Abgabenordnung: Voraussetzungen für den Erlass bzw. die Erstattung von Nachzahlungs- und Aussetzungszinsen

Finanzgericht Köln, 10 K 1162/11

Datum:
10.10.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1162/11
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Nachzahlungs- bzw. Aussetzungszinsen zu erlassen und zu erstatten sind.

3Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2002 sind gegen die Kläger Nachzahlungszinsen im Sinne von § 233a AO i.H.v. 5.766 und im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung 2003 i.H.v. 21.188 € festgesetzt und erhoben worden.

4Mit Zinsbescheid vom 16.12.2009 sind Aussetzungszinsen von insgesamt 121.629 € festgesetzt worden, welche auf eine Einkommensteuernachzahlung für 2002 in Höhe von ca. 28.000 € sowie eine Einkommensteuernachzahlung für 2003 in Höhe von ca. 558.750 € entfielen.

5Die Einkommensteuernachzahlungen resultierten unstreitig aus der Umsetzung einer zwischen der deutschen und der britischen Finanzverwaltung erzielten Verständigung hinsichtlich der Zuordnung von Einkünften aus den Jahren 2002 und 2003 gemäß einem bilateralen Verständigungsvorschlag vom 06.04.2009, dem die Kläger zugestimmt hatten.

6Im Anschluss beantragten die Kläger den Erlass der festgesetzten Zinsen. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. 6. 2010 ab. Hiergegen wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 01.07.2010, welcher mit Einspruchsentscheidung vom 14.03.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

7Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass sachliche Billigkeitsgründe für einen Erlass der Zinsen in einer Gesamthöhe von 72.235 € sowie die Erstattung dieses bereits gezahlten Betrages nicht vorliegen würden. Die Verzinsung nach § 233a AO sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Dies gelte auch für Verzögerungen bei der Steuerfestsetzung und einer daraus resultierenden langen Verfahrensdauer, selbst wenn diese allein vom Finanzamt zu vertreten sei. Hintergrund sei, dass die Vorschrift verschuldensunabhängig ausgestaltet sei. Die Vorschrift sei kein Sanktions- bzw. Druckmittel, sondern solle lediglich den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen und den Zinsnachteil des Steuergläubigers ausgleichen. Auch die Kumulierung der britischen und der deutschen Steuerfestsetzung rechtfertige keinen Billigkeitserlass. Soweit bei den Klägern eine Doppelbelastung zeitweise – und durch die Veränderung von Umrechnungskursen auch endgültig – eingetreten sein sollte, so stelle dies eine typische Belastung durch die Beteiligung zweier Steuerverwaltungen dar. Sie rechtfertige keinen Erlass aus Billigkeitsgründen. Gerade im Hinblick auf die Wechselkursschwankungen sei zu berücksichtigen, dass solche auch zu Gunsten der Kläger hätten eintreten können. Hierbei handele es sich also nicht um ein ausschließlich vom Fiskus zu vertretendes Risiko.

8Gleiches gelte für die Aussetzungszinsen. Diese seien nach § 237 AO auch bei längerer Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens zu bezahlen. Dies gelte selbst bei schuldhaft verzögerter Rechtsbehelfsbearbeitung. Durch die Zinsen solle unter anderem auch der Zinsnachteil des Steuergläubigers durch die nicht rechtzeitige Zahlung von streitigen Steuern ausgeglichen werden.

9Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrer Klage vom 15.04.2011.

