Aktuelle Entwicklungen und steuerrechtliche Einordnung
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort (BT-Drs. 21/915) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erstmals konkrete Zahlen zu laufenden Cum-Cum-Verdachtsfällen veröffentlicht. Demnach befinden sich 253 Fälle mit einem mutmaßlichen Steuerschaden von rund 7,3 Milliarden Euro derzeit bei den obersten Finanzbehörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung.
Was sind Cum-Cum-Geschäfte?
Cum-Cum-Geschäfte sind eine steuerliche Gestaltung rund um den Dividendenstichtag, bei der es ausländischen Investoren möglich gemacht wurde, durch Zwischenschaltung deutscher Banken oder inländischer Kapitalgesellschaften Kapitalertragsteuer zu umgehen, die ihnen an sich nicht zustand. Im Unterschied zu Cum-Ex-Geschäften wurden die Aktien bei Cum-Cum-Geschäften nicht mehrfach mit Steueranspruch gehandelt, sondern lediglich vorübergehend „verliehen“ oder übertragen.
Ziel war es regelmäßig, den inländischen Kapitalertragsteuerabzug auf Dividendenzahlungen zu umgehen oder sich eine Steuererstattung zu sichern, die dem wirtschaftlichen Eigentümer gar nicht zustand.
Zahlen & Beteiligte: Wer steckt hinter den Cum-Cum-Fällen?
Laut Bundesregierung sind nach aktuellem Stand:
- 55 Banken unmittelbar beteiligt gewesen, darunter
- 19 öffentlich-rechtliche Institute
- 16 Genossenschaftsbanken
- 14 Versicherungen haben Cum-Cum-Transaktionen direkt oder über Fonds vorgenommen
- 5 Kapitalverwaltungsgesellschaften erklärten, dass Cum-Cum-Transaktionen in von ihnen verwalteten Fonds im Jahr 2017 stattfanden
Die Anzahl betroffener Institute und die Breite über verschiedene Sektoren (Banken, Versicherungen, KVGs) zeigt, dass es sich um eine weit verbreitete Praxis handelte.
Verjährung: Noch offen, Länder zuständig
Zur Frage der möglichen Verjährung erklärt die Bundesregierung, dass ihr keine konkreten Kenntnisse zu Einzelfällen vorliegen. Dies liege in der Verantwortung der Länder, da sowohl der Vollzug der Steuergesetze als auch die Verfolgung von Steuerstraftaten den Finanzverwaltungen der Länder obliegt.
Die steuerliche Festsetzungsverjährung (§ 169 AO) sowie die Strafverfolgungsverjährung (§ 78 StGB) sind somit abhängig von konkreten Einzelfallkonstellationen – etwa von der Frage, wann die Tat beendet war und ob eine Steuerhinterziehung oder nur leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.
Steuerliche Relevanz für Berater und Mandanten
Für Steuerberater ist die Thematik Cum-Cum in mehrfacher Hinsicht relevant:
- Prüfung von Altstrukturen und Fondsbeteiligungen:
Auch mittelbare Beteiligungen über Fonds (z. B. Versicherungsprodukte, Altersvorsorgefonds) können betroffen sein. Bei Betriebsprüfungen oder Rückfragen durch das Finanzamt sollte geprüft werden, ob Cum-Cum-ähnliche Transaktionen vorlagen. - Compliance und Beratung:
Finanzinstitute und KVGs sind gefordert, ihre internen Dokumentations- und Abgrenzungspflichten zu stärken. Die genaue Trennung wirtschaftlichen Eigentums ist für die Beurteilung zentral. - Risikobewertung bei Mandanten mit Kapitaleinkünften ausländischer Herkunft:
Mandate mit komplexer Investmentstruktur sollten auf mögliche steuerliche Risiken aus Cum-Cum-Gestaltungen (auch unbeabsichtigt über Fonds) hin überprüft werden.
Fazit: Transparenz nimmt zu – Risiken bleiben
Mit der nun veröffentlichten Antwort legt die Bundesregierung erstmals den Umfang der Aufarbeitung von Cum-Cum-Fällen offen. Die Zahlen zeigen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem im Milliardenbereich. Für viele Institute – und auch Anleger – kann es daher zu Nachforderungen, Haftungsfragen oder Reputationsrisiken kommen.
Als Kanzlei beraten wir Sie gern zu Fragen rund um Kapitalertragsteuer, Fondsbeteiligungen, Besteuerung von Dividenden sowie zur Risikoprüfung von Beteiligungsmodellen.