und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Das ist grundsätzlich richtig, da auch illegale Leistungen dem Umsatzsteuergesetz unterliegen, wenn sie im Zusammenhang mit einem legalen Markt erbracht werden.
⚖️ Die Frage: Was passiert mit der Umsatzsteuer, wenn das Schmiergeld eingezogen wird?
Hier lag der Streitpunkt: Muss der Täter trotz Einziehung der Vorteile durch die Justiz weiterhin auf diese Beträge Umsatzsteuer zahlen?
Das Finanzamt meinte: Ja – das Geld sei ja geflossen.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg bestätigte zunächst diese Sichtweise.
Doch der BFH (Urteil vom 15.11.2023, XI R 18/21) widersprach nun deutlich: Wird ein Bestechungsbetrag strafrechtlich eingezogen, ist die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage um diesen Betrag zu mindern.
📉 Was sagt der BFH konkret?
- Strafrechtlich eingezogene Schmiergelder mindern die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer.
- Maßgeblich ist der Zeitpunkt der erfolgreichen Einziehung – analog zu § 17 Abs. 1 UStG.
- Der Steuerpflichtige soll nicht doppelt belastet werden – erst durch die Einziehung, dann nochmals durch die Umsatzsteuer.
- Die BFH-Richter begründen dies mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der EU.
- Entscheidend: Es spielt keine Rolle, dass der Betrag nicht an den Bestechenden zurückfließt, sondern beim Staat verbleibt.
📌 Was bedeutet das für die Praxis?
Für Steuerberater:
- Wichtiges Update für die Veranlagung von Mandanten, gegen die ein Strafverfahren wegen Bestechung läuft.
- Der Steuerberater muss proaktiv sicherstellen, dass die Einziehung der Vorteile dem Finanzamt bekannt wird – sonst droht Doppelbesteuerung!
- Im Zweifel ist eine Berichtigung der Steuerfestsetzung erforderlich, sobald die Einziehung wirksam ist.
Für Unternehmer:
- Auch strafbare Handlungen können steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen.
- Wer unrechtmäßige Vorteile annimmt und „unternehmerisch tätig“ ist, kann umsatzsteuerlich nicht auf Straffreiheit hoffen – aber zumindest auf eine faire Bemessung.
🧾 Und die Einkommensteuer?
Zwar sind Geldstrafen, Bußgelder oder andere strafähnliche Zahlungen nicht abzugsfähig.
Aber: Eingezogene Beträge, die einen rechtswidrig erlangten wirtschaftlichen Vorteil abschöpfen, können im Rahmen der Einkünfteermittlung als Aufwand berücksichtigt werden – sofern sie mit der Einkunftsquelle in Zusammenhang stehen.
✅ Fazit: Ein praxisrelevantes Urteil mit klarer Signalwirkung
Der BFH stärkt die steuerliche Fairness in Strafverfahren: Wer Vorteile verliert, soll nicht zusätzlich umsatzsteuerlich bestraft werden. Steuerberater sind gefordert, im Fall strafrechtlicher Einziehungen die Korrektur der Umsatzsteuerveranlagung aktiv anzustoßen.
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Quelle:
BFH, Urteil vom 15.11.2023 – XI R 18/21
Pressemitteilung des BFH Nr. 14/2024
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.06.2021 – 5 K 5040/18