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Trend zu höherer Fiskalquote im OECD-Raum ungebrochen

Auch Deutschland und Österreich verbuchen mehr Steuer-einnahmen am BIP

Die Mehrzahl der OECD-Länder hat 2012 erneut mehr Steuern eingenommen als in den Hauptkrisenjahren 2008 und 2009. Wie aus der aktuellen Ausgabe der Revenue Statistics der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht, lag der Anteil der Steuern und Sozialabgaben an der Wirtschaftsleistung im Schnitt von 30 OECD-Ländern bei 34,6 %. Das sind 0,5 Prozentpunkte mehr als 2011. Noch deutlicher ist der Trend nach oben seit 2010 als die Fiskalquote bei 33,8 % lag.

Der Anteil der Steuereinnahmen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in 21 der 30 Länder, für die Daten verfügbar waren. In neun Ländern sank er. Diese Verteilung ähnelt der Entwicklung im Vorjahr und deutet auf einen generellen Trend zu höheren Fiskalquoten. Die stärksten Steigerungen verbuchten Ungarn (+1,8 Prozentpunkte) und Griechenland (+1,6), gefolgt von Italien und Neuseeland (+1,4). In Israel, Portugal und Großbritannien ging der Anteil der Steuereinnahmen am meisten zurück – in Israel um fast fünf Prozentpunkte.

Die höchste Fiskalquote in der OECD hat Dänemark mit 48 Prozent – auch Belgien und Frankreich liegen weit über dem Schnitt (43,5 %). Am geringsten ist der Anteil von Steuern und Abgaben am BIP in Mexiko (19,6 %) und Chile (20,8 %). Ebenfalls niedrig ist die Quote in den USA (24,3 %) und in Korea (26,8 %).

Die Veränderungen zwischen 2011 und 2012 sind auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen: In progressiven Steuersystemen wachsen die Steuereinnahmen in Phasen steigender Reallöhne schneller als das Einkommen. Zudem haben viele Staaten die Steuersätze angehoben und/oder die Bemessungsgrundlage für Steuern verbreitert. In einigen europäischen Staaten trug zusätzlich auch das gesunkene BIP dazu bei, dass der Anteil der Steuereinnahmen an der Wirtschaftsleistung nach oben ging. Den OECD-Daten zufolge steigen die Fiskalquoten aber nur auf Bundes- und Landesebene, auf lokaler Ebene sind sie seit 2007 eher stabil.

Auch in Deutschland und Österreich erhöhte sich der Anteil von Steuern an der Wirtschaftsleistung 2012 merklich: in Deutschland von 36,9 auf 37,6 % und in Österreich von 42,3 auf 43,2 %. In Deutschland geht die Erhöhung der Fiskalquote vor allem auf höhere Steuern für Einkommen und Gewinne zurück – diese kletterten 2010/11 von 10,3 auf 10,9 % des BIP und machten 29,5 % des Gesamtsteueraufkommens aus. Mit 14,2 % am BIP unverändert ist hingegen der Anteil der Sozialabgaben.

Die Einnahmen aus Substanzsteuern (Grund-, Vermögens-, Schenkung- und Erbschaftsteuer) lagen in Deutschland 2011 nahezu stabil bei 0,9 % des BIP und damit bei der Hälfte des OECD-Schnitts von 1,8 %. Nur Mexiko, Estland, Tschechien und die Slowakei – also Staaten mit einem deutlich geringeren Vermögensbestand als Deutschland – sowie Österreich erzielen weniger Einnahmen aus dieser Steuerart.

Um die Steuer- und Abgabenquote der einzelnen Länder vergleichbar zu halten, werden in den OECD Revenue Statistics anders als in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) eine Reihe von finanziellen Zuwendungen an Haushalte und Unternehmen mit der Steuerschuld verrechnet. Entsprechend reduzieren sich dadurch das Steueraufkommen und damit auch die Steuerquote. Die größten Posten hier sind das Kindergeld, die Eigenheimzulage und die Investitionszulage. Die nach der Abgrenzung der OECD ermittelten Einnahmen aus Steuer- und Sozialabgaben beliefen sich 2011 auf rund 964 Milliarden Euro.

Bei den Sozialbeiträgen werden in den Revenue Statistics außerdem die Beiträge der freiwillig gesetzlich Versicherten an staatliche Versicherungsträger nicht berücksichtigt. Auch Pflichtbeiträge an private Träger, wie sie Angehörige freier Berufe zur sozialen Absicherung leisten, sind nicht eingerechnet. Im Unterschied zur VGR berücksichtigen die Revenue Statistics auch keine unterstellten Sozialbeiträge für Beamte. Sozialbeiträge, die für Hartz-IV oder ALG-I-Empfänger an die Sozialversicherungsträger überwiesen werden, werden anders als in der VGR ebenfalls nicht erneut verbucht.

Quelle: OECD

Körperschaftsteuerbefreiung für die Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheke

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 31. Juli 2013 (I R 82/12) entschieden, dass die Abgabe von Medikamenten zur Krebsbehandlung (sog. Zytostatika) durch eine Krankenhausapotheke zur sofortigen ambulanten Verabreichung an Patienten von der Körperschaftsteuer befreit ist, wenn das Krankenhaus, von dem die Apotheke betrieben wird, ein gemeinnütziger Zweckbetrieb ist. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auch auf die Gewerbesteuer, wie sich aus einem weiteren Urteil vom selben Tag (Az. I R 31/12) ergibt.

Bei einem gemeinnützigen Krankenhaus ist die Steuerbefreiung nicht auf die unmittelbare ärztliche und pflegerische Betätigung begrenzt. Sie erstreckt sich vielmehr auf alle typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbrachten Leistungen. Steuerfrei sind hiernach jedenfalls alle Einkünfte aus Tätigkeiten, die den Krankenhäusern gesetzlich zur Sicherstellung ihres Versorgungsauftrags übertragen sind und für die der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich eintreten muss.

Ob die Krankenhausapotheke zu öffentlichen Apotheken in Wettbewerb tritt, ist für den Umfang der Steuerbefreiung nach deutschem Recht ohne Belang. Der BFH hat aber darauf hingewiesen, dass das Gemeinnützigkeitsrecht aufgrund der Wettbewerbsrelevanz beihilferechtlichen Bedenken unterliegt. Diese Bedenken erlaubten dem BFH in dem entschiedenen Fall zwar nicht, die gesetzlich vorgesehene Steuerbefreiung zu verweigern. Der BFH hat jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass die EU-Kommission berufen wäre, die Steuerbefreiungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen und den Gesetzgeber ggf. zu einer Anpassung der deutschen Rechtslage aufzufordern.

Der Entscheidung kann keine Aussage zu der vergleichbaren umsatzsteuerrechtlichen Problematik entnommen werden. Der BFH hat in dem dazu anhängigen Revisionsverfahren (Az. V R 19/11 – Pressemitteilung Nr. 54/2012) das Verfahren ausgesetzt und die Frage der Steuerbefreiung dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt (Az. C-366/12). Der Ausgang jenes Verfahrens bleibt insoweit abzuwarten.

BFH, Pressemitteilung Nr. 92/13 vom 18.12.2013 zum Urteil I R 82/12 vom 31.07.2013

BUNDESFINANZHOF Entscheidung vom 15.5.2012, V R 19/11

EuGH-Vorlage zur Lieferung von Zytostatika durch einen Krankenhausträger für im Krankenhaus ambulant erbrachte Heilbehandlungen – Begriff des mit einer Krankenhausbehandlung und einer ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatzes

Leitsätze

Zum Begriff des mit einer Krankenhausbehandlung und einer ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatzes i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG:

 

1. Muss es sich bei dem eng verbundenen Umsatz um eine Dienstleistung gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG handeln?

 

2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Liegt ein mit einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz nur vor, wenn dieser Umsatz durch denselben Steuerpflichtigen erbracht wird, der auch die Krankenhausbehandlung oder ärztliche Heilbehandlung erbringt?

 

3. Falls Frage 2 zu verneinen ist: Liegt ein eng verbundener Umsatz auch dann vor, wenn die Heilbehandlung nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, sondern nach Buchst. c dieser Bestimmung steuerfrei ist?

Tatbestand

I. Zum Sachverhalt
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt als Krankenhausträger ein Krankenhaus. In den Streitjahren (2005 und 2006) verfügte sie über eine sog. Institutsermächtigung gemäß § 116a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), aufgrund der sie berechtigt war, neben stationären Behandlungen auch ambulante Behandlungen durchzuführen. Ambulante Behandlungen wurden darüber hinaus auch durch die bei der Klägerin angestellten Krankenhausärzte durchgeführt, die dabei gemäß § 116 SGB V aufgrund einer sog. persönlichen Ermächtigung tätig waren.
2
In den Streitjahren behandelte die Klägerin Krebspatienten im Rahmen der sog. Chemotherapie. Die dabei an die Patienten verabreichten Zytostatika wurden von der Klägerin in der von ihr betriebenen Krankenhausapotheke nach ärztlicher Verordnung individuell für den jeweiligen Patienten hergestellt.
3
Die Klägerin verwendete die Zytostatika bei stationären Krankenhaus- und Heilbehandlungen in den Räumen des von ihr als Krankenhausträger betriebenen Krankenhauses. Dass die Abgabe der Zytostatika für stationäre Leistungen der Klägerin steuerfrei ist, steht außer Streit.
4
Die von der Klägerin hergestellten Zytostatika wurden darüber hinaus auch für ambulant im Krankenhaus der Klägerin erbrachte Heilbehandlungsleistungen verwendet. Die Klägerin ging davon aus, dass auch die Abgabe der in ihrer Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika für ambulante Behandlungen steuerfrei sei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) war demgegenüber aufgrund einer Neuregelung in Abschn. 100 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005, einer die Gerichte nicht bindenden Verwaltungsanweisung, der Auffassung, dass die entgeltliche Abgabe von Medikamenten für Tumorpatienten ab 2005 bei ambulanten Behandlungen steuerpflichtig sei und änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen unter Gewährung eines sich aufgrund der Steuerpflicht ergebenden Vorsteuerabzugs entsprechend. Während der Einspruch der Klägerin keinen Erfolg hatte, gab das Finanzgericht der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1470 veröffentlichten Urteil statt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA.

