Nicht umsatzsteuerbare Entnahme und Veräußerung von Ausstellungsstücken

FG Niedersachsen, Urteil vom 03.04.2025 – 5 K 15/24 (rechtskräftig)

Kernaussage:
Die Veräußerung eines zuvor ohne Vorsteuerabzug eingelegten Gegenstands (hier: Fahrzeuge) ist nur dann dem Unternehmensbereich zuzuordnen und damit umsatzsteuerbar, wenn der Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet war und nicht vorher nach außen erkennbar entnommen wurde.
Eine bloße Buchungsnotiz am Verkaufstag reicht nicht. Erforderlich sind objektive Entnahmeindizien vor der ersten Verkaufsbemühung (z. B. erstes Inserat) und eine gewisse Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf.

Merke: Die maßgebliche Schwelle ist der Zeitpunkt des ersten Verkaufsangebots bzw. der ersten Verkaufsbemühung. Davor muss die Entnahme nach außen sichtbar erfolgt sein – andernfalls gilt die Veräußerung als unternehmerisch und ist umsatzsteuerpflichtig.


1. Sachverhalt in Kürze

  • Unternehmer mit Handel/Vermietung von Kfz/Wohnmobilen; EÜR nach § 4 Abs. 3 EStG.
  • Zwei Fahrzeuge (VW Multivan, Fiat Ducato Womo) aus Privatvermögen ohne Vorsteuerabzug ins Unternehmen eingelegt.
  • Laufende Vorsteuer aus Reparaturen/Betriebskosten geltend gemacht.
  • Späterer Verkauf mit privatem ADAC-Kaufvertrag und ohne USt-Ausweis; interne Buchung „Entnahme ohne USt“ am Tag des Kaufs/Übergabe.
  • FA: kein Nachweis einer vorherigen Entnahme; Verkäufe umsatzsteuerpflichtig.
  • FG: Klage abgewiesen – keine nach außen erkennbare, rechtzeitige Entnahme.

2. Rechtliche Leitplanken

  • Unternehmenszuordnung: Ein Gegenstand wird nur dann unternehmerisch veräußert, wenn er dem Unternehmen zugeordnet war und bis zum Verkauf nicht entnommen wurde.
  • Entnahme (§ 3 Abs. 1b UStG):
    • Bei ohne Vorsteuerabzug eingelegten Gegenständen kann die Entnahme nicht umsatzsteuerbar sein.
    • Aber: Die Entnahme muss objektiv erkennbar und zeitlich vor der Verkaufsbemühung liegen.
  • Beweislast/Indizien:
    • Inserate, Exposés, mobile.de-Anzeigen = Beginn der Verkaufsbemühung.
    • Interne Buchung am Verkaufstag genügt nicht.
    • Fortgeführter Vorsteuerabzug (z. B. Reparaturkosten) spricht gegen eine Entnahme.

3. Was das Gericht konkret verlangt

  1. Zeitliche Trennung: Zwischen Entnahme und Verkauf muss eine gewisse Zeitspanne liegen.
  2. Externe Sichtbarkeit: Entnahme muss nach außen erkennbar sein (z. B. Nutzungsänderung, Dokumentation, Kennzeichnung als Privatvermögen).
  3. Dokumentationssubstanz statt Etikett:
    • „Privater Kaufvertrag“ oder der Wille, keine Rechnung mit USt ausstellen zu wollen, ersetzt keine Entnahme.
  4. Kohärentes Verhalten:
    • Wer nach angeblicher Entnahme weiter Vorsteuer für das Objekt zieht, widerlegt die Entnahme faktisch.
  5. Außenvergleich: Gehört der Handel mit derartigen Gegenständen zum Unternehmensgegenstand, spricht dies für eine Veräußerung aus dem Unternehmen.

