Gemeinnützigkeit entfällt rückwirkend bei Verstoß gegen die Vermögensbindung

Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 29.11.2023, Az. 13 K 1127/22 K; Revision beim BFH anhängig unter Az. V R 27/25) hat entschieden: Verstößt eine Stiftung gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung, entfällt die Gemeinnützigkeit rückwirkend – mit gravierenden steuerlichen Folgen.

Der Fall

Eine Stiftung, die wissenschaftliche Projekte an Universitäten fördern sollte, wurde durch Erbvertrag als Erbin eingesetzt. Das Erbe war mit Auflagen verbunden:

  • monatliche Rentenzahlungen an die unter Betreuung stehende Tochter der Erblasser,
  • ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück.

Nach der Satzung war vorgesehen, dass im Fall der Auflösung das Stiftungsvermögen an eine steuerbegünstigte Gesellschaft fällt.

Aufgrund sinkender Kapitalerträge konnte die Stiftung ihre Zwecke nicht mehr erfüllen. 2018 wurde sie durch die Stiftungsaufsicht aufgehoben. Das Finanzamt setzte daraufhin rückwirkend für zehn Jahre Körperschaftsteuer auf die Kapitaleinkünfte fest. Begründung: Die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 AO) sei verletzt, da das Stiftungsvermögen nicht – wie vorgeschrieben – an die begünstigte Körperschaft ausgekehrt wurde.

Entscheidung des FG Münster

Das Gericht wies die Klage der Stiftung ab:

  • Verstoß gegen Vermögensbindung: Das Vermögen wurde nicht an die satzungsmäßige Anfallberechtigte übertragen.
  • Kein Ermessensspielraum: Die Nachversteuerung nach § 61 AO ist zwingend – unabhängig von Verschulden oder wirtschaftlichen Zwängen.
  • Folge: Verlust der Gemeinnützigkeit rückwirkend und Nachversteuerung sämtlicher Erträge der letzten zehn Jahre.

Selbst die schwierige Lage der Stiftung – etwa die fehlende Mitwirkung des Betreuers bei einer Ablösung der Rentenverpflichtung – änderte an der steuerlichen Konsequenz nichts.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil zeigt eindrücklich, wie streng die Finanzgerichte die Vermögensbindung bei gemeinnützigen Körperschaften handhaben:

  • Nachversteuerungspflicht: Der Entzug der Gemeinnützigkeit führt zu erheblichen Steuernachforderungen – unabhängig davon, ob die Körperschaft schuldhaft gehandelt hat.
  • Strikte Vermögenstrennung erforderlich: Gemeinnützige Mittel müssen strikt von Mitteln für Vermächtnisse oder andere Verpflichtungen getrennt werden.
  • Liquidation besonders kritisch: Im Fall der Auflösung muss das Vermögen unbedingt an die satzungsmäßig benannte Anfallberechtigte ausgekehrt werden.

Revision beim BFH

Der Bundesfinanzhof wird die Frage in der Revision (Az. V R 27/25) klären. Bis dahin bleibt offen, ob eine mildere Handhabung möglich ist.


👉 Praxistipp: Gemeinnützige Organisationen sollten ihre Satzung, Vermögensverwaltung und Liquidationsregelungen regelmäßig überprüfen. Schon organisatorische Versäumnisse können zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen – mit hohen steuerlichen Risiken.