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Einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen: Fall von geringer Bedeutung, wenn Höhe und Aufteilung des festzustellenden Betrages feststehen

Finanzgericht Köln, 1 K 1585/10

Datum: 29.01.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 1. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 1 K 1585/10
Tenor:

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen der Einkommensbesteuerung für das Jahr 1996 vom 30.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2010 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand2Die Kläger sind Geschwister. Sie unterhielten seit 1984 Gemeinschaftskonten bei der A Bank AG (in B, Lichtenstein) und erzielten erhebliche Zinseinkünfte, die sie nicht erklärten. Am 30.10.2008 erstatteten sie hierüber eine Selbstanzeige. In der nachfolgenden Steuerfahndungsprüfung kam es zu einer einvernehmlichen Schätzung der Zinseinnahmen für 1996 i.H.v. 140.000 DM sowie der Werbungskosten i.H.v. 7.000 DM. Dies wurde im Bericht der Steuerprüfung vom 18.8.2009 festgehalten.

3Daraufhin änderte der Beklagte mit Bescheid vom 17.9.2009 für das Streitjahr die Einkommensteuer entsprechend der einvernehmlichen Schätzung der Zinseinkünfte. Auch für die Folgejahre erfolgten entsprechende Änderungen. Auf den Einspruch der Kläger wurde der Bescheid für das Streitjahr 1996 aufgehoben. Am 30.10.2009 erließ der Beklagte einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Zinseinkünfte der Kläger entsprechend der einvernehmlichen Schätzung im Steuerfahndungsprüfungsverfahren und eine hälftige Aufteilung. Auf dieser Grundlage ergingen erneute Einkommensteuerbescheide.

4Gegen den Feststellungsbescheid erhoben die Kläger am 23.12.2009 Einspruch, über den der Beklagte am 23.4.2010 abschlägig entschied: Für die Feststellung sei Verjährung noch nicht eingetreten, da die Kläger für das Streitjahr keine Feststellungserklärung abgegeben hätten und die Verjährungsfrist deshalb erst mit Ablauf des dritten Jahres nach Ablauf des Jahres begonnen habe, das auf das Jahr der Entstehung der Steuer folgte, also mit Ablauf des Jahres 2000. Die Feststellung sei unstrittig erforderlich, nur aus technischen Gründen sei sie erst am 30.10.2009 zustande gekommen. Die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide vom 17.9.2009 sei nur zur Behebung des Verfahrensmangels erfolgt.

5Hiergegen richtet sich die Klage vom 19.5.2010. Die Kläger tragen vor, ein Feststellungsbescheid sei nicht gerechtfertigt, da es sich um einen Fall geringer Bedeutung im Sinne von § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO handele. Zudem hätten die Kläger aufgrund der Einkommensteuerbescheide vom 17.9.2009 darauf vertraut, dass der Beklagte auf eine Feststellung verzichte und der Steueranspruch deshalb verjährt sei. Dies Vertrauen verdiene Schutz.

6Die Kläger beantragen,

7den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1996 vom 30.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.4.2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

8Der Beklagte beantragt,

9die Klage abzuweisen,

10hilfsweise die Zulassung der Revision.

11Er macht geltend, es liege kein Fall geringer Bedeutung vor. Maßgeblich sei nicht der einzelne Veranlagungszeitraum, sondern der “Steuerfall“ insgesamt, der sich vorliegend über etliche Jahre erstrecke, von denen mehrere noch im Streit stünden. Zudem dürfe auch für das Streitjahr nicht auf den Zeitpunkt nach Abschluss der Steuerfahndungsprüfung abgestellt werden. Maßgeblich sei vielmehr der Beginn und der Verlauf der Prüfung, worin große Unklarheit geherrscht habe, bis es schließlich zu der einvernehmlichen Schätzung gekommen sei. Der Verzicht auf eine Feststellung in derartigen Fällen wäre auch unpraktikabel, insbesondere wenn, anders als bei Eheleuten, verschiedene Veranlagungsbezirke im Finanzamt zuständig seien. Vertrauensschutz zu Gunsten der Kläger komme nicht in Betracht. Der Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide habe auf einem technischen Versehen beruht. Die Feststellung sei als Grundlage für die Besteuerung von vornherein beabsichtigt gewesen.

12Entscheidungsgründe

13Die Klage ist begründet.

14Die angefochtenen Feststellungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

15I.              Die Feststellung hätte nicht ergehen dürfen. Gegenstand sind zwar Einkünfte, an denen mehrere Personen, nämlich die Kläger, beteiligt sind (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO), jedoch gilt die letztere Vorschrift nicht, wenn es sich um einen Fall geringer Bedeutung im Sinne von § 180 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 AO handelt. Dies ist vorliegend der Fall. § 180 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 AO nennt selbst den entscheidenden Gesichtspunkt zur Beurteilung eines Falles als von „geringer Bedeutung“: Er liegt insbesondere dann vor, wenn Höhe und Aufteilung des festgestellten Betrags feststehen. Dies war vorliegend zum Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids der Fall, da eine zwischen den Beteiligten einvernehmliche Schätzung der Einkünfte stattgefunden hatte und die hälftige Aufteilung problemlos und unstreitig war. Auslegungsleitend für die Frage der „geringen Bedeutung“ ist nicht die Höhe der Einkünfte, sondern die Frage ob die Gefahr abweichender Entscheidungen besteht, die einheitliche Feststellung also überflüssig und verfahrensunökonomisch wäre.

16Siehe hierzu und zu den folgenden Grundsätzen Tipke-Kruse AO (Loseblattkommentar) Rn. 50 zu § 180 AO sowie die Bundestagsdrucksache 10/1636, 46 (zitiert in Tipke-Kruse a.a.O. Rn. 49 zu § 180 AO).

17Indizien hierfür sind, dass die Besteuerungsgrundlagen bereits ermittelt sind und sich voraussichtlich nicht mehr verändern werden, dass die Verhältnisse leicht überschaubar sind und keine Zurechnungsprobleme bestehen, ferner die Zuständigkeit des Wohnsitzfinanzamts auch für die einheitliche Feststellung sowie Kurzfristigkeit. Gegenindizien sind insbesondere streitige Sach- und Rechtsfragen sowie die Zuständigkeit verschiedener Finanzämter.

18Siehe dazu Tipke-Kruse a.a.O. mit den Nachweisen der Rechtsprechung des BFH.

19Vorliegend sind die genannten Gegenindizien nicht gegeben, da durch die einvernehmliche Schätzung die vorher streitigen Sachfragen ausgeräumt wurden und der Beklagte sowohl für die Feststellung als auch für die Besteuerung beider Kläger zuständig ist. Die Indizien für „geringe Bedeutung“ sind hingegen überwiegend und im maßgeblichen Umfang erfüllt. Im Zeitpunkt des Ergehens des Feststellungsbescheids waren die Besteuerungsgrundlagen durch die einvernehmliche Schätzung ermittelt und werden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr ändern. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verhältnisse dementsprechend auch überschaubar. Zurechnungsprobleme haben nie bestanden. Das Element der Kurzfristigkeit, dass im BFH-Urteil vom 26.10.1971 VIIIR 137/70, BStBl II 1972,215 aufgeführt wird, mag vorliegend insofern fraglich sein, als es sich nicht um einen einzelnen Fall der Einkommensteuererzielung handelte, sondern die Einkünftegemeinschaft sich über mehrere Jahre erstreckte. Dem kommt nach Auffassung des Senats jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, da die hier betroffenen und festgestellten Zinseinkünfte im überschaubaren Zeitraum des Streitjahres erzielt wurden. Hinzu kommt, dass die zitierte BFH-Entscheidung vor 1987 erging, also bevor der Gesetzgeber durch die Neufassung der Abgabenordnung die Gewichtung der Auslegung des Begriffs „geringe Bedeutung“ neu geregelt und klargestellt hatte.

20Der Senat folgt der Auffassung des Beklagten, es sei nicht auf das einzelne Steuerjahr, sondern auf den gesamten Steuerfall abzustellen, nicht. Im deutschen Einkommensteuerrecht gilt der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Dementsprechend erließ der Beklagte auch für jedes einzelne Steuerjahr je gesonderte Feststellungsbescheide. Deren Rechtmäßigkeit ist dementsprechend auch je gesondert unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO zu prüfen.

21Ebenso wenig folgt der Senat der Auffassung des Beklagten, für die Bewertung nach § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO komme es auf einen Zeitpunkt vor der Steuerfahndungsprüfung an, zu dem der Fall noch unübersichtlich gewesen sei. Für die Beurteilung, ob ein Feststellungsbescheid erforderlich ist und deshalb ergehen darf und muss, sind wie für alle Verwaltungsakte die Umstände maßgeblich, die zum Zeitpunkt des Erlasses (oder der Entscheidung, vom Erlass abzusehen) erkennbar sind. Im Zeitpunkt des Erlasses des hier streitigen Feststellungsbescheids war aber nach Auffassung des Senats erkennbar, dass er nicht erforderlich und deshalb auch nicht rechtmäßig war.

22Die vom Beklagten aufgeführten Praktikabilitätserwägungen überzeugen den Senat nicht. Wenn, wie vorliegend, ein und dasselbe Finanzamt sowohl für die Feststellung als auch für die Besteuerung zuständig ist, kann eine allfällige Abstimmung unter den Veranlagungsbezirken problemlos erfolgen.

23II.              Die Kläger sind durch den rechtswidrigen Feststellungsbescheid auch in ihren Rechten verletzt. Zwar sind die hierauf beruhenden Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr bestandskräftig, jedoch sind sie bei Aufhebung des Grundlagenbescheids gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO entsprechend anzupassen. Vorliegend hat ausschließlich der Grundlagenbescheid die Verjährung des Steueranspruchs auf die festgestellten Zinseinkünfte verhindert. Wird er nun aufgehoben, sind die Einkommensteuerbescheide in der Weise anzupassen, dass nunmehr der Verjährung des Steueranspruchs auf die festgestellten Zinseinkünfte Rechnung zu tragen ist.

24III.              Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung – Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenze nach § 1 Absatz 3 EStG

Einkommensteuer: Wesentlichkeitsgrenze; Berücksichtigung von niederländischem Arbeitslosengeld und negativen Einkünften aus selbstgenutztem Wohnraum

Finanzgericht Köln, 1 K 3219/11

Datum: 29.01.2013
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 1. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 1 K 3219/11

Tenor: Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 18.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.9.2011 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet für das Jahr 2009 eine Zusammenveranlagung durchzuführen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

1
Tatbestand
2
Die in den Niederlanden wohnhafte Klägerin erzielte im Streitjahr 2009 in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 15.032 € (Bruttoarbeitslohn 15.952 € abzgl. 920 € Arbeitnehmer-Pauschbetrag). In den Niederlanden erzielte sie nicht der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 9.482 € und Arbeitslosengeld in Höhe von 3.768 €. Beides wurde in den Niederlanden besteuert. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte die Klägerin zunächst die getrennte Veranlagung von ihrem ebenfalls in den Niederlanden wohnhaften Ehemann, welcher in Deutschland eine Kfz-Werkstatt betreibt und daraus im Jahr 2009 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von – 13.457 € erzielt hatte. In den Niederlanden erhielt der Ehemann der Klägerin im Streitjahr nicht der deutschen Besteuerung unterliegendes – in den Niederlanden steuerpflichtiges – Krankengeld in Höhe von 13.425 €. Entsprechende Bescheinigungen der niederländischen Steuerbehörden nach § 1 Abs. 3 Satz 5 EStG befinden sich in den Steuerakten des Beklagten.
3
Mit Bescheid vom 18.08.2010 wurde die Einkommensteuer für das Streitjahr antragsgemäß auf 2.127,00 € festgesetzt. In die Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 2009 wurde aufgenommen, dass eine Einzelveranlagung nach den Vorschriften der beschränkten Steuerpflicht durchgeführt wurde.
4
Im Rahmen des hiergegen geführten Einspruchsverfahrens reichte die Klägerin eine von ihr und ihrem Ehemann unterschriebene Einkommensteuererklärung ein und beantragte die Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.9.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin und ihr Ehemann seien nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln. Die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 1 a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i. V. m. § 26 Abs. 1 S. 1 EStG seien damit nicht gegeben. Zu Recht sei daher eine Einzelveranlagung durchgeführt worden.
5
Im Rahmen des hiergegen geführten Klageverfahrens trägt die Klägerin vor, entgegen der Auffassung des Beklagten seien die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung erfüllt da das in den Niederlanden ihrem Ehemann zugeflossene Krankengeld bei der Ermittlung der Einkünftegrenze im Sinne des §§ 1 Abs. 3 EStG ausscheide. Die Ermittlung der Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 EStG erfolge nach deutschem Recht. Die Einkünfte müssten hiernach in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sein. Das ausländische Krankengeld sei – im Gegensatz zu dem in den Niederlanden gezahlte Arbeitslosengeld, welches nicht nach § 3 EStG steuerbefreit sei – gemäß § 3 Nr. 1a EStG steuerfrei und bleibe somit bei der Ermittlung der Einkünfte unberücksichtigt. Einzubeziehen seien alle bei unterstellter Inlandsbesteuerung nach den EStG im Kalenderjahr anzusetzenden inländischen und ausländischen Einkünfte, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nach deutschem Recht ohne DBA steuerbar und steuerpflichtig seien, unabhängig davon, welchem Staat das Besteuerungsrecht zustehe. Die Aufteilung nach inländischen bzw. ausländischen Einkünften erfolge erst in einem zweiten Schritt. Da das Krankengeld erst gar nicht in die Einkünfteermittlung eingehe, erübrige sich eine Zuordnung. Dementsprechend seien die nicht der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte niedriger als 15.668,- €.
6
Die Klägerin beantragt,
7
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 18.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.9.2011 aufzuheben und für das Streitjahr erklärungsgemäß eine Zusammenveranlagung durchzuführen.
8
Der Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Bezugnehmend auf die Einspruchsentscheidung führt er aus, nach § 1 Abs. 3 EStG würden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielten. Dies gelte allerdings nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterlägen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte 7.834 €, bei Ehegatten 15.668,- €, nicht überstiegen. Bei der Ermittlung der Einkünfte blieben nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert würden, unberücksichtigt, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei seien. Da sowohl das in den Niederlanden bezogene Arbeitslosengeld wie auch das Krankengeld in den Niederlanden besteuert würden, seien beide Leistungen in die Ermittlung der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG einzubeziehen.
11
Entscheidungsgründe
12
Die Klage ist begründet.
13
Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt im Streitjahr 2009 die Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem Ehemann durchzuführen.
14
Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG können nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten auf Antrag gemäß §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26b EStG u.a. zusammenveranlagt werden, wenn sie die die Voraussetzungen der sog. fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG erfüllen. Insbesondere – nur dies ist hier streitig – sind hierbei die Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG zu beachten. Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG ist auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln.
15
Eine Zusammenveranlagung ist danach möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90% der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sogenannte relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Betrag von 15.668,- € nicht übersteigen (sogenannte absolute Wesentlichkeitsgrenze).
16
Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG vollzieht sich in zwei Stufen. Zunächst ist in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln. Diese sind sodann in einem zweiten Schritt in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, bei denen dies nicht der Fall ist, aufzuteilen.
17
Bei der Ermittlung der Welteinkünfte sind sämtliche Einkünfte, unabhängig davon, ob sie im In- oder im Ausland erzielt wurden, nach deutschem Recht zu ermitteln. § 1a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 S. 2 EStG enthält keine spezielle Regelung, wie die Einkünfte zu ermitteln sind, so dass der Begriff der Einkünfte dem deutschen Einkommensteuerrecht zu entnehmen ist (BFH-Urteil vom 20.8.2008 I R 78/07, BStBl II 2009,708 m. w. N). Nicht zu berücksichtigen sind daher insbesondere Zuflüsse, die nicht unter die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen, nach § 3 EStG steuerfrei sind oder nach DBA von der Besteuerung freigestellt sind (vgl. Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG, Tz. 265). Hieraus folgt, dass zu den für die absolute Wesentlichkeitsgrenze nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG zu ermittelnden, nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünften nur solche zählen, die bei unterstellter deutscher Besteuerung auch im Inland steuerbar wären. Ob diese Einkünfte im Ausland steuerbar und steuerpflichtig sind ist hierbei unbeachtlich. Darüberhinaus bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG auch solche nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte unberücksichtigt, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind (§ 1 Abs. 3 S. 4 EStG).
18
Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung erfüllt. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die absolute Wesentlichkeitsgrenze nicht überschritten, da die nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG zu berücksichtigenden nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte weniger als 15.668,- € betragen.
19
Unstreitig ist bei der Ermittlung der Welteinkünfte der Kläger (erste Stufe) neben den in Deutschland erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb auch das niederländische Arbeitslosengeld in die Berechnung mit einzubeziehen, da es, weil nicht aufgrund der in § 3 Nr. 2 EStG aufgeführten Vorschriften gewährt, bei unterstellter inländischer Besteuerung nach deutschem Einkommensteuerrecht nicht steuerbefreit wäre. Nicht zu den Welteinkünften der Kläger zählt allerdings das dem Ehemann der Klägerin in den Niederlanden zugeflossene Krankengeld in Höhe von 13.425,- €, da dieses, deutsches Einkommensteuerrecht zugrunde gelegt, nach § 3 Nr. 1 a EStG steuerfrei wäre. Hiernach ist die Leistung aus einer Krankenversicherung – und um eine solche handelt es sich bei dem Krankengeld – uneingeschränkt steuerfrei.
20
Entgegen der Auffassung des Beklagten führt auch § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG nicht dazu, dass das Krankengeld bei der Berechnung des Welteinkommens zu berücksichtigen ist und zwar – so der Beklagte – im Umkehrschluss, weil es sich bei dem Krankengeld um Einkünfte handelt, die in den Niederlanden besteuert werden. Diese Vorschrift, die in Umsetzung des EuGH-Urteils Meindl (EuGHE I 2007, 1107) eingeführt wurde und die Ausübung des Wahlrechtes nach § 1 Abs. 3 EStG einem erweiterten Personenkreis ermöglichen sollte, betrifft Einkünfte, die im Ausland steuerfrei sind und deren deutsche Entsprechungen auch nach deutschem Einkommensteuerrecht steuerfrei wären. Der Grund für die Nichtberücksichtigung solcher Einkünfte ist, dass der ausländische Staat an solche Einkünfte, weil steuerfrei, keine steuerlichen Vergünstigungen knüpfen kann und dies auch nach deutscher steuerrechtlicher Auffassung nicht können würde. Der europäische Gedanke gebietet es daher solche Einkünfte, die nicht bereits bei der Ermittlung der Welteinkünfte nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG außer Acht zu lassen sind, unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 4 EStG unberücksichtigt zu lassen, um zu verhindern, dass der Betroffene aufgrund der jeweiligen Regelungen in keinem der beiden Staaten in den Genuss steuerlicher Vergünstigungen kommen kann. Diese Vorschrift kann aber nicht im Umkehrschluss dazu führen, dass in Deutschland steuerfreie Einkünfte – entgegen der Vorgabe das Welteinkommen nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln – nur deshalb berücksichtigt werden, weil sie im Ausland steuerpflichtig sind. Eine solche Auslegung wird zum einen vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt und steht zum anderen der oben geschilderten Systematik der zweistufigen Prüfung entgegen. Das Urteil des EuGH in der Sache Meindl (a.a.O.) hat keine Auswirkung auf den Grundsatz, dass die Beurteilung der Frage ob die im Ausland erzielten Einkünfte einer Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig entgegenstehen, nach deutschem Steuerrecht und nicht nach dem Recht des Wohnsitzstaates zu beurteilen ist (vgl. hierzu FG Köln v. 20.4.2012, 4 K 1943/09, EFG 2012, 1677).
21
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Betriebsveranstaltung

Anhebung der 110-EUR-Freigrenze: Bund der Steuerzahler hakt nach

Sekt oder Selters: Bei Überschreiten der 110-EUR-Freigrenze feiert das Finanzamt mit

Seit 2002 wurde die Freigrenze für Betriebsveranstaltungen nicht mehr angepasst. Nun legte der Bundesfinanzhof in einem Urteil (VI R 79/10) dar, dass der steuerfreie Höchstbetrag „alsbald“ auf der Grundlage von Erfahrungswerten angepasst werden sollte.

Damit „alsbald“ möglichst schnell bedeutet, fragte der Bund der Steuerzahler (BdSt) beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) nach, wann die Freigrenze überprüft werden soll.

Bisher gilt eine Freigrenze von 110 EUR je Betriebsveranstaltung. Das heißt, bis zu diesem Betrag liegt für den Arbeitnehmer kein lohnsteuerpflichtiger Vorteil vor. Diese Grenze liegt seit mehr als 10 Jahren der Besteuerung zugrunde. Eine Anpassung an die Preisentwicklung ist mehr als überfällig. Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen und um eine schnelle Überprüfung durch das BMF zu erreichen, hat der BdSt nachgefragt, wann eine Überprüfung stattfinden soll.

Weiterhin regte der BdSt an, dass die Freigrenzen und Höchstbeträge grundsätzlich einer regