Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit eines EDV-Beraters

Zur Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit, hier: Tätigkeit eines EDV-Beraters

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 856/09 G

Datum:
30.08.2011
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 856/09 G
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

1Gründe:

2I.

3Streitig ist, ob der Kläger mit seinen Einkünften der Gewerbesteuer unterliegt.

4Der Kläger ist als selbständiger EDV – Berater tätig. Er hat weder einen Hochschulabschluss noch einen Fachhochschulabschluss. Der Beklagte sah die Tätigkeit als gewerblich an. Er setzte wegen dieser Einkünfte Gewerbesteuermessbeträge entsprechend der vom Kläger eingereichten Gewerbesteuererklärungen fest. Gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2006 vom 21.2.2008 legte der Kläger am 26.2.2008 Einspruch ein. Er trug zur Begründung vor, er übe seine Tätigkeit auch weiterhin unverändert aus, es handele sich aber nicht um eine gewerbliche, sondern um eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Es sei eine der Tätigkeit eines Ingenieurs oder Diplominformatikers vergleichbare Tätigkeit. Er verfüge über theoretische Kenntnisse, die mit denen eines

5Diplom- Ingenieurs, Diplom- Wirtschaftsinformatikers oder Diplom- Informatikers vergleichbar seien.

6Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 5.2.2009) trägt der Kläger zur Begründung seiner Klage vor:

7Aus dem von ihm vorgelegten Gutachten des „C“ ergebe sich, dass er über theoretische Kenntnisse verfüge, die in ihrer Breite und Tiefe denjenigen entsprächen, die ein an einer Hochschule oder Fachhochschule ausgebildeter Diplom – Informatiker oder Ingenieur habe. Das Gutachten bestätige zudem, dass die ausgeübte Tätigkeit in wesentlichen Elementen und ganz überwiegend mit der Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar sei.

8Der Kläger beantragt,

9den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2006 vom 21.2.2008 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

10Der Beklagte beantragt,

11die Klage abzuweisen.

12Zur Begründung trägt er vor:

13Das vorgelegte Gutachten des „C“ sei nicht von einem gerichtlich bestellten, unabhängigen Sachverständigen gefertigt worden. Es sei zweifelhaft, ob die dem Kläger ausweislich des Gutachtens von „C“ (Seite 22) attestierten Mängel in den Kenntnissen der theoretischen Grundlagen der Informatik und der Mathematik tatsächlich nur geringfügige Abweichungen von dem Wissen eines Diplominformatikers oder Ingenieurs darstellten.

14Nach Anhörung der Beteiligten hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das am 16.7.2010 vorgelegt worden ist und auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. In dem Gutachten haben die Sachverständigen im Wesentlichen die Ausbildungsinhalte der in Frage kommenden Studiengänge zum Diplom- Informatiker (FH), zum Diplom- Wirtschaftsinformatiker (FH) oder zum Diplom- Ingenieur Elektrotechnik (FH) aufgefächert und überprüft, ob und wenn ja welche dieser Inhalte durch die vom Kläger dargelegten praktischen Tätigkeiten und Aus- und Fortbildungen als abgedeckt angesehen werden können. Sie sind zu dem Ergebnis gelangt, dass Kenntnisse in den mathematisch – technischen sowie den wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen durch die vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen seien. Zudem fehle in Gänze der Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2010 haben die Sachverständigen ihr Gutachten gegenüber den Beteiligten weiter erläutert, wegen der Erläuterungen im Einzelnen wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin beantragt, den Kläger einer Wissensprüfung durch die Gutachter unterziehen zu lassen. Mit Beweisbeschluss vom 30.11.2010 sind die Gutachter mit der Durchführung der Wissensprüfung beauftragt worden. Die Wissensprüfung ist am 17.5.2011 durchgeführt worden und hat zu dem Ergebnis geführt, dass der Kläger auch weiterhin die erforderlichen theoretischen Kenntnisse nicht hat nachweisen können.

15Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

16II.

17Die Klage ist unbegründet.

18Der angefochtene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der Kläger übt keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 EStG aus, sondern ist gewerblich tätig.

19Freiberufliche Einkünfte erzielt unter anderem, wer selbständig einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten sog. “Katalogberufe“ oder eine einem Katalogberuf ähnliche Tätigkeit ausübt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er übt weder den Beruf eines Ingenieurs noch eine diesem Beruf ähnliche Tätigkeit aus.

20Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist „Ingenieur“ nur derjenige, der wegen der Prägung des Berufsbildes des Ingenieurs durch die Ingenieurgesetze der Bundesländer aufgrund eines Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Ingenieurschule oder eines Betriebsführerlehrganges an einer Bergschule befugt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2006, 1270 und BFH- Urteil vom 18. April 2007 XI R 29/06, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 218, 65, Bundessteuerblatt – BStBl II 2007, 781, beide mit weiteren Nachweisen). Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis, weil er über keinen der oben genannten Berufsabschlüsse verfügt.

