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Steuerbefreiung nach § 4 S. 1 Nr. 16 k UStG für Kurse für Angehörige von Demezerkrankten.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Umsatzsteuer Vorauszahlung Januar 2012
Steuerbefreiung nach § 4 S. 1 Nr. 16 k UStG für Kurse für Angehörige von Demenzerkrankten.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 19.04.2013, 16 K 239/12

 

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Diplom Gerontologin und führt für Angehörige von Demenzerkrankten eine Schulungsreihe nach einer Rahmenvereinbarung mit der B-GEK durch. Das Honorar für diese Schulungen beträgt je durchgeführter Kurseinheit von 120 Minuten 140 € und wird von der Barmer-GEK entrichtet. Die Verpflichtung zur Durchführung der Schulungen erfolgt auf der Grundlage von § 45 SGB XI. Nach dieser Vorschrift sollen Pflegekassen für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelisch Belastungen zu mindern.
2
Die Schulungen werden bisher nach der Rahmenvereinbarung mit der B-Pflegekasse von der Klägerin in den Ländern Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt angeboten und durch beauftragte Dozenten durchgeführt. Ein Kurs umfasst 14 Stunden, wird an sieben Terminen zweistündig durchgeführt und ist in mehrere Themenblöcke aufgeteilt. Die Anzahl der Teilnehmer ist auf 15 Personen beschränkt. Da die Kosten der Kurse die B-GEK trägt, haben die Teilnehmer keine Schulungsgebühr zu entrichten. Die Kurse werden für pflegende Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflege Interessierte durchgeführt. Mit diesem Angebot wird in Zusammenarbeit mit der B-GEK Angehörigen von Menschen mit Demenz eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Aspekten der Demenzerkrankung geboten. In der Schulungsreihe haben die Angehörigen die Möglichkeit Wissen zu erlangen, praktische Tipps zum Umgang mit Menschen mit Demenz zu bekommen und sich mit ihrer individuellen Lebenssituation auseinanderzusetzen.
3
Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2012 vom 28. März 2012 berücksichtigte der Beklagte, das Finanzamt (FA), die von der Klägerin erklärten Einnahmen von 25.480 € als steuerpflichtige Umsätze und setzte die Umsatzsteuer auf 4.841 € fest. Den Einspruch hiergegen wies es mit Bescheid vom 19. Juli 2012 als unbegründet zurück. Nach § 16 S. 1 Nr. 16 k UStG seien nur Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, die als Pflege der hilfsbedürftigen Personen erbracht würden. Unter die Befreiung fielen damit ausschließlich die Betreuungs- und Pflegeleistungen privater Altenheime. Im vorliegenden Fall dienten die Kurse der Beratung pflegender Angehöriger Personen. Vorrang habe hierbei die Gesundheitsprävention der Angehörigen selbst. Auch wenn die Erkrankten durch die Schulung der pflegenden Angehörigen indirekt einen Vorteil zögen, so handele es sich nicht um Pflegeleistungen für die Pflegebedürftigen, so dass für die Leistungen keine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht komme.
4
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, ihre Umsätze seien gem. § 4 S. 1 Nr. 16k UStG steuerfrei. Die Klägerin sei im Sinne dieser Vorschrift als natürliche Person eine Einrichtung, deren Vergütung vollumfänglich von der B-GEK übernommen werde, da nach § 45 Abs. 1 SGB XI die Pflegekurse für die Teilnehmer unentgeltlich sein sollen. Die Pflegekurse seien für die Pflege und Betreuung von Demenzerkrankten im häuslichen Bereich durch Angehörige unerlässlich. Nach § 45 SGB XI sollen die Pflegekassen u.a. für Angehörige Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern. Nach der Gesetzesbegründung hätten die Pflegekurse eine wichtige Funktion zur Sicherstellung der Qualität der pflegerischen Versorgung der zu Hause gepflegte Pflegebedürftigen. Vom Gesetzgeber seien die Pflegekurse somit als Teil der Pflege und Betreuung dargestellt. Die Teilnahme an einem Pflegekurs werde häufig Ergebnis einer Pflegeberatung sein, die gemäß § 7a Abs. 2 Satz 1 SGB XI auf Wunsch unter Einbeziehung von Dritten, insbesondere Angehörigen und Lebenspartnern zu erfolgen habe. Pflege und Betreuung dürften daher nicht nur verkürzt auf eine direkte Pflegeanwendung an dem Patienten reduziert werden. In den von der Klägerin durchgeführten Kursen würden die Angehörigen für die Pflege und Betreuung geschult, was unerlässlich sei, um eine häusliche Pflege überhaupt zu ermöglichen.
5
 Die Klägerin beantragt,
6
den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2012 vom 28. März 2012 in der Fassung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2012 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
7
Das FA beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Nach § 4 Nr. 16k UStG seien nur die Grundpflegeleistungen und die Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen steuerbefreit. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen erfüllten damit nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung.
10
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 31. Januar 2013 gemäß § 6 Abs. 1 FGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
 

Entscheidungsgründe

11
Die Klage ist begründet.
12
Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2012 vom 28. März 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat die Umsätze der Klägerin zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen.
13
1. Die Umsätze aus den von Klägerin durchgeführten Kursen für Angehörige von Demenzerkrankten sind jedenfalls nach richtlinienkonformer Auslegung des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG steuerfrei.
14
a) Nach § 4 S. 1 Nr. 16k UStG 2009 sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen steuerfrei „ die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind, erbracht werden.“
15
Die Vorschrift soll Art. 132 Abs. 1 Buchst. g i.V.m. Art. 133 und 134 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) umsetzen.
16
Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL lautet:
17
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
18
19
g) eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderer von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.“
20
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g           MwStSystRL genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar
21
– zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
22
–  zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden.
23
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn eng mit der sozialen Fürsorge verbunden sind alle in den Sozialgesetzbüchern nach Art und Umfang beschriebenen Leistungen (BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 71/03, BStBl. II 2006, 143; Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 16 Rz. 16).
24
Die Klägerin hat die Kurse für Angehörige von Demenzerkrankten aufgrund einer Vereinbarung mit der einem Träger der Sozialversicherung (§ 12 und §§ 21, 21a SGB I), der B-GEK, erbracht. Grundlage für diese Vereinbarung war § 45 SGB XI, wonach Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen gesetzlich vorgesehen sind. Nach dieser Vorschrift sollen die Pflegekassen für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung  zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern.  Die Kurse sollen Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege vermitteln. Nach § 1 Abs. 1 SGB I (Allgemeiner Teil) soll das Recht des Sozialgesetzbuches zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer Hilfe gestalten.  Leistungen wie die von der Klägerin im Rahmen des § 45 SGB XI gegenüber der B-GEK erbrachten Leistungen sind danach eng mit der sozialen Fürsorge verbunden.
25
Der Begriff „Einrichtung“ ist grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen (EuGH-Urteil in UR 2005, 486 RandNr. 35; vgl. auch EuGH-Urteil vom 7. September 1999 Rs. C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947 RandNr. 17). Die Anerkennung eines Unternehmers als einer Einrichtung mit sozialem Charakter kann dabei insbesondere auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren (BFH-Urteil in BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, m.w.N.).  Die Klägerin erbringt ihre Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der B-GEK und rechnet die Kosten mit dieser ab. Das genügt.
26
b) Nach dem oben zitierten Wortlaut von § 4 S. 1 Nr. 16k UStG  ist es nicht ausgeschlossen, Schulungskurse, die wie die der Klägerin im Auftrage einer Pflegekasse für Angehörige von Demenzerkrankten durchgeführt werden als eng mit Pflegeleistungen verbundene Umsätze und damit als steuerbefreit anzusehen. Die Kurse kommen – was zwischen den Beteiligten unstrittig ist – den Demenzerkrankten zu Gute und sind nach § 45 Abs.1 SGB XI vorgesehen. Dass unter die Befreiung des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG, wie der Beklagte meint, ausschließlich Betreuungs- und Pflegeleistungen privater Altenheime fallen und dass die mit der Betreuung und Pflege steuerbefreiten eng verbundenen Leistungen direkt am Pflegebedürftigen selbst erbracht werden müssen, geht so aus der Vorschrift nicht hervor. Es ist daher Raum für eine richtlinienkonforme Auslegung, welche das oben gefundene Ergebnis, wonach die Klägerin für sich die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL in Anspruch nehmen kann, berücksichtigt. Danach ist es im Lichte der Richtlinie geboten, die von der Klägerin durchgeführten Kurse als eng mit Pflegeleistungen verbundene Umsätze i.S.v § 4 S. 1 Nr. 16k UStG anzusehen.  Dass die Gesundheitsprävention der Angehörigen in den Kursen mit im Fokus steht, ist dabei durch § 45 Abs. 1 SGB XI  und der hierzu zwischen der Klägerin und der B-GEK geschlossenen Rahmenvereinbarung mit abgedeckt und für eine effektive Betreuung und Pflege Demenzerkrankter im häuslichen Umfeld wie die Klägerin dem Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. April 2013 überzeugend dargetan hat auch zwingend erforderlich.
27
Die übrigen Voraussetzungen des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG sind gegeben. Der Begriff der „Einrichtung“ ist von dem oben dargestellten gemeinschaftlichen Begriff der Einrichtung in Art. 132 MwStSystRL abgeleitet, so dass die Klägerin als natürliche Person hierunter fällt. Die Leistungen der Klägerin werden schließlich zu 100 % von der B-GEK, also einer gesetzlichen Trägerin der Sozialversicherung, vergütet, so dass es sich bei der Klägerin um eine sowohl von Art. 132 Buchst. g MwStSystRL als auch von § 4 S. 1 Nr. 16k UStG anerkannte Einrichtung handelt.
28
Das FA hat danach zu Unrecht den angefochtenen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Januar 2012 erlassen.
29
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.  Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Krankheitskosten als unvermeidbare, die Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mindernde Aufwendungen.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Kindergeld

Krankheitskosten als unvermeidbare, die Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mindernde Aufwendungen.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 18.07.2013, 16 K 107/11

 

Tatbestand

1
Strittig ist der Anspruch auf Kindergeld der Klägerin für ihren Sohn M, geb. 21. April 1990, für das Jahr 2010.

2
Das Versorgungsamt Osnabrück stellte mit Bescheid vom 10. September 1996 für M ab dem 24. Juni 1996 infolge eines Marfan-Syndroms einen Grad der Behinderung von 40 % fest. M hatte im Streitzeitraum Einkünfte aus einer Ausbildungsvergütung in Höhe von 7.706,13 € und bezog zusätzlich eine Rente i.H.v. 2.327,28 €. Den Antrag der Klägerin auf Kindergeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Dezember 2010 wegen Überschreitung des Grenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ab. Den Einspruch hiergegen wies sie mit Bescheid vom 21. Februar 2011 als unbegründet zurück. Die Gesamteinkünfte und Bezüge des Kindes hätten in 2010 10.033,41 € betragen. Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sei nur der Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 € abzusetzen. Hinsichtlich der Rentenzahlung sei ein Werbungskostenpauschbetrag von 102 € zu berücksichtigen. Die Bezüge seien sodann noch um die Kostenpauschale von 180 € zu vermindern. Die so ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes von 8.831,41 € überschritten den maßgeblichen Grenzbetrag von 8.004 €.

3
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes müssten noch um den Mehrbedarf für dessen Behinderung vermindert werden. Diesen bezifferte sie mit Schriftsatz vom 22. März 2011 mit 160 € monatlich für Kleidung und Ernährung. Zum Beleg reichte sie einen zwischen ihr und dem Landkreis Osnabrück vor dem Sozialgericht Osnabrück am 3. August 2010 geschlossenen Vergleich zu den Akten. Hierin verpflichtete sich der Landkreis für M einen Mehrbedarf zusätzlich zu dem bereits gewährten Mehrbedarf in Höhe von insgesamt 480 € zu gewähren, was einem monatlichen zusätzlichen Mehrbedarf von 40 € für die Zeit vom 1. März 2008 bis 28. Februar 2009 entspreche. Wie sich  aus einem Schreiben des Landkreis Osnabrück vom 18. März 2010 ergibt, betrug der bereits gewährte Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II 120 €. Am 1. August 2009 begann M die Ausbildung, so dass die Unterstützungen durch den Landkreis entfielen.

4
Zum weiteren Beleg des Mehrbedarfs reichte die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme vom 22. Juli 2005, die im Auftrag des Gesundheitsdiensts für den Landkreis und die Stadt Osnabrück erstellt wurde, zu den Akten. Danach handelt es sich bei dem Marfan-Syndrom um eine angeborene Erkrankung mit Hochwuchs, Fettgewebsmangel, verminderter Muskelausprägung und Bindegewebsschwäche. Begleitsymptome sind eine allgemeine Leistungsschwäche und eine sehr eingeschränkte Belastbarkeit. Das Kind der Klägerin benötige eine kalorienreiche Kost, verteilt auf viele kleine Mahlzeiten. Es sei eine besonders hochwertige Ernährung notwendig, die viel hochwertiges Eiweiß aus Fleisch und Fisch enthalte, sowie vitaminreiches frisches Obst und Gemüse. Zusätzlich brauche M  Maltodextrin, um die Nahrung kalorisch anzureichern. M sei sehr Kälte und Haut empfindlich und benötige zusätzliche Kleidung. Er habe bei einer Größe von 190 cm und einem Gewicht von 62 kg eine Schuhgröße von 48. Die Beschaffung von Alters angemessener Oberbekleidung sei schwierig und teuer. Benötigt würde zusätzlich eine besondere, wärmestabilisierende Unterwäsche. Aus ärztlicher Sicht werde ein Mehrbedarf für die Ernährung in Höhe von 100 € pro Monat für erforderlich gehalten und ein Mehrbedarf an Kleidung in Höhe von 50 € pro Monat. Die Klägerin reichte ferner eine amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsdiensts für Landkreis und Stadt Osnabrück vom 16. März 2010 zu den Akten. Hieraus ergebe sich ein durchschnittlicher Mehraufwand für Sonderernährung für M von 186 € monatlich.

5
Im Schriftsatz vom 14. August 2012 hat die Klägerin den monatlichen behindertenbedingten Mehraufwand mit 260 € berechnet. Es ergäben sich zusätzliche monatliche Kosten von 36 € für den Rehasport und Fahrtkosten hierfür von 50,40 €. Hinzu kämen Praxisgebühren und Medikamentzuzahlungen von 10 bis 20 € monatlich, so dass insgesamt von einem Mehraufwand von monatlich 260 € auszugehen sei.

6
  Die Klägerin beantragt sinngemäß,

7
die Beklagte zu verpflichten, ihr für ihr Kind M unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2011 Kindergeld für 2010 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

8
Die Beklagte beantragt,

9
die Klage abzuweisen.

10
Ein behinderungsbedingter Mehraufwand sei bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge im Rahmen der Grenzbetragsbetrachtung nicht in Abzug zu bringen. Da der Grenzbetrag ohne die behinderungsbedingten Mehraufwendungen überschritten werde, komme eine Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG nicht in Betracht. Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG scheitere an der fehlenden Ursächlichkeit der Behinderung.

11
Mit Schriftsätzen vom 25. November 2011 bzw. vom 4. März 2011 haben die Klägerin und die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO sowie den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO erklärt.

 

Entscheidungsgründe

12
Die Klage ist begründet. Der angegriffene Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 FGO). Die Klägerin hat für ihren Sohn für 2010 einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld.

13
1. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das –wie M im Jahr 2010– das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und seine zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge den für den Streitzeitraum maßgeblichen Jahresgrenzbetrag von 8.004 € im Kalenderjahr nicht übersteigen.

14
Zu Unrecht hat die Beklagte die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG allein deshalb verneint, weil es den monatlichen Mehrbedarf i.H.v. 160 € aufgrund der Erkrankung des Kindes der Klägerin am Marfan-Syndrom vom Einkommen des Kindes i.H.v. 8.831,41 € nicht abgezogen hat.

15
a) Der Begriff der Einkünfte ist in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definiert –je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten–. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) kann der Begriff „Einkünfte“ daher nicht als „zu versteuerndes Einkommen“ ausgelegt werden.  § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei  verfassungskonform auszulegen. Der Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind“ sei nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte des Kindes zu beziehen. Nicht als Einkünfte anzusetzen seien daher jedenfalls diejenigen Beträge, die –wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge– von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stünden und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten könnten. Offen bleiben könne, „in welchen Fällen der Relativsatz im Einzelfall auf Einkünfte anzuwenden“ sei (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260, unter B.II.3.).

16
Nach der Entscheidung des BVerfG ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen.

17
Der BFH hat im Urteil vom 26. September 2007 III R 4/07 (BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738, unter II. 8., betr. ansetzbare Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) ausdrücklich offen gelassen, ob und inwieweit Krankheits- oder Krankheitsfolgekosten zu den nach der Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 unvermeidbaren, die Einkünfte und Bezüge des Kindes mindernden Aufwendungen gehören können. Auch in den Urteilen vom 17. Dezember 2009 III R 74/07 (BFHE 228,72, BStBl II 2010,552) und vom 9. Februar 2012 III R 5/08 (BFH/NV 2012, 851) musste er diese Frage nicht entscheiden, da sich der geminderte Ansatz einer Rentennachzahlung in den von den zitierten Urteilen entschiedenen Fällen allein aus der Zweckbestimmung der Verletztenrente ergibt.

18
b) Das erkennende Gericht ist aber der Ansicht, dass jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegendem Krankheitsfolgekosten aufgrund der Erkrankung des Kindes der Klägerin am Marfan-Syndrom zu den nach der Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 unvermeidbaren, die Einkünfte und Bezüge des Kindes mindernden Aufwendungen gehören. Hierfür spricht, dass die Einkünfte soweit sie für die Folgen der Erkrankung am Marfan-Syndrom aufgewandt werden müssen, dem Kind zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung nicht zur Verfügung stehen.

19
c) Das Gericht sieht vorliegend Krankheitsfolgekosten jedenfalls in Höhe von 160 € für erwiesen an. Der Nachweis ergibt sich aus einer Gesamtschau der ärztlichen Stellungnahmen des Gesundheitsdienstes für den Landkreis und die Stadt Osnabrück vom 22. Juli 2005 sowie vom 16. März 2010 in Verbindung mit dem Schreiben des Landkreises Osnabrück vom 18. März 2010 und dem in der Sitzung vom 3. August 2010 vor dem Sozialgericht Osnabrück geschlossenen Vergleich.

20
Bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge von M den Jahresgrenzbetrag von 8.004 € übersteigen, sind seine Einkünfte und Bezüge von 8.831,41 € daher um einen Betrag von 1.920 € zu mindern. Damit übersteigen seine Einkünfte und Bezüge von nunmehr 6.911 € den Jahresgrenzbetrag nicht.

21
Darauf, ob M, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. August 2012 meint, weitere unvermeidbare Krankheitsfolgenkosten hatte, die von den berücksichtigten 160 € nicht mit abgedeckt werden, kommt es nicht an.