4. Praxisfolgen für Unternehmer:innen

  • Verkäufe aus dem Unternehmensvermögen sind regelmäßig umsatzsteuerpflichtig (Regelsteuersatz), auch wenn bei Einlage kein Vorsteuerabzug stattfand.
  • Eine nicht steuerbare Entnahme setzt vorherige, nachweisbare und extern erkennbare Entnahmehandlungen voraus – vor dem ersten Inserat/Angebot.
  • Buchung am Verkaufstag, privater Kaufvertrag oder kein USt-Ausweis genügen nicht als Entnahmenachweis.

5. Checkliste „Saubere Entnahme vor Verkauf“

Setzen Sie – vor dem ersten Verkaufsangebot – folgende Schritte:

  1. Entnahmebeschluss (intern, datiert, unterschrieben):
    • Begründung (z. B. künftig private Nutzung, Entnahme zum Zeitwert).
  2. Belegnachweis Entnahmezeitpunkt:
    • Anlagenverzeichnis: Umbuchung „Betriebsvermögen → Privatvermögen“ mit Zeitwert.
    • Inventar-/Nutzungsnachweis (z. B. Kilometerstand, Standortwechsel, Versicherungs-/Kennzeichenwechsel, Privatgaragenvertrag).
  3. Vorsteuer-Stoppschild:
    • Ab Entnahme keine Vorsteuer mehr aus laufenden Kosten ziehen.
  4. Beweis der Privatnutzung:
    • z. B. Privat-Haftpflicht/Versicherung umstellen, Privatkosten buchen.
  5. Erst danach:
    • Inserat/Angebot auf mobile.de & Co.
    • Wenn späterer Verkauf, dann privater Kaufvertrag ohne USt ist folgerichtig.

Tipp: Dokumentieren Sie den Entnahmezeitwert nachvollziehbar (Marktpreisgutachten, Vergleichsangebote). So vermeiden Sie Diskussionen zum Ertragsteuerteil (Entnahmegewinn).


6. Häufige Fehler (und wie Sie sie vermeiden)

  • Fehler: Entnahme am Verkaufstag buchen.
    Besser: Entnahme vor dem ersten Inserat, mit externen Nachweisen.
  • Fehler: Weiterhin Vorsteuer aus Reparaturen nach angeblicher Entnahme.
    Besser: Nach Entnahme konsequent keine Vorsteuer mehr; Kosten privat führen.
  • Fehler: Nur „privater Kaufvertrag“ als Beleg.
    Besser: Vollständige Entnahmedokumentation + zeitlicher Abstand zum Angebot.
  • Fehler: Unternehmensgegenstand umfasst Handel mit diesen Gütern, aber Verkauf wird als „privat“ deklariert.
    Besser: Prüfen, ob Überführung ins Privatvermögen tatsächlich gerechtfertigt und dokumentiert ist.

7. Fazit

Eine nicht umsatzsteuerbare Entnahme erfordert mehr als eine Buchungszeile:
Sie braucht vorverlagerte, nach außen erkennbare Schritte und einen zeitlichen Abstand zum Verkauf.
Fehlt es daran – oder fließen nach der Entnahme weiterhin Vorsteuerbeträge – wird die Veräußerung dem Unternehmen zugerechnet und ist umsatzsteuerpflichtig.


8. Handlungsempfehlung für die Praxis

  • Planen Sie den Verkauf von Ausstellungsstücken/Fuhrpark?
    Entnahmeprozess rechtzeitig starten, sauber dokumentieren, vor dem ersten Inserat.
  • Stimmen Sie Entnahme, Ertragsteuerfolgen (Entnahmegewinn) und USt-Thematik mit Ihrer Steuerberatung ab.
  • Für wiederkehrende Fälle (z. B. Fahrzeugwechsel) lohnt sich ein kanzleiweiter SOP/Leitfaden mit Mustern (Entnahmebeschluss, Checkliste, Nachweisvorlagen).

Fundstelle: FG Niedersachsen, Urteil vom 03.04.2025 – 5 K 15/24 (rechtskräftig)