Anspruch auf Kostenübernahme für behindertengerechtes Fahrzeug bei Querschnittslähmung

Dies entschied die 11. Kammer, nachdem die Klägerin zuvor die Übernahme der Kosten durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe ohne Erfolg begehrt hatte. Dieser lehnte einen entsprechenden Antrag der Mutter von zwei Kindern ab, da sie nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Kosten für die Fahrten zum Arzt und zu Therapien müsse die Krankenkasse übernehmen und die übrigen Fahrten könnten durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und den Behindertenfahrdienst abgedeckt werden.

Das sahen die Richter der 11. Kammer anders und verurteilten den Landschaftsverband zur Übernahme der Kosten für ein gebrauchtes Fahrzeug und des damit verbundenen behindertengerechten Umbaus. Die Klägerin erfülle grundsätzlich die Voraussetzungen für den Bezug der Eingliederungshilfe, denn sie sei aufgrund ihrer körperlichen Behinderung wesentlich in ihrer Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben eingeschränkt. Nach Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, zu der auch die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs in angemessenem Umfang gehört, reicht es nämlich insgesamt aus, wenn hierdurch die Begegnung und der Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung gefördert wird. Nach Auffassung der Kammer war die Anschaffung des Kfz zur Erreichung dieses Eingliederungsziels geeignet und auch unentbehrlich. Es müsse hierbei nämlich nach der Rechtsprechung des BSG kein objektiver sondern ein subjektiver Maßstab angelegt werden. In welchem Maße und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gesellschaft teilnehme, sei abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche. Hier hatte die Klägerin überzeugend dargelegt, dass sie sich unter anderem mit einer Freundin treffen oder ins Kino gehen wolle, wofür sie ein Kfz benötigt. Zusätzlich sei der Fahrbedarf für gemeinsame Freizeitaktivitäten oder Schulfahrten zu berücksichtigen, der sich durch ihre beiden Kinder ergebe. Behinderte Eltern hätten – so das Gericht – einen Anspruch darauf, dass sie im Rahmen der Eingliederungshilfe auch Unterstützung bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder erhielten, wenn dies aufgrund ihrer Behinderung erforderlich sei. Allerdings wäre die Anschaffung eines Kfz dann entbehrlich, wenn die Eingliederungs- bzw. Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personenverkehr und gegebenenfalls unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar verwirklicht werden könnten. Auf diese Transportmöglichkeiten konnte die Klägerin nach Auffassung der Richter jedoch nicht verwiesen werden, da ein öffentlicher Personennahverkehr am Wohnort nur in Form eines sogenannten Taxibusses existiert, der nicht barrierefrei sei und daher schon aus diesem Grund nicht von ihr benutzt werden könne. Dazu komme das Problem, dass sich der Rollstuhl auf den sie angewiesen sei, damit nicht transportieren lasse. Eine Verweisung auf den Behindertenfahrdienst kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum einen decke das vom Kreis pro Person zur Verfügung gestellte monatliche Budget von 100 Euro nicht den Fahrbedarf der Klägerin, da sie das Fahrzeug jeden Tag z. B. für Schulfahrten benötige. Darüber hinaus müssten Fahrten mit dem Behindertenfahrdienst immer frühzeitig angemeldet und feste Urzeiten vereinbart werden. Gerade im Hinblick auf ihre Kinder sei sie nachvollziehbar auf eine gewisse Flexibilität angewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: SG Detmold, Pressemitteilung vom 02.03.2020 zum Urteil S 11 SO 255/18 vom 05.12.2019 (rkr)