Wegzug in die Schweiz: BMF passt Anwendung des AStG an EuGH- und BFH-Rechtsprechung an

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 02.06.2025 (GZ: IV B 5 – S 1348/00008/004/159) die Anwendung von § 6 AStG a. F. nach dem EuGH-Urteil „Wächtler“ (C-581/17) und dem BFH-Urteil vom 06.09.2023 (I R 35/20) angepasst. Die neuen Verwaltungsregelungen betreffen insbesondere Wegzüge natürlicher Personen in die Schweiz – mit erheblichen Folgen für Beratung und Steuerpraxis.


🔎 Hintergrund: EuGH und BFH rügen Einschränkungen des Freizügigkeitsabkommens

Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 26.02.2019 (C-581/17, „Wächtler“) entschieden, dass das deutsche Wegzugsbesteuerungsrecht in seiner alten Fassung gegen das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz (FZA) verstößt – konkret gegen die dort verankerte Niederlassungsfreiheit.

Der BFH folgte dieser Linie mit Urteil vom 06.09.2023 (I R 35/20) und betonte die Pflicht zur zinslosen, unbefristeten Stundung unter bestimmten Voraussetzungen.


✍️ Kernaussagen des BMF-Schreibens vom 02.06.2025

🔹 1. Unbefristete, zinslose Stundung bei Wegzügen vor dem 01.01.2022

Ein Antrag auf zinslose und unbefristete Stundung ist möglich, wenn:

  • der Steuerpflichtige EU- oder Schweizer Staatsbürger ist,
  • der Wegzug vor dem 01.01.2022 erfolgt ist,
  • der Wegzug unter das FZA Schweiz fällt (z. B. wegen Erwerbstätigkeit),
  • in der Schweiz eine vergleichbare Steuerpflicht wie nach § 1 Abs. 1 EStG besteht
  • und kein Stundungswiderrufsgrund eingetreten ist.

👉 Die Pflicht zur Sicherheitsleistung bleibt grundsätzlich bestehen.


🔹 2. Pflichten des Steuerpflichtigen

  • Mitteilungspflicht bei Widerrufstatbeständen (z. B. Aufgabe Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit, Anteilsübertragung)
  • Jährliche Bestätigung über den Verbleib der Anteile und aktuelle Anschrift
  • Frist zur Mitteilung: 1 Monat nach Ereignis, jährliche Meldung bis 31.01.

🔹 3. Einschränkung der Rückkehrerregelung

Ein vollständiger Entfall der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 3 AStG a. F. ist ausgeschlossen, wenn:

  • nach dem 16.08.2023 Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückgewähr erfolgen
  • deren Wert mehr als 25 % des Anteilswertes beim Wegzug beträgt

👉 Diese Einschränkung gilt auch bei Rückkehr nach Deutschland.


🔹 4. Folgen bei Weiterumzug innerhalb der Schweiz oder aus der EU heraus

Die Regelungen zur Stundung und zum Widerruf gelten sinngemäß auch bei weiteren Wegzügen, sofern das FZA Schweiz weiter Anwendung findet (z. B. bei Erwerbstätigkeit in der Schweiz nach vorherigem Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat).


🔹 5. Rückwirkende Stundung möglich

Eine rückwirkende zinslose Stundung ist auch dann möglich, wenn die Steuer bereits gezahlt oder verrechnet wurde – sofern keine Zahlungsverjährung eingetreten ist.

👉 Ein sich daraus ergebender Erstattungsanspruch ist ab dem Vorliegen aller Voraussetzungen zu verzinsen.


🛑 Aufhebung früherer Verwaltungsanweisung

Das BMF-Schreiben vom 13.11.2019 (BStBl I S. 1212) wurde aufgehoben. Es gelten nun ausschließlich die neuen Vorgaben.


🧾 Was heißt das für betroffene Mandanten?

  • Steuerpflichtige, die vor dem 01.01.2022 in die Schweiz verzogen sind, sollten prüfen lassen, ob rückwirkend ein Antrag auf zinslose Stundung gestellt werden kann.
  • Bei späteren Anteilsübertragungen, Ausschüttungen oder Weiterumzügen sind Mitteilungspflichten und Widerrufstatbestände zu beachten.
  • Die Rückkehr nach Deutschland ist weiterhin möglich, aber mit Einschränkungen bei bereits erfolgten Ausschüttungen.

🛠 Unsere Empfehlung

  • Prüfen Sie bei allen Wegzügen in die Schweiz die Anwendbarkeit des FZA und die Voraussetzungen der neuen Stundungsregelungen.
  • Lassen Sie etwaige bereits gezahlte Steueransprüche auf mögliche Erstattung hin analysieren.
  • Achten Sie auf die strengen Mitteilungs- und Fristvorgaben bei Rückkehr oder Veränderung der Verhältnisse.

📌 Quelle:
Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 02.06.2025
GZ: IV B 5 – S 1348/00008/004/159