Entscheidungsgründe

5
II. Entscheidungsgründe
6
1. Rechtlicher Rahmen

a) Unionsrecht

Der Mehrwertsteuer unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) die „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“. Als Lieferung gilt gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“. Als Dienstleistung gilt nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des Artikels 5 ist“.

7
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten
8
„b) die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
9
c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden“;
10
Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG sieht vor:
11
„b) Von der in Absatz 1 Buchstaben b), g), h), i), l), m) und n) vorgesehenen Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn
12
sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;
13
sie im wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.“
14
b) Nationales Recht
15
Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) „die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt“. Lieferungen eines Unternehmers sind nach § 3 Abs. 1 UStG „Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht)“. Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 UStG „Leistungen, die keine Lieferungen sind“.
16
Nach § 4 Nr. 14 und 16 Buchst. b UStG waren in den Streitjahren steuerfrei:
17
Nr. 14: „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Absatz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. Steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden. …“
18
Nr. 16: „die mit dem Betrieb der Krankenhäuser … eng verbundenen Umsätze, wenn … b) bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt … sind … .“
19
§ 116 SGB V bestimmte in den Streitjahren:
20
„Krankenhausärzte mit abgeschlossener Weiterbildung können mit Zustimmung des Krankenhausträgers vom Zulassungsausschuß (§ 96) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. … .“
21
§ 116a SGB V regelte in den Streitjahren:
22
„Der Zulassungsausschuss kann zugelassene Krankenhäuser für das entsprechende Fachgebiet in den Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Unterversorgung festgestellt hat, auf deren Antrag zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen, soweit und solange dies zur Deckung der Unterversorgung erforderlich ist.“
23
2. Vorbemerkungen zur Rechtslage nach nationalem Recht und zum Streitfall
24
a) Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Steuerfrei sind danach die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die insbesondere von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten durchgeführt oder bewirkt werden. Trotz der im Wortlaut bestehenden Unterschiede legt der erkennende Senat § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG entsprechend seiner unionsrechtlichen Grundlage in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG richtlinienkonform aus (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 25. Januar 2006 V R 46/04, BFHE 211, 571, BStBl II 2006, 481, unter II.2.b; vom 26. August 2010 V R 5/08, BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296, unter II.1.). Als mit dem Betrieb der Krankenhäuser eng verbundene Umsätze i.S. von § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG sind daher auch nach nationalem Recht nur die „Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze“ gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen.
25
b) Die Klägerin erfüllt im Streitfall die personenbezogenen Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Sie ist zwar keine Einrichtung des öffentlichen Rechts, aber eine Krankenanstalt im Sinne dieser Bestimmung, die unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen tätig ist, da sie die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG erfüllt. Die Klägerin ist daher zur Erbringung steuerfreier Leistungen im Krankenhausbereich grundsätzlich berechtigt, so dass nur die Frage streitig ist, auf welche ihrer Leistungen die Steuerfreiheit anzuwenden ist.
26
c) Die von der Klägerin hergestellten Zytostatika wurden in zwei Fallgruppen für ambulant erbrachte Heilbehandlungsleistungen verwendet.
27
aa) Die Klägerin verwendete die von ihr hergestellten Zytostatika bei ambulanten Heilbehandlungen, die sie in dem von ihr als Krankenhausträger betriebenen Krankenhaus durchführte. Die Behandlung von Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind, erfolgt dabei sozialversicherungsrechtlich auf der Grundlage von § 116a SGB V.
28
bb) Die von der Klägerin hergestellten Zytostatika wurden auch für ambulante Behandlungen verwendet, die Krankenhausärzte als selbständig tätige Steuerpflichtige für gesetzlich pflichtversicherte Patienten aufgrund einer Ermächtigung nach der sozialversicherungsrechtlichen Regelung des § 116 SGB V in den Räumen des von der Klägerin als Krankenhausträger betriebenen Krankenhauses erbrachten. § 116 SGB V ermöglicht es, „ermächtigten“ Krankenhausärzten, die in einem Beschäftigungsverhältnis zum Krankenhausträger stehen und insoweit als Gehaltsempfänger i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gegenüber dem Krankenhausträger unselbständig tätig sind, als selbständig tätige Steuerpflichtige ambulante Heilbehandlungsleistungen in einem Krankenhaus zu erbringen. Sozialversicherungsrechtlich unterscheidet sich die Tätigkeit der Krankenhausärzte insoweit nicht von der eines in eigener Praxis niedergelassenen Arztes.
29
Im Hinblick auf die der zweiten Fallgestaltung zugrunde liegenden Leistungsbeziehungen ist zu beachten, dass der Krankenhausarzt im Rahmen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung seine Heilbehandlungsleistung gegen Entgelt i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG an die gesetzliche Krankenkasse des Patienten erbringt. Die Lieferung der auf Verordnung des Krankenhausarztes hergestellten Zytostatika durch die Klägerin erfolgte dabei gleichfalls an die gesetzliche Krankenkasse des Patienten. Die gesetzliche Krankenkasse ist umsatzsteuerrechtlich Empfänger beider Leistungen, da sie diese Leistungen nach den der Umsatztätigkeit zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen bezieht, um sie an die bei ihr pflichtversicherten Patienten abzugeben. Ein unmittelbarer Leistungsbezug durch den Patienten liegt nach der Ausgestaltung des Krankenversicherungsschutzes im nationalen Recht nur bei privat versicherten Patienten vor, die gegenüber Arzt und Krankenhaus selbst zahlungsverpflichtet sind und Erstattungsansprüche gegen ihre Versicherungsgesellschaften haben.
30
3. Zur ersten Vorlagefrage
31
a) In seiner zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Rechtsprechung ist der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) davon ausgegangen, dass „nur Dienstleistungen, die naturgemäß im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der Erbringung dieser Dienstleistungen … zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind, ‚eng verbundene Umsätze‘ im Sinne dieser Vorschrift darstellen“ können und dass nur „solche Leistungen … sich nämlich auf die Kosten der medizinischen Behandlungen auswirken [können], die dem Einzelnen durch die in Rede stehende Steuerbefreiung zugänglich gemacht werden“ (EuGH-Urteil vom 1. Dezember 2005 C-394/04, Ygeia, Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 25). In seinem Urteil vom 10. Juni 2010 C-262/08, Copy Gene (Slg. 2010, I-5053)hat der EuGH zu „den ärztlichen Leistungen … festgestellt, dass angesichts des Zwecks, der mit der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung verfolgt wird, nur Leistungen, die naturgemäß im Rahmen von Dienstleistungen der Krankenhausbehandlung und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der Erbringung dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind, ‚eng verbundene Umsätze‘ im Sinne dieser Bestimmung darstellen können“ (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053Rdnr. 40).
32
b) Der erkennende Senat versteht diese Rechtsprechung dahingehend, dass es sich bei den Tätigkeiten der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung um Dienstleistungen i.S. von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG handeln muss. Weiter ist dem EuGH-Urteil Ygeia in Slg. 2005, I-10373 zu entnehmen, dass auch der eng verbundene Umsatz eine Dienstleistung in diesem Sinne sein muss, so dass eine Lieferung gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG kein eng verbundener Umsatz wäre.
33
Ob eine derartige Einschränkung tatsächlich besteht, ist aber als die Auslegung der Richtlinie betreffende Frage klärungsbedürftig, da sich die Befreiung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG auf „eng verbundene Umsätze“ erstreckt, was grundsätzlich die beiden in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Umsatzarten der Lieferung (Art. 5 der Richtlinie 77/388/EWG) und der Dienstleistung (Art. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) einschließt. Eine Einschränkung der eng verbundenen Umsätze auf Dienstleistungen erscheint daher im Hinblick auf den Wortlaut der Richtlinie fraglich.
34
Zu berücksichtigen könnte dabei auch sein, dass der EuGH in seinem Urteil Ygeia in Slg. 2005, I-10373 über die den vorliegenden Streitfall betreffende erste Vorlagefrage nicht abschließend zu entscheiden hatte, da Gegenstand der Leistungen, deren Steuerfreiheit als eng verbundener Umsatz in der Rechtssache Ygeia in Slg. 2005, I-10373 streitig war, die Nutzungsüberlassung von Fernsehgeräten und Telefonen war, die umsatzsteuerrechtlich als Dienstleistungen, nicht aber als Lieferungen einzuordnen sind. Möglicherweise deshalb hat der EuGH in Bezug auf den eng verbundenen Umsatz nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in seinem Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 auf den Begriff der „Leistungen“ abgestellt, der gleichermaßen Lieferungen und Dienstleistungen umfasst.
35
c) Die erste Vorlagefrage ist für beide Fallgruppen der ambulanten Behandlung (s. oben II.2.c) entscheidungserheblich.
36
aa) Der Steuerfreiheit steht nicht bereits entgegen, dass in beiden Fallgruppen nur ambulant-ärztliche Heilbehandlungen vorliegen, da sich die Steuerfreiheit gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nicht auf stationär erbrachte Heilbehandlungen beschränkt. Es ist nicht erforderlich, dass zugleich auch eine (stationäre) Krankenhausbehandlung vorliegt.
37
bb) Das Vorliegen einer Lieferung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Die Zytostatika sind körperliche Gegenstände. Die Befähigung, wie ein Eigentümer verfügen zu können, wird durch die Überlassung zum bestimmungsgemäßen Verbrauch, dem Verbrauch der Zytostatika im Rahmen der ambulanten Heilbehandlung, übertragen. Dass die Zytostatika speziell für einzelne Patienten nach den Bedürfnissen des jeweiligen Patienten hergestellt wurden und für andere Patienten nicht verwendungsfähig waren, steht der Annahme einer Lieferung –wie auch in anderen Fällen, in denen körperliche Gegenstände speziell nach den Vorgaben des Kunden individuell angefertigt werden– nicht entgegen.
38
cc) Eine Lieferung liegt auch insoweit vor, als die Klägerin die Zytostatika für eigene ambulante Heilbehandlungen verwendete.
39
Dies ergibt sich daraus, dass der EuGH in seiner zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich „die Abgabe von Arzneimitteln …, die von einem Arzt oder anderen hierzu ermächtigten Personen verordnet werden, in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Dienstleistung [der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin] trennen“ lässt, wenn „man von den Lieferungen kleineren Umfangs ab[sieht], die bei der Heilbehandlung unbedingt notwendig sind,“ (EuGH-Urteil vom 23. Februar 1988 C-353/85, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1988, 817 Rdnrn. 33 bis 35).
40
Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG spricht, dass sich die Begriffe „ärztliche Heilbehandlung“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG und „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ in Buchst. c dieser Bestimmung der Art nach auf dieselben Leistungen beziehen (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 28).
41
4. Zur zweiten Vorlagefrage
42
Mit der zweiten wiederum Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG betreffenden Auslegungsfrage soll geklärt werden, ob der Begriff des eng verbundenen Umsatzes voraussetzt, dass der Steuerpflichtige, der diesen Umsatz erbringt, zugleich auch eine Krankenhausbehandlungs- oder eine ärztliche Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des eng verbundenen Umsatzes erbringt.
43
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei den mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätzen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG um Nebenleistungen, die an den Empfänger einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung als Hauptleistung erbracht werden (EuGH-Urteile Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 18, und Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 39).
44
b) Der erkennende Senat hat Zweifel, welche Bedeutung dieser Bezugnahme auf das Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung für die Auslegung des Begriffs des eng verbundenen Umsatzes zukommt.
45