22
2. Die Frage, ob M als behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

23
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Zur Rücknahme eines Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld nach Erteilung des Aufteilungsbescheides

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Zur Rücknahme eines Antrags auf Aufteilung der Steuerschuld nach Erteilung des Aufteilungsbescheides

1. Mit dem Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld übt der Gesamtschuldner ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht aus.
2. Die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts ist unwiederholbar und unwiderruflich.
3. Wer als Gesamtschuldner einen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld gestellt hat, kann den Aufteilungsantrag auch im Verfahren über den Einspruch gegen den Aufteilungsbescheid nicht zurücknehmen.

Niedersächsisches Finanzgericht 15. Senat, Urteil vom 05.11.2013, 15 K 14/13

§ 129 AO, § 268 AO, § 269 Abs 1 AO, § 277 AO, § 280 AO, § 367 Abs 2 AO, § 26a EStG, § 139 Abs 4 FGO

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger berechtigt ist, seinen Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung vor Bestandskraft des bereits erteilten Aufteilungsbescheides zurückzunehmen.

2
Mit Bescheid vom 24. November 2011 setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA -) gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau, der Beigeladenen, die Einkommensteuer für das Jahr 2010 (Streitjahr) auf … € fest. Der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens legte das FA Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte der Beigeladenen aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit zugrunde. Da die Eheleute keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, ermittelte das FA die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege.

3
Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren reichten der Kläger und die Beigeladene beim FA die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein, mit der sie Zusammenveranlagung beantragten. Der Kläger und die Beigeladene erklärten, seit Juli 2011 dauernd getrennt zu leben.

4
Mit Bescheid vom 13. Juni 2012 setzte das FA für das Streitjahr Einkommensteuer in Höhe von … € fest. Aus dem Abrechnungsteil ergab sich eine Nachforderung des FA in Höhe von insgesamt 1.100 € … Gegen die Festsetzung der Einkommensteuer legten der Kläger und die Beigeladene keinen Rechtsbehelf ein.

5
Auf Antrag des Klägers vom 21. Juni 2012 erteilte das FA am 11. Juli 2012 einen Aufteilungsbescheid. Dadurch teilte das FA die Gesamtschuld nach dem Verhältnis der Beträge auf, die sich bei getrennter Veranlagung zur Einkommensteuer ergäben. Dies führte dazu, dass auf den Kläger 100 v. H. und auf die Beigeladene 0 v. H. der Steuer entfielen. Den Kläger trifft hiernach eine Nachforderung in Höhe von 2.500 €, während der Beigeladenen eine Erstattung in Höhe von 1.400,00 € zusteht. …

6
Gegen den Aufteilungsbescheid legte der Kläger am 12. Juli 2012 Einspruch ein. Er nehme den Aufteilungsantrag zurück. Aufgrund des Bescheides habe sich die Steuerschuld des Klägers erhöht. Auch die Beigeladene habe durch den Bescheid keinen Vorteil. Einerseits würden die ihr zustehenden Erstattungen mit Rückständen aufgerechnet. Andererseits müsse der Kläger die Unterhaltszahlungen an die Beigeladene solange einstellen, bis die Abgabenschuld getilgt sei. Mit Bescheid vom 14. November 2012 zog das FA die Beigeladene zum Einspruchsverfahren hinzu.

7
Den eingelegten Rechtsbehelf wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Ein Aufteilungsantrag könne nur solange zurückgenommen werden, bis der Aufteilungsbescheid nicht erteilt sei. Ein erteilter Aufteilungsbescheid könne nur aus den in § 280 der Abgabenordnung (AO) genannten Gründen geändert werden. Nicht zu diesen Gründen gehöre die Rücknahme des Aufteilungsantrags. Eine solche Rücknahme sei auch nicht im Einspruchsverfahren möglich. Denn in diesem Verfahren könnten nur Einwendungen gegen die Art der Aufteilung (d. h. gegen die Berechnung der Aufteilungsanteile) erhoben werden. Da § 280 AO gegenüber §§ 130 ff. AO und §§ 172 ff. AO die speziellere Vorschrift sei, würden die Änderungsmöglichkeiten für Aufteilungsbescheide hierdurch abschließend geregelt.

8
Der Kläger hat mit Schreiben vom 13. Januar 2013 Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des Aufteilungsbescheides vom 11. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2012 begehrt. Er nehme den Antrag auf Aufteilung der Gesamtschuld zurück. Die Folgen des Antrags seien dem Kläger bei Antragstellung nicht klar gewesen.

9
§ 280 AO stehe einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur die Änderung, nicht aber die Aufhebung eines Aufteilungsbescheides regele. Eine Ausweitung des Regelungsbereichs des § 280 AO auf die Aufhebung eines Aufteilungsbescheides widerspräche der Rechtssystematik der AO. Wenn der Schuldner im Einspruchsverfahren den Aufteilungsantrag zurücknehme, sei dem Aufteilungsbescheid die Grundlage entzogen.

10
Der Kläger beantragt,

11
den Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2012 aufzuheben.

12
Das FA beantragt,

13
die Klage abzuweisen.

14
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

15
Zur Begründung nimmt das FA im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug.

16
Nach Anhörung ist die Ehefrau des Klägers mit Beschluss vom 8. April 2013 notwendig beigeladen worden. Mit Schreiben vom 16. April 2013 hat der Berichterstatter die Beigeladene auf die sich aus § 60 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergebenden Rechte eines Beigeladenen hingewiesen.

17
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

18
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Aufteilungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat das FA durch die Einspruchsentscheidung eine Aufhebung des Aufteilungsbescheides abgelehnt.

19
1. Sind Personen Gesamtschuldner, weil sie zusammen zu einer Steuer vom Einkommen oder zur Vermögensteuer veranlagt worden sind, so kann nach § 268 AO jeder von ihnen beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuer jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergibt. Der Antrag ist bei dem im Zeitpunkt der Antragstellung für die Besteuerung nach dem Einkommen oder dem Vermögen zuständigen Finanzamt schriftlich zu stellen oder zur Niederschrift zu erklären (§ 269 Abs. 1 AO). Die rückständige Steuer ist gemäß § 270 Satz 1 AO nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei der Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der §§ 271 bis 276 AO ergeben würden. Über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung ist nach Einleitung der Vollstreckung durch schriftlichen Bescheid (Aufteilungsbescheid) gegenüber den Beteiligten einheitlich zu entscheiden (§ 279 Abs. 1 AO). Der Aufteilungsbescheid hat die Höhe der auf jeden Gesamtschuldner entfallenden anteiligen Steuer zu enthalten; ihm ist eine Belehrung beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und bei welcher Behörde er einzulegen ist (§ 279 Abs. 2 Satz 1 AO). Weitere Bestimmungen für den Inhalt des Aufteilungsbescheides enthält § 279 Abs. 2 Satz 2 AO. Gemäß § 280 Abs. 1 AO kann der Aufteilungsbescheid außer in den Fällen des § 129 AO nur geändert werden, wenn (Nr. 1) nachträglich bekannt wird, dass die Aufteilung auf unrichtigen Angaben beruht und die rückständige Steuer infolge falscher Aufteilung ganz oder teilweise nicht beigetrieben werden konnte oder (Nr. 2) sich die rückständige Steuer durch Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung oder ihre Berichtigung nach § 129 AO erhöht oder vermindert. Nach Beendigung der Vollstreckung ist eine Änderung des Aufteilungsbescheids oder seine Berichtigung nach § 129 AO nicht mehr zulässig (§ 280 Abs. 2 AO).

20
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt die Befugnis des Gesamtschuldners, einen Aufteilungsantrag zu stellen, keine Einrede i. S. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar. Unter Einreden versteht man materielle Leistungsverweigerungsrechte (vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., § 390 Rz 1), während der Antrag nach § 268 AO die Ausübung eines verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechts darstellt (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 269 AO Rz 1; Horn in Schwarz, AO, § 269 Rz 2; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 269 AO Rz 5), das die Gesamtschuld als solche unberührt lässt (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 268 AO Rz 5) und nur zu einer Beschränkung der Vollstreckung im weiteren Sinne führt (zum Ganzen BFH-Urteil vom 12. Juni 1990 VII R 69/89, BFHE 163, 498, BStBl II 1991, 493).

21
2. Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht berechtigt, im Verfahren über den Einspruch gegen den Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung (§§ 268 f. AO) zurückzunehmen.

22
a) Die Vorschriften über die Aufteilung einer Gesamtschuld (§§ 268 bis 280 AO) sehen nicht die Möglichkeit vor, dass der Schuldner den Aufteilungsantrag zurücknimmt.

23
Unter welchen Voraussetzungen ein Aufteilungsbescheid geändert werden kann, ist abschließend in § 280 Abs. 1 AO geregelt. Zu Recht hat das FA in seiner Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, dass es sich hierbei gegenüber §§ 130 ff. AO und §§ 172 ff. AO um die speziellere Vorschrift handelt. Das bedeutet, dass ein Aufteilungsbescheid ausschließlich nach Maßgabe der Bestimmungen des § 280 Abs. 1 AO korrigiert werden kann (vgl. Horn in Schwarz, AO, § 280 Rz 1; Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 280 Rz 1; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 280 AO Rz 2).

24
Die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 AO liegen im Streitfall nicht vor. Denn der Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 beruht weder auf unrichtigen Angaben (Nr. 1), noch hat sich die rückständige Steuer nach Erteilung des Bescheides geändert (Nr. 2).

25
Eine Korrekturmöglichkeit nach §§ 268 ff. AO besteht demnach nicht.

26
b) Dem FA ist weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch nach Aktenlage bei Erlass des Aufteilungsbescheides eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, die gemäß § 280 Abs. 1 AO i. V. m. § 129 AO durch eine Aufhebung des Bescheides berichtigt werden könnte.

27
c) Schließlich ist auch eine Aufhebung des Aufteilungsbescheides nach § 367 Abs. 2 AO ausgeschlossen. Da der Kläger mit seinem Antrag vom 21. Juni 2012 ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt hat und die Ausübung dieses Rechts unwiderruflich ist, kann der Kläger den Aufteilungsantrag nicht zurücknehmen.

28
aa) Nach § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

29
Obwohl § 280 Abs. 1 AO bei Aufteilungsbescheiden eine eigenständige und abschließende Regelung der Korrekturmöglichkeiten enthält, kann grundsätzlich auch im Rechtsbehelfsverfahren eine Änderung des Bescheides herbeigeführt werden (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Rheinland-Pfalz vom 28. April 1999 1 K 1679/98, juris Rz 17; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 280 AO Rz 2).

30
Eine Aufhebung des streitgegenständlichen Aufteilungsbescheides nach § 367 Abs. 2 AO kommt jedoch wegen dessen Rechtsnatur als verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht nicht in Betracht.

31
(1) Soweit ersichtlich ist in der abgabenrechtlichen Literatur die Frage, ob ein Aufteilungsbescheid im Rechtsbehelfsverfahren wegen Rücknahme des Antrags aufgehoben werden kann, bislang nicht erörtert worden. Vielfach wird jedoch die Auffassung vertreten, dass im Rechtsbehelfsverfahren nur Einwendungen gegen den aufzuteilenden Betrag, den angewendeten Aufteilungsmaßstab, die Anrechnung von Beträgen nach § 276 Abs. 6 AO und das Aufteilungsverfahren erhoben werden können (Horn in Schwarz, AO, § 279 Rz 9; Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 279 Rz 2; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 279 AO Rz 9; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 279 AO Rz 9). Dagegen können Einwendungen gegen den Steuerbescheid weder hinsichtlich der Höhe der Steuer noch hinsichtlich der Zuordnung einzelner Besteuerungsgrundlagen zu dem einen oder anderen Zusammenveranlagten erhoben werden (BFH-Beschluss vom 27. August 1990 VI B 216/89, BFH/NV 1991, 214; Horn in Schwarz, AO, § 279 Rz 9; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 279 AO Rz 9).

32
(2) Nach der Rechtsprechung des BFH gibt es im Abgabenrecht neben verwaltungsrechtlichen Gestaltungsrechten wie dem Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nach §§ 268 f. AO auch schuldrechtliche Gestaltungsrechte, zu denen z. B. die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gehören (§ 226 Abs. 1 AO). Die Aufrechnungserklärung der Finanzbehörde ist eine rein rechtsgeschäftliche Erklärung, mit der ein schuldrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt und kein Verwaltungsakt erlassen wird (BFH-Urteil vom 31. August 1995 VII R 58/94, BFHE 178, 306, BStBl II 1996, 55; BFH-Beschluss vom 29. November 2012 VII B 88/12, BFH/NV 2013, 508, unter II. 1. c) der Gründe; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 118 Rz 24; Klein/Rüsken, a. a. O., § 226 Rz 65, jeweils m. w. N.).

33
Ein Gestaltungsrecht ist nach einmaliger Ausübung verbraucht. Mit dieser Konsumtion des Gestaltungsrechts hängt auch die allgemein angenommene Unwiderruflichkeit der einmal abgegebenen Gestaltungserklärung zusammen (vgl. zur Unwiderruflichkeit von Gestaltungserklärungen im Allgemeinen Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., Überblick vor § 104 Rz 17, und zur Unwiderruflichkeit von Aufrechnungserklärungen im Besonderen Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 388 Rz 1; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 145 Rz 11a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl., § 145 Rz 12). Dem Gesetzgeber des BGB war die Unwiderruflichkeit einer Gestaltungserklärung so selbstverständlich, dass in dem heutigen § 315 BGB (§ 353 des ersten Entwurfs zum BGB) eine Bestimmung über die Unwiderruflichkeit, die noch im Entwurf enthalten war, von der Kommission ausdrücklich als selbstverständlich gestrichen worden ist (Protokolle zum Entwurf des BGB, Bd. VI, Seite 153). Unwiederholbarkeit und Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung sind der Preis dafür, dass man auf so einfache Weise, nämlich durch bloße Willenserklärung sein Recht verwirklichen kann (Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 26. August 1993, 2 AZR 159/93, BAGE 74, 143, m. w. N.).

34
bb) Hiernach hat das FA die Aufhebung des Aufteilungsbescheides auf den Einspruch des Klägers zu Recht abgelehnt.

35
(1) Die von Rechtsprechung und Literatur in erster Linie für schuldrechtliche Gestaltungsrechte aufgestellten Grundsätze sind auf verwaltungsrechtliche Gestaltungsrechte jedenfalls grundsätzlich übertragbar. Hier wie dort erfordern es die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, dass die Ausübung eines Gestaltungsrechts weder wiederholbar noch widerruflich ist.

36
Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, kann der Kläger den am 21. Juni 2012 beim FA gestellten Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung unabhängig davon nicht zurücknehmen, dass der Aufteilungsbescheid vom 11. Juli 2012 noch nicht in Bestandskraft erwachsen ist.

37
Es besteht kein Anlass dafür, von der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit eines Aufteilungsantrags im Streitfall eine Ausnahme zuzulassen. Auch das Vorbringen des Klägers, ihm sei die Auswirkung des Antrags nicht klar gewesen, rechtfertigt eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht.

38
(2) Ferner spricht die Regelung des § 277 AO gegen eine Widerruflichkeit und damit eine gegen Wiederholbarkeit des Antrags auf Beschränkung der Vollstreckung.

39
Solange nicht über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung unanfechtbar entschieden ist, dürfen Vollstreckungsmaßnahmen gemäß § 277 AO nur soweit durchgeführt werden, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass vollstreckungsrechtlich vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor endgültig feststeht, in welchem Umfang die einzelnen Gesamtschuldner für die rückständige Steuer in Anspruch genommen werden können (Horn in Schwarz, AO, § 277 Rz 1). Die Vollstreckung wird – und zwar für jeden der Gesamtschuldner – bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Aufteilungsantrag auf bloße Sicherungsmaßnahmen beschränkt. Eine endgültige Befriedigung des Abgabengläubigers ist vorerst ausgeschlossen (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 277 AO Rz 2; Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 277 Rz 1). Bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahmen, die über den Sicherungszweck hinausgehen, sind auszusetzen bzw. aufzuheben, soweit dies noch möglich ist (Horn in Schwarz, AO, § 277 Rz 1).

40
Könnte ein Gesamtschuldner – wie im Streitfall der Kläger – einen Aufteilungsantrag zurücknehmen bzw. widerrufen, hätte er oder ein anderer Gesamtschuldner – im Streitfall: die Beigeladene – die Möglichkeit, erneut einen Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung zu stellen. Dadurch würde eine endgültige Befriedigung des Abgabengläubigers ein weiteres Mal vorläufig vereitelt. Es spricht nichts dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Beitreibungsinteresse des Abgabengläubigers in dieser Weise durch die §§ 268 ff. AO beeinträchtigt werden soll.

41
Auch im Lichte des § 277 AO ist die angefochtene Entscheidung deshalb nicht zu beanstanden.

42
(3) Nach alledem folgt der erkennende Senat nicht dem 7. Senat des FG Berlin-Brandenburg, der in seinem Urteil vom 16. September 2009 7 K 7453/06 B (EFG 2010, 386) – ohne Begründung – offenbar davon ausgeht, ein Aufteilungsantrag könne zurückgenommen werden.

43
Diese Ansicht lässt sich auch nicht mit den Vorschriften über die Veranlagung von Ehegatten begründen.

44
Nach §§ 26 ff. EStG in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung kann die Wahl der Veranlagungsart bis zur Bestandskraft des Zusammenveranlagungsbescheides oder – bei getrennter Veranlagung bzw. besonderer Veranlagung nach § 26c EStG – eines der beiden Bescheide geändert werden (vgl. im Einzelnen Schmidt/Seeger, EStG, 32. Aufl., § 26 Rz 23 f.). Die Grundsätze über die Änderbarkeit der Wahl der Veranlagungsart sind für die Frage, ob ein Aufteilungsantrag zurückgenommen werden kann, allein deshalb nicht maßgeblich, weil die §§ 26 ff. EStG den Ehegatten ein Wahlrecht („können … wählen“, § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG) einräumen und das im 4. Teil der AO geregelte Festsetzungsverfahren betreffen, die §§ 268 ff. AO dagegen ein verwaltungsrechtliches Gestaltungsrecht begründen – was vor allem in § 277 AO zum Ausdruck kommt (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 277 AO Rz 2) – und dem Vollstreckungsrecht (6. Teil der AO) angehören.

45
3. a) Der Senat konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

46
b) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

47
Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 139 Abs. 4 FGO). Im Regelfall entspricht es der Billigkeit, dem Beigeladenen Kostenerstattung zuzubilligen, wenn er Sachanträge gestellt hat, weil er dann auch das Risiko getragen hat, zu unterliegen und mit Kosten belastet zu werden (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, unter I. C. der Gründe). Voraussetzung für eine Billigkeitsentscheidung nach § 139 Abs. 4 FGO ist, dass der Beigeladene den obsiegenden Beteiligten unterstützt hat (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 139 Rz 136, m. w. N.).

48
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Beigeladene hat auch auf ausdrückliche Nachfrage durch das Gericht (Schreiben vom 16. April 2013) davon abgesehen, Sachanträge zu stellen.