10Zur Begründung trugen sie vor, dass die Einkommensteuerfestsetzungen 2002 und 2003 in erheblichem Umfang bereits im Veranlagungsverfahren verzögert worden seien. Sodann hätten sich erhebliche Verzögerungen durch die bilateralen Verständigungen mit der britischen Verwaltung ergeben. Daneben sei der Umstand zu berücksichtigen, dass bereits 3 Monate nach Einreichen der deutschen Steuererklärung die britische Finanzverwaltung am 31.01.2005 die Erhebung abgeschlossen habe und hierdurch zeitlich versetzt nacheinander ohne die Möglichkeit einer Einflussnahme durch den Steuerpflichtigen eine Doppelbesteuerung erfolgt sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach der Verständigung es zu einer Erstattung durch die britische Steuerbehörde i.H.v. 38.603 £ kam, deren Wert aufgrund eines extrem verschlechterten Umrechnungskurses nicht mit den Werten der nunmehr bestandskräftig geworden Einkommensteuerfestsetzung – welche von erheblich höheren Umrechnungskursen ausging – vergleichbar gewesen wäre. Dies habe einen Liquiditätsnachteil im Umfang von nahezu 100.000 € bedeutet.

11Im Einzelnen habe der Beklagte während des Veranlagungs- und des ersten Einspruchsverfahrens 2002 bei einer Gesamtdauer von 39 Monaten eine Verzögerung von 12 Monaten verursacht. Hinsichtlich des zweiten Einspruchs- und Verständigungsverfahrens sei bei einer Gesamtdauer des Verfahrens von 25 Monaten eine Verzögerung von 10 Monaten verursacht worden. Schließlich sei über einen Zeitraum von 46 Monaten hinweg in 6 einzelnen Schritten nacheinander von der Veranlagungsstelle stets neues Material zur Beurteilung der beschränkten Steuerpflicht angefordert worden. Somit seien 34 Monate ab Einreichung der Steuererklärung vergangen, bevor überhaupt erstmals die seinerzeit streitige Behandlung von Gehaltsbestandteilen für Dienstreisen angesprochen worden sei.

12Hinsichtlich der Veranlagung des Jahres 2003 habe der Beklagte eine Verzögerung von 5 Monaten bei einer Gesamtdauer des Verfahrens von 13 Monaten verursacht. Im Hinblick auf das Einspruchsverfahren habe er eine Verzögerung von 20 Monaten bei einer Gesamtdauer von 43 Monaten zu vertreten.

13Aufgrund dieser zeitlichen Gesichtspunkte sowie der wechselkursbedingten Liquiditätsnachteile sei es sachlich billig, einen Teilerlass der Zinsen vorzunehmen. Dies ergebe sich im Rahmen einer Gesamtbewertung aller einzelnen Faktoren. Es stehe fest, dass den Klägern durch die verspätete Steuerfestsetzung kein Vorteil zugeflossen sei.

14Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass unterdessen aufgrund einer geänderten Verwaltungsauffassung materiell-rechtlich der seinerzeit streitige Sachverhalt anders als in dem Verständigungsverfahren gelöst worden wäre. Das Ergebnis hätte sich zu Gunsten der Kläger ausgewirkt.

15Die Kläger beantragen,

16              den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 24.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.03.2011 zu verpflichten,

17              a. die mit dem Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 23.05.2007 in Höhe von insgesamt 5.766 € festgesetzten Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO in Höhe eines Teilbetrages von 1.593 €;

18              b. die mit dem Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 09.07.2009 in Höhe von insgesamt 21.388 € festgesetzten Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO in Höhe eines Teilbetrages von 13.367,50 €;

19              c. Die mit Bescheid vom 16.12.2009 in Höhe von insgesamt 3.499 € festgesetzten Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO zur Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2002 in Höhe eines Teilbetrags von 1.400 €;

20              d. die mit dem Bescheid vom 16.12.2009 in Höhe von insgesamt 120.130 € festgesetzten Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO zur Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2003 in Höhe eines Teilbetrages von 55.875 €

21              aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen und aufgrund zwischenzeitlich geleisteter Zahlung zu erstatten;

22              hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 24.06.2010 und der Einspruchsentscheidung vom 14.03.2011 zu verpflichten, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

23Der Beklagte beantragt,

24die Klage abzuweisen.

25Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.

26Entscheidungsgründe

27Die Klage ist unbegründet.