21Der Kläger übt keine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit aus.

22Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, kann ein Diplom-Informatiker eine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausüben. Das Studium der Informatik an einer (Fach-)Hochschule ist dem der traditionellen Ingenieurwissenschaften gleichwertig, auch wenn das Ingenieurstudium im Grundsatz allgemeiner sein kann (BFH-Urteil vom 28. Januar 1993 IV R 105/92, BFH/NV 1994, 613; BFH- Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677; BFH- Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337; BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989; BFH- Urteil vom 18. April 2007 XI R 29/06, BFHE 218 65, BStBl II 2007, 781). Die vorstehenden Grundsätze sind zur Überzeugung des Senates auf den Abschluss eines Diplom – Wirtschaftsinformatikers übertragbar.

23Nach der vorzitierten Rechtsprechung des BFH kann aber nur der eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausüben, der entweder über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss als Diplom- Informatiker oder Diplom – Wirtschaftsinformatiker verfügt oder Kenntnisse nachweist, die in Tiefe und Breite mit dem Wissen eines Fachhochschul- oder Hochschulabsolventen der vorgenannten Studiengänge vergleichbar sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. August 2005 XI R 62/04, BFH/NV 2006, 505; BFH- Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270 und BFH- Urteil vom 18. April 2007 XI R 29/06, BFHE 218 65, BStBl II 2007, 781, jeweils mit weiteren Nachweisen).

24Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

25Er hat kein abgeschlossenes Studium. Er hat den Senat auch nicht davon überzeugen (vgl. § 96 FGO) können, dass er sich das Wissen eines Diplom-Informatikers/Diplom – Wirtschaftsinformatikers in vergleichbarer Breite und Tiefe auf andere Weise angeeignet hat.

26Der Senat hat ein Gutachten erstellen lassen. Darin haben die Sachverständigen ausgeführt, dass aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nur auf das Vorhandensein eines Teils der erforderlichen theoretischen Kenntnisse geschlossen werden könne, ein erheblicher Teil (zwischen 42% und 75% je nach Vergleichsabschluss) aber als nicht nachgewiesen anzusehen sei. Sie haben dieses Ergebnis methodisch gut nachvollziehbar hergeleitet, indem sie die im Studium zum Diplom- Informatiker / Diplom – Wirtschaftsinformatiker und zum Ingenieur für Elektrotechnik zu absolvierenden Pflichtveranstaltungen aufgelistet und anschließend überprüft haben, ob und in welchem Umfang aus den vorgelegten Unterlagen des Klägers auf Kenntnisse geschlossen werden kann, die den in den einzelnen Veranstaltungen vermittelten Studieninhalten vergleichbar sind. Hierbei sind sie zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Studiengang Wirtschaftsinformatik je nach dem, welcher der drei exemplarischen Studienverläufe ausgewählt wird, zwischen ca. 42 % bis ca. 57,5 % der im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen durch die Unterlagen des Klägers nicht belegt sind. Für den Studiengang Diplom – Informatik sind sie zu dem Ergebnis gelangt, dass mindestens ca. 50 % der im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen durch die Unterlagen des Klägers nicht belegt sind. Für den Studiengang Diplom – Elektrotechnik sind sie sogar zu dem Ergebnis gelangt, dass mindestens ca. 75 % der im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen durch die Unterlagen des Klägers nicht belegt sind.

27Besonderer Bedeutung kommt aus Sicht des Senates in diesem Zusammenhang der Feststellung im Gutachten zu, dass aus den vorgelegten Unterlagen auf mathematisch – technische Grundkenntnisse nicht geschlossen werden könne. Solche Kenntnisse müssen aber, wie die Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.10.2010 ergänzend erläutert haben, in allen vom Kläger genannten Studiengängen zumindest in einem mit “ausreichend“ zu bewertenden Umfang vorhanden sein, um die jeweiligen Berufsabschlüsse erreichen zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einschätzung der Relevanz solchen Wissens seitens der Sachverständigen zutreffend ist, da sie als Fachhochschulprofessoren in den entsprechenden Studiengängen unterrichten und auch der Kläger dieser Einschätzung nicht entgegengetreten ist, sondern eine Wissensprüfung beantragt hat.

28Dem Einwand des Klägers im Schriftsatz vom 25.10.2010, das Gutachten sei teilweise nicht nachvollziehbar, teilweise unvollständig und teilweise unzutreffend, tritt das Gericht nicht bei. Dass das Gutachten nachvollziehbar und folgerichtig ist, wurde bereits ausgeführt (siehe oben). Die auf Antrag des Klägers durchgeführte Wissensprüfung hat die Feststellung der Sachverständigen, dass der Kläger die erforderlichen theoretischen Kenntnisse nicht darlegen und nachweisen kann, nicht widerlegt, sondern bestätigt.

29Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.