49
c) Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Durch die Rechtsprechung des BFH ist bislang nicht geklärt, ob ein Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung nach §§ 268 f.  AO vor Eintritt der Bestandskraft des erteilten Aufteilungsbescheides zurückgenommen werden kann.

Kosten für Erststudium sind keine Werbungskosten.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Einkommensteuer 2010

Kosten für Erststudium sind keine Werbungskosten.

Revision eingelegt – BFH-Az.: VI R 48/13.

Niedersächsisches Finanzgericht 13. Senat, Urteil vom 14.05.2013, 13 K 89/12

§ 12 Nr 5 EStG

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Aufwendungen für ein Erststudium Werbungskosten sind.

2
Die Klägerin ist Studentin der Tiermedizin. Sie studiert in Hannover. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2010 hat sie keine Einnahmen erklärt, aber die Aufwendungen für ihr Studium, ausbildungsbedingte Bahnfahrten, doppelte Haushaltsführung, Fachliteratur, Semesterbeiträge und Ähnliches als Werbungskosten angesetzt. Der Beklagte hat diese in der Höhe unstreitigen Aufwendungen als Sonderausgaben behandelt und die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt. Hierzu hat er sich auf den Wortlaut des § 12 Nr. 5 EStG. berufen.

3
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin beruft sich auf die Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH). Nach dieser Rechtsprechung können auch Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung trotz der Regelung in § 12 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) Werbungskosten sein. Es bestehe eine enge Verknüpfung zwischen Ausbildung und späterem Beruf. Da Werbungskosten vorrangig vor Sonderausgaben steuerlich zu behandeln seien, rechtfertige dies die Annahme, die Ausbildungskosten für ein Erststudium als Werbungskosten anzusetzen. § 12 Nr. 5 EStG könne diesen Veranlassungszusammenhang nicht außer Kraft setzen.

4
Die Klägerin beantragt,

5
den angefochtenen Steuerbescheid vom 14. Juli 2011 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2012 aufzuheben und der Klägerin die geltend gemachten Aufwendungen (4.629,48 EUR) als vorweggenommene Werbungskosten anzuerkennen.

6
Der Beklagte beantragt,

7
die Klage abzuweisen.

8
Der Beklagte weist auf den Wortlaut des § 12 Nr. 5 EStG und auf das Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz vom Dezember 2011 hin. Dort sei in § 4 Abs. 9 EStG und § 9 Abs. 6 EStG klargestellt, dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium keine Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten seien. Diese Regelungen gelten für Veranlagungszeiträume ab 2004, also auch für das Streitjahr.

 

Entscheidungsgründe

9
Die Klage ist unbegründet.

10
Die Klägerin hat in den Streitjahren keine negativen Einkünfte erzielt. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für ihre erstmalige Ausbildung zur Tierärztin sind nicht als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit abzugsfähig, so dass keine Werbungskostenüberschüsse angefallen sind. Der Abzug der Aufwendungen der Klägerin für ihre erstmalige Berufsausbildung als Werbungskosten ist gem. § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG ausgeschlossen. Maßgeblich ist im Streitfall § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes. Die neue Regelung wurde im Bundesgesetzblatt vom 13. Dezember 2011 verkündet. Gemäß Art. 25 Abs. 4 des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes trat sie am Tag nach ihrer Verkündung also 14. Dezember 2011 in Kraft. Sie sind daher im Streitfall anzuwenden, in dem am 15. März 2012 Klage erhoben wurde.

11
Nach § 9 Abs. 6 EStG sind Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Gemäß § 12 Nr. 5 EStG dürfen die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dieses Abzugsverbot gilt ebenfalls nicht, wenn die Berufsausbildung oder das Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG i.d.F. des Streitjahres bis zu einem Betrag in Höhe von 4.000 EUR als Sonderausgaben begrenzt abzugsfähig. Diese Regelungen sind gem. Art. 2 Nr. 34 lit.d) des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.

12
Die Klägerin hat ihre Ausbildung zur Tierärztin außerhalb eines Dienstverhältnisses absolviert. Die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandenen Aufwendungen hierfür sind daher nach §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG keine abziehbaren Werbungskosten.

13
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestehen nicht.

14
Dabei geht der Senat davon aus, dass trotz der Entscheidung des BFH vom 28.07.2011 (VI R 38/10, BStBl II 2012/561) bereits ab Geltung des § 12 Nr. 5 EStG der Werbungskostenabzug für Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für sein Erststudium ausgeschlossen ist. Der Wortlaut der Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG ist eindeutig. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, ebenfalls eindeutig, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 12 Nr. 5 EStG den Werbungskostenabzug  für eine Erstausbildung ausschließen wollte.

15
In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass jedes erstmalige Studium unabhängig von vorangegangenen Berufsausbildungen im Wege des Sonderausgabenabzugs bis zu einem Betrag von 4.000 EUR steuerlich wirksam werden soll. Begründet wird diese Einschränkung damit, dass ein Erststudium eine neue berufliche soziale und wirtschaftliche Stellung eröffne und dass die dafür getätigten Aufwendungen typisierend den Lebensführungskosten zugerechnet werden (BT-Drucks. 15/3339 S.10). Der streitentscheidende Senat hat in seinem Urteil vom 15.05.2007 (13 K 570/06, EFG 2007, 1431 – 1433) den durch Einführung des § 12 Nr. 5 EStG vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss des Werbungskostenabzug für ein Erststudium dargestellt und befand sich mit dieser Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit den anderen Finanzgerichten (Nachweise zur Finanzgerichtsrechtsprechung: Urteil des FG Düsseldorf vom 14.12.2011, 14 K 4407/10 F; EFG 2012, 686 Rdz. 30). Diese klare gesetzgeberische Entscheidung, die von den Instanzgerichten einhellig als eindeutig angesehen wurde, kann nicht aufgrund eines Urteils des Bundesfinanzhofes ins Gegenteil verkehrt werden. Nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis klare und eindeutige gesetzgeberische Regelungen zu verwerfen.

16
Aber auch wenn dieser Rechtsansicht nicht gefolgt wird, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rückwirkung. Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des Urteils des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2012 (10 K 4245/11, EFG 2013, 433 – 435 Rz. 18 und 19) an. Dort hat das Finanzgericht Baden-Württemberg ausgeführt:

17
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ist zwischen echter und unechter Rückwirkung zu unterscheiden. Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung entfaltet eine Rechtsnorm, wenn sie Rechtsfolgen für Zeiträume anordnet, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegen und abgeschlossen sind, sogenannte Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR- 2009, 187; vom 7. Juli 2010 2 BvL14/02 u.a., Entscheidungen des BVerfG –BVerfGE- 127, 1). Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, bedürfen mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG) einer besonderen Rechtfertigung. In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch verschiedene Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen werden darf (BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Insbesondere tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, zurück, wenn ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts nicht oder nicht mehr bestehen konnte (vgl. BVerfG-Urteil vom 23. November 1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239). Eine Änderung mit Rückwirkung ist auch dann zulässig, wenn die geltende Rechtslage, die durch die rückwirkend geltende Vorschrift geändert wurde, unklar und verworren war (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187; vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200; vom 17. Januar 1979 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77, BVerfGE 50, 177). Dem Gesetzgeber ist es unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes daher erst recht nicht verwehrt, rückwirkend eine Rechtslage festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187; vom 23. Januar 1990 1 BvL 4 bis 7/87, BVerfGE 81, 228). Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt sein mag, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält (BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Treten belastende Rechtsfolgen einer Vorschrift erst nach ihrer Verkündung ein, werden aber tatbestandlich von einem schon verwirklichten Sachverhalt ausgelöst (tatbestandliche Rückanknüpfung), spricht man von einer unechten Rückwirkung, die nicht grundsätzlich unzulässig ist (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 Bvl 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1).

18
Im Streitfall handelt es sich – ausgehend von diesen Grundsätzen – um eine echte Rückwirkung, die aber ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig ist, denn die Klägerin konnte gerade im Hinblick auf den klaren Gesetzeswillen und die dem Gesetzeswillen folgenden Entscheidungen der Instanzgerichte kein schützenwertes Vertrauen dahingehend bilden, dass die von ihr getätigten Aufwendungen für ihre Ausbildung als Werbungskosten abzugsfähig sind.

19
Die Klage ist folglich unbegründet und war mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

20
Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer gewerblich geprägten GmbH & Co KG begründet keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Körperschaftsteuer 2011

Die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer gewerblich geprägten GmbH & Co KG begründet keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Niedersächsisches Finanzgericht 10. Senat, Urteil vom 10.10.2013, 10 K 158/13

§ 14 AO, § 15 Abs 3 EStG

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine Beteiligung der Klägerin an einer GmbH & Co. KG zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt.

2
Die Klägerin wurde 1990 von den Eheleuten X als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit einem Grundstockvermögen vom 100.000 DM gegründet. Stiftungszweck ist die Förderung des Tierschutzes, des Sportes und des Umweltschutzes. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) hat die Klägerin als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) anerkannt.

3
Nach dem Tod von Frau X am 3. Juli 2006 erbte die Klägerin deren 100-prozentigen Kommanditanteil an der Y GmbH & Co. KG (im folgenden KG) sowie 100 % der Anteile an der dazugehörenden Verwaltungs–GmbH.

4
Die KG betrieb ursprünglich einen Schuhwareneinzelhandel mit Schuhgeschäften in A, B und C. Seit 1986 nutzte die KG ihr Betriebsgrundstück in A, S-Str. 8, nicht mehr für Schuhwareneinzelhandel, sondern vermietete dieses Wohn- und Geschäftshaus an einen Dritten. Zum 30. Juni 2006 beendete die KG ihre Tätigkeit als Schuhwareneinzelhändler und veräußerte ihre Filialen in A, B und C. Im Betriebsvermögen verblieb lediglich das Objekt in A, S-Str.. 8. Dieses Gebäude wurde umgebaut und danach eine (ehemalige) Wohnung als Büroraum für die KG und die Klägerin genutzt. Die übrigen Räumlichkeiten vermietet die KG an gewerbliche Mieter bzw. Wohnungsmieter. Weitere wirtschaftliche Betätigungen übt die KG seitdem nicht aus.

5
Gegenüber dem FA deklarierte die KG die Veräußerung der Schuhgeschäfte in 2006 als Teilbetriebsveräußerung i.S.d. §§ 16, 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Dieser
Betrachtung folgte das FA, da es sich nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten bei dem Grundstück in der S-Str. in A im Jahr 2006 nicht (mehr) um eine wesentliche Betriebsgrundlage des Schuhwareneinzelhandels gehandelt habe. Ebenso gewährte das FA der KG für die Folgejahre die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG).

6
Die Klägerin behandelte ihre Beteiligung an der KG seit 2006 als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dieser Betrachtung schloss sich das FA an und erfasste folgende Beteiligungsergebnisse:

7
 2006: -8.116 €
2007: -63.673 €
2008: 6.682 €
2009: 84.594 €
2010: 52.502 €
2011: 101.082 €
8
Dies führte bei der Klägerin im Streitjahr 2011 zu einer Körperschaftssteuer in Höhe von 14.412 €.

9
Gegen den Körperschaftssteuerbescheid für 2011 wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass nach dem BFH-Urteil vom 25. Mai 2011 (I R 60/10, BStBl. II 2011, 858) die Einkünfte aus der Beteiligung an einer gewerblich geprägten KG bei der Klägerin als gemeinnütziger Stiftung nicht steuerpflichtig seien, da diese Einkünfte nicht im Rahmen eines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs erzielt würden, sondern ausschließlich aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit stammten. Dabei sei es unerheblich, ob die KG von Anfang an nur eine Vermietungstätigkeit ausgeübt habe oder ob sie diese erst nach einer originär gewerblichen Tätigkeit ausübe, da die KG selbst aufgrund ihrer Rechtsform nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG immer gewerbliche Einkünfte generiere. Für die Qualifizierung dieser Einkünfte beim Anteileigner komme es jedoch nur auf den Status des Beteiligten sowie auf die
tatsächliche Tätigkeit der KG an.

10
Die Klägerin beantragt,

11
den Bescheid über Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag für 2011 vom 10. Oktober 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2013 aufzuheben.

12
Der Beklagte beantragt,

13
die Klage abzuweisen.

14
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung geäußerten Rechtsauffassung fest.
Danach könne die Klägerin nicht von der neueren Rechtsprechung des BFH profitieren. Denn vorliegend seien die Einkünfte der KG nicht nur aufgrund der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als gewerblich einzustufen; vielmehr handele es sich bei der Tätigkeit der KG um einen ruhenden Gewerbebetrieb, da die KG vor 1986 auch das nunmehr
vermietete Grundstück in A S-Str. für ihren Schuhwareneinzelhandel genutzt habe. Damit stelle sich die Vermietung dieses Objekts nach wie vor als genuin gewerbliche Tätigkeit da. Dies führe bei der Klägerin als Gesellschafterin zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO.

15
Der Senat hat die Steuerakten der KG zum Verfahren beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

16
I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin unterhalte mit ihrer streitgegenständlichen
Beteiligung an der gewerblich geprägten Personengesellschaft einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO.

17
1. Die Klägerin ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftssteuergesetz (KStG) von der Körperschaftssteuer befreit. Soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, ist die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG ausgeschlossen. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nach der Legaldefinition in § 14 AO eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO). Ebenso wenig muss eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegen. Aus der gesetzlichen Definition ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in der Regel durch Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG begründet wird. Denn dabei ist begrifflich auch der Rahmen einer Vermögensverwaltung i.S.d. § 14 Satz 3 AO überschritten (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 78/99, BStBl II 2001, 449).

18
Für die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist, gilt nichts anderes (vgl. BFH-Urteil vom
9. Mai 1984 I R 25/81, BStBl II 1984, 726; BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 78/79, BStBl II 2001, 449 m.w.N.). Denn auch die daraus bezogenen Gewinnanteile stellen Einkünfte des Gesellschafters aus Gewerbebetrieb da (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

19
Diese Betrachtung greift jedoch nach der Entscheidung des BFH vom 25. Mai 2011
(I R 60/10, BStBl II 2011, 858) dann nicht, wenn es sich – wie im Streitfall – um eine Kommanditbeteiligung an einer vermögensverwaltenden, aber gewerblich geprägten
Personengesellschaft handelt. Denn in diesem Fall gehen die Gesellschafter nur einer vermögensverwaltenden und nicht einer gewerblichen Tätigkeit nach. Insoweit ist es
gerade Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG das keine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeübt wird. Demgegenüber wird die Fiktion gewerblicher Einkünfte des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG in § 14 AO für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht aufgegriffen. § 14 AO verknüpft das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auch nicht mit der Erzielung gewerblicher Einkünfte. Da es sich bei dem Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht um einen ertragsteuerlichen, sondern um einen eigenständigen abgabenrechtlichen Begriff handelt, wäre für einen Gleichlauf mit § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eine eigene entsprechende Fiktion oder ein Verweis auf die Einkünfte i.S.d. § 15 EStG erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2011 I R 60/10, BStBl II 2011, 858).

20
2. Nach diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat anschließt, führt die
Beteiligung der Klägerin an der KG vorliegend bei ihr nicht zu einem wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb, da die KG mit der Vermietung des Grundstück in A, S-Str. als einziger unternehmerischer Tätigkeit im Streitjahr ausschließlich vermögensverwaltend tätig geworden ist.

21
a) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in den Bescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der KG die Beteiligungserträge der Klägerin als gewerbliche Einkünfte festgestellt worden sind. Denn mit dieser Feststellung ist nicht
zugleich entschieden, ob diese gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen, weil gewerbliche Einkünfte zwar in der Regel, aber nicht notwendiger Weise mit Einkünften aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben i.S.d. § 14 AO deckungsgleich sind. Insoweit werden nach dem BFH-Beschluss vom 11. April 2005 (GrS 2/02, BStBl II 2005, 679) nur solche Merkmale in die Gewinnfest-stellung einbezogen, die von den Gesellschaftern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit gemeinschaftlich verwirklicht werden. Darüber, ob die gewerblichen Einkünfte bei der Klägerin steuerfrei oder als (steuerpflichtiger) wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen sind, ist außerhalb des Feststellungsverfahrens allein bei der Klägerin zu entscheiden.

22
b) Entgegen der Ansicht des FA führt auch der Umstand, dass die KG vorliegend das nunmehr vermietete Grundstück vormals im Rahmen des Schuhwareneinzelhandels zur Erzielung gewerblicher Einkünfte genutzt hat, zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit geht das FA davon aus, dass es sich bei dem Grundstück in der S-Str. in A um einen ruhenden Gewerbebetrieb handelt, so dass die durch die Vermietung dieses Grundstücks erzielten Einkünfte genuin gewerblich seien. Diese Annahme steht jedoch entgegen, dass die KG als gewerblich geprägte Personengesellschaft gar keinen ruhenden Gewerbebetrieb unterhalten kann (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1977 IV R 174/74, BStBl II 1978, 73). Insoweit fehlt es gerade für die Ausübung des Verpächterwahlrechts und der sich daran anschließenden Rechtsfigur des ruhenden Gewerbebetriebes an der Möglichkeit der Klägerin, bestimmte Gegenstände des Betriebsvermögens in eine Privatsphäre zu überführen und damit im steuerlichen Sinne zu enthaften. Vielmehr geht der BFH zutreffend davon aus, dass eine gewerbliche geprägte Personengesellschaft immer einen Gewerbebetrieb ausübe. Eine weitere Qualifizierung nach gewerblich geprägtem Gewerbebetrieb und genuin gewerblichen Gewerbebetrieb ist nicht vorzunehmen.

23
c) Auch soweit sich das FA auf die BFH-Entscheidung vom 17. März 2010 (IV R 41/07, BStBl II 2010, 977) beruft, führt dies nicht zu einer Abweisung der Klage. In dieser
Entscheidung führt der BFH aus, dass eine Betriebsaufgabe für Zwecke der Gewerbesteuer dann zu verneinen sei, wenn zwar die bisherige originär gewerbliche Tätigkeit aufgegeben werde, eine wesentliche Betriebsgrundlage aber als Vermietungsobjekt weiterhin in einem fiktiven Gewerbebetrieb einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eingesetzt werde.