281. Die Ablehnung des Zinserlasses bzw. der Zinserstattung ist rechtmäßig, die Kläger haben keinen Anspruch auf den beantragten Zinserlass. Sie sind damit nicht in ihren Rechten verletzt, vgl. § 101 FGO.

29a. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (teilweise) Erstattung der Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO.

30aa. Die Finanzbehörden können gemäß § 227 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

31Es wird unterschieden zwischen sachlichen und persönlichen Billigkeitsgründen. Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Festsetzung der Steuer an sich zwar dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint, wenn also nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem von dem Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt. Billigkeitsmaßnahmen sollen somit ein vom Gesetz gedecktes, aber vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis vermeiden (Rüsken in Klein, § 227 AO, Rz. 17, § 163 AO, Rz. 32).

32Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist. Diese Nachprüfung der Erlassablehnung ist darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur im Falle einer sog. Ermessensreduzierung auf null kann das Gericht eine Verpflichtung der Finanzbehörde zum Erlass aussprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des BFH vom 11.07.1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259).

33bb. Gemäß § 233a Abs. 1 AO ist der Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Einkommensteuer und anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen zu verzinsen. Gemäß Abs. 2 beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Mit der Regelung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass bei einzelnen Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Frage der Verzinsung vor Fälligkeit wegen unterschiedlicher Veranlagungszeitpunkte unterschiedliche Zinszeiträume entstehen. Das System der so genannten Vollverzinsung soll die Liquiditätsvorteile, die ein Steuerpflichtiger wegen später Steuerfestsetzung erzielt, typisiert abschöpfen (Rüsken in Klein, § 233a AO, Rz. 1). Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH Urteil vom 23. Oktober 2003 – V R 2/02 –, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39).

34Nachzahlungszinsen sind auch nicht deswegen aus sachlichen Gründen zu erlassen, weil die verspätete Steuerfestsetzung auf einer durch das Finanzamt verzögerten Veranlagung beruht. Da die Zinsen weder ein Sanktionsmittel noch ein Druckmittel oder eine Strafe sind, sondern laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung, ist es nicht entscheidend, ob der typisierend vom Gesetz unterstellte Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Einreichung der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom 02. Februar 2001 – XI B 91/00 –, juris m. w. N.). In der Literatur wird bezweifelt, ob dies unbeschränkt für jede Dauer der Verzögerung gelten soll, erkennt aber an, dass bei der Beurteilung die Besonderheiten eines Steuerfalls individuell zu berücksichtigen sind (Rüsken in Klein, § 233a AO, Rz. 52 m. w. N.).

35cc. In Anwendung dieser Grundsätze hatten die Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der von Ihnen gezahlten Nachzahlungszinsen.

36Ausgehend von dem Umstand, dass § 233a AO typisierend einen Liquiditätsvorteil wegen verspäteter Steuerfestsetzung abschöpfen soll, ergibt sich aus der von den Klägern behaupteten schuldhaften verzögerten Bearbeitung der Steuererklärungen nicht, dass auf den gesetzlich angenommenen Zinsvorteil mit einem Billigkeitserlass reagiert werden musste. Grundsätzlich ist dies bereits höchstrichterlich – wie dargestellt – geklärt. Wegen der Besonderheiten des Falles ändert sich an diesem Grundsatz auch nichts dadurch, dass die Veranlagung erst erheblich später als üblicherweise durchgeführt wurde. Hier ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Tätigkeit des Klägers im Ausland besondere Ermittlungsmaßnahmen notwendig waren und in der Folge eine Verständigung zwischen der britischen und der deutschen Finanzverwaltung herzustellen war. Dass ein solches Verfahren im Hinblick auf die zu erwartende zeitliche Dauer nicht mit einem „normalen“ Steuerfall vergleichbar ist, liegt auf der Hand. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass letztlich die Art und Weise der Einkunftserzielung des Klägers im Ausland mit Anlass für die Verzögerung der Bearbeitung war, da wegen des Auslandsbezuges die Steuerfestsetzung mit Schwierigkeiten verbunden war. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keinen Anlass, von dem allgemeinen Grundsatz, dass sogar im Falle einer schuldhaften Verzögerung der Erklärungsbearbeitung ein Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen nicht in Betracht kommt, in diesem Fall abzuweichen. Unabhängig von der Frage, ob die Verzögerung tatsächlich „schuldhaft“ war, oder ob die Verzögerung in weiten Teilen auf den einem Verständigungsverfahren immanenten Koordinierungsschwierigkeiten beruhte, sind die Nachzahlungszinsen zu Recht festgesetzt worden und es bestand kein Anspruch auf Erlass.