aa) Nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH zu Haupt- und Nebenleistung „sind unter bestimmten Umständen mehrere formal unterschiedliche Einzelleistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als ein einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dies ist z.B. der Fall, wenn festgestellt wird, dass eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist eine Leistung als Neben- und nicht als Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen“ (EuGH-Urteil vom 11. Juni 2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 18).
46
Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, nach der Neben- und Hauptleistung ein einheitlicher Umsatz sind, bei dem die Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, wenn die Nebenleistung dazu dient, die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP, Slg. 1999, I-973 Rdnrn. 29 f.; vom 15. Mai 2001 C-34/99, Primback, Slg. 2001, I-3833 Rdnrn. 43 und 45, und vom 21. Februar 2008 C-425/06, Part Service, Slg. 2008, I-897 Rdnrn. 51 f.).
47
bb) Wäre die Bezugnahme auf Haupt- und Nebenleistung zur Auslegung des Begriffs des eng verbundenen Umsatzes in den EuGH-Urteilen Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 18 und Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 39 als Verweisung auf die allgemeine EuGH-Rechtsprechung zu verstehen, nach der Neben- und Hauptleistung ein einheitlicher Umsatz sind, bei dem die Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, käme der gesonderten Nennung des eng verbundenen Umsatzes in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nur deklaratorische Bedeutung zu, da es sich dann nur um eine Nebenleistung zur Krankenhausbehandlung oder zur ärztlichen Heilbehandlung handeln würde, die bereits nach den allgemeinen Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung (EuGH-Urteile CPP in Slg. 1999, I-973 Rdnrn. 29 f.; Primback in Slg. 2001, I-3833 Rdnrn. 43 und 45; Part Service in Slg. 2008, I-897 Rdnrn. 51 f., und RLRE Tellmer Property in Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 18) als Teil eines einheitlichen Umsatzes anzusehen wäre.
48
Die zweite Vorlagefrage wäre dann dahingehend zu beantworten, dass ein eng verbundener Umsatz nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige zugleich auch eine Krankenhausbehandlungs- oder ärztliche Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des eng verbundenen Umsatzes erbringt, da nur dann eine Nebenleistung vorliegt, die dazu dient, die Hauptleistung „des Leistungserbringers“ unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH-Urteile CPP in Slg. 1999, I-973 Rdnr. 30; Primback in Slg. 2001, I-3833 Rdnr. 45; Part Service in Slg. 2008, I-897 Rdnr. 52, und RLRE Tellmer Property in Slg. 2009, I-4983 Rdnr. 18).
49
cc) Gegen das Erfordernis, dass der Steuerpflichtige, der den eng verbundenen Umsatz erbringt, zugleich eine Krankenhausbehandlungs- oder eine ärztliche Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des eng verbundenen Umsatzes ausführen muss, könnte aber sprechen, dass der EuGH in seinen unmittelbar zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteilen Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 18 und Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 39 nur darauf abgestellt hat, dass eine Nebenleistung an den Empfänger einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung als Hauptleistung erbracht wird.
50
dd) Eine Antwort auf die zweite Vorlagefrage lässt sich nicht aus dem Urteil des EuGH vom 11. Januar 2001 C-76/99, Kommission/Frankreich (Slg. 2001, I-249) ableiten. Diese Rechtssache betraf biomedizinische Untersuchungen, bei denen ein sog. Entnahmelabor Patienten Proben entnimmt und diese an ein Speziallabor, das diese Proben untersucht, übersendet. Entnahme- und Speziallabor berechnen ihre Tätigkeit jeweils –als nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG– steuerfrei an den Patienten. Zu klären war, ob die Übersendungsvergütung, die das Spezial- an das Entnahmelabor zahlt, ein Entgelt für eine gleichfalls nach dieser Bestimmung steuerfreie Leistung ist (EuGH-Urteil Kommission/ Frankreich in Slg. 2001, I-249 Rdnr. 10), was der EuGH bejahte. Der EuGH führte hierfür an, dass es für die Patienten unerheblich sei, ob das Entnahmelabor auch die Analyse vornehme oder damit ein Speziallabor beauftrage, gleichwohl aber gegenüber den Patienten verantwortlich bleibe. Probenentnahme und Übersendung der Probe an das Speziallabor seien Leistungen, die eng mit der Analyse verbunden seien (EuGH-Urteil Kommission/Frankreich in Slg. 2001, I-249 Rdnrn. 28 ff.).
51
Hieraus ergibt sich keine hinreichende Antwort auf die zweite Vorlagefrage, da die Übersendung durch das Entnahmelabor erfolgte, das durch die Entnahme auch eine steuerfreie „Hauptleistung“ gegenüber dem Patienten (oder seiner Krankenkasse) erbrachte, an der es hier in der zweiten Fallgruppe (s. oben II.2.c bb) fehlt.
52
c) Die zweite Vorlagefrage ist nur für die Abgabe von Zytostatika in Zusammenhang mit den ambulanten Leistungen der selbständig tätigen Krankenhausärzte in der zweiten Fallgruppe (s. oben II.2.c bb) entscheidungserheblich.
53
aa) Die insoweit von der Klägerin erbrachten Leistungen sind steuerpflichtig, wenn die zweite Vorlagefrage zu bejahen ist und das Vorliegen eines eng verbundenen Umsatzes daher voraussetzt, dass der Steuerpflichtige neben dem eng verbundenen Umsatz auch eine Krankenhausbehandlungs- oder eine Heilbehandlungsleistung an den Empfänger des eng verbundenen Umsatzes erbringt.
54
Denn nach den dem Streitfall zugrunde liegenden Leistungsbeziehungen hat die Klägerin in der zweiten Fallgruppe (s. oben II.2.c bb) an den Empfänger des eng verbundenen Umsatzes und damit –im Rahmen des Systems der gesetzlichen Sozialversicherung– an die gesetzliche Krankenkasse des Patienten und –im Fall der Privatversicherung– an den Patienten selbst, außer der Lieferung der Zytostatika, keine weiteren Leistungen erbracht; denn die ambulant-ärztliche Heilbehandlungsleistung wurde durch die ermächtigten Krankenhausärzte als selbständig tätige Steuerpflichtige erbracht.
55
bb) Ist die zweite Vorlagefrage demgegenüber mit der Folge zu verneinen, dass der eng verbundene Umsatz durch einen Steuerpflichtigen (hier: Krankenhausträger) und die Hauptleistung durch einen anderen Steuerpflichtigen (hier: Krankenhausarzt) erbracht werden kann, liegen grundsätzlich –jedoch vorbehaltlich der Antwort auf die dritte Vorlagefrage– die weiteren Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Lieferung des Zytostatika als eng verbundener Umsatz vor.
56
Denn bei der Abgabe der Zytostatika im Streitfall handelte es sich um Leistungen, die naturgemäß im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und im Prozess der Erbringung dieser Dienstleistungen zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind (vgl. EuGH-Urteile Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 25, und Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 40). Es handelte sich nicht um Leistungen, die lediglich den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten verbessern sollen (vgl. EuGH-Urteil Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 29). Es wurde auch der erforderliche enge Zusammenhang zur ärztlichen Heilbehandlung gewahrt (vgl. EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 48), der voraussetzt, dass eine Krankenhausbehandlung und ärztliche Heilbehandlung zumindest begonnen hat oder geplant ist (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 50), da die Abgabe der Zytostatika im Zusammenhang zu bereits begonnenen ambulanten Heilbehandlungsmaßnahmen durch die insoweit selbständig tätigen Krankenhausärzte stand.
57
5. Zur dritten Vorlagefrage
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a) Der erkennende Senat geht davon aus, dass die durch die selbständig tätigen Krankenhausärzte im Krankenhaus der Klägerin erbrachten Heilbehandlungsleistungen zwar nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, aber nach Buchst. c dieser Bestimmung steuerfrei sind. Gegenteiliges ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht der EuGH-Rechtsprechung zu entnehmen, nach der „sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie auf Leistungen bezieht, die in Krankenhäusern erbracht werden, während sich Buchst. c dieses Absatzes auf diejenigen Heilbehandlungen bezieht, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, erbracht werden“ (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053Rdnr. 27, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung, die sich nur auf die allgemeine Abgrenzung dieser beiden Steuerbefreiungen bezieht, steht nach Auffassung des erkennenden Senats einer Anwendung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG auf Heilbehandlungsleistungen, die selbständig tätige Ärzte in den Räumen von Krankenhäusern erbringen, nicht entgegen, da für die Annahme, ein Arzt könne als Steuerpflichtiger in einem Krankenhaus keine steuerfreie Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin erbringen, keinerlei sachliche Gründe erkennbar sind.
59
b) Sollte die zweite Vorlagefrage zu verneinen sein, so dass der eng verbundene Umsatz nicht von demselben Steuerpflichtigen erbracht werden muss, der auch die Heilbehandlungsleistung ausführt, könnte dies weitergehend auch die Annahme rechtfertigen, dass ein Arzt, dessen Heilbehandlungsleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind und der diese Leistungen steuerfrei auch in den Räumen eines Krankenhauses erbringen kann (s. oben II.2.c bb), die steuerfreie Hauptleistung ausführen kann, zu der der eng verbundene Umsatz des Krankenhauses als nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Nebenleistung hinzutritt.
60
Hierfür könnte angeführt werden, dass sich die Begriffe „ärztliche Heilbehandlung“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG und „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ in Buchst. c dieser Bestimmung der Art nach auf dieselben Leistungen beziehen (EuGH-Urteil Copy Gene in Slg. 2010, I-5053 Rdnr. 28).
61
Gegen eine derartige Auslegung könnte indes das Erfordernis einer hinreichend klaren Abgrenzung des Umfangs der steuerfreien Leistungen sowie die Entscheidung des Unionsgesetzgebers sprechen, eng verbundene Umsätze nur im Rahmen von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer zu befreien, während eine vergleichbare Regelung für Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG nicht vorliegt.
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6. Keine Steuerpflicht aus anderen Gründen
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a) Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen entfällt auch nicht aus anderen Gründen.
64
aa) Einem Erfolg der Klage steht nicht entgegen, dass die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG gemäß Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich dieser Bestimmung unter dem Vorbehalt der Unerlässlichkeit steht, da die Zytostatika für die ambulant durchgeführte Chemotherapie unerlässlich waren.
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bb) Gegen die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG kann auch nicht Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Bestimmung angeführt werden. Danach dürfen Leistungen nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.
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b) Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin bei der Abgabe im unmittelbaren Wettbewerb zu gewerblichen Apotheken handelte, die dieselben Zytostatika nur unter der Anwendung des Regelsteuersatzes anbieten konnten, da der nationale Gesetzgeber die Ermächtigung zur Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nach Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Anhang H Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG nicht ausgeübt hat. Dabei steht der Wettbewerbsrelevanz nicht entgegen, dass die Zulassung zur ambulanten Heilbehandlung unter dem Vorbehalt einer Bedarfsprüfung nach § 116 SGB V stand.
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Hierauf kommt es indes nicht an, da die Lieferung der Zytostatika nach Auffassung des Senats nicht im Wesentlichen dazu bestimmt war, der Klägerin zusätzliche Einnahmen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG zu verschaffen. Maßgeblich ist dafür, dass nach der insoweit den nationalen Gerichten obliegenden Beurteilung (vgl. EuGH-Urteil Ygeia in Slg. 2005, I-10373 Rdnr. 34) davon auszugehen ist, dass die Abgabe der Zytostatika im Streitfall vorrangig dazu diente, den bei der Klägerin angestellten Krankenhausärzten die selbständige Erbringung ambulanter Heilbehandlungsleistungen zu ermöglichen. Anders wäre es erst, wenn die Klägerin über ihre Krankenhausapotheke andere Krankenhäuser beliefert hätte, da es dann an einem Bezug zu einer in den Räumlichkeiten des eigenen Krankenhauses ausgeübten Heilbehandlungstätigkeit fehlen würde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 V R 76/89, BFHE 162, 510, BStBl II 1991, 268).
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7. Zum Rechtsgrund der Vorlage
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Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH beruht auf Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Zurückweisung der Einsprüche und Ände-rungsanträge zur Besteuerung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs nach der „1 %-Regelung“