24
Diese Konstellation liegt möglicherweise auch hier vor. Zweifelhaft ist allerdings, ob das Grundstück in A, S-Str. im Jahr 2006 tatsächlich noch wesentliche Betriebsgrundlage war. Dagegen könnte sprechen, dass das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits seit 20 Jahren nur noch vermietet worden war (so auch die Betriebsprüfung in ihrem Bp-Bericht). Letztlich kann diese Frage jedoch dahin stehen, da sich das vom FA genannte Urteil vorliegend als nicht einschlägig erweist. Denn dort nimmt der BFH eine gewerbesteuerliche Betrachtung vor und unterscheidet demzufolge zwischen den laufenden Einkünften und Veräußerungseinkünften. Vorliegend ist jedoch eine Betrachtung aus Sicht der Abgabenordnung anzustellen. Danach ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer befreiten Körperschaft nur dann gegeben und eine Besteuerung dieser Einkünfte dementsprechend nur dann gerechtfertigt, wenn die Körperschaft selbst als Mitunternehmer eine gewerbliche Tätigkeit ausführt. Es kommt damit auf den Charakter der Tätigkeit und nicht auf dessen einkommensteuerrechtliche oder gewerbesteuerrechtliche Qualifizierung an. Dies folgt aus dem Zweck der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe. Dieser Zweck besteht vor allem darin, die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben aus Gründen der Wettbewerbsneutralität von der Steuerbefreiung auszunehmen. Den vermögensverwaltenden Tätigkeiten misst der Gesetzgeber demgegenüber keine erhebliche Wettbewerbsrelevanz zu (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 2010 I R 97/09, BFH/NV 2011, 312). Da die KG vorliegend tatsächlich nur vermögensverwaltend tätig war, führt die Beteiligung der Klägerin insoweit nicht zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

25
II.   Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung in entsprechender Anwendung. Die Zulassung der Revision
erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage, ob die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer vermögensverwaltenden GmbH & Co KG einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb darstellt, wenn die KG zuvor gewerblich tätig war, hat grundsätzliche Bedeutung. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO auszusprechen.

Es besteht keine Verpflichtung des Finanzamts, Einsprüche bis zur Entscheidung des EGMR in den Verfahren 7227/11 und 7258/11 ruhen zu lassen.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Einkommensteuer 2010

Es besteht keine Verpflichtung des Finanzamts, Einsprüche bis zur Entscheidung des EGMR in den Verfahren 7227/11 und 7258/11 ruhen zu lassen.

Niedersächsisches Finanzgericht 10. Senat, Urteil vom 31.01.2013, 10 K 233/12

§ 363 AO

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte (das Finanzamt -FA-) berechtigt war, über einen Einspruch des Klägers zu entscheiden oder ob das Einspruchsverfahren nach § 363 der Abgabenordnung (AO) hätten ruhen müssen.

2
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt unter anderem als Arzt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 veranlagte das Finanzamt die Kläger erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 2010.

3
Mit Einspruch vom 3. Januar 2012 macht der Kläger Rechtsbedenken dagegen geltend, dass „normale“ Steuerpflichtige für eine Freistellung ihrer Einkünfte den Nachweis sämtlicher beruflicher oder betrieblicher Aufwendungen erbringen müssten, während Bundestagsabgeordnete ohne Nachweis eine steuerfreie Aufwands-/Kostenpauschale in Höhe von ca. 30 % ihrer Gesamtbezüge erhielten. Dies stelle Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 der europäischen Menschrechtskonvention (EMRK) sowie das Recht auf Schutz des Eigentums gem. Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot aus Artikel 14 EMRK dar. Diesbezüglich seien zwei entsprechende Beschwerden beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) unter den Aktenzeichen 7258/11 und 7227/11 anhängig. Diese Verfahren seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und nach Artikel 46 EMRK für alle gleichgelagerten Fälle in Deutschland von Bedeutung. Weiterhin erklärten sich die Kläger mit einem Ruhen des Einspruchsverfahrens gem. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO aus Zweckmäßigkeitsgründen einverstanden.

4
Das FA stellte die Erledigung der Einsprüche unter Hinweis auf gleichgelagerte Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) unter den Aktenzeichen X B 182 – 184/11 zurück. Nachdem diese Nichtzulassungsbeschwerden durch Beschlüsse vom 10. Mai 2012 als unbegründet zurückgewiesen worden waren, teilte das FA den Klägern mit, dass das Einspruchsverfahren nunmehr fortgeführt werde, da ein weiteres Ruhen des Verfahrens weder nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO noch nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO gerechtfertigt sei. Auch sei die Rechtsfrage, ob die Abgeordnetenpauschale auf alle Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit anzuwenden sei, bereits abschlägig entscheiden; dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerden seien vom BVerfG als unbegründet zurückgewiesen worden.

5
In ihrem Antwortschreiben vom 28. August 2012 äußerten die Kläger ihr Unverständnis, warum die Finanzverwaltung die Urteile des EGMR in dieser Angelegenheit nicht abwarten könne. Weitere Anträge stellten die Kläger im Einspruchsverfahren nicht. Daraufhin wies das FA den Einspruch am 18. September 2012 als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung führt das Finanzamt aus, dass die beantragte steuerfreie Kostenpauschale nicht gewährt werden könne und ein weiteres Ruhen des Verfahrens wegen der beim EGMR anhängigen Verfahren weder nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO noch nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO in Betracht komme.

6
Mit der hiergegen erhobenen Klage begehren die Kläger die Aufhebung der Einspruchsentscheidung und eine Verpflichtung des FA, dass Einspruchsverfahren ruhen zu lassen. Zur Begründung berufen sich die Kläger im Klageverfahren erstmals auf die beim BFH anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit den Aktenzeichen VI B 99/12 und VI B 101/12. Gegenstand dieser Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren sei die Frage, ob das Ruhen von Einspruchsverfahren anzuordnen sei, wenn die streitige Rechtsfrage im Rahmen eines Musterbeschwerdeverfahrens beim EGMR anhängig sei. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Zwangsruhe und eine Zweckmäßigkeitsruhe von entsprechenden Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO nunmehr im Hinblick auf die Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim BFH erfüllt seien.

7
Die Kläger beantragen sinngemäß,

8
die Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer 2010 vom 18. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dass Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung des EGMR in den Verfahren 7227/11 und 7258/11 ruhen zu lassen.

9
Der Beklagte beantragt,

10
die Klage abzuweisen.

11
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest.

 

Entscheidungsgründe

12
I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA war nicht verpflichtet, den Einspruch bis zur Entscheidung des EGMR in den Verfahren 7227/11 und 7258/11 ruhen zu lassen.

13
1. Das FA durfte die angefochtene Einspruchsentscheidung erlassen. Das Einspruchsverfahren ruhte nicht zwangsweise nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

14
Nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruht das Einspruchsverfahren, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem europäischen Gerichtshof, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird.

15
a) Soweit die Kläger die Ansicht vertreten, dass die von ihnen im Einspruchsverfahren genannten Verfahren vor dem EGMR zur Zwangsruhe des Einspruchsverfahrens hätten führen müssen, da es sich bei dem EGMR um einen europäischen Gerichtshof im Sinne des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO handele, folgt das Gericht dem nicht. Denn mit dem in § 363 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO genannten „Europäischen Gerichtshof“ ist der EuGH in Luxemburg, nicht aber der EGMR gemeint (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 183/11, BFH/NV 2012, 1570). Daher begründeten die von den Klägern im Einspruchsverfahren genannten Bezugsverfahren vor dem EGMR keine Zwangsruhe im Sinne des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

16
b) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Kläger im Klageverfahren zur Erreichung der Zwangsruhe nunmehr auch auf die beim BFH anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (VI B 99/12 und VI B 101/12) berufen. Insoweit kann dahinstehen, ob Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren überhaupt geeignet sind, als sogenanntes Musterverfahren eine Zwangsruhe im Sinne des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO zu bewirken.

17
Tatbestandliche Voraussetzung der Zwangsruhe ist in jedem Fall, dass die Einspruchsführer ihren Einspruch auf die von ihnen genannten Verfahren stützen. Dabei muss sich der Einspruchsführer in der Einspruchsbegründung auf das von ihm zu bezeichnende konkrete Musterverfahren berufen (Pahlke in Pahlke/Koenig, Kommentar zur Abgabenordnung, § 363, Rd.-Nr. 48 m.w.N.). Es genügt nicht, dass das Musterverfahren lediglich bereits anhängig ist (BFH-Urteil vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn unabhängig von der Frage, ob die Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bereits während des Einspruchsverfahrens anhängig waren, haben sich die Kläger auf diese im Einspruchsverfahren jedenfalls nicht berufen. Daher kommt eine Zwangsruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO im Hinblick auf die Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht in Betracht.

18
2. Das Finanzamt war auch nicht verpflichtet, das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO ruhen zu lassen.

19
Nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde das Verfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen lassen, wenn das aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Da es sich bei § 363 Abs. 2 Satz 1 AO um eine Ermessensvorschrift handelt, ist deren Anwendung durch die Finanzverwaltung vom Gericht nur in dem durch § 102 FGO genannten eingeschränkten Umfang zu überprüfen. Konkrete Ermessensfehler sind aber weder von den Klägern vorgetragen worden, noch sind solche aus den Akten ersichtlich. Insbesondere führen die von den Klägern im Einspruchsverfahren genannten Verfahren vor dem EGMR nicht zu einer Ermessungsreduzierung des Finanzamts. Denn da der EGMR von der Zwangsruhe des § 363 Abs. 2 Satz 2 nicht erfasst ist, kann im Umkehrschluss eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 1 nicht mit Rücksicht auf ein vor dem EGMR betriebenes Verfahren zwingend sein (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 183/11, BFH/NV 1570).

20
3. Die angefochtene Einspruchsentscheidung erweist sich auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig. Das Finanzamt hatte die von den Klägern im Einspruchsverfahren begehrte Übertragung der Grundsätze der teilweisen Steuerfreiheit für Abgeordnetenpauschalen auf die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit zu Recht abgelehnt. Wegen der Begründung wird auf das BFH-Urteil vom 11. September 2008 (VI R 13/06, BStBl. II 2008, 928) Bezug genommen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2010 (2 BvR 2227/08, 2 BvR 2228/08) nicht zur Entscheidung angenommen.

21
II. Das Gericht durfte in der Sache entscheiden. Das Verfahren war nicht entsprechend § 74 FGO auszusetzen. Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreit ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.

22
Der erkennende Senat hält eine Aussetzung des Klageverfahrens im Hinblick auf die beim BFH unter den Aktenzeichen VI B 99/12 und VI B 101/12 anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht für geboten. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, darf ein Rechtsstreit nicht allein deshalb nach § 74 FGO ausgesetzt werden, weil beim BFH ein Revisionsverfahren anhängig ist, dass eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 24. September 2012 VI B 79/12, juris, m.w.N.). Diese gilt erst recht, wenn beim BFH lediglich Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anhängig sind.

23
In solchen Fällen können beim FG anhängige Verfahren nur gem. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO zum Ruhen gebracht werden. Hierzu bedarf es der Zustimmung beider Beteiligten. Diese liegt hier nicht vor.

24
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Wohnsitz bei mehrjährigem Aufenthalt und Schulbesuch der Kinder im außereuropäischen Ausland.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Kindergeld

Wohnsitz bei mehrjährigem Aufenthalt und Schulbesuch der Kinder im außereuropäischen Ausland.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 25.07.2012, 9 K 325/11

 

Tatbestand

1
Streitig ist, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Kinder des Klägers A (geboren 1997) und B (geboren 1994) ab Januar 2011 zu Recht aufgehoben hat.

2
Der Kläger war seit 1992 für die Firma X nichtselbstständig tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit fanden diverse Auslandseinsätze statt, die meist auf mehrere Jahre begrenzt waren. Mit Schreiben vom ….2007 hat der Kläger der Beklagten mitgeteilt, dass er seit dem 1. Juni 2005 nach S (außereuropäisches Ausland) entsandt worden ist. Der derzeitige Vertrag ende am 31. Mai 2008, seine Ehefrau und seine beiden Söhne lebten mit ihm seit August 2006  in S.

3
Seit dem …. 2010 ruht das Arbeitsverhältnis mit der Firma X. Ab ….. 2010 ist der Kläger aufgrund eines gesondert geschlossenen Anstellungsvertrages bei der Firma XS in S tätig. Dieser  Vertrag ist auf fünf Jahre, für die Zeit vom …..2010 bis ….. 2015, befristet.

4
Seit August 2006  gehen die beiden Kinder A und B in S  zur Schule.

5
Im Jahr 2011 hielt sich der Kläger  nach seinen Angaben  fünf Mal für ein bis zwei Tage in Deutschland auf, die beiden Kinder sind in 2011 nicht in Deutschland gewesen. In der Zeit vom … Dezember 2009 bis …Januar 2010 hat sich die gesamte Familie im Inland aufgehalten. In 2010 ist der Kläger  insgesamt fünf Mal in Deutschland gewesen, der Sohn A war nach Angaben des Klägers in den letzten 1 ½ Jahren zwei Mal in Deutschland. Ein Aufenthalt dauerte vom  …. August 2010 bis zum ….. September 2010, die Dauer und der Zeitpunkt des zweiten Aufenthaltes sind vom Kläger nicht mitgeteilt worden.

6
Mit Bescheid vom 15. September 2011 hat die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung ab Januar 2011 für die beiden Kinder A und B aufgehoben. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Kinder könnten nicht bzw. nicht mehr berücksichtigt werden, weil sie weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten noch in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde (§ 63 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz – EStG -).

7
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger vor, er unterhalte sehr wohl einen Wohnsitz in Deutschland. Dieser befände sich im Haus Straße Y in H. Er, seine Ehefrau und seine Kinder seien unter dieser Anschrift mit alleiniger Wohnung gemeldet. Der Kläger legte entsprechende Meldebescheinigungen der Stadt H vor.

8
Der Einspruch blieb erfolglos. Da die Kinder im Haushalt des Kindergeldberechtigten im Ausland lebten und dort zur Schule gingen, könne ein Wohnsitz der Kinder im Inland nicht festgestellt werden. Auch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland, der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum sei nicht feststellbar. Da die Kindergeldberechtigung in den Fällen des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG u. a. vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Inland abhänge, sei der Einspruch zurückzuweisen.

9
Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung verweist der Kläger erneut auf seinen durchgängigen Wohnsitz im Inland. Dort sei er mit seiner Familie gemeldet. Er habe für seine Kinder über Jahre hinweg während aller Auslandsaufenthalte das gesetzlich vorgesehene Kindergeld erhalten. Bei der jetzigen Wohnung der Familie in H handele es sich um eine Eigentumswohnung. Natürlich müsse er auch im Ausland einen Wohnsitz nehmen. Da die Kinder minderjährig seien, sei es nachvollziehbar, dass er die Kinder mit sich nehme. Tatsache sei jedoch, dass die Familie ihren Lebensmittelpunkt ganz eindeutig in Deutschland habe. Regelmäßig kehrten der Kläger, seine Ehefrau oder die Kinder nach H zurück und bewohnten die dort unterhaltene Wohnung. Andernfalls wäre es völlig widersinnig, diesen Wohnsitz überhaupt noch in Deutschland zu unterhalten. Stattdessen könnte die jetzige Wohnung verkauft oder vermietet werden. Seit Mitte 2010 sei der Arbeitgeber des Klägers nicht mehr bereit, Heimreisen des Klägers zu bezahlen. Die bis dahin regelmäßigen Familienheimfahrten seien daher entfallen.

10
Der Kläger sei in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

 

11
Der Kläger beantragt,

12
den Bescheid der Beklagten vom …..2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …..2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, rückwirkend mit Wirkung ab Januar 2011 für die Kinder A und B mit Wirkung ab Januar 2011 das gesetzlich vorgesehene Kindergeld an den Kläger zu zahlen.

13
Die Beklagte beantragt,

14
die Klage abzuweisen.

15
Sie verweist auf ihre Ausführungen im Einspruchsbescheid vom …. 2011 und trägt ergänzend vor:

16
Auch in seiner Klagebegründung habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass die beiden Kinder und er selber im streitigen Zeitraum ab Januar 2011 ihren Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.

17
Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG und die Kinder die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht. Hiernach habe nur derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfüge, einen Kindergeldanspruch für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Staat …. zähle nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten. Deshalb komme es darauf an, ob die Kinder des Klägers in Deutschland ihren Wohnsitz behalten hätten.

18
Im Streitfall liege der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse der beiden Kinder des Klägers, des Klägers selber und seiner Ehefrau eindeutig inS. Die gesamte Familie lebe bereits seit August 2006 in S. Aufenthalte in Deutschland seien nicht belegt und nicht nachgewiesen. Da die beiden Kinder auch die Schule in S besuchen, könnten sie sich auch nur besuchsweise – in den Ferien – in Deutschland aufhalten.

19
Auch den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 9 Abgabenordnung (AO) hätten die Kinder im streitigen Zeitraum in S.

 

Entscheidungsgründe

20
Die Klage ist unbegründet.

21
Zu Recht hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Kinder A und B ab Januar 2011 aufgehoben. Die beiden Söhne des Klägers verfügten nach Überzeugung des Gerichts im Jahr 2011 weder über einen Wohnsitz im Inland noch hatten sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

22
1.Für Kinder im Sinne des § 63 EStG hat gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG derjenige  Anspruch auf Kindergeld, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland   nach § 1 Abs. 2 EStG  unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 62 Abs. 1 Nr.2 Buchstabe a EStG) ist oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG). Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, nicht berücksichtigt, es sei denn sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG.

23
a) Der Begriff des Wohnsitzes i.S.d. § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeignete Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass jemand tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit –wenn auch in größeren Zeitabständen – aufsucht. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist nach den objektiven Umständen zu beurteilen. Melderechtliche Angaben sind unmaßgeblich (BFH Urteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009,564).  Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 21. November 2000 VI R 165/99, BStBl II 2001,279 mit weiteren Nachweisen). Bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe (BFH-Beschluss vom 5.Januar 2012 III B 42/11, BFH/NV 2012,978).

24
Ein solcher Umstand, der auf die Beibehaltung und Benutzung einer Wohnung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer. Als Anhaltspunkt für die Beibehaltung und Nutzung ist regelmäßig auf die Sechs-Monats-Frist des § 9 Satz 2 AO zurückzugreifen, da in dieser Frist zum Ausdruck kommt, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist. Dies ist auch für § 8 AO maßgebend, weil eine nur vorübergehende Nutzung einer Wohnung keinen Wohnsitz begründet (BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; BFH-Urteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351).

25
b) Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht für die Annahme aus, der Inlandswohnsitz werde aufrechterhalten. Denn nicht nur die objektiven Wohnverhältnisse müssen die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten. Insbesondere darf, wie der Bundesfinanzhof für den langjährigen Auslandsaufenthalt eines Kindes entschieden hat, die Anwesenheit in der Wohnung der Eltern im Inland nicht nur Besuchscharakter haben (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294; BFH-Urteil vom 20.November 2008 III R 53/05 a.a.O.,BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2011 III B 24/10, BFH/NV 2012,917).

26
2. Nach diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat anschließt, vermag der Senat einen Wohnsitz der Kinder im Inland im streitigen Zeitraum ab Januar 2011 nicht festzustellen.

27
a) Die Meldung bei der Stadt H reicht für die Begründung oder Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht aus.

28
b)  Der Kläger, seine Ehefrau und die beiden Kinder leben seit August 2006 in S und haben dort ihren Familienwohnsitz. Die Kinder gehen seitdem dort zur Schule. Der im Jahr 2010 geschlossene Arbeitsvertrag mit der Firma XS war auf fünf Jahre, d. h. vom …. 2010 bis ….. 2015, befristet, somit war der Auslandsaufenthalt, zumindest ab ….. 2010, auf einen längeren Zeitraum ausgelegt.