37Ein Erlass kommt auch nicht vor dem Hintergrund des Vortrags der Kläger in Betracht, dass tatsächlich keine Zinsvorteile gezogen worden seien, insbesondere dass sogar ein Liquiditätsnachteil entstanden sei, da die durch die britische Finanzverwaltung erstattete Einkommensteuer aufgrund von Wechselkursschwankungen einen deutlich niedrigeren Wert hatte. Hierzu ist festzustellen, dass die Frage, welches Schicksal bereits an die britische Finanzverwaltung geleistete Steuerzahlungen haben, grundsätzlich im Hinblick auf wegen deutscher Steuern festzusetzender Nachzahlungszinsen keinen Einfluss hat. Hinzuweisen ist darauf, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein Liquiditätsvorteil der Kläger nicht deswegen verneint werden kann, weil Steuerzahlungen an einen ausländischen Fiskus geleistet wurden, da in diesem Fall ein unabhängiges weiteres Steuerschuldverhältnis betroffen sei (im Entscheidungsfall: Österreich, BFH, Beschluss vom 15. Januar 2008 – VIII B 222/06 –, juris). Der Senat folgt nicht der Auffassung der Kläger, dass Steuerzahlungen an den britischen Fiskus und der spätere Umrechnungswert der Erstattungen dieser Zahlungen bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob Ansprüche auf Einkommensteuerzahlungen der Vollverzinsung unterliegen. Der Beklagte war im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nicht gehalten, diesen Aspekt zu berücksichtigen. Zahlungen eines Steuerpflichtigen an einen ausländischen Fiskus betreffen nicht das Rechtsverhältnis des Steuerpflichtigen zur deutschen Finanzverwaltung. Das Finanzamt kann nicht überprüfen, inwieweit Zahlungen an einen ausländischen Fiskus freiwillig erfolgten, ob eine Aussetzung von der Vollziehung möglich gewesen wäre und inwieweit Erstattungszahlungen durch den ausländischen Fiskus zu verzinsen sind. Dementsprechend sind auch Verluste, die sich aus Wechselkursschwankungen im Zeitraum zwischen Steuerzahlung und – Erstattung ergeben, bei der Ermessensentscheidung, ob ein deutscher Steueranspruch der Vollverzinsung unterliegt, nicht zu berücksichtigen. Der Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass bei einer anderen Entwicklung der Wechselkurse für die Kläger auch ein „Gewinn“ hätte entstehen können, ohne dass dies einen Einfluss auf die Höhe der Vollverzinsung gehabt hätte.

38Weiterhin kommt ein Erlass der Nachzahlungszinsen auch nicht dem Hintergrund in Betracht, dass sich die Verwaltung im Nachgang zum Verständigungsverfahren nunmehr auf eine andere Behandlung vergleichbarer Fälle verständigt hat. Aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung können Änderungen der Rechtslage zu Gunsten der Steuerpflichtigen in Folgejahren nicht dazu führen, dass Steuerschulden aus Vorjahren nicht mehr der Vollverzinsung unterliegen.

