Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei schenkweiser Übertragung von GmbH-Anteilen unter Nießbrauchsvorbehalt

FG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2025 – 9 K 2034/24 E (rechtskräftig)
Nießbrauchsbelastung hindert den unentgeltlichen Erwerb nicht – ursprüngliche Anschaffungskosten des Schenkers bleiben bei der Veräußerung maßgeblich.


Sachverhalt

Der Kläger erhielt von einem Schenker GmbH-Anteile unentgeltlich, wobei sich der Schenker ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehielt.
Dieses Nießbrauchsrecht führte zu erheblichen Einschränkungen der Eigentümerposition des Klägers:

  • kein Gewinnbezugsrecht,
  • eingeschränkte Stimmrechte,
  • Verfügungsverbot über die Anteile.

Später veräußerte der Kläger die GmbH-Anteile entgeltlich an einen Dritten.
Unmittelbar vor der Veräußerung verzichtete der Schenker gegen Zahlung einer Ablöse auf sein Nießbrauchsrecht.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger das wirtschaftliche Eigentum erst mit Ablösung des Nießbrauchs gegen Entgelt erlangt habe.
Daher seien die Anteile nicht unentgeltlich, sondern teilweise entgeltlich erworben worden – mit der Folge, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG nicht zu übernehmen seien.


Entscheidung des FG Düsseldorf

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt und stellte klar:

Der Kläger hat bereits im Zeitpunkt der Schenkung sowohl das zivilrechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen erlangt – trotz Nießbrauchsvorbehalts.

Nach Würdigung der Gesamtumstände war der Kläger derjenige, der der tatsächlichen Eigentümerstellung näher stand als der Schenker.
Der lebenslange Nießbrauch begründet zwar wirtschaftliche Einschränkungen, führt aber nicht automatisch dazu, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Schenker verbleibt.


Ablösezahlung als nachträgliche Anschaffungskosten

Die Ablösezahlung an den Schenker kurz vor der Weiterveräußerung änderte daran nichts.
Sie diente ausschließlich der Befreiung von der Belastung (Nießbrauch) und führte nicht zu einem entgeltlichen Erwerb der Anteile selbst.

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 25.01.2022 – IX R 14/21) stellen derartige Ablösezahlungen nachträgliche Anschaffungskosten dar.

Folglich gelten die Anteile steuerlich weiterhin als unentgeltlich erworben, mit der Konsequenz, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG zu berücksichtigen sind.


Rechtliche Würdigung und Bedeutung für die Praxis

Das Urteil konkretisiert die Abgrenzung von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum im Zusammenhang mit Nießbrauchsgestaltungen und Schenkungen von Gesellschaftsanteilen.

Wesentliche Punkte:

  • Der Nießbrauchsvorbehalt allein verhindert den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht automatisch.
  • Maßgeblich ist eine Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse (Verfügungsbefugnis, Chancen und Risiken der Beteiligung).
  • Eine Ablösung des Nießbrauchs gegen Zahlung führt nicht zu einem entgeltlichen Erwerb, sondern zu nachträglichen Anschaffungskosten.
  • Bei anschließender Veräußerung sind somit die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers maßgeblich (§ 17 Abs. 2 Satz 5 EStG).

Das Urteil stärkt die steuerliche Rechtssicherheit bei der vorweggenommenen Erbfolge mit Nießbrauchsvorbehalt, einer gängigen Gestaltungsform in der Unternehmensnachfolge.


Fazit

Das FG Düsseldorf stellt klar:

  • Auch wenn der Erwerber durch ein Nießbrauchsrecht in seiner Nutzung stark eingeschränkt ist, kann er wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des Steuerrechts sein.
  • Die Ablösung des Nießbrauchs ändert daran nichts, sondern führt lediglich zu nachträglichen Anschaffungskosten.

Damit bleibt der unentgeltliche Charakter der Übertragung gewahrt – und die ursprünglichen Anschaffungskosten des Schenkers sind bei der späteren Veräußerung fortzuführen.


Quelle:
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2025 – 9 K 2034/24 E (rechtskräftig)
Mitteilung im Newsletter Oktober 2025