29
Wie oft die Kinder bzw. deren Eltern ab 2006 tatsächlich in Deutschland waren und wie lange sie sich im Inland aufgehalten haben, hat der Kläger trotz Nachfrage seitens der Berichterstatterin (Verfügung vom 13.Juni 2012) zwar nicht vollständig angegeben. Aufgrund des Schulbesuches der Kinder in S ist aber davon auszugehen, dass Aufenthalte der Kinder in Deutschland  ab 2006 nur in den Schulferien stattgefunden haben können und damit nur Besuchscharakter haben. Lediglich für den Zeitraum ab 2010 sind die Inlandsaufenthalte des Klägers, der Ehefrau und der beiden Söhne bekannt. Nach den Angaben des Klägers waren beide Kinder im Jahr 2011 gar nicht in Deutschland und haben die Wohnung in H nicht genutzt. In 2010 war lediglich der Sohn A für 8 Tage zusammen mit dem Kläger im Inland. Die gesamte Familie war zuletzt in der Zeit vom … Dezember 2009 bis … Januar 2010 in Deutschland. Für den streitigen Zeitraum ab Januar 2011 kann aufgrund dieser Umstände von einem Wohnsitz der Kinder in Deutschland, der  als Bleibe ständig genutzt oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht wird, nicht mehr die Rede sein. Auch  die Aufenthalte des Sohnes A in Deutschland in 2009/2010 haben aufgrund ihrer kurzen Dauer nur Besuchscharakter und begründen keinen Wohnsitz oder halten einen früheren Wohnsitz aufrecht. Unter Würdigung der Gesamtumstände geht der Senat daher davon aus, dass die Kinder A und B ihren früheren Wohnsitz in Deutschland im streitigen Zeitraum aufgegeben hatten.

30
c) Aus den gleichen Gründen kann auch nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO)  der Kinder im streitigen Zeitraum im Inland ausgegangen werden.

31
d) Ein inländischer Wohnsitz der Kinder wäre nur dann entbehrlich, wenn der Kläger  die Voraussetzungen des § 62 Abs.1 Nr.2 Buchstabe a i.V.m. § 1 Abs. 2 EStG erfüllt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG setzt u.a. voraus, dass ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse bezogen wird. Dies ist im Streitfall nicht gegeben.

32
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

Ein (Sammel-)Auskunftsersuchen gegen einen Verlag verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Grundrecht zu Pressefreiheit. Es ist zu unbestimmt, soweit für den Empfänger nicht hinreichend erkennbar ist, nach welchen Kriterien die Auskunft zu erteilen ist.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Auskunftsersuchen nach § 93 AO

Ein (Sammel-)Auskunftsersuchen gegen einen Verlag verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Grundrecht zu Pressefreiheit. Es ist zu unbestimmt, soweit für den Empfänger nicht hinreichend erkennbar ist, nach welchen Kriterien die Auskunft zu erteilen ist.

Nichtzulassungsbeschwerde – BFH-Az.: II B 109/13

Niedersächsisches Finanzgericht 8. Senat, Urteil vom 27.08.2013, 8 K 78/12

§ 208 AO, § 93 AO

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Steuerfahndung ein rechtmäßiges Sammelauskunftsersuchen gegenüber der Klägerin erlassen hat.

2
Die Klägerin gibt das „XXX-Blatt“ sowie das Anzeigenblatt „XXX-Blatt  am Sonntag“ heraus. Dort findet sich im Anzeigenteil jeweils u.a. eine Rubrik „Kontakte“. Die Klägerin nutzte für die Verwaltung und Verarbeitung der Anzeigen die Verlagssoftware „JJK fliess“, die u.a. eine Exportfunktion auf Excel anbietet.

3
Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (im Folgenden: FAFuSt) richtete am 21.10.2011 ein Sammelauskunftsersuchen unter Hinweis auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) an die Klägerin. Darin bat es entsprechend einer vorherigen persönlichen Rücksprache mit einem Mitarbeiter der Klägerin um Übersendung folgender Unterlagen:

4
1. Eine Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten aller Anzeigenauftragsgeber für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und

5
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden Angaben den Anzeigentext,

6
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen.

7
Die Aufstellung zu 2. sollte jeweils nach Ablauf eines Monats, letztmalig zum 31.12.2012 übersandt werden. Das FAFuSt erklärte sich bereit, „vor Ort technische Unterstützung durch Gestellung eines Informatikers zu leisten“, soweit „erforderlich und gewünscht“ (zu weiteren Einzelheiten: Auskunftsersuchen vom 21.10.2011, Steuerakte, ohne Blattzahl).

8
Gegen das Auskunftsersuchen richtete sich die Klägerin durch Einspruch, mit dem sie geltend machte, die Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen lägen nicht vor. Das Ersuchen sei nicht verhältnismäßig und die Auskunft zu weit gefasst, da unklar sei, welche Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus in Zusammenhang stünden. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Daten von Personen weitergegeben würden, die nicht im Zusammenhang mit möglichen Ermittlungen stünden. Das Ersuchen belaste die Klägerin zudem unzumutbar, da ein interner Arbeitsaufwand im Umfang von ca. 2 1/2 Tagen entstehe; bei Chiffre-Anzeigen könne der Beklagte zudem selbst den Kontakt herstellen und die Daten erheben. Schließlich verstoße das Ersuchen auch gegen die Pressefreiheit (Art 5 GG).

9
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück und vertrat die Auffassung, dass FAFuSt sei auf Grund eines hinreichenden Anlasses zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle im Sinne von § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO tätig geworden. Aufgrund der in der Vergangenheit geschalteten Anzeigen und der allgemeinen Erfahrung der Finanzbehörde, des Bundesrechnungshofes und des Niedersächsischen Landesrechnungshofes, wonach Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften bei Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus bestünden, gebe es einen hinreichende Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Das Auskunftsersuchen erstrecke sich nur auf solche Anzeigen, in denen sexuelle Dienstleistungen in der jeweiligen Rubrik „Kontakte“ beworben würden (Einspruchsentscheidung Seite 4 unter 2., a). Das Auskunftsersuchen sei zur Sachverhaltsaufklärung auch geeignet und notwendig gewesen und die Pflichterfüllung für die Klägerin möglich und ihre Inanspruchnahme geeignet, erforderlich und zumutbar gewesen. Ein „erhebliches Risiko des Verlusts von Folgeaufträgen“ bestehe nicht. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass technische Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstünden. Eine Selektion der Anzeigen sei ohne weiteres möglich, da bei der Auftragsannahme für jede Annonce ein Rubrikschlüssel vergeben werde. In den Druckausgaben der Zeitung „XXX-Blatt“ finde man z.B. in der Rubrik „Kontakte“ ausschließlich Angebote aus dem Rotlichtbereich (Einspruchsentscheidung Seite 4 unter 2a). Der im Internet veröffentlichten Anzeigen-Preisliste der Zeitung „XXX-Blatt am Sonntag“ sei zudem zu entnehmen, dass für Kontaktanzeigen und Anzeigen im Bereich „Telefonerotik“ abweichende höhere Preise verlangt werden als bei der Rubrik „Kontakte“.

10
Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage. die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, dass Auskunftsersuchen sei rechtswidrig.

11
Die vom Beklagten vorgenommene Konkretisierung auf „solche Anzeigen, in denen erkennbar Prostituierte ihre Dienstleistungen anbieten oder Betriebe des Rotlichtmilieus beworben werden“, genüge rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht. Insoweit bleibe unklar, unter welchen Voraussetzungen eine Anzeige „mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang“ stehe. Das Auskunftsersuchen des Beklagten gehe in seinem Tenor zudem über die Rubrik „Kontakte“ hinaus. Die allenfalls ansatzweise umrissenen Kriterien des Beklagten zur Erfassung des Anzeigenkunden seien zu unbestimmt. Es bleibe unklar, auf welches konkrete Waren- oder Dienstleistungsangebot das Auskunftsersuchen abziele. Auch nach den Inhalten der zum Teil verklausuliert verfassten Anzeigen liege für unbeteiligte Dritte regelmäßig nicht auf der Hand, welches konkrete Angebot beworben werden solle. Die Klägerin wehre sich dagegen, sämtlichen Kunden in der genannten Rubrik Kontakte „Kontakte“ und anderen Rubriken rechtswidrige Steuerverkürzungsabsicht zu unterstellen.

12
Es sei zudem für die Klägerin unmöglich, sämtliche Anzeigen danach zu selektieren, ob tatsächlich ein Bezug zum Rotlichtmilieu bestehe, oder ob die Anzeigenaufgeber lediglich persönliche Neigungen verfolgten und nicht erwerbswirtschaftlich handeln. Wie sich anhand des „XXX-Blatts am Sonntag“ des Monats April 2012 beispielhaft zeige, seien hier auch Anzeigen vorhanden, die gerade nicht eindeutig auf gewerblichen Sex hindeuteten, etwa die Anzeige für „Fernöstliche Massage“ sowie die Anzeige „Super-Service“ und die Werbeaussage „…“, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass Anzeigen einer Rubrik versehentlich in einer anderen Rubrik veröffentlicht werden.

13
Das Erfragen sämtlicher Auftraggeber für eine nicht näher eingegrenzte Anzahl abgedruckter Anzeigen in Verlagserzeugnissen der Klägerin über einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren sei darüber hinaus zu weitgehend. Dabei werde den Anzeigenkunden eine rechtswidrige Steuerverkürzungsabsicht unterstellt und es bestehe die Gefahr der Namensweitergabe bei Personen, die in keinem Zusammenhang mit Ermittlungen der Finanzverwaltung stehen.

14
Zudem bestünden Bedenken am Vorliegen eines hinreichenden Anlasses. Das Ersuchen sei vielmehr als Rasterfahndung anzusehen. Schließlich sei das Sammelauskunftsersuchen auch unverhältnismäßig. Es sei unverständlich, den Ermittlungsaufwand der Klägerin aufzubürden, die nur „Dritte“ sei. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 Abgabenordnung (AO) hätte der Beklagte sich zunächst zudem an die Anzeigenaufgeber wenden müssen, zumindest aber dezidiert darlegen müssen, warum er der Ansicht sei, dass ein Auskunftsersuchen an die Beteiligten keine Aussicht auf Erfolg verspreche. Dies habe er nicht einmal ansatzweise getan. Dem Ausnahmetatbestand des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO habe der Beklagte damit nicht hinreichend Rechnung getragen, jedenfalls aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Ein pauschaler Auskunftsanspruch gegenüber der Presse widerspreche zudem der Pressefreiheit, die durch Art. 5 Grundgesetz verfassungsrechtlich garantiert sei. Insoweit sei auch der Anzeigenteil geschützt.

15
Im Bereich der angeforderten Kontaktdaten der Anzeigenauftraggeber für die Rubik „Telefonerotik“ bleibe unklar, inwieweit die niedersächsische Finanzverwaltung für die Ermittlung von Kontakten außerhalb Niedersachsens zuständig sei.

16
Die in die Zukunft gerichtete Verfügung des Beklagten sei überdies von vornherein ungeeignet, um zukünftige, noch nicht eindeutig für gewerblichen Sex werbende Anzeigenaufträge zu erfassen, da der Beklagte im Erlasszeitpunkt die Texte zukünftiger Anzeigenaufträge nicht kennen konnte.

17
Zu den weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

18
Die Klägerin beantragt,

19
das Auskunftsersuchen in der Fassung, die es in der mündlichen Verhandlung erhalten hat, aufzuheben.

20
Der Beklagte beantragt,

21
die Klage abzuweisen.

22
Er vertritt nach wie vor die Auffassung, das Auskunftsersuchen sei rechtmäßig. Insbesondere sei es inhaltlich hinreichend bestimmt. Auf welche Anzeigen das Auskunftsersuchen abziele, nämlich nur auf die in der Rubrik „Kontakte“, habe ein Mitarbeiter des Beklagten der Klägerin in einem persönlichen Gespräch am 12. Oktober 2011 umfassend erläutert. Die Auskunftsverlangen erstrecke sich nicht auf Anzeigen im Bereich der „Telefonerotik“. Bei der schriftlichen Abfassung des Auskunftsersuchens habe es ausgereicht, die tatsächlich verwendete Umschreibung zur Konkretisierung des gewünschten Auskunftsersuchens zu verwenden. Dass in dieser Rubrik medizinische Massagen angeboten oder gewöhnliche Gaststätten beworben würden, wie von der Klägerin vorgetragen, sei unglaubhaft. Die von der Klägerin in Bezug genommenen „fernöstlichen Massagen“ wiesen einen hinreichenden Bezug zu entgeltlich angebotenen sexuellen Dienstleistungen auf. Ebenso stehe die Anzeige mit der Überschrift „Super-Service“ sowie die mit der Bezeichnung „…“ in einem eindeutigen Zusammenhang zu derartigen sexuellen Dienstleistungen.

23
Das Auskunftsersuchen sei auch notwendig zur Ermittlung der handelnden Personen. Allein die Angabe der Telefonnummer einer Anzeige sei nicht ausreichend, um Dienstleister und dahinter stehende Personen zu ermitteln. Entsprechende Anfragen bei der Bundesnetzagentur bzw. den Telekommunikationsunternehmen ließen i.d.R. keine Rückschlüsse auf die verantwortlichen Personen zu, da Anzeigen nach den bisherigen Erfahrungen auch von den die Dienste anbietenden Personen, vielfach aber auch durch die „hinter den Prostituierten handelnden Personen“ erfolgten.

24
Schließlich sei auch ein unverhältnismäßig hoher Aufwand der Klägerin bei der Auskunftserteilung nicht ersichtlich. Aufgrund der Exportfunktion nach Excel seien die Angaben problemlos und ohne viel Aufwand in eine Datei exportierbar. Die Klägerin benutzte für die Anzeigenverwaltung das Programm „JJK fliess“, welches eine Exportfunktion nach Excel anbiete. Der Leiter der Geschäftskundenabteilung des XXX-Blattes, Herr M, habe zudem angegeben, die Zahl der Anzeigen aus dem Rotlichtbereich betrage lediglich ca. 3-5 für die Ausgaben Montag bis Samstag und ca. 8 für die Sonntagsausgabe. Überdies könnte die Klägerin etwaige Aufwendungen ggf. gem. § 107 AO in Rechnung stellen.

25
Der Vertreter des Beklagten hat im Verlauf der mündlichen Verhandlung sein Auskunftsersuchen dergestalt eingeschränkt, dass eine Auskunft nicht zu erteilen ist für Betriebe, deren Anschriften sich aus den Anzeigen ergebe (vgl. Sitzungsprotokoll).

26
Zu den weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Steuerakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

27
Die Klage ist unbegründet.

28
Das von dem Beklagten an die Klägerin gerichtete Auskunftsersuchen in der im Rahmen der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung ist rechtmäßig. Das FAFuSt hat im Rahmen der ihm zustehenden Befugnisse gehandelt und das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

29
1. Nach § 68 FGO ist Gegenstand des Verfahrens das Auskunftsersuchen in der geänderten Fassung nach Einschränkung in der mündlichen Verhandlung, dass eine Auskunft nicht zu erteilen sei, soweit Betriebe mit Anschrift genannt werden. Das Auskunftsersuchen ist nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert worden, so dass das geänderte Ersuchen als neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird.

30
2. Bei der Überprüfung einer konkreten Tätigkeit der Steuerfahndung auf ihre Rechtmäßigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zwischen der Aufgabenzuweisung einerseits (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AO) und den zur Erfüllung dieser Auf-gaben verliehenen Befugnissen andererseits (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO) zu unterscheiden (BFH-Beschlüsse vom 16.12.1997 VII B 45/97, BStBl II 1998, 231, und in BFH/NV 1998, 424, 428, m.w.N.). Eine konkrete Maßnahme des FAFuSt ist hiernach rechtmäßig, wenn sich das FAFuSt dabei im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs gehalten hat (nachfolgend 3.) und ihm die in Anspruch genommene Befugnis nach dem Gesetz zusteht (nachfolgend 4.).

31
3. Das FAFuSt hat sich im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs gehalten.

32
a) Das FAFuSt hat das Sammelauskunftsersuchen ausdrücklich auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gestützt und damit zum Ausdruck gebracht, dass es nicht im Strafverfahren, sondern im Besteuerungsverfahren zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle tätig werden will. Die Angaben über Personen- und Auftragsdaten der Anzeigenauftraggeber im Zusammenhang mit dem Rotlichtbereich aus der Rubrik „Kontakte“, mit dem  Ziel der Auswertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse, unterfällt grundsätzlich dem Aufgabenbereich des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle umfasst Nachforschungen sowohl nach unbekannten Steuer-pflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen Sachverhalten (vgl. BFH-Beschluss in BStBl II 2000, 643; Gesetzesbegründung des Finanzausschusses, BTDrucks 7/4292 zu § 208 AO). Etwaige Kontrollmitteilungen über die Anzeigenaufgabe ermöglichen dem für die Besteuerung jeweils zuständigen Finanzamt (FA) die Kontrolle, ob die jeweils im Rotlichtbereich tätige Person dort als Steuerpflichtige erfasst ist und ob die erzielten Einnahmen einer ordnungsgemäßen Besteuerung unterworfen worden sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre ein dem FA bisher unbekannter Steuerpflichtiger er-mittelt bzw. ein bisher unbekannter steuerlicher Sachverhalt aufgedeckt.

33
b) Allerdings hat der BFH im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH zum Recht der früheren Abgabenordnung (§ 201 der Reichsabgabenordnung) unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung sowie der Bedeutung der allgemeinen Steueraufsicht für die Sicherung der Staatseinnahmen, ferner unter Abwägung des hohen Stellenwerts, den das Gebot der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit für die Allgemeinheit hat, gegen die Rechte und Interessen des von einer Maßnahme des FAFuSt im Einzelfall Betroffenen, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Aufgabenerfüllung des FAFuSt nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erst dann einzusetzen hat, wenn für ein Tätigwerden ein hinreichender Anlass besteht. Ein solcher liegt vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch konkreten Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter Art angezeigt ist (BFH v. 16.5.2013 II R 15/12, Juris). Ermittlungen „ins Blaue hinein“, Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 VII R 82/85, BStBl II 1988, 359 -Chiffreanzeigen betreffend den Verkauf von ausländischem Grundbesitz durch Inländer-; vom 24.3.1987 VII R 30/86, BStBl II 1987, 484 – Vermittlungsprovisionen an Kreditvermittler-; vom 17.3.1992 VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791 – Verkaufsanzeigen für Yachten im Anzeigenheft eines Yachtmaklers-; s. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 424).