Wird ein betriebliches Kraftfahrzeug auch zu privaten Zwecken genutzt, ist für jeden Kalendermonat der privaten Nutzung ein Betrag in Höhe von 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer zu versteuern. Viele Steuerpflichtige haben gegen diese „1 %-Regelung“ verfassungsrechtliche Zweifel geäußert und gegen Steuerbescheide Einspruch eingelegt oder Änderungsanträge gestellt. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 13. Dezember 2012 – VI R 51/11 – (BStBl II 2013 S. 385) entschieden, dass die „1 %-Regelung“ nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Eine Verfassungsbeschwerde wurde gegen dieses Urteil nicht erhoben. Die in dieser Angelegenheit eingelegten Einsprüche und gestellten Änderungsanträge können daher keinen Erfolg haben.

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben deshalb durch Allgemeinverfügung vom 13. Dezember 2013 diese Einsprüche und Änderungsanträge zurückgewiesen.

Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13. Dezember 2013 (2013/1145596):

Aufgrund

  • des § 367 Abs. 2b und des § 172 Abs. 3 der Abgabenordnung und
  • des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 13. Dezember 2012 – VI R 51/11 – (BStBl II 2013 S. 385)

ergeht folgende Allgemeinverfügung:

Am 13. Dezember 2013 anhängige und zulässige Einsprüche gegen Festsetzungen

  • der Einkommensteuer,
  • der Lohnsteuer (einschließlich der Lohnsteuer-Anmeldungen, die einer Steuerfest-setzung unter Nachprüfungsvorbehalt gleichstehen),
  • der Körperschaftsteuer,
  • des Gewerbesteuermessbetrags und
  • der Umsatzsteuer

sowie gegen gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen werden hiermit zurückgewiesen, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, die Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs nach dem Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung – „1 %-Regelung“ – (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) verstoße gegen das Grundgesetz.

Entsprechendes gilt für am 13. Dezember 2013 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Festsetzung oder Feststellung im Sinne des Satzes 1.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung können die von ihr betroffenen Steuerpflichtigen Klage erheben. Ein Einspruch ist insoweit ausgeschlossen.

Die Klage ist bei dem Finanzgericht zu erheben, in dessen Bezirk sich das Finanzamt befindet, das den von dieser Allgemeinverfügung betroffenen Verwaltungsakt erlassen hat. Sie ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Finanzgerichts zu erklären und gegen das zuständige Finanzamt zu richten.

Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt ein Jahr. Sie beginnt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem diese Allgemeinverfügung veröffentlicht wird. Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage innerhalb der Frist bei dem zuständigen Finanzamt angebracht oder zur Niederschrift gegeben wird.

Die Klage muss den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, den mit der Klage angegriffenen Verwaltungsakt und diese Allgemeinverfügung bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Die Klageschrift soll in zweifacher Ausfertigung eingereicht werden. Ihr sollen die Urschrift oder eine Abschrift des angefochtenen Verwaltungsakts und eine Abschrift dieser Allgemeinverfügung beigefügt werden.

Quelle: FinMin Baden-Württemberg

Vorliegen einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG)

Konsequenzen des BFH-Urteils vom 19. Dezember 2012, XI R 38/10, und des EuGH-Urteils vom 30. Mai 2013, C-651/11

BMF, Schreiben IV D 2 – S-7100-b / 13 / 10001 // IV D 2 – S-7100-b / 11 / 10001 vom 11.12.2013

Mit Urteil vom 19. Dezember 2012, XI R 38/101, hat der BFH entschieden, dass die Veräußerung eines Erbbaurechts mit aufstehendem, verpachteten Rehabilitationszentrum unter Fortführung des Pachtvertrags durch den Erwerber eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt. Für die Annahme eines „in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebs“ im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG komme es bei richtlinienkonformer Auslegung nicht darauf an, ob bei dem Veräußerer für das übertragene Erbbaurecht mit verpachtetem Gebäude vor der Veräußerung eine eigenständige betriebliche Organisation vorgelegen habe. Entgegen Abschn. 1.5 Abs. 6 Satz 2 UStAE sei dabei auch nicht maßgeblich, ob der veräußerte Teil des Unternehmens einen für sich lebensfähigen Organismus gebildet habe, der unabhängig von den anderen Geschäften des Unternehmens nach Art eines selbständigen Unternehmens betrieben worden und nach außen hin ein selbständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen sei.