39Schließlich kommt ein Erlass auch nicht vor dem Hintergrund der von den Klägern zitierten Urteile des FG Düsseldorf (Urteil vom 19.8.2010  14 K 364/8 AO, EFG 2010, 1968 und Urteil vom 9.12.2009 4 K 137/08 AO, EFG 2010,549) in Betracht. Das Gericht hat lediglich im ersten Fall der Klage stattgegeben und im Wesentlichen auch darauf hingewiesen, dass der Kläger zunächst Schenkungssteuer gezahlt und später Einkommensteuer nachgezahlt habe, während die Schenkungssteuer herabgesetzt worden sei und es hierdurch auf Seiten des Beklagten nicht zu einem Liquiditätsnachteil gekommen sei. Dieser Gesichtspunkt verfängt im vorliegenden Fall nicht, da der Beklagte nicht Empfänger der Zahlungen an den britischen Fiskus war.

40Persönliche Billigkeitsgründe liegen darüber hinaus unstreitig nicht vor.

41b. Die Kläger haben weiterhin keinen Anspruch auf Erlass der festgesetzten Aussetzungszinsen.

42aa. Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen (§ 237 Abs. 1 AO). Nach Abs. 2 werden die Zinsen erhoben vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet.

43Zweck der Norm ist es, den während einer gewährten Aussetzung von der Vollziehung beim Steuerpflichtigen entstehenden Liquiditätsvorteil abzuschöpfen und zu verhindern, dass Rechtsbehelfs- und Klageverfahren lediglich geführt werden, um eine Entrichtung der Steuerschuld zinslos hinauszuschieben. Der durch die Aussetzung eingetretene Zinsvorteil wird durch ein Entgelt für die Dauer der Kapitalnutzung pauschal abgeschöpft. Auf die tatsächliche Entstehung des Zinsvorteils kommt es grundsätzlich nicht an (Koenig in Pahlke/Koenig, § 237, Rz. 2 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei Aussetzungszinsen insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Steuerpflichtiger, der seiner Zahlungspflicht bei Fälligkeit der Steuern nicht nachkommen wolle und die Aussetzung der Vollziehung erwirke, bewusst das Zinsrisiko, welches sich aus den Bestimmungen zu den Aussetzungszinsen ergebe, in Kauf nehme. Durch die Aussetzungszinsen solle der Zinsnachteil des Steuergläubigers, der den Abgabenbetrag nicht schon bei Fälligkeit, sondern erst bei Beendigung der Aussetzung der Vollziehung erhalte und der Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden. Dieser vom Gesetzgeber verfolgte Zweck behalte auch in denjenigen Fällen seine Berechtigung, in denen ohne Zutun des Steuerpflichtigen eine angemessene Verfahrensdauer überschritten werde. Der Zinsvorteil und -nachteil werde nicht im Einzelfall genau errechnet, sondern pauschal ermittelt. Aufgrund des festen Zinssatzes lasse sich nicht ausschließen, dass sich dies je nach Höhe der am Markt erzielbaren Zinsen zeitweise zu Gunsten und zeitweise zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken könne. Dies begründe allerdings nicht einen Anspruch auf Erlass (BFH Urteil vom 21.02.1991 – V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II1991, 498).

44bb. Gemäß § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO kann auf die Zinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

45Dies ist eine Sonderregelung, die § 227 AO vorgeht. Die zu § 227 AO entwickelten Grundsätze zum Billigkeitserlass sind jedoch auf den Zinsverzicht entsprechend anzuwenden. Die lange Dauer einer Aussetzung ist auch hier kein Verzichtsgrund, auch wenn das Finanzamt das Verfahren hätte beschleunigen können (Schwarz in Schwarz, § 237 AO, Rz. 16 m.w.N.). Ein Zinsverzicht soll lediglich in Betracht kommen bei Vorliegen einer Verrechnungssituation, d.h. wenn der ausgesetzten Steuerforderung ein demnächst fällig werdender unverzinsliche Erstattungsanspruch gegenüber steht (Kögel in Beermann/Gosch, § 237 AO, Rz. 36 m.w.N.).

46cc. In Anwendung dieser Grundsätze haben die Kläger auch bezüglich der Aussetzungszinsen keinen Anspruch auf (teilweisen) Erlass.

