Anwendung der 10-jährigen Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 GrEStG

FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.10.2025 – 11 K 1987/25 GE (nrkr), Revision anhängig beim BFH: II R 44/25

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2025 (11 K 1987/25 GE) entschieden, dass die auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG n. F. nicht auf Erwerbsvorgänge vor dem 1. Juli 2021 anzuwenden ist – selbst dann nicht, wenn die frühere fünfjährige Nachbehaltensfrist bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung noch nicht abgelaufen war.

Die Entscheidung widerspricht ausdrücklich der Auffassung der Finanzverwaltung und ist von erheblicher Bedeutung für Umstrukturierungen im Bereich von Personengesellschaften.

Hintergrund: Verlängerung der Nachbehaltensfrist

Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes im Jahr 2021 wurde die Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG von fünf auf zehn Jahre verlängert. Die Neuregelung gilt grundsätzlich für Erwerbsvorgänge nach dem 30.06.2021. Umstritten war jedoch, ob sie auch auf „Altfälle“ anzuwenden ist, bei denen der Erwerbsvorgang zwar vor dem Stichtag verwirklicht wurde, die damalige fünfjährige Nachbehaltensfrist aber noch lief.

Die Finanzverwaltung bejahte dies unter Hinweis auf § 23 Abs. 18 und Abs. 24 GrEStG und ging von einer faktischen Verlängerung laufender Nachbehaltensfristen aus.

Sachverhalt

Klägerin war eine offene Handelsgesellschaft (oHG), die im Jahr 2018 von einer Kommanditgesellschaft (KG) zwei Grundstücke im Wege der Einbringung erworben hatte. An beiden Personengesellschaften waren identische Gesellschafter beteiligt. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer zunächst zutreffend nach § 6 Abs. 3 GrEStG mit 0 Euro fest.

Im Jahr 2023 – und damit mehr als fünf Jahre nach dem Erwerbsvorgang – wurde die Klägerin formwechselnd in eine GmbH umgewandelt. Daraufhin änderte das Finanzamt den Grunderwerbsteuerbescheid und setzte Grunderwerbsteuer fest. Zur Begründung führte es an, dass die mittlerweile geltende zehnjährige Nachbehaltensfrist anzuwenden sei, da die frühere fünfjährige Frist am 01.07.2021 noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Entscheidung des FG Düsseldorf

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt. Maßgeblich sei weiterhin die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F., die zum Zeitpunkt des Formwechsels im Jahr 2023 bereits abgelaufen war.

Nach Auffassung des Senats folgt aus § 23 Abs. 18 GrEStG eindeutig, dass die Neufassung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, da der Grundstückserwerb bereits im Jahr 2018 abgeschlossen war.

Auch aus § 23 Abs. 24 GrEStG ergibt sich nach Ansicht des Gerichts nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung handele es sich hierbei nicht um eine verschärfende Sonderregelung zu Abs. 18. Vielmehr entspreche es der Systematik des § 23 GrEStG, für die Anwendung neuen Rechts stets an den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs anzuknüpfen. Sinn und Zweck der Neuregelung seien nicht darauf gerichtet, bereits vor dem 01.07.2021 verwirklichte Erwerbsvorgänge nachträglich der verlängerten Nachbehaltensfrist zu unterwerfen.

Abweichung von der Verwaltungsauffassung

Bemerkenswert ist, dass das FG Düsseldorf ausdrücklich der gegenteiligen Verwaltungsauffassung widerspricht, wie sie in den gleichlautenden Ländererlassen vom 5. März 2024 zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG vertreten wird. Der Senat sieht keine gesetzliche Grundlage für eine rückwirkende Verlängerung der Nachbehaltensfrist bei Altfällen.

Ausblick und Praxishinweis

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zugelassen und inzwischen eingelegt (BFH-Az. II R 44/25). Eine höchstrichterliche Klärung steht somit noch aus.

Für die Beratungspraxis ist die Entscheidung dennoch hochrelevant:

  • Bei Erwerbsvorgängen vor dem 01.07.2021 bestehen gute Argumente, weiterhin von der fünfjährigen Nachbehaltensfrist auszugehen.
  • Strukturmaßnahmen nach Ablauf von fünf Jahren können – jedenfalls nach Auffassung des FG Düsseldorf – grunderwerbsteuerneutral bleiben.
  • In laufenden oder geplanten Umstrukturierungen sollte die Frage der Nachbehaltensfrist ausdrücklich geprüft und dokumentiert werden, insbesondere im Hinblick auf das anhängige BFH-Verfahren.

Quelle: Finanzgericht Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 08.10.2025 – 11 K 1987/25 GE; Newsletter Dezember 2025
Revision anhängig beim BFH: II R 44/25