Daneben hat sich der EuGH mit Urteil vom 30. Mai 2013, C-651/11, HFR 2013 S. 754, zum Vorliegen einer nicht steuerbaren Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen geäußert (Artikel 19 und 29 MwStSystRL). Nach den Kernaussagen des Urteils kann die Übertragung eines Gesellschaftsanteils – unabhängig von dessen Höhe – nur dann einer nicht steuerbaren Übertragung eines Teil- oder Gesamtvermögens gleichgestellt werden, wenn der Gesellschaftsanteil Teil einer eigenständigen Einheit ist, die eine selbständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, und diese Tätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird. Eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten versetze den Erwerber nicht in die Lage, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Abschn. 1.5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 10. Dezember 2013 – IV D 3 – S-7279 / 10 / 10002 (2013/1141439), geändert worden ist, wie folgt geändert:

  1. Abs. 6 wird wie folgt geändert:
    1. Die Sätze 1 bis 3 werden wie folgt gefasst:

      1Ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb liegt vor,wenn der veräußerte Teil des Unternehmens vom Erwerber als selbständiges wirtschaftliches Unternehmen fortgeführt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2012, XI R 38/10, BStBl II 2013 S. xxx). 2Nicht entscheidend ist, dass bereits im Unternehmen, das eine Übertragung vornimmt, ein (organisatorisch) selbständiger Unternehmensteil bestand. 3Es ist nicht Voraussetzung, dass mit dem Unternehmen oder mit dem in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teil in der Vergangenheit bereits Umsätze erzielt wurden; die Absicht, Umsätze erzielen zu wollen, muss jedoch anhand objektiver, vom Unternehmer nachzuweisender Anhaltspunkte spätestens im Zeitpunkt der Übergabe bestanden haben (vgl. BFH-Urteil vom 08.03.2001, V R 24/98, BStBl II 2003 S. 430).

    2. Satz 5 wird gestrichen.
  2. Abs. 9 wird wie folgt gefasst:

    „Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen

    (9) 1Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils kann – unabhängig von dessen Höhe – nur dann einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung gleichgestellt werden, wenn der Gesellschaftsanteil Teil einer eigenständigen Einheit ist, die eine selbständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, und diese Tätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird. 2Eine bloße Veräußerung von Anteilen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögenswerten versetzt den Erwerber nicht in die Lage, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit als Rechtsnachfolger des Veräußerers fortzuführen (vgl. EuGH-Urteil vom 30.05.2013, C-651/11, HFR 2013 S. 754).

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 1. April 2014 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn sich die am Umsatz-geschäft beteiligten Unternehmer bei der Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts übereinstimmend auf Abschn. 1.5 Abs. 6 bzw. Abschn. 1.5 Abs. 9 UStAE in der am 10. Dezember 2013 geltenden Fassung berufen. Zudem bleibt die Anwendung der Übergangsregelung in Rz. 7 des BMF-Schreibens vom 3. Januar 2012 – IV D 2 – S-7100-b / 11 / 10001 (2011/1037205), BStBl I S. 76, unberührt.

Quelle: BMF

UStAE: Änderungen zum 31. Dezember 2013

Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass berücksichtigt zum Teil noch nicht die seit dem BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2012 – IV D 3 – S-7015 / 12 / 10001 (2012/1098419), BStBl I S. 1260, ergangene Rechtsprechung, soweit diese im BStBl II veröffentlicht worden ist. Außerdem enthält der Umsatzsteuer-Anwendungserlass in gewissem Umfang redaktionelle Unschärfen, die beseitigt werden müssen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 11. Dezember 2013 – IV D 2 – S-7100-b / 13 / 10001 // IV D 2 – S-7100-b / 11 / 10001 (2013/1145204), BStBl I Seite …, geändert worden ist, deshalb geändert:

Den Volltext der umfangreichen Änderungen finden Sie auf der Homepage des BMF.

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 3 – S-7015 / 13 / 10001 vom 12.12.2013

Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung – Vervielfältiger für Bewertungs-stichtage ab 1. Januar 2014

Das Statistische Bundesamt wird im Jahr 2013 keine aktuelle Sterbetafel veröffentlichen. Daher bleiben gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG die Vervielfältiger zur Berechnung des Kapitalwerts lebenslänglicher Nutzungen oder Leistungen, die nach der am 2. Oktober 2012 veröffentlichten Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamtes ermittelt und mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. Oktober 2012 – IV D 4 – S-3104 / 09 / 10001, DOK 2012/0980556 (BStBl I Seite 950) veröffentlicht wurden, auch für Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2014 anzuwenden.

BMF, Schreiben IV D 4 – S-3104 / 09 / 10001 vom 13.12.2013

Schweizer Erbe hat Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein in Deutschland lebender Erbe

Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 27. November 2013 (Az. 4 K 689/12 Erb) entschieden, dass ein in der Schweiz lebender Erbe, der nur hinsichtlich eines in Deutschland belegenen Grundstücks (beschränkt) erbschaftsteuerpflichtig ist, Anspruch auf denselben Freibetrag hat, wie ein Erbe, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Der Kläger ist Schweizer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau war ebenfalls Schweizer Staatsangehörige. Beide hatten ihren Wohnsitz in der Schweiz. Die Ehefrau des Klägers verstarb im Jahr 2009. Sie wurde von dem Kläger allein beerbt. Die Ehefrau des Klägers war Eigentümerin eines in Deutschland belegenen Grundstücks. Darüber hinaus war sie Inhaberin von Konten bei Banken in Deutschland und in der Schweiz.

Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer nur für das in Deutschland belegene Grundstück fest. Dabei berücksichtige es einen Freibetrag von 2.000 Euro, der nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für beschränkt Steuerpflichtige vorgesehen ist. Für unbeschränkt steuerpflichtige überlebende Ehegatten gilt ein Freibetrag von 500.000 Euro.

Das Finanzgericht Düsseldorf legte dem Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg die Frage vor, ob die gesetzlich vorgesehene Ungleichbehandlung des beschränkt steuerpflichtigen Klägers im Vergleich zu unbeschränkt Steuerpflichtigen mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist. Diese Frage hat der Gerichtshof der Europäischen Union verneint (Urteil vom 17. Oktober 2013, Rs. C-181/12). Darüber hinaus hat er entschieden, dass sich auch ein Staatsangehöriger eines Drittstaates – wie hier der Schweiz – auf die durch das europäische Recht garantierte Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann. Auf Grund dieser Entscheidung hat jetzt das Finanzgericht Düsseldorf der Klage des Schweizer Klägers stattgegeben.

FG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 16.12.2013 zum Urteil 4 K 689/12 vom 27.11.2013

Kosten für hochwertige Tombolapreise nicht von der Steuer absetzbar

Die Anschaffungskosten für Kraftfahrzeuge, die bei einer Firmenjubiläumsfeier verlost werden, können nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn der Teilnehmerkreis so überschaubar ist, dass der Wert der Gewinnchance je Teilnehmer über 35 Euro liegt. Dies hat der 13. Senat des Finanzgerichts Köln mit Urteil vom 26.09.2013 (Az. 13 K 3908/09) entschieden.

Eine Computerfirma veranstaltete anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens eine „Hausmesse“, zu der nach vorheriger Anmeldung sowohl Bestandskunden als auch potenzielle Neukunden eingeladen wurden. Die Eintrittskarten stellten zugleich Lose für die Verlosung von fünf VW Golf zum Preis von jeweils 13.200 Euro netto dar. Voraussetzung für die Teilnahme an der Tombola war, dass der jeweilige Kunde an dem Messetag persönlich erschien und hierdurch sein Los aktivierte. Das Finanzamt versagte den Betriebsausgabenabzug für die Pkw-Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 66.000 Euro. Es vertrat die Auffassung, dass es sich hierbei um Aufwendungen für Geschenke an Geschäftsfreunde im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz handele, die nur steuerlich abziehbar seien, wenn sie nicht teurer als 35 Euro seien.

Der 13. Senat hat sich im Ergebnis der Meinung des Finanzamtes angeschlossen und die Klage der Computerfirma auf Anerkennung der Betriebsausgaben abgewiesen. Dabei sah das Gericht allerdings nicht den gewonnenen Pkw, sondern die in den aktivierten Losen verkörperte Gewinnchance als Gegenstand der Schenkung an. Da auf der Jubiläumsveranstaltung letztlich 1.331 Teilnehmer mit gewinnberechtigten Losen anwesend waren, ergab sich für jeden Teilnehmer eine Gewinnchance von ca. 49 Euro. Die Freigrenze von 35 Euro war überschritten und die Anschaffungskosten somit in vollem Umfang vom Steuerabzug ausgeschlossen. Ein Preisausschreiben oder eine sonstige Auslobung lägen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin könne sich schon deshalb nicht auf die einschlägigen Richtlinien der Finanzverwaltung berufen, wonach Preise anlässlich eines Preisausschreibens oder einer Auslobung keine Geschenke seien.