47Die Kläger haben es durch ihren Aussetzungsantrag vermieden, die festgesetzten Steuern zum Fälligkeitszeitpunkt bezahlen zu müssen. Hierdurch entstand ihnen ein Liquiditätsvorteil, welcher durch die Vorschriften über die Aussetzungszinsen gegenüber dem Steuergläubiger ausgeglichen werden soll.

48Auch in diesem Fall folgt der Senat nicht der Auffassung der Kläger, dass bereits geleistete Zahlungen an den britischen Fiskus sowie durch Wechselkursschwankungen entstandene Verluste bei Erstattungszahlungen durch den Beklagten hätten berücksichtigt werden müssen. Wie bei den Nachzahlungszinsen betrifft die Frage, in welchem Umfang die Kläger gegenüber den britischen Fiskus Zahlungen geleistet haben, nicht das Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und dem Beklagten. Der Beklagte konnte seinerseits auf die Durchführung des britischen Erhebungsverfahrens keinen Einfluss nehmen. Insoweit wird auf die Ausführungen zur Erstattung der Nachzahlungszinsen Bezug genommen.

49c. Nichts anderes ergibt sich sowohl im Hinblick auf die Nachzahlungszinsen als auch im Hinblick auf die Aussetzungszinsen vor dem Hintergrund, dass am Besteuerungsverfahren die Finanzverwaltungen zweier Mitgliedstaaten der EU beteiligt waren.

50Steuerliche Doppelbelastungen, soweit sie systematisch bedingt sind, rechtfertigen grundsätzlich keinen Erlass. Dies gilt auch bei Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (Stöcker in Beermann/Gosch, § 227, Stichwort „Doppelbelastungen“ und „Doppelbesteuerungsabkommen“ m.w.N.). Soweit die Doppelbelastung aus der Überschneidung von Besteuerungstatbeständen unterschiedlicher Besteuerungssysteme herrührt, ist sie in der Systematik der zu Grunde liegenden gesetzlichen Regelungen begründet und somit als typische Beeinträchtigung nicht sachlich unbillig (Fritsch in Pahlke/Koenig, § 227 AO, Rz. 20 m.w.N.).

51Vor diesem Hintergrund haben die Kläger nicht dargetan, dass die Besteuerungen durch die beteiligten Finanzverwaltungen nicht in Entsprechung der jeweils geltenden Steuergesetzgebung durchgeführt worden wären. Die im Ergebnis eingetretenen Belastungen der Kläger sind damit systemimmanente Härten, welche sich aus der Anwendung unterschiedlicher Rechtssysteme ergeben.

52Auch gebietet das von den Klägern angesprochene europarechtliche Äquivalenzgebot keine abweichende Beurteilung. Es ist nicht erkennbar, dass der vorliegende Sachverhalt wegen seines grenzüberschreitenden Bezuges ungünstiger behandelt worden wäre, als ein rein nationaler Fall. Soweit es gegenüber dem britischen Fiskus zu Überzahlungen gekommen ist, sind diese erstattet worden und nach Ausführung des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung auch verzinst worden. Dass der Wert dieser Erstattungszahlung in Euro aufgrund von Wechselkursschwankungen nicht mehr dem Wert der seinerzeitigen Zahlungen entsprach, kann keinen Verstoß gegen den europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründen.

532. Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Der Beklagte war nicht zu verpflichten, die streitgegenständlichen Anträge erneut zu bescheiden.

54Der Beklagte hat in zutreffender Weise unter Würdigung des Sachverhalts sein Ermessen ausgeübt. Er hat sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Argumente der Kläger berücksichtigt und zutreffend gewertet. Insbesondere ergibt sich aus den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Seite 4 letzter Absatz, dass der Beklagte sich – anders als die Kläger offensichtlich annehmen – durchaus mit dem Umstand auseinander gesetzt hat, dass vorliegend eine Doppelbelastung von britischer und deutscher Steuerfestsetzung gegeben war.

553. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.