34
c) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich, dass das FAFuSt hinreichenden Anlass zur Einholung der Auskünfte bei der Klägerin hatte. Ein hinreichendes Moment für ein Tätigwerden des FAFuSt ergab sich aus der Zusammenschau der diesem zur Kenntnis gelangten Umstände und Fakten im Zusammenhang mit den vorhandenen Erfahrungswerten im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu. Insoweit war ein Verdachtsgrad erreicht, der –wie bereits der Große Senat des BFH zu § 201 AO (in der bis 1977 geltenden Fassung) entschieden hat (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 13. 2.1968 GrS 5/67, BStBl II 1968, 365)– sog. Vorfeldermittlungen mindestens rechtfertigt, wenn nicht gar gebietet, um die vom Gesetzgeber mit der Aufgabenstellung in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO beabsichtigte möglichst lückenlose Verhinderung von Steuerverkürzungen zu gewährleisten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein hinreichender Anlass für Ermittlungen der Steuerfahndung zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle nach den §§ 93, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO auch dann vorliegen kann, wenn bei Betriebsprüfungen Steuerverkürzungen aufgedeckt worden sind, die durch bestimmte für die Berufsgruppe typische Geschäftsabläufe begünstigt worden sind. Da im Rotlichtbereich erzielte Einnahmen kaum für die Finanzverwaltung erkennbar sind und – wie aus diversen Streitfällen auch gerichtsbekannt ist – oftmals nicht erklärt werden, liegen diese Voraussetzungen vor. Sogar eine (relativ) geringe Anzahl bereits festgestellter Steuerverkürzungen steht der Aufnahme von Vorfeldermittlungen nicht entgegen (vgl. BFH v. 5.10.2006 VII R 63/05, BStBl. II 2007, 155). Denn der Anlass für das Auskunftsverlangen ergab sich im Streitfall primär aus einem die Möglichkeit einer Steuerverkürzung begünstigenden Geschäftsablauf, aber auch vor dem Hintergrund, dass im Rotlichtmilieu bekanntermaßen in einer Vielzahl von Fällen keine ordnungsmäßige Versteuerung erfolgt. Es überschreitet auch nicht die Grenzen des dem FAFuSt bei der gebotenen vorweggenommenen Beweiswürdigung eingeräumten Ermessens, aus den in der Vergangenheit aufgedeckten Fälle zu schließen, dass zur Aufklärung weiterer Hinterziehungen über die einzelfallbezogene Betriebsprüfung hinausgehende Ermittlungen geboten sind.

35
d) Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse des FAFuSt sind die Ermittlungsmaßnahmen auch nicht als Rasterfahndung oder Ermittlung ins Blaue zu qualifizieren. Dem steht die (möglicher Weise) größere Zahl der von den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen nicht entgegen. Denn, wie ausgeführt, liegen hinsichtlich der im Rotlichtbereich tätigen Personen hinreichende Anhaltspunkte für ein statistisch relevantes und mehr als nur unerhebliches Nichtbefolgen der steuerlichen Erklärungspflichten vor. Eine unzulässige Rasterfahndung kann zwar auch vorliegen, wenn das FAFuSt aufgrund strafrechtlicher Ermittlungshandlungen unabhängig von der Höhe der festgestellten Beträge oder von sonstigen Besonderheiten Vorgänge auf ihre steuerlich korrekte Erfassung prüft. Im Streitfall verfügte das FAFuSt indes, wie ausgeführt, auch unter Berücksichtigung etwaiger regionaler Unterschiede über Erkenntnisse, die den Verdacht begründeten, dass in erheblichem Umfang erzielte Einnahmen nicht versteuert worden sind.

36
4. Dem FAFuSt stehen die in Anspruch genommenen Befugnisse auch zu.

37
a) Nach § 208 Abs. 1 Satz 2 AO  stehen das FAFuSt in steuerverfahrensrechtlicher Hin-sicht grundsätzlich die Ermittlungsbefugnisse zu, die die FÄ im Besteuerungsverfahren haben. Wie die FÄ kann daher auch das FAFuSt zur Ermittlung der Besteuerungsgrund-lagen die Beweiserhebungs- und Ermittlungsbefugnisse der §§ 93 ff. AO  in Anspruch nehmen, wobei das FAFuSt bei seiner Aufgabenerfüllung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO im Interesse einer ordnungsgemäßen Gewährleistung des Steueraufkommens sogar von bestimmten Beschränkungen, die für die FÄ gelten, befreit ist (§ 208 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz AO), mithin also noch weiter gehende Befugnisse als die FÄ hat (vgl. BFH-Beschluss in BStBl II 2001, 624, m.w.N.). § 93 Abs. 1 Satz 1 AO gibt hiernach dem FAFuSt das Recht, von den Beteiligten (§ 78 AO) und anderen Personen die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu verlangen. Dies gilt nicht nur für ein auf einen Einzelfall beschränktes Auskunftsersuchen, sondern im Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen auch für Sammelauskunftsersuchen (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1987, 484). Wie der BFH bereits entschieden hat, gehen die Anforderungen für die Einholung einer Sammelauskunft gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO im Rahmen der Steuerfahndung nicht über die Anforderungen hinaus, die der Steuerfahndung bei den Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO auferlegt sind (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1988, 359).

38
b) Das Sammelauskunftsersuchen genügt auch den allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen. Diese Grenzen sind eingehalten, wenn das Auskunftsverlangen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und, gemessen an der Bedeutung der Angelegenheit, notwendig und verhältnismäßig erscheint, sowie dem Adressaten des Ersuchens die Erteilung der Auskunft möglich und zumutbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BStBl II 1997, 499, m.w.N.).

39
Das Finanzamt hat das Auskunftsersuchen ausreichend begründet (§§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO). Das Ersuchen ist auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig (vgl. hierzu Beermann/Hartmann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 93 AO Rz. 23; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 32 ff).

40
aa) Das Ersuchen muss gem. § 119 Abs. 1 AO einen bestimmbaren Inhalt haben und ist gem. § 121 AO zu begründen. § 119 Abs. 2 S. 1 bestimmt, dass anzugeben ist, über welchen Sachverhalt Auskunft gegeben werden soll.

41
Im Ausgangsbescheid hat das FAFuSt die Klägerin dazu aufgefordert, zu den unter Ziff. 1 und 2 aufgeführten Umständen Stellung zu nehmen, „soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen“.

42
bb) Dieses Ersuchen in seiner ursprünglichen Form wäre ohne die ergänzenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung oder eine mündliche Klarstellung zu unbestimmt gewesen, da für den Empfänger im Einzelfall nicht hinreichend erkennbar ist, nach welchen Kriterien der Begriff „Rotlichtmilieu“ zu definieren ist. Zwar wird Rotlichtmilieu zum Teil als eine soziale Umgebung (Milieu) definiert, „welches im Umfeld des sexorientierten Gewerbes, etwa der Prostitution, anzutreffen ist und oft seinen Schwerpunkt in einem Rotlichtviertel hat“ (z.B. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Rotlichtmilieu). Die Zuordnung der Annoncen allein anhand dieser Definition wäre allerdings nicht unproblematisch, zumal die Beklagte den Begriff „Rotlichtmilieu“ nicht selbst in dem Ersuchen definiert hat. Der Senat würde es als zu weitgehend erachten, es dem Verlag  aufzuerlegen, die Beurteilung, ob die Anzeige einen Zusammenhang zu einem solchen Umfeld hat, aufzuerlegen, soweit hiermit erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden sind. Da sich das Ersuchen sich indes – jedenfalls nach Maßgabe der klarstellenden Einspruchsentscheidung (sowie der Klageerwiderung) – lediglich auf die Rubrik „Kontakte“ bezog und in dieser Rubrik nach Überzeugung des Senats und soweit ersichtlich ausschließlich gewerbliche Gesuche mit Bezug zu entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen enthalten waren, bedarf es einer zeitaufwändigen Selektion in schwierigen Abgrenzungsfällen indes grundsätzlich nicht. Die ergänzenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sind bei Auslegung des Auskunftsersuchens nach dem Verständnis eines „objektiven Empfängerhorizonts“ (§§ 133, 157 BGB entsprechend) zu berücksichtigen. Danach ergab sich indes die Eingrenzung des Auskunftsersuchens auf die jeweilige Rubrik „Kontakte“

43
Eine Aufgabe privater Annoncen oder Anzeigen, die keinen Zusammenhang mit sexuellen Dienstleistungen aufwiesen, war für den Senat aus den vorliegenden Annoncen auch anhand der von der Klägerin genannten Gegenbeispiele nicht erkennbar. Zudem bezog sich das Ersuchen entgegen der geäußerten Ansicht der Klägerin nicht auf etwaige Annoncen aus dem Bereich der „Telefonerotik“.

44
Das Auskunftsersuchen ließ nach seiner Konkretisierung im Einspruchsbescheid keinen Spielraum für weitere Deutungen zu. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass grundsätzlich die Angaben für sämtliche Auftraggeber der Klägerin in der Rubrik „Kontakte“ zu machen waren. Durch den Zusatz „soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen“ war auch eindeutig, dass, soweit ausnahmsweise in der Rubrik private Annoncen enthalten sein sollten, diese nicht vom Auskunftsverlangen umfasst sein sollten. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob Anzeigen bei anderen Zeitungen (z.B. Tagesspiegel) eindeutig dem Rotlichtmilieu zuzuordnen sind, da die Anzeigen in der besagten Rubrik „Kontakte“ zur Überzeugung des Senats hinreichend eindeutig im Zusammenhang mit sexuellen entgeltlichen Dienstleistungen stehen. Im Übrigen wäre dem Geheimhaltsinteresse etwaiger privater Kontaktgesuche, soweit diese im Ausnahmefall enthalten sein sollten, auch dann hinreichend genüge getan, wenn der Beklagte einzelne Gesuche aussondert, die erkennbar in keinem Zusammenhang zu sexuellen Dienstleistungen stehen, soweit die Klägerin diese im Einzelfall nicht aussondert.

45
cc) Zudem und unabhängig von den obigen Erwägungen (unter aa) und bb) kann eine Auskunft auch mündlich eingeholt werden. Die Form der Auskunftserteilung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben; sie kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erfolgen (§ 93 Abs. 4 S. 1). Die Form richtet sich in erster Linie nach der Art der Auskunft und der Bedeutung für das Steuerverfahren. Vor diesem Hintergrund war ergänzend zu berücksichtigen, dass der Mitarbeiter der Steuerfahndung Z das Auskunftsersuchen das Auskunftsersuchen mündlich mit einem Mitarbeiter der Klägerin abgesprochen hatte.

46
dd) Das Auskunftsersuchen ist zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Auskunft ist für die Klägerin möglich und ihre Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar. Es kann dahinstehen, welche dieser Modalitäten rechtliche Grenzen für das Auskunftsverlangen nach § 93 AO sind und welche das Finanzamt lediglich im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat (BFH-Urteile vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; vom 24.10.1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198). Denn im Streitfall ist das angefochtene Auskunftsersuchen unter keinem dieser Gesichtspunkte rechtlich zu beanstanden.

47
(1) Das Auskunftsverlangen war zur Sachverhaltsaufklärung geeignet. Das Auskunftsersuchen erging, um gewerblich erbrachte sexuelle Leistungen der Besteuerung unterwerfen zu können. dabei genügt es, dass ein solcher Erfolg möglich ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 18.2.1997 VIII R 33/95, BStBl II 1997, 499, unter B. III. 4. a) dd)).

48
Eine „Selektion der in Frage kommenden Anzeigen war nicht unmöglich“, wie von der Klägerin vorgetragen. Die unter der Rubrik „Kontakte“ veröffentlichten Anzeigen betreffen, soweit anhand der vorgelegten Annoncen für den Senat ersichtlich, ausschließlich solche aus dem Rotlichtbereich.

49
Das (zivilrechtliche) Vertragsverhältnis mit den Anzeigenaufgebern steht dem Auskunfts-verlangen nicht entgegen. Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten.

50
(2) Das Auskunftsersuchen war erforderlich, weil sich der Beklagte die geforderten Angaben nicht auf amtlichem Wege oder sonst einfacher hatte beschaffen können (Hübsch-mann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 66). Der Beklagte hatte erfolgsversprechende Auskunftsquellen ausgeschöpft und konnte hieraus keine weiteren Erkenntnisse gewinnen. Für den Fall, dass die Daten von Clubs unter Angabe der Anschrift im Inserat vorhanden sind,  hat der Beklagte sein Ersuchen zudem eingeschränkt (vgl. Sitzungsprotokoll).

51
Das FAFuSt durfte sein Auskunftsverlangen unmittelbar an die Klägerin richten (§ 208 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz, § 93 Abs. 1 Satz 3 AO), zumal die möglichen Steuerpflichtigen dem FAFuSt auch gar nicht bekannt waren (vgl. § 30a Abs. 5 Satz 2 AO). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere Belastung Dritter erlangen könnte, z.B. wenn diese aus einem vom Auskunftspflichtigen herausgegebenen, regelmäßig erscheinenden Mitteilungsorgan („Deck- und Belegnach-richten“) entnommen werden können (BFH-Urteil in BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BStBl II 1988, 359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine Vielzahl von Einzelabfragen verweisen (hierzu BFH v. 16.5.2013 II R 15/12, Juris). Im Übrigen kann ein Dritter die Auskunft grundsätzlich nicht unter Hinweis darauf verweigern, dass das Finanzamt auch andere Personen um Auskunft ersuchen könne (BFH-Urteile vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; vom 26.8.1980 VII R 42/80, BStBl II 1980, 699).

52
Eine Beschränkung dieses Auskunftsersuchens, dahingehend, dass nur Anzeigen abgefragt werden, bei denen Anschlussinhaber von Telefonnummern über eine Anfrage bei der Bundesnetzagentur bzw. den Telekommunikationsunternehmen nicht ermittelt werden konnte, würde kein milderes Mittel für die Klägerin darstellen. In diesem Falle hätte die Klägerin einen nicht unbeachtlichen Mehraufwand, weil sie anhand der Auftragsnummern im Einzelfall prüfen müsste. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Anschlussinhaber und Anzeigenaufgeber nicht identisch sein müssen.

53
(3) Das Auskunftsersuchen war unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unverhältnismäßig im engen Sinne oder unzumutbar (vgl. zu diesen Kriterien etwa Hübsch-mann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 72). Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des Auskunftsersuchens sind insbesondere die geschäftlichen Interessen der Klägerin zu berücksichtigen und die durch die Ermittlungs-tätigkeit des FA zu wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit abzuwägen (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-Beschluss in BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb). Bei dieser Abwägung ist auch zu berück-sichtigen, dass die Daten, die die Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage betroffenen Anzeigenaufgeber durch die Offenbarung der Daten gegenüber dem FAFuSt im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Anzeigenaufgeber Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig (BFH v. 16.5.2013 II R 15/12, Juris).

54
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles ist das (in der mündlichen Verhandlung abgeänderte) Auskunftsersuchen rechtmäßig. Die Klägerin benutzte für die Anzeigenverwaltung das Programm „JJK fliess“, welches eine Exportfunktion zu Excel anbietet. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin die Angaben ohne größeren Aufwand machen, zumal der Beklagte Hilfestellung angeboten hat (Einspruchsentscheidung Seite 5). Auch unter Berücksichtigung des durch das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und den Anzeigenaufgebern geschaffenen Vertrauensverhältnisses wertet der Senat das Interesse des Staates an einer Ermittlung möglicher Steuerverkürzungen höher als das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin, zumal das FAFuSt nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung gleichmäßig entsprechende Auskunftsersuchen gegenüber sämtlichen Verlagen im regionalen Einzugsbereich der Klägerin erlassen hat.

55
Das Ersuchen war auch rechtmäßig, soweit es auf zukünftige Zeiträume (ca. November 2011 bis Ende 2012) gerichtet war. Auch insoweit ist es bestimmt, geeignet, erforderlich und angemessen. Wenn die Art der Annoncen in der Rubrik „Kontakte“ sich im besagten Zeitraum geändert hätte, wäre das Ersuchen ebenso wie für die Vergangenheit sachgerecht gewesen, da die vom Beklagten vorzunehmende Prognose für die zukünftigen Zeiträume zum Zeitpunkt des Erlasses des Auskunftsersuchens anzustellen ist. In diesem Falle wäre durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB entsprechend) zu ermitteln, ob das Ersuchen sich auf die geänderte Rubrik bezieht.

56
Auch der Umfang der vom Beklagten geforderten Angaben ist nicht zu beanstanden. Die Personen- und Auftragsdaten der Anzeigenauftragsgeber sind für weitere Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich erforderlich. Auch ist die Abfrage etwaiger Kontodaten nicht unverhältnismäßig, da diese im Rahmen etwaiger Ermittlungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung sein können.

57
5. Das Auskunftsverlangen bzw. die dem Verlangen zugrundliegende Rechtsvorschrift verstößt schließlich auch nicht gegen höherrangige Rechtsvorschriften.

58
Dem Auskunftsverlangen steht das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht entgegen, da sich dieses nur auf den redaktionellen Teil, nicht auf den Anzeigen- oder Werbeteil von Zeitungen bezieht (vgl. auch Rätke in Klein, Komm. zur Abga-benordnung, § 102 Rz. 31; Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 78).

59
Das Grundrecht der Pressefreiheit (Art 5 GG) wird durch das Auskunftsersuchen nicht verletzt. Zwar umfasst der Schutzbereich der Pressefreiheit auch den Anzeigenteil einer Zeitung, weil der Anzeigenteil die öffentliche Aufgabe der Presse mit erfüllt (BVerfGE 21, S. 271/278 ff.; 64, 108/114f.). Art 5 Abs. 2 GG erlaubt indes Eingriffe in den Schutzbereich der Pressefreiheit im Rahmen der allgemeinen Gesetze. Die §§ 93 ff, 208 AO stellen allgemeine Gesetze dar, die mithin einen Eingriff (auch) in das Grundrecht der Pressefreiheit gestatten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die genannten Vorschriften der AO verfassungswidrig sind.

60
6. Die Kostenfolge beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kosten waren nicht zu teilen, da das Obsiegen der Klägerin nur geringfügig zu bewerten war und die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen war. Annoncen, bei denen Betriebe sich unter Angabe der Anschrift beworben haben, waren in den vorliegenden Anzeigen, fielen zumindest im Verhältnis zu den übrigen Annoncen nicht ins Gewicht.

Widerruf der Bestellung eines eigene Mitwirkungspflichten vernachlässigenden Steuerberaters wegen Vermögensverfall – Gefährdung der Interessen der Auftraggeber

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Widerruf der Bestellung eines eigene Mitwirkungspflichten vernachlässigenden Steuerberaters wegen Vermögensverfall – Gefährdung der Interessen der Auftraggeber

Eine Gefährung von Auftraggeberinteressen lässt sich nicht ausschließen, wenn feststeht, dass der Steuerberater in seinen sonstigen geschäftlichen oder eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist.