Der Senat hat gegen das Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof in München wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

FG Köln, Pressemitteilung vom 16.12.2013 zum Urteil 13 K 3908/09 vom 26.09.2013

Kein grunderwerbsteuerliches Konzern-privileg, wenn Anteile im Privatvermögen gehalten werden

Die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG (sog. Konzernprivileg) greift bei der Verschmelzung einer GmbH auf ihre Alleingesellschafterin nicht ein, wenn diese die Gesellschaftsanteile im Privatvermögen hielt. Dies hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 15. November 2013 (Az. 8 K 1507/11 GrE) entschieden.

Die Klägerin, eine als Einzelunternehmerin tätige natürliche Person, war zugleich Alleingesellschafterin einer GmbH, zu deren Vermögen zwei Grundstücke gehörten. Die GmbH-Anteile hatte die Klägerin nicht in ihrer Bilanz ausgewiesen. Aufgrund einer Verschmelzung ging das gesamte Vermögen der GmbH einschließlich der Grundstücke auf die Klägerin über.

Das Finanzamt setzte im Hinblick auf diesen Vorgang Grunderwerbsteuer fest. Demgegenüber begehrte die Klägerin die Anwendung der Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG.

Das Gericht wies die Klage ab. Zwar werde Grunderwerbsteuer für Umwandlungsvorgänge, zu denen auch die Verschmelzung gehöre, gemäß § 6a GrEStG nicht erhoben. Die weitere gesetzliche Voraussetzung, dass an dem Vorgang ein „herrschendes Unternehmen“ und eine hiervon „abhängige Gesellschaft“ beteiligt sein müssen, erfülle die Klägerin jedoch nicht, weil sie die Anteile an der GmbH in ihrem Privatvermögen gehalten habe. Die Eigenschaft als herrschendes „Unternehmen“ könnten nur Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts erfüllen. Außerdem sei erforderlich, dass der Vorgang unternehmerisches Vermögen betreffe. Insoweit schloss sich der Senat einer in der Literatur weit verbreiteten Auffassung an.

Die ferner in diesem Zusammenhang umstrittene Frage, ob § 6a GrEStG Anwendung findet, wenn durch die Umwandlung der Konzernverbund endet, konnte der Senat offen lassen. Die Revision zum Bundesfinanzhof ließ er wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

FG Münster, Mitteilung vom 16.12.2013 zum Urteil 8 K 1507/11 vom 15.11.2013

Quelle: Newsletter 12/2013

 

Finanzgericht Münster, 8 K 1507/11 GrE

Datum:
15.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 1507/11 GrE
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d :

2Streitig ist, ob die Voraussetzungen des § 6 a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) erfüllt sind.

3Die Klägerin war unter der Firma  O. Services e. Kfr. als Einzelhandelskauffrau im Handelsregister eingetragen. Gegenstand ihrer kaufmännischen Tätigkeit waren die Softwareberatung und -entwicklung. Im Jahr 2009 erzielte sie einen Umsatz von 0 EUR und einen Verlust von 723 EUR (Vorjahr: Umsatz: 3.576 EUR; Verlust: 6.778 EUR). Die Klägerin war zudem – seit 2002 – Alleingesellschafterin der E. GmbH (GmbH). Die GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Ankauf und die Verwaltung von Immobilien war, war Eigentümerin zweier Grundstücke (Grundbuch E-Stadt Blatt 1, Flur 1, Flurstück xxx –  C-Straße 1, WE Nr. 1 und Grundbuch E-Stadt Blatt 2, Flur 2, Flurstück xxx – L-Straße 2, WE Nr. 2). In der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2008, die am 07.01.2009 erstellt wurde, ist die Beteiligung an der GmbH nicht ausgewiesen. In der Bilanz auf den 31.12.2009, die vom 07.02.2011 datiert, ist die Beteiligung an der GmbH mit 26.000 EUR als Anlagevermögen erfasst.

4Am 26.08.2010 schlossen die GmbH und die Klägerin (diese in ihrer Eigenschaft als eingetragene Kauffrau) einen notariellen Verschmelzungsvertrag. In der Vereinbarung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, übertrug die GmbH ihr Vermögen gemäß §§ 120-122 Umwandlungsgesetz (UmwG) i.V.m. §§ 2 ff., 46 ff. UmwG im Wege der Verschmelzung auf die Klägerin. Weiter heißt es in dem Vertrag, die Klägerin übernehme das Vermögen der übertragenden GmbH mit Wirkung zum 01.01.2010. Die Klägerin stimmte der Verschmelzung sowohl in ihrer Eigenschaft als Alleingesellschafterin der GmbH als auch als übernehmende Rechtsträgerin zu. Die Verschmelzung wurde – bei ihr – am 14.09.2010 in das Handelsregister eingetragen.

5Nachdem der für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Beklagte das Finanzamt E-Stadt gebeten hatte, die Grundbesitzwerte für die beiden Grundstücke festzustellen, vertrat die Klägerin die Ansicht, es handele sich um einen Vorgang, für den gemäß § 6 a GrEStG keine Grunderwerbsteuer zu erheben sei. Der Beklagte nahm demgegenüber den Standpunkt ein, die Voraussetzungen des § 6 a GrEStG lägen nicht vor, weil nach Auskunft des für die Einkommenbesteuerung der Klägerin zuständigen Finanzamts E-Stadt die Anteile an der GmbH in den Bilanzen der Klägerin nicht erfasst seien. Die Klägerin habe die Anteile dementsprechend nicht im Betriebsvermögen, sondern im Privatvermögen gehalten (Schreiben des Beklagten vom 16.11.2010).

6Der Beklagte erließ am 15.02.2011 einen (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden) Grunderwerbsteuerbescheid, wobei er die Grundbesitzwerte schätzte. Nach Ergehen der Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 14.09.2010 für Zwecke der Grunderwerbsteuer erließ der Beklagte unter dem 01.03.2011 einen Änderungsbescheid. Er setzte die Grunderwerbsteuer auf 5.197 EUR fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf.

7Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie machte geltend, die Ansicht des Beklagten, dass eine Anwendung des § 6 a GrEStG nur in Betracht komme, wenn sich die Anteile an der GmbH in ihrem Betriebsvermögen befunden hätten, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus deren Sinn und Zweck. Letzterer liege darin, Grundstücksübertragungen im Rahmen von Umwandlungsvorgängen grunderwerbsteuerlich zu begünstigen. Sie, die Klägerin, sei übernehmende Rechtsträgerin im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG gewesen. Unerheblich sei, ob sie – als natürliche Personen – gleichzeitig eingetragene Kauffrau gewesen sei und ob sich die Anteile am Stammkapital der GmbH in ihrem Betriebsvermögen oder in ihrem Privatvermögen befunden hätten. Denn es bestehe (zivil-)rechtliche Personenidentität. Die Frage des gewillkürten Betriebsvermögens sei eine rein ertragsteuerliche und für § 6 a GrEStG unerheblich.

8Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte wies ihn mit Einspruchsentscheidung vom 25.03.2011 als unbegründet zurück. Nach § 6 a Satz 3 GrEStG sei erforderlich, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt seien. Das herrschende Unternehmen müsse dabei Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein. Der Wortlaut des Gesetzes schließe daher bei natürlichen Personen eine Begünstigung aus, wenn die Anteile an der Gesellschaft – wie im Streitfall – im Privatvermögen gehalten würden.

9Zur Begründung ihrer Klage verweist die Klägerin auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren. Ergänzend macht sie geltend, der die Einführung § 6 a GrEStG betreffenden Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass die Begünstigungswirkung den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugute kommen solle. Im Übrigen sei ihrer, der Klägerin, Bilanz auf den 31.12.2009 zu entnehmen, dass sie die Anteile an der GmbH als Anlagevermögen erfasst habe. Die Annahme des Beklagten, die Anteile hätten sich nicht im Betriebsvermögen befunden, sei daher unzutreffend. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend mache, dass der Jahresabschluss 2009 erst am 07.02.2011 und damit nach Abschluss des Verschmelzungsvertrags erstellt worden sei, sei dies nicht von Belang. Von Bedeutung sei allenfalls, ob die Beteiligung am Verschmelzungsstichtag – dies sei der 01.01.2010 – zum Betriebsvermögen gehört habe. Dies sei der Fall gewesen.

10Der Beklagte hat im Verlauf des Klageverfahrens (nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung) einen Änderungsbescheid erlassen und die Grunderwerbsteuer auf 7.105 EUR festgesetzt.

11Die Klägerin beantragt,

12den Grunderwerbsteuerbescheid vom 19.07.2012 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 0 EUR festgesetzt wird,

13hilfsweise die Revision zuzulassen sowie

14die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

15Der Beklagte beantragt,

16die Klage abzuweisen sowie

17hilfsweise die Revision zuzulassen.

18Er hält an seiner bisher vertretenen Ansicht fest und macht ergänzend geltend, dass die Bilanz auf den 31.12.2009, in der die Beteiligung ausgewiesen sei, erst am 07.02.2011 erstellt worden sei. Eine rückwirkende grunderwerbsteuerliche Berücksichtigung sei insoweit nicht möglich.

19Der Senat hat die Sache am 15.11.2013 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

21Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die Voraussetzungen des § 6 a GrEStG liegen nicht vor.

