BFH zur Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG auf Besitz-Personengesellschaften in Schenkungsfällen

BFH, Urteil vom 16.07.2025 – I R 13/22

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 16. Juli 2025 (I R 13/22) zentrale Klarstellungen zur Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG bei Besitz-Personengesellschaften getroffen. Im Fokus steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit Schenkungen weiterhin „steuerverhaftet“ bleiben und wann die Rechtsfolgen des § 50i EStG überhaupt ausgelöst werden können. Die Entscheidung ist insbesondere für Gestaltungen im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge und der Betriebsaufspaltung von erheblicher praktischer Bedeutung.

Hintergrund: § 50i EStG und Besitz-Personengesellschaften

§ 50i EStG dient der Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts, insbesondere bei Umstrukturierungen mit Auslandsbezug. Die Vorschrift verhindert, dass stille Reserven in bestimmten Konstellationen steuerneutral aus dem deutschen Besteuerungszugriff herausgelangen. In der Beratungspraxis relevant ist § 50i EStG vor allem bei Besitz-Personengesellschaften, die Wirtschaftsgüter (z. B. Grundstücke oder Beteiligungen) an eine Betriebsgesellschaft überlassen.

Strittig war im entschiedenen Fall, wie weit der Anwendungsbereich des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG reicht und welche Vorgänge als „Übertragung oder Überführung“ eines Wirtschaftsguts zu qualifizieren sind.

Kernaussagen des BFH

Der BFH stellt zunächst klar, dass § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG als modifizierte Rechtsgrundverweisung auf § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG zu verstehen ist. Voraussetzung für die Anwendung der Norm ist daher zwingend eine Übertragung oder Überführung des betreffenden Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft.

Dabei grenzt der BFH den Begriff der Übertragung bzw. Überführung eng aus: Erfasst ist ausschließlich der erstmalige Übergang eines Wirtschaftsguts „von außen“ in das Betriebsvermögen der Besitz-Personengesellschaft. Nicht erfasst sind dagegen rein gesellschaftsinterne Vorgänge, wie etwa:

  • Übertragungen zwischen Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen,
  • Übertragungen zwischen verschiedenen Sonderbetriebsvermögen innerhalb derselben Personengesellschaft.

Solche Vorgänge lösen für sich genommen keine Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG aus.

Stille Reserven als zwingende Voraussetzung

Weiter betont der BFH, dass eine Übertragung oder Überführung nur dann „ohne Aufdeckung stiller Reserven“ im Sinne des § 50i Abs. 1 EStG erfolgt sein kann, wenn das Wirtschaftsgut überhaupt stille Reserven enthält. Fehlt es daran, scheidet die Anwendung der Vorschrift bereits dem Grunde nach aus.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Herstellung oder der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts zeitlich mit dem Übergang in das Betriebsvermögen der Personengesellschaft zusammenfällt. In diesen Fällen können definitionsgemäß keine stillen Reserven vorhanden sein.

Schenkung innerhalb des Betriebsvermögens

Von besonderer praktischer Relevanz ist die weitere Klarstellung des BFH zur Behandlung von Schenkungen. Ein Wirtschaftsgut, das zuvor ohne Aufdeckung stiller Reserven in das Betriebsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft übertragen worden ist, bleibt steuerverhaftet, wenn es anschließend im Wege der Schenkung zivilrechtlich auf eine andere Person übergeht, ohne aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft auszuscheiden.

Bemerkenswert ist, dass die Rechtsfolgen des § 50i Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG in diesen Fällen erstmals beim Rechtsnachfolger eintreten können. Damit wird deutlich, dass § 50i EStG nicht nur an den ursprünglichen Steuerpflichtigen anknüpft, sondern auch Rechtsnachfolger erfassen kann, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Maßgeblicher Zeitpunkt für § 17 EStG

Schließlich äußert sich der BFH zur zeitlichen Bezugsebene bei der Prüfung der Beteiligungsvoraussetzungen nach § 17 EStG. Maßgeblich ist stets die im Zeitpunkt der jeweiligen Übertragung oder Überführung geltende Fassung des § 17 EStG. Spätere Gesetzesänderungen sind für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen unbeachtlich.

Praxishinweis

Das Urteil verdeutlicht, dass § 50i EStG in Schenkungs- und Nachfolgekonstellationen sorgfältig mitzudenken ist. Insbesondere bei Besitz-Personengesellschaften sollte genau geprüft werden,

  • ob tatsächlich ein erstmaliger Übergang eines Wirtschaftsguts „von außen“ vorliegt,
  • ob stille Reserven vorhanden sind und
  • ob Schenkungen innerhalb des Betriebsvermögens zu einer fortbestehenden Steuerverhaftung führen können.

Für die Gestaltungsberatung bedeutet dies: Die steuerlichen Folgen von Vermögensübertragungen lassen sich nur durch eine präzise Analyse der Vermögenszuordnung, der Entstehung stiller Reserven und des zeitlichen Anknüpfungspunkts sicher beurteilen.

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.07.2025 – I R 13/22 (LEXinform-Dokument Nr. 0954140)