Nichtzulassungsbeschwerde – BFH-Az.: VII B 63/13

Niedersächsisches Finanzgericht 6. Senat, Urteil vom 07.03.2013, 6 K 344/12

§ 46 Abs 2 Nr 4 StBerG

Tatbestand

1
(Überlassen von Datev)

 

2
Die Beteiligten streiten um den Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater.

 

3
Der 1944 geborene Kläger wurde 1985 zum Steuerberater bestellt und führt eine Steuerberatungskanzlei in … Die … teilte der Beklagten mit Schreiben vom 5. Juni 2012 mit, dass der Kläger in Vollstreckung befindliche Steuerrückstände i.H.v. 15.271,80 EUR habe. Diese beruhten unter anderem auf Rückständen zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2009 sowie zu Umsatzsteuern für das 1. bis 4. Quartal 2011. Das … habe nach erfolglosen Vollstreckungsversuchen am 25. April 2012 beim Amtsgericht … die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers beantragt. Die … führte außerdem aus, die Steuererklärungen der Jahre 2009 bis 2011 lägen dem zuständigen Finanzamt (FA) … nicht vor. Die Einkommen- und Umsatzsteuerrückstände für 2009 resultierten aus Steuerbescheiden, die das FA … im Rahmen der Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO) festgesetzt habe. Die Steuerfestsetzungen seien inzwischen bestandskräftig, nachdem der Kläger die gegen die Bescheide erhobenen Klagen vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (7 K 221/10 und 7 K 222/10) zurückgenommen habe. Ebenfalls seien Stundungs- und Erlassanträge des Klägers ohne Erfolg geblieben (Az. 7 K 10/12 und 7 K 11/12). Die Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteuervoranmeldungen seien ab dem Jahr 2010 stets verspätet eingereicht worden; einzige Ausnahme sei die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für das 1. Quartal 2012 gewesen.

 

4
Nachdem die … der Beklagten mit Schreiben vom 14. Juni 2012 mitgeteilt hatte, dass der Kläger beim Amtsgericht … im dort geführten Schuldnerverzeichnis mit insgesamt 16 Haftanordnungen gem. §§ 901, 915 der Zivilprozessordnung (ZPO; a.F., nunmehr ab 1. Januar 2013: § 882b ff. ZPO, Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Juli 2009, Bundesgesetzblatt 1 2009, 2258) wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung eingetragen sei (Eintragungen vom 4. bzw. 11. November 2010), hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 2012 zu einem möglichen Widerruf der Bestellung als Steuerberater mit Fristsetzung bis zum 28. Juli 2012 an.

 

5
Mit Schreiben vom 28. Juli 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die Forderungen des FA … für das Kalenderjahr 2009 über insgesamt 10.010,16 EUR bestreite. Er habe insoweit Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide gestellt. Außerdem habe er die Steuererklärungen für 2010 inzwischen abgegeben und die Steuerbescheide erhalten. Für das Jahr 2011 habe er einen Fristverlängerungsantrag zur Abgabe der Steuererklärungen bis zum 15. August 2012 beantragt; die Fristverlängerung sei gewährt worden. Den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis lägen Vorgänge aus dem Jahr 2010 zugrunde. Insoweit würde er fristgerecht und betragsgenau die Monatsraten an den zuständigen Gerichtsvollzieher bezahlen, die von den Gläubigern im Rahmen der Vereinbarungen erwartet würden.

 

6
Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 9. August 2012 die Bestellung des Klägers als Steuerberater. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Widerruf erfolge gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) aufgrund des Vermögensverfalls des Klägers. Der Vermögensverfall sei wegen der Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts … vermuten. Im Übrigen befinde sich der Kläger auch tatsächlich in Vermögensverfall. Diese Annahme beruhe auf den Steuerrückständen des Klägers. Vereinbarungen mit allen Gläubigern, die erwarten ließen, dass es zu keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen werde, habe der Kläger nicht vorgelegt. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien. Vielmehr sei im Streitfall von einer konkreten Gefährdung der Interessen der Auftraggeber auszugehen. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren durch verspätete bzw. Nichtabgabe von Steuererklärungen der Jahre 2009 bis 2011 und von Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen seit dem Jahr 2010 verletzt. Außerdem habe der Kläger die Umsatzsteuern 2009 sowie für den Zeitraum 1. bis 4. Quartal 2011 bislang nicht entrichtet. Darüber hinaus verwies die Beklagte auf ein berufsgerichtliches Ermittlungsverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft X (Az. …), dessen Hintergrund die Verletzung der Pflicht zur Zahlung des Kammerbeitrags für das Geschäftsjahr 2011 sei.

 

7
Gegen den dem Kläger am 10. August 2012 zugestellten Widerruf der Bestellung als Steuerberater hat der Kläger am 10. September 2012 Klage erhoben.

 

8
Mit Verfügung vom 26. November 2012 hat der Berichterstatter den Kläger nach § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert, ein vollständiges Vermögensverzeichnis über Vermögenswerte und Schulden sowie eine Aufstellung über seine laufenden Einnahmen und Ausgaben vorzulegen, Nachweise über Ratenzahlungsvereinbarungen mit sämtlichen Gläubigern, Löschung aller Eintragungen im Schuldnerverzeichnis bis zum 4. Januar 2013 nachzuweisen. Diese Frist hat der Berichterstatter aufgrund entsprechender Anträge des Klägers zunächst bis zum 4. Februar 2013 und sodann bis zum 4. März 2013 verlängert.

 

9
Zur Begründung der Klage wiederholt der Kläger seine Ansicht, ein Vermögensverfall läge nicht vor. In einem Termin zum 15. Dezember 2010 beim Obergerichtsvollzieher … aus … habe er durch geeignete und erforderliche Mittel bewirken können, dass durch Zahlung und durch die Vorlage von Urkunden die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung abgewendet worden sei. Eine konkrete Gefährdung der Vermögensinteressen seiner Mandanten läge nicht vor. Die Betreuung seiner noch verbliebenen Mandanten bestehe ausschließlich in der Erledigung von Buchführungen, beratenden Tätigkeiten und in der Fertigstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen. In keinem Fall habe er die Möglichkeit des Zugriffs auf Mandantengelder und verwalte auch treuhänderisch keine Fremdgelder. Es liefen niemals Mandantengelder über sein Geschäfts- oder Privatkonto, die Zahlungen erfolgen ausschließlich durch seine Mandanten selbst. Die ihm privat vorgeworfenen Unzuverlässigkeiten dürften nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass eine Gefährdung von Mandanteninteressen wahrscheinlich sei.

 

10
Ferner trägt der Kläger unter Bezugnahme auf die dem Gericht mit Schriftsatz vom 4. März 2013 übersandten Unterlagen vor, er habe seit Januar 2012 regelmäßig Raten an den Gerichtsvollzieher … im Gesamtbetrag von 6.000 € geleistet. Diese Zahlungen habe der Gerichtsvollzieher … an die genannten Gläubiger weitergeleitet. Diese hätten der Ratenzahlung nicht widersprochen, sondern seien damit einverstanden. Deshalb drohe keine Vollstreckung durch die Gläubiger. Im Übrigen habe das FA … seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgenommen, sämtliche Steuerverbindlichkeiten seien beglichen. Er, der Kläger, sei zur Zeit nur noch mit 7 Haftandrohungen wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Diese Eintragungen würden zudem in einigen Monaten gelöscht.

 

11
Ergänzend legt der Kläger eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für 2013 auf der Grundlage der Zahlen von 2012 vor, in denen auch private Einnahmen und Ausgaben aufgeführt sind.

 

12
Der Kläger beantragt,

 

13
den Bescheid über den Widerruf der Bestellung als Steuerberater vom 9. August 2012 aufzuheben,

 

14
Die Beklagte beantragt,

 

15
die Klage abzuweisen.

 

16
Sie hält an ihrer im Widerrufsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist auf die dortigen Ausführungen. Ergänzend verweist die Beklagte darauf, dass es sich bei § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG um einen abstrakten Gefährdungstatbestand handele und der Kläger der Entlastungsbeweis aufgrund seiner Nachlässigkeit in steuerlichen Angelegenheiten bislang nicht gelungen sei.

 

17
Nach Auskunft des Amtsgerichts vom 27. Februar 2013 war der Kläger seinerzeit im dort geführten Schuldnerverzeichnis noch mit insgesamt 15 Haftanordnungen wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung eingetragen.

 

Entscheidungsgründe

18
Die Klage ist nicht begründet.

 

19
Der angefochtene Bescheid über den Widerruf der Bestellung als Steuerberater vom 9. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen. Auf Grund des ihr seinerzeit bekannten Sachverhalts konnte die Beklagte davon ausgehen, zum Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater verpflichtet zu sein. Die Aufhebung des Widerrufs kommt auch nicht auf Grund einer bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 7. März 2013 eingetretenen Änderung der Sach- und Rechtslage in Betracht. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung des Klägers zum Steuerberater lagen sowohl im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides vom 9. August 2012 als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 7. März 2013 vor.

 

20
1. Der Widerruf der Bestellung als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG wegen Vermögensverfall des Klägers ist rechtmäßig erfolgt.

 

21
Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind.

 

22
a) Der Vermögensverfall, der als insolvenzähnlicher Tatbestand die Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden in sich schließt, setzt über den Eintritt ungeordneter schlechter finanzieller Verhältnisse, die sich in absehbarer Zeit nicht beheben lassen voraus, dass der Schuldner außerstande ist, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen (BFH-Urteile vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, HFR 2000, 741, vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl. II 1995, 909; zum Beruf des Notars: Beschluss des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 22. März 2004 NotZ 23/03, NJW 2004, 2018, m.w.N.). Dieser Vermögensverfall wird nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG u.a. bei Eintragung des Steuerberaters in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis vermutet.

 

23
Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung lagen am 9. August 2012 vor. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt in Vermögensverfall, da er als Schuldner mit 16 Haftbefehlsanordnungen wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht … eingetragen war.

 

24
Die Vermutung des Vermögensverfalls ist zwar widerlegbar; eine Widerlegung ist dem Kläger jedoch nicht gelungen. Hierzu hätte es der genauen Angabe von Tatsachen bedurft, aus denen sich ergibt, dass im Einzelfall trotz der bestehenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis tatsächlich kein Vermögensverfall gegeben war. Es wäre hierfür erforderlich gewesen, dass der Kläger seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegt, insbesondere eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegt und nachweist, dass diese inzwischen erfüllt sind oder dartut, wie sie auf Erfolg versprechende Weise in absehbarer Zeit erfüllt werden sollen (vgl. zum Beruf des Notars: BGH-Beschluss vom 22. März 2004 NotZ 23/03, a.a.O., m.w.N.). Dies hat der Kläger jedoch nicht getan. Im Anhörungsverfahren hat der Kläger lediglich geltend gemacht, er zahle vereinbarte Monatsraten an den zuständigen Gerichtsvollzieher und er bestreite Forderungen des FA i.H.v. 10.010,16 EUR. Damit hatte er die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt. Stattdessen sprachen zumindest die unstreitigen Steuerrückstände des Klägers für die Vermutung des Vermögensverfalls.

 

25
b) Der Widerruf der Bestellung zum Steuerberater konnte auch nicht im Hinblick auf möglicherweise nicht gefährdete Mandanteninteressen unterbleiben. Die Bestellung ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht zu widerrufen, wenn die Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall nicht gefährdet sind.

 

26
(1) Die Gefährdung von Auftraggeberinteressen wird auf Grund des Vermögensverfalls vermutet. Insoweit ist unerheblich, ob dem Vermögensverfall ein Verschulden des Klägers zu Grunde liegt. Für den Umstand, dass Mandanteninteressen im Zusammenhang mit dem Vermögensverfall nicht gefährdet sind, trägt der Steuerberater die Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 86/99, HFR 86/99, HFR 2000, 741 m.w.N.). Derartige Umstände hat der Kläger jedoch nicht dargelegt. Die bloße Behauptung, Mandanteninteressen seien nicht gefährdet, reicht hierfür nicht aus. So reicht es für die Widerlegung der Vermutung, dass Auftraggeberinteressen gefährdet werden können, auch nicht aus, dass der Kläger sich nicht vorwerfen lassen muss, steuerliche Erklärungs- und Zahlungspflichten auf Dauer missachtet zu haben. Ist dies der Fall oder ein Steuerberater sonst in beruflichen oder eigenen Angelegenheiten unzuverlässig gewesen, fällt dies zwar zusätzlich zu seinen Lasten ins Gewicht, ohne dass indes umgekehrt bei bisher im Wesentlichen korrektem Verhalten des Steuerberaters ohne weiteres ausgeschlossen ist, dass er auf Grund seiner Schulden, insbesondere wenn diese erheblich sind, Mandanteninteressen nicht mit der erforderlichen Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit verfolgen kann, wie wenn er sich um seine eigene Vermögenslage nicht sorgen müsste (BFH-Beschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFH/NV 2004, 895, 897 m.w.N.).

 

27
Eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen lässt sich aber jedenfalls dann nicht ausschließen, wenn feststeht, dass der Steuerberater in seinen sonstigen geschäftlichen oder eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich nicht an gesetzliche Vorgaben hält. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger die Interessen seiner Mandanten ebenfalls missachten würde, wenn ihn seine schlechten finanziellen Verhältnisse dazu zwingen würden (BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69). In solchen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen auch Mandanteninteressen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung der Auftraggeberinteressen auszugehen ist (BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99 a.a.O.). Die Steuerrechtspflege ist ein wichtiges Gemeinschaftsgut und deshalb im Interesse des allgemeinen Wohles besonders zu schützen. Dazu gehört u. a. auch, die Gefährdung der Interessen solcher Personen auszuschließen, die sich bei der Wahrnehmung ihrer steuerrechtlichen Belange der Hilfe eines Steuerberaters bedienen. Wegen der mit der Steuerberatung notwendig verbundenen Vertrauensposition müssen die Auftraggeber soweit wie irgend möglich gegen einen Missbrauch dieser Position durch den Steuerberater zu eigenen Zwecken geschützt werden. Das bedeutet, dass, wenn die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht auszuschließen ist, ein Schutz des Vertrauens in den Bestand einer Bestellung als Steuerberater hinter dem Interesse am Schutz des Allgemeinwohles mit der Folge des Widerrufs der Bestellung als Steuerberater zurückzutreten hat (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2000 VII R 24/99).

 

28
(2) Im vorliegenden Fall konnte sich der Kläger bereits nicht darauf berufen, stets seinen beruflichen Pflichten nachgekommen zu sein und seine Tätigkeit beanstandungsfrei ausgeübt zu haben. Vielmehr ergibt sich eine konkrete Gefährdung von Mandanteninteressen – wie die Beklagte zutreffend angeführt hat – auch aus dem Umstand, dass der Kläger seinen steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten gegenüber dem Finanzamt nicht bzw. nicht fristgerecht nachgekommen ist.

 

29
2. Die Aufhebung des Widerrufsbescheids kommt auch nicht auf Grund einer bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 7. März 2013 eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sind nicht als geordnet zu bewerten.

 

30
Zwar kann der Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht aufrechterhalten werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht für eine sofortige Wiederbestellung besteht (BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl. II 1995, 909), etwa weil die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich eingetreten ist (BFH-Beschluss vom 14. Februar 2008 VII B 227/07, juris). Es muss in diesem Fall zweifelsfrei feststehen, dass sich die Vermögensverhältnisse nachhaltig gebessert haben. Dies folgt auch aus § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 StBerG, wonach vor der Wiederbestellung u.a. zu prüfen ist, ob der zu bestellende Steuerberater in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt (BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, a.a.O.). Ein Anspruch des Klägers auf Wiederbestellung besteht jedoch nicht.

 

31
a) Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn die Ausgaben des Schuldners seine regelmäßigen Einkünfte nicht übersteigen, wenn der Schuldendienst gesichert ist und die Schulden nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (BFH-Urteile vom 22. August 1995 VII R 63/94, a.a.O., vom 30. März 2004 VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Ein Vermögensverfall ist demnach erst dann beseitigt, wenn der Schuldner mit den Gläubigern der Forderungen Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten lassen, dass es zu keinen Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird; nur dann ist anzunehmen, dass der Schuldner in Zukunft seine Schulden aus seinen Einkünften in geordneter und vorausschaubarer Weise begleichen kann und deshalb ein Vermögensverfall im Sinne des Gesetzes trotz der bestehenden Schulden nicht mehr besteht (BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, a.a.O.).

 

32
b) Der Kläger befindet sich nach wie vor in Vermögensverfall, er ist nach eigenen Angaben weiterhin mit 7 Haftandrohungen im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Der Kläger hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung Tilgungsvereinbarungen mit seinen Gläubigern nicht abgeschlossen. Dass die Gläubiger den Ratenzahlungen des Klägers an den Gerichtsvollzieher … nicht widersprochen haben, ersetzt nicht den Abschluss von Tilgungsvereinbarungen zwischen den Gläubigern und dem Kläger. Die Zahlungen an den Gerichtsvollzieher belegen stattdessen, dass die Gläubiger gegen den Kläger vollstrecken.

 

33
c) Ebenso ist keine Änderung der Sachlage hinsichtlich der Gefährdung von Auftraggeberinteressen eingetreten. Vielmehr fällt vorliegend ins Gewicht, dass eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen schon deshalb nicht verneint werden kann, weil der Kläger in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich nicht an gesetzliche Vorgaben hält. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerberater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10. April 2006 VII B 232/05, BFH/NV 2006, 1520 m.w.N.). So ist bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu Ungunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit seine Steuererklärungen nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben und seinen steuerlichen Zahlungspflichten, insbesondere zur Umsatzsteuer nicht bzw. nicht rechtzeitig nachgekommen ist.

 

34
Die Gefährdung von Auftraggeberinteressen entfällt auch nicht bereits durch den Vortrag des Klägers, die Betreuung seiner noch verbliebenen Mandanten bestehe ausschließlich in der Erledigung von Buchführungen, beratenden Tätigkeiten und in der Fertigstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen; in keinem Fall habe er die Möglichkeit des Zugriffs auf Mandantengelder und verwalte auch treuhänderisch keine Fremdgelder. Für den Fall der Insolvenzeröffnung hat der BGH entschieden, dass in der Regel erst dann, wenn das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss führt, bei dem mit einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Insolvenzschuldners gerechnet werden kann, das heißt mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts, davon ausgegangen werden kann, dass nicht nur der Vermögensverfall, sondern auch eine Gefährdung der Interessen von Auftraggeberinteressen nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht mehr fortbesteht (zum Beruf des Rechtsanwalts: BGH-Beschlüsse vom 25. Juni 2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924; vom 18. Oktober 2004 AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 16. April 2007 AnwZ (B) 6/06, juris). Anders liegt es zwar, wenn besondere Umstände, insbesondere arbeitsvertragliche Beschränkungen und Sicherungsvorkehrungen, die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts schon vor Abschluss des in die Wege geleiteten Insolvenzverfahrens nicht mehr zu befürchten ist (BGH-Beschlüsse vom 25. Juni 2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924; vom 18. Oktober 2004 AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511). Solche Umstände sind im vorliegenden Streitfall nicht ersichtlich. Der Kläger hat im Rahmen des Klageverfahrens lediglich seine Ansicht vorgetragen, Mandanteninteressen seien nicht gefährdet. Umstände, die – trotz des Vermögensverfalls – diese Ansicht stützen könnten, hat er nicht vorgetragen. Arbeitsvertragliche Beschränkungen und Sicherungsvorkehrungen sind weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Der tatsächlich vom Kläger dargestellte praktizierte Arbeitsweise ist durch ihn selbst jederzeit änderbar und begründet damit keine besonderen Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht zu befürchten ist.

 

35
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2005 – 2007 – Gewerbesteuermessbetrag 2004 – 2007

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

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Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2005 – 2007 – Gewerbesteuermessbetrag 2004 – 2007

Aufwendungen für Golfturniere als nicht abziehbare Betriebsausgaben.

Niedersächsisches Finanzgericht 6. Senat, Urteil vom 19.09.2013, 6 K 38/12

§ 4 Abs 5 S 1 Nr 4 EStG

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen Steuerbescheide, die im Anschluss an Feststellungen einer Außenprüfung ergangen sind; streitig ist die Einordnung von Aufwendungen im Zusammenhang mit Golfturnieren als nicht abziehbare Betriebsausgaben gem. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetztes (EStG).

2
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Betrieb einer Brauerei ist.

3
[…]

4
Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG unter Zugrundelegung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres vom 1. Oktober bis 30. September des Folgejahres (§ 4a EStG i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 2 KStG).

5
Die Klägerin hatte mit Betreibern von Golfplätzen (Vereinen) bzw. den Betreibern der angeschlossenen Gastronomie Verträge hinsichtlich der Lieferung von Getränken (insbesondere Bier) geschlossen. Im Rahmen dieser vertraglichen Beziehungen – grundsätzlich bereits bei Abschluss der (Bier-) Liefervereinbarungen – hatte sich die Klägerin vertraglich verpflichtet, Golfturniere durchzuführen (in der Regel ein Turnier pro Jahr) bzw. die Durchführung von Golfturnieren durch die Golfvereine finanziell zu unterstützen. Dies erfolgte im Rahmen einer Golfturnierreihe, des sog. „ABC“. In den Streitjahren wurden im Rahmen des „ABC“ durchschnittlich 20 Turniere pro Jahr von verschiedenen Golfvereinen ausgerichtet. Die Klägerin übernahm für die einzelnen Turniere Kosten i.H.v. jeweils etwa 2.000 – 3.000 EUR. Die Golfvereine übernahmen die Organisation, die Ausschreibung sowie die Turnierausrichtung und luden die Teilnehmer zu den Turnieren ein. Einzelheiten bezüglich der Preise und der Verpflegung sprach ein Außendienstmitarbeiter der Klägerin mit dem Spielführer bzw. Präsidenten sowie mit der Gastronomie des jeweiligen Golfklubs ab. Nach eigenen Angaben der Klägerin hatte sie keinen Einfluss auf die Teilnehmerliste. Die Teilnehmer der Turniere meldeten sich auf die Ausschreibungen der Vereine zur Teilnahme an. Es nahmen sowohl Mitglieder des ausschreibenden Klubs als auch Gäste aus anderen Vereinen teil. In der Regel nahm ein Vertreter der Klägerin die Siegerehrung vor. Die Klägerin übernahm vereinbarungsgemäß die Kosten für die Platzmiete, die Verpflegung und die Preise; diese Kosten stellten die Golfvereine der Klägerin in Rechnung. Gemäß den Bierliefervereinbarungen brachten die Golfvereine im Gegenzug beim „ABC“, während der anderen Golfturniere sowie in der angeschlossenen Gastronomie das gesamte Jahr über das Bier und weitere Getränke der Klägerin zum Ausschank.

6
Die Klägerin reichte die Steuererklärungen der Streitjahre am xx.xx 2005 (für 2004), am xx.xx 2006 (für 2005), am xx.xx 2007 (für 2006) sowie am xx.xx 2008 (für 2007) beim Beklagten ein. Im Rahmen der ebenfalls eingereichten Jahresabschlüsse hatte die Klägerin als Aufwendungen für die Unterstützung der Golfvereine für die Golfturniere im Rahmen des „ABC“ als Betriebsausgaben (brutto) berücksichtigt:

7
2004: 32.782 EUR
2005: 43.599 EUR
2006: 35.649 EUR
2007: 44.580 EUR
8
Der Beklagte folgte zunächst den Angaben der Klägerin in den Steuererklärungen und erließ Bescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag […]. Die Bescheide ergingen jeweils unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

9
[…]

10
In der Zeit vom 30. März 2009 bis 14. Juni 2010 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung J. bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die Jahre 2004 – 2007 umfasste. Im Rahmen dieser Außenprüfung kam der mit der Prüfung beauftragte Betriebsprüfer zu der Ansicht, dass die Aufwendungen der Klägerin im Rahmen des „ABC“ als nicht abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG die Gewinne der Streitjahre nicht mindern dürften.

11
Die Klägerin trat dieser Ansicht bereits im Rahmen der Außenprüfung mit Schreiben vom 9. Juli 2010 entgegen. Es handele sich nicht um Repräsentationsaufwendungen und es bestehe nicht die Möglichkeit, Geschäftsfreunde zu unterhalten oder etwa privaten Neigungen nachzugehen. Die Golfturniere seien für die Klägerin eine Art „Türöffner/Türhalter“. Die Kosten dienten zur Bewahrung der Lieferbeziehungen; sie stellten daher einen „Naturalrabatt“ dar. Die Aufwendungen dienten nicht der Beziehung zu den Golf spielenden Turnierteilnehmern. Vielmehr gehe es um die Lieferbeziehungen zu den Golfvereinen bzw. den Betreibern der an die Golfplätze angeschlossenen Gastronomie. Weder die Kommanditisten der KG noch die Geschäftsführer und leitenden Angestellten der Klägerin spielten Golf bzw. seien diesem Sport persönlich verbunden.

12
Der Betriebsprüfer blieb jedoch bei seiner Ansicht und bewertete die Aufwendungen als nicht abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Wegen der Einzelheiten der Feststellung wird auf Tz. 25 des Berichts über die Außenprüfung vom 25. Februar 2011 Bezug genommen (am Ende der unpaginierten Betriebsprüfungsarbeitsakte zu Außendienst Nr. 813-2/09).

13
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ jeweils am xx.xx 2011 Änderungsbescheide für 2004 – 2007 […].

14
Die Klägerin legte am xx.xx 2011 Einsprüche ein gegen die „Körperschaftsteuerbescheide 2004 bis 2007“ und „Gewerbesteuermessbescheide 2004 bis 2007“. Zur Begründung nahm sie mit Schreiben vom 27. Juli 2011 Bezug auf ihr Schreiben vom 9. Juli 2010.

15
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg; der Beklagte wies die Einsprüche „gegen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2004 – 2007“ durch Einspruchsbescheid vom xx.xx 2012 als unbegründet zurück. Bei den Aufwendungen für Platzmiete, Teilnahmegebühren, Bewirtungen und Preisen im Zusammenhang mit Golfturnieren handele es sich um Aufwendungen für ähnliche Zwecke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Die Aufwendungen dienten der Unterhaltung von Geschäftsfreunden. Als Geschäftsfreunde seien im Streitfall sowohl die Gaststättenbetreiber als auch die Mitglieder und Gäste der Vereine anzusehen, denen die aktive oder passive Teilnahme an den Golfturnieren zur sportlichen Betätigung bzw. Unterhaltung diene. Die Aufwendungen dienten auch insbesondere der Repräsentation. Es werde die Marke „Privatbrauerei Y“ im Zusammenhang mit einer exklusiven Sportart gebracht und somit der Öffentlichkeit als besonders hoch bewertet dargestellt. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Vertreter der Klägerin durch ihren Auftritt anlässlich der Preisverleihungen ein persönliches Repräsentationsbedürfnis befriedigten. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Aufwendungen für Golfturniere vertraglich in den Lieferbeziehungen mit den Golfklubs bzw. der angeschlossenen Gastronomie vereinbart worden seien. Das Ausrichten eines Golfturniers gehe über die üblichen Vertragsbedingungen hinaus und stelle einen Vorteil dar, den andere Gaststättenbetreiber nicht erhielten. Die Aufwendungen seien auch nicht mit einem Naturalrabatt vergleichbar, da die Unterstützungsmaßnahmen nicht in Abhängigkeit von erzielten Umsätzen gewährt würden.

16
Hiergegen hat die Klägerin am 13. Februar 2012 Klage erhoben. Sie begehrt die Änderung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung der Jahre 2004 – 2007. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren.

17
Ergänzend nimmt die Klägerin Bezug auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 1. September 2010 (4 K 11163/07, EFG 2011, 1314). Sie, die Klägerin, sei nicht als Bewirtender i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen. Dies seien jeweils die organisierenden Golfvereine. Die Aufwendungen seien nicht durch die Durchführung von Golfturnieren, sondern durch den Abschluss der Bierlieferungsverträge veranlasst. Außerdem äußert die Klägerin die Ansicht, die Aufwendungen seien im Zusammenhang mit einer mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Betätigung angefallen, so dass diese auch aufgrund der Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG abziehbar seien. Denn die Aufwendungen stünden in einem konkreten Zusammenhang mit dem Getränkeabsatz.

18
Der Senat hat durch Beschluss vom 19. September 2013 das Verfahren wegen Körperschaftsteuer 2004 abgetrennt und nach § 72 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt, da die Klägerin die Klage im Verlauf der mündlichen Verhandlung insoweit zurückgenommen hat.

19
Die Klägerin beantragt,

20
bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens 2005 – 2007 sowie des Gewerbeertrages 2004 – 2007 die Aufwendungen für den „ABC“ i.H.v. 32.782 EUR (für 2004), 43.599 EUR (für 2005), 35.649 EUR (für 2006) und i.H.v. 44.580 EUR (für 2007) nicht gewinnerhöhend zu berücksichtigen und daher die Bescheide für 2005 bis 2007 über Körperschaftsteuer und 2004 bis 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom xx.xx 2011 und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom xx.xx 2012, zu ändern.

21
Der Beklagte beantragt,

22
die Klage abzuweisen.

23
Er hält an seiner dem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Rechtsauffassung fest und verweist insoweit auf die dortigen Ausführungen. Die Klägerin sei auch als „Bewirtender“ oder als „Veranstalter“ anzusehen. Sie habe die Rechnungen beglichen und sei nach außen hin als Verantwortlicher aufgetreten. Dafür spräche auch die Bezeichnung der Turniere als „ABC“. Ergänzend trägt sie ihre Ansicht vor, die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG greife nicht Platz. Die Klägerin betreibe kein Gewerbe im Bereich des Golfsports.

 

Entscheidungsgründe

24
Die Klage ist unbegründet.

25
Die angefochtenen Bescheide für 2005 bis 2007 über Körperschaftsteuer und 2004 bis 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom xx.xx 2011 und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom xx.xx 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht die Aufwendungen für den „ABC“ als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG eingeordnet. Die Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG greift nicht Platz.

26
1. Die Aufwendungen für die Golfturniere sind gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.

27
a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG Vorschrift dürfen Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen den Gewinn nicht mindern. Unter den Begriff der Aufwendungen für „ähnliche Zwecke“ im Sinne dieser Vorschrift fallen insbesondere Aufwendungen für Zwecke der sportlichen Betätigung, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der Repräsentation (BFH-Urteile vom 3. Februar 1993 I R 18/92, BStBl II 1993, 367; vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFH/NV 2007, 1230). Hierunter fällt auch der Golfsport und damit zusammenhängende Veranstaltungen (BFH-Urteil vom 3. Februar 1993, BStBl II 1993, 367; BFH-Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 243/04, BFH/NV 2005, 1590; vom 29. Dezember 2008 X B 123/08, BFH/NV 2009, 752; Urteil des Hessischen FG vom 2. Mai 2013  11 K 1165/12, juris; ebenso Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG, Rz 1320 mit Verweis auf die amtliche Begründung des Steueränderungsgesetzes 1960, Bundestags-Drucksache III/1811, Seite 8), da er ähnliche Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung, Unterhaltung, Freizeitgestaltung und Repräsentation bietet wie etwa der Segel-, Reit-, oder Flugsport. Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG können durch eine entsprechende Einrichtung, die Ausübung der Tätigkeiten oder die Benutzung der Einrichtungen entstehen. Es ist ohne Bedeutung, ob es sich um eigene oder gepachtete Einrichtungen handelt. Auch die Kosten für die Benutzung fremder Anlagen oder Wirtschaftsgüter fallen unter das Abzugsverbot (Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 4 EStG, Rz 567).

28
Die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG ist nicht nur nach ihrem reinen Wortsinn, sondern auch nach dem Sinnzusammenhang auszulegen, in den sie gestellt ist. Danach ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG eine Vorschrift, die auf dem auch in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken beruht und letzterer Vorschrift vorgeht. Als ihre Rechtsfolge soll der Gewinn nicht um bestimmte betrieblich veranlasste Repräsentationsaufwendungen gemindert werden können. Dabei unterstellt das Gesetz die Unangemessenheit der Aufwendungen nach der Art einer unwiderlegbaren Vermutung, weshalb von ihrer Höhe nicht auf die Abziehbarkeit bzw. die Nichtabziehbarkeit geschlossen werden kam (BFH-Urteil vom 3. Februar 1993 I R 18/92, BStBl II 1993, 367; Urteil des Hessischen FG vom 2. Mai 2013  11 K 1165/12, juris). Durch die Abzugsverbote des § 4 Abs. 5 EStG wollte der Gesetzgeber die tatsächlichen Schwierigkeiten, die bei der Abgrenzung zwischen dem betrieblichen Bereich und der privaten Lebensführung auftreten, in pauschalierender Weise lösen und Missbräuchen des Steuerpflichtigen vorbeugen (BFH-Urteil vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFH/NV 2007, 1230). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG ordnet ein Abzugsverbot für die von der Vorschrift erfassten Repräsentationsaufwendungen an, da bei ihnen die Wahrscheinlichkeit auf der Hand liegt, dass sie die private Lebensführung berühren. Scheitert die Abziehbarkeit nicht bereits an § 12 Nr. 1 EStG, greift das Abzugsverbot ein. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Aufwendungen generell nicht abziehbar sein sollen, weil sie nach Auffassung des Gesetzgebers bereits ihrer Art nach als unangemessener Repräsentationsaufwand anzusehen sind (BFH-Urteil vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFH/NV 2007, 1230).

29
Es widerspräche dem mit der Regelung verfolgten Vereinfachungszweck, wenn für die Frage des Abzugs der in Zusammenhang mit der Ausrichtung der Golfturniere anfallenden Kosten zu prüfen wäre, ob die Anbahnung und Förderung von Geschäftsabschlüssen im Vordergrund standen oder ob diese der Unterhaltung von Geschäftsfreunden oder der Befriedigung einer Neigung des Unternehmers diente. Diese Abgrenzung, die – wenn überhaupt – nur unter Schwierigkeiten möglich ist, zu erübrigen, ist gerade das Ziel der Vorschrift. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG greift daher jedenfalls immer dann ein, wenn – wie im Streitfall – bei typisierender Betrachtung die Möglichkeit besteht, Geschäftsfreunde zu unterhalten oder privaten Neigungen nachzugehen (BFH-Urteil vom 7. Februar 2007 I R 27-29/05, BFH/NV 2007, 1230; BFH-Beschluss vom 29. Dezember 2008 X B 123/08, BFH/NV 2009, 752; Urteil des Hessischen FG vom 2. Mai 2013  11 K 1165/12, juris). Die auf Kosten der Klägerin durchgeführten Golfturniere dienten jedenfalls auch der sportlichen Betätigung der Teilnehmer und der Repräsentation des klägerischen Unternehmens. Die Aufwendungen hierfür sind daher vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen.

30
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin, greift im Streitfall die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht Platz.

31
Die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG findet nach Satz 2 des § 4 Abs. 5 EStG keine Anwendung, soweit der in Satz 1 Nr. 4 bezeichnete Zweck Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen ist. Die Voraussetzungen dieser (Rück-)Ausnahme sind im Streitfall aber nicht erfüllt, da die Klägerin die Finanzierung von Golfturnieren nicht gewerblich ausübt und aus dieser Tätigkeit nicht unmittelbar Einkünfte erzielt.

32
Die Klägerin betreibt zwar eine Brauerei, so dass durch den Ausschank des Bieres der Klägerin und die Verpflichtung der Ausrichtung eines Turniers in den Bierlieferverträgen eine Verbindung zwischen den Golfturnieren und den Leistungen des Unternehmens der Klägerin gegeben ist. Diese Verbindung reicht allerdings allein nicht aus, die Klägerin mit der Finanzierung von Golfturnieren aus dem Tatbestandsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG auszuschließen. Denn die Ausnahme zur Abzugsbeschränkung knüpft nicht personenbezogen an eine entsprechende betriebliche/berufliche Hauptbetätigung an. Sie erfordert im Zusammenhang mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG vielmehr eine konkret in Gewinnabsicht ausgeübte Betätigung (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2003 I B 157/02, BFH/NV 2003, 1314 zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die (konkrete) Betätigung muss stets einen konkreten Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit des Unternehmers aufweisen (BFH-Urteil vom 7. September 2011 I R 12/11, BStBl II 2012, 194). Besteht ein solcher konkreter Zusammenhang nicht und liegt im Ergebnis nur eine indirekte Förderung der mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen vor (Anbahnung und Sicherung von Geschäftsfreundschaften), entfällt indes der Grund für die in § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG eingeräumte (Rück-)Ausnahme; der Unternehmer befindet sich dann in keiner anderen Situation als ein beliebiger anderer Unternehmer, dessen Betätigung nicht auf eine in Gewinnabsicht ausgeübte Betätigung gerichtet ist. Hier wie dort tritt der Zweck der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG in den Vordergrund, der u.a. darin besteht, Aufwendungen, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten typisierend einen konkreten Bezug zur Lebensführung haben, nicht in vollem Umfang zum Abzug als Betriebsausgabe zuzulassen. Insoweit ist es gleichheitsgerecht, die Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG eng aufzufassen (BFH-Urteil vom 7. September 2011 I R 12/11, BStBl II 2012, 194).

33
Im Streitfall steht die Finanzierung der Turniere (jeweils) nicht im konkreten Zusammenhang mit einer in Gewinnabsicht ausgeübten konkreten Betätigung der Klägerin. Die Klägerin hat zwar im Rahmen der gesamten vertraglichen Regelungen des jeweiligen Bierliefervertrags über die Dauer des Vertragszeitraums Getränke in Gewinnabsicht geliefert. Dagegen hat sie die konkreten einzelnen Golfturniere nicht mit Gewinnerzielungsabsicht finanziert, sondern diese vielmehr als werbende Veranstaltung genutzt. Wird – wie im Streitfall – das Golfturnier als werbende Veranstaltung für den Golfverein und die Klägerin finanziert, wird dem Golfspieler/Kunden/Geschäftspartner lediglich zur Schaffung eines besseren Geschäftsklimas etwas zugewendet, das jener anderenfalls auf eigene Kosten hätte gestalten müssen.

34
c) Der Beklagte war auch berechtigt, die Bescheide für 2005 bis 2007 über Körperschaft-steuer und 2004 bis 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag […] nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern. Die Festsetzungen standen unter Vorbehalt der Nachprüfung, so dass Änderungen nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen konnten.

35
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

36
3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.