22Nach § 6 a Satz 1, 1. Halbsatz GrEStG in der für den Streitfall geltenden Fassung wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 a oder Abs. 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben. Die gilt jedoch nur, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6 a Sätze 3 und 4 GrEStG).

23Zwar liegt in der auf Grund des notariellen Vertrags vom 26.08.2010 vorgenommenen Verschmelzung ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Allerdings lässt sich die Klägerin gegenüber der GmbH nicht als „herrschendes Unternehmen“ im Sinne des § 6 a Satz 3 GrEStG qualifizieren. Denn sie hielt die Anteile am Stammkapital der GmbH in ihrem Privatvermögen. Die Anteile gehörten im Zeitpunkt der Verschmelzung – bei Eintragung des Verschmelzungsvorgangs im Handelsregister am 14.09.2010 – nicht zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens der Klägerin. Der Senat schließt sich insoweit der wohl herrschenden Meinung an, nach der eine natürliche Person kein herrschendes „Unternehmen“ sein kann, wenn sich die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privatvermögen der natürlichen Person befindet, weil es in diesem Fall an der erforderlichen Unternehmereigenschaft fehlt (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 6 a Rn. 54 und Rn. 57; ders., Stbg 2010, 534, 537; Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl. 2010, § 6 a Rn. 18; ders., MittBayNot 2010, 169, 172; Mensching/Tyarks, BB 2010, 87, 91; Wälzholz, GmbH-StB 2010, 108, 111; Wagner/Köhler, BB 2011, 286, 287; gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 01.12.2010, BStBl. I 2010, 1321 und vom 22.06.2011, BStBl. I 2011, 673 sowie vom 19.06.2012, BStBl. I 2012, 662). Nach der Gegenauffassung kommt es nicht darauf an, ob die Konzernspitze den Unternehmerbegriff des § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) erfüllt, so dass auch reine Holdinggesellschaften und natürliche Personen, die die Beteiligungen im Privatvermögen halten, „herrschende Unternehmen“ sein können (Behrens, AG 2010, 119, 120; ders., Ubg 2010, 845, 846; Neitz/Lange, Ubg 2010, 17, 26; krit. im Hinblick auf die h.M. auch Dettmeier/Geibel, NWB 2010, 582, 589; Klass/Möller, BB 2011, 407; Lieber/Wagner, DB 2012, 1772, 1777; Schaflitzl/Götz, DB 2011, 374). Für den Senat ist maßgeblich, dass das Gesetz zwischen „herrschendem Unternehmen“ und „abhängiger Gesellschaft“ unterscheidet. Dieser ausdrücklichen Differenzierung ist zu entnehmen, dass „herrschende Rechtsträger“, die keine Unternehmer sind, weil sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG nicht erfüllen, von § 6 a GrEStG nicht erfasst werden. Dementsprechend ergibt sich, dass das Merkmal der Unternehmereigenschaft den Anwendungsbereich der Vorschrift einschränkt. Begünstigt ist nicht jeder Vorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG. Erforderlich ist vielmehr, dass von dem Rechtsvorgang unternehmerisches Vermögen betroffen und es Gegenstand der Umstrukturierungsmaßnahme ist (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 6 a Rn. 52). Hierin liegt entgegen der Ansicht der Klägerin kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Dieser gebietet dem Normgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe (z.B. BVerfG Beschluss vom 07.02.2012 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, 240). Vorliegend durfte der Gesetzgeber – im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums – zwischen rein vermögensverwaltenden Rechtsträgern (zumal, wenn es sich – wie hier – um natürliche Personen handelt) und am Markt tätigen Unternehmen unterscheiden. Diese Differenzierung ist angesichts des Gesetzeszwecks, Unternehmensumstrukturierungen auf Grund veränderter Marktverhältnisse zu erleichtern (vgl. Bundestags-Drucksache 17/147, 10), nicht sachfremd.

24Die GmbH-Beteiligung befand sich im Privatvermögen der Klägerin. Sie war weder notwendiges noch gewillkürtes Betriebsvermögen. Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Steuerpflichtigen genutzt werden. Eine GmbH-Beteiligung stellt notwendiges Betriebsvermögen dar, wenn sie dazu bestimmt ist, die im Rahmen seines Einzelunternehmens ausgeübte Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 02.09.2008 X R 32/05, BStBl. II 2009, 634 mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Anteile an der GmbH waren nicht geeignet, die kaufmännische Tätigkeit der Klägerin entscheidend zu fördern: Die Klägerin betrieb ein Unternehmen für Softwareberatung und -entwicklung. Gegenstand des Unternehmens der GmbH waren hingegen der Ankauf und die Verwaltung von Immobilien.

25Gewillkürtes Betriebsvermögen liegt ebenfalls nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BFH können Wirtschaftsgüter, die weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen sind, als gewillkürtes Betriebsvermögen berücksichtigt werden, wenn sie objektiv geeignet und vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (z.B. BFH Urteil vom 21.04.2005 III R 4/04, BStBl. II 2005, 604). Der Senat muss nicht entscheiden, ob die GmbH-Beteiligung nicht deshalb zum notwendigen Privatvermögen der Klägerin gehörte, weil ihr objektiv die Eignung fehlte, das Einzelunternehmen der Klägerin zu fördern. Denn jedenfalls fehlt es an einer – vor der Verschmelzung liegenden und die zeitlichen Anforderungen der Vorbehaltensfrist von fünf Jahren erfüllenden – auf einem Einlagewillen beruhenden konkludenten oder ausdrücklichen Einlagehandlung als Widmungsakt. Für einen solchen Widmungsakt bedarf es einer unmissverständlichen Willensbekundung in der Weise, dass ein sachverständiger Dritter ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehörigkeit des eingelegten Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen erkennen kann. Die Einlagehandlung muss auf einer Willensentscheidung beruhen, die dann wirksam wird, wenn sie äußerlich erkennbar und damit in objektiv nachprüfbarer Weise dokumentiert ist. Bei buchführenden Steuerpflichtigen ist die Behandlung in der Buchführung ein – widerlegbares – Indiz für die Willensentscheidung des Steuerpflichtigen. Allerdings kann der Widmungswille auch in anderer Weise äußerlich erkennbar und objektiv nachprüfbar dokumentiert werden (BFH Urteil vom 21.04.2005 III R 4/04, BStBl. II 2005, 604; BFH Beschluss vom 03.08.2012 X B 153/11, NFH/NV 2012, 1956). Die GmbH-Beteiligung ist erstmals in der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2009 ausgewiesen, die am 07.02.2011 erstellt wurde. In der Bilanz auf den 31.12.2008 vom 07.01.2009 ist eine entsprechende Position nicht erfasst. Da für das Einzelunternehmen der Klägerin in den Jahren 2009 und 2010 keine laufenden Buchungen vorgenommen wurden und ein auf andere Weise dokumentierter Widmungsakt nicht ersichtlich ist, fehlt es an einer vor der Verschmelzung liegenden Einlagehandlung. Dementsprechend lässt sich erst Recht nicht feststellen, dass der herrschende Rechtsträger (die Klägerin als Einzelunternehmerin) bereits fünf Jahre vor der Verschmelzung an der abhängigen Gesellschaft beteiligt war.

26Der Senat muss vor diesem Hintergrund (weil es am Merkmal des herrschenden Unternehmens fehlt) nicht entscheiden, ob die in den gleich lautenden Erlassen vom 19.06.2012 (BStBl. I 2012, 662) vertretene Auffassung zutrifft, dass § 6 a GrEStG keine Anwendung findet, wenn der „Verbund“ auf Grund des Umwandlungsvorgangs endet, etwa weil – wie hier – die abhängige Gesellschaft mit ihrer Alleingesellschafterin verschmolzen wird (ablehnend z.B. Teiche BB 2012, 2659, 2665 f.).

27Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Verdeckte Gewinnausschüttung ist keine Schenkung!

Mit Urteil vom 24. Oktober 2013 (Az. 3 K 103/13 Erb) hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass der verbilligte Verkauf eines Grundstücks durch eine GmbH an den Bruder eines Gesellschafters keine freigiebige Zuwendung der Gesellschaft darstellt und dementsprechend keine Schenkungsteuer auslöst.

Der Kläger erwarb gegen Übernahme von Schulden zwei Grundstücke von einer GmbH, deren Gesellschafter sein Bruder war. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Verkehrswerte der Grundstücke höher als die übernommenen Schulden seien und nahm deshalb insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Zugleich ging es davon aus, dass der Kläger eine freigebige Zuwendung von der GmbH erhalten habe und setzte Schenkungsteuer fest. Der Kläger machte demgegenüber geltend, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht zugleich als Schenkung behandelt werden könne.

Der 3. Senat teilte die Auffassung des Klägers und gab der Klage statt. Die GmbH habe dem Kläger nichts zugewendet. Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern bzw. diesen nahestehenden Personen könne es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich (offene und verdeckte) Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen geben. Für freigiebige Zuwendungen im Sinne von § 7 ErbStG bleibe kein Raum, da Gewinnausschüttungen nicht freigiebig erfolgten, sondern vielmehr auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhten. Der Senat folgte damit einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 30. Januar 2013 II R 6/12).

Im Hinblick auf die gegenläufigen Verwaltungsanweisungen ließ er die Revision zu, die unter dem Aktenzeichen II R 44/13 anhängig ist.

FG Münster, Mitteilung vom 16.12.2013 zum Urteil 3 K 103/13 vom 24.10.2013

Quelle: Newsletter 12/2013

 

Finanzgericht Münster, 3 K 103/13 Erb

Datum:
24.10.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 103/13 Erb
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Der Schenkungsteuerbescheid vom 05.03.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 werden aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand2Die Beteiligten streiten, ob der Kläger seitens der O GmbH (GmbH) eine Schenkung erhalten hat.

3Am Stammkapital der GmbH in Höhe von insgesamt 80.000 DM waren ursprünglich der Vater des Kläger mit 40.800 DM (51 %), der Bruder des Klägers mit 24.000 DM ( 30%) und der Kläger selbst mit 15.200 DM (19 %) beteiligt. Im Zuge der Nachfolgeregelung schieden der Vater des Klägers und der Kläger selbst zum 14.12.2007 aus der GmbH aus. Dabei übertrug der Vater des Klägers seine Anteile im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich an den Bruder des Klägers. Der Kläger selbst übertrug seine Anteile auf seinen Bruder und dessen Frau zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 230.000 €. Zu den Einzelheiten wird auf die vor dem Notar H abgeschlossenen Verträge (UR Nr.  und UR-Nr. , jeweils vom 14.12.2007; Bl. 90 bis 97 der Gerichtsakte) hingewiesen.

4Mit notarieller Vereinbarung ebenfalls vom 14.12.2007 (UR-Nr.  des Notars H) übertrug der Bruder des Klägers, handelnd für die GmbH, diesem den Grundbesitz A-Straße 1 und B-Straße 2 in T mit Wirkung zum 31.12.2007. Zur Begleichung des vereinbarten Kaufpreises in Höhe von 734.000 € übernahm der Kläger die auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von 733.969 €. Auf § 6 des notariellen Vertrages in der Schenkungsteuerakte wird insoweit Bezug genommen.

5Im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Wert der übertragenen Grundstücke B-Straße und A-Straße um 248.000 € über dem vereinbarten Kaufpreis liege mit der Folge, dass insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an den Bruder des Klägers vorliege. Die verdeckte Gewinnausschüttung sei auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da die Vorteilszuwendung der GmbH an den Kläger und somit an eine dem beherrschenden Gesellschafter, nämlich den Bruder des Klägers, nahestehende Person erfolge. Betriebliche Gründe für die verbilligte Überlassung des Grundbesitzes seien nicht ersichtlich. Zu den Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Betriebsprüfung in Tz. 2.2 des Betriebsprüfungsberichts in der Steuerakte hingewiesen. Auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung forderte der Beklagte den Kläger zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf. Dieser Aufforderung kam der Kläger basierend auf seiner Rechtsauffassung, mangels entsprechender Bereicherungsabsicht von der GmbH keine Schenkung erhalten zu haben, nicht nach mit der Folge, dass der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen schätzte und durch Bescheid vom 05.03.2012 die Schenkungssteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 49.933 € festsetzte. Zu den Einzelheiten wird auf den Schenkungsteuerbescheid in der Steuerakte Bezug genommen.

6Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 22.03.2012. Der Beklagte könne nicht darlegen, dass ein schenkungsteuerlich relevanter Vorgang vorliege. Im Übrigen sei die Übertragung des Grundbesitzes an den Kläger zum Marktwert erfolgt.

7Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung  vom 11.12.2012 als unbegründet zurück. Unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 07.11.2007 II R 28/06 (BStBl. II 2008, 258) vertrat der Beklagte die Auffassung, dass es sich um eine gemischte Schenkung der GmbH an den Kläger handele, wobei dem Kläger und seinem Bruder als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH und langjährig im Immobiliengeschäft tätigen Personen die Wertdifferenz zwischen dem Verkehrswert der Grundstücke und dem vereinbarten Kaufpreis bewusst gewesen sei. Dies reiche für die Annahme des erforderlichen subjektiven Elementes der Schenkung aus.

8Mit seiner Klage vom 11.01.2013 verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Schenkungsteuerbescheides weiter. Er verweist darauf, dass die an der Grundstücksübertragung beteiligten Personen davon ausgegangen seien, das Geschäft zu Verkehrswerten abzuschließen. Für eine schenkweise Übertragung bleibe deshalb kein Raum. Das gelte auch deshalb, weil derselbe Sachverhalt nicht einerseits als verdeckte Gewinnausschüttung und andererseits als Schenkung behandelt werden könne. Denn ein Vorgang sei entweder entgeltlich oder unentgeltlich. Die verdeckte Gewinnausschüttung sei jedoch als gesellschaftlich gerechtfertigte Erfolgsteilhabe entgeltlich, da der Gesellschafter insoweit eine Gegenleistung für die Hingabe des Stammkapitals erhalte. Mit dem Auskehrung der verdeckten Gewinnausschüttung mindere sich der Wert seines Gesellschaftsanteils. Die Finanzverwaltung stütze ihre Rechtsauffassung auf ein obiter dictum in der Entscheidung des BFH vom 07.11.2007 (II R 28/06, BStBl. II 2008, 258). Diese Rechtsposition sei aber nicht haltbar. Es werde auf die neuere Entscheidung des BFH vom 30.01.2013 (II R 6/12, BFHE 2040, 178) hingewiesen. Darüber hinaus stehe die Steuerfestsetzung des Beklagten im Widerspruch zur Anwendungsregelung des Erlasses. Dieser sei erst auf Erwerbsfälle anzuwenden, für die die Steuer nach dem 20.10.2010 entstehe. Im vorliegenden Fall sei eine etwaige Steuer aber bereits im Jahr 2007 entstanden.

9Der Kläger beantragt,

10den Schenkungsteuerbescheid vom 05.03.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 aufzuheben.

11Der Beklagte beantragt,

12die Klage abzuweisen,

13hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

14Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.

15Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 26.08.2013 erörtert und den Bruder des Klägers und seinen Vater als Zeugen vernommen. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins und das dort vom Kläger vorgelegte Schreiben des Notars H zu den Hintergründen der Vertragsgestaltung Bezug genommen (Bl. 80 bis 89 der Gerichtsakte).

16Der Senat hat in der Sache am 24.10.2013 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

17Entscheidungsgründe

18Die zulässige Klage ist begründet.

19Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Übertragung der Grundstücke seitens der GmbH an den Kläger erfüllt nicht den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).

20Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt dabei in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. In subjektiver Hinsicht ist der Wille des Zuwendenden zur Freigebigkeit erforderlich. Eine freigebige Zuwendung kann auch in Form einer gemischten Schenkung erfolgen.

21Eine Zuwendung ist freigebig, wenn und soweit der Zuwendende dafür keine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung erhält.

22Dabei geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Zuwendung, die in rechtlichem Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht, nicht als unentgeltlich anzusehen ist. Als Gemeinschaftszweck ist auch der gesellschaftsvertraglich bestimmte Zweck einer Kapitalgesellschaft zu verstehen, für dessen Erreichung sich die Gesellschafter zusammen geschlossen haben (vgl. BFH, Urteil vom 17.10.2007 II R 63/05, BStBl. II 2008, 381 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

23Diesen Gedanken hat der BFH in seinem Urteil vom 30.01.2013 (II R 6/12, BFHE 240, 178, BFH/NV 2013, 846) fortgeführt und darauf verwiesen, dass der Annahme einer freigebigen Zuwendung einer Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter bzw. an eine diesem nahestehende Person auch entgegen stehe, dass es im Verhältnis einer Kapi-talgesellschaft zu ihren Gesellschaftern neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen Zuwendungen i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gebe. Denn die Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter erfolgten nicht freigebig. Sie beruhten vielmehr auf dem Gesellschaftsverhältnis, und zwar unabhängig davon, ob sie offen oder verdeckt vorgenommen würden, und hätten daher jedenfalls im Verhältnis zu den Gesellschaftern ausschließlich ertragsteuerliche Folgen. Der Senat schließt sich den Ausführungen dieser Entscheidung in vollem Umfang an.

24Das vom Beklagten noch in Bezug genommene Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 19.08.2009 (4 K 1477/09 Erb, EFG 2011, 1994) beruht ersichtlich noch auf dem Urteil des BFH vom 07.11.2007 (a. a. O.), an dessen Aussagen der BFH aber ausweislich der neueren Entscheidung vom 30.01.2013 ersichtlich nicht mehr festhält.

25Demnach kann die seitens der Betriebsprüfung festgestellte verdeckte Gewinnausschüttung an den Bruder des Klägers nicht gleichzeitig eine freigebige Zuwendung der GmbH an den Kläger sein. An dieser Beurteilung würde sich auch nichts ändern, wenn – wie vom Bruder des Klägers in einem anderen Verfahren angestrebt – ertragsteuerlich der Kläger selbst als Empfänger der verdeckten Gewinnausschüttung anzusehen wäre. Ob im Rahmen des gesamten Vorgangs zur Regelung der Nachfolge in die GmbH nach dem Vater des Klägers erbschaft- und schenkungsteuerlich relevante Zuwendungen erfolgt sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

26Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und auch die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig, da insoweit ein Lebenssachverhalt der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen wird, der jedoch nach den Ausführungen des BFH allein nach ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen ist.

27Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

28Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache unter Hinweis auf die fortgeltende gegenläufige Verwaltungsauffassung gemäß gleichlautender Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14.03.2012 (VV BW FinMin 2012-03-12 3-S 380.6/84, dort Tz. 2.6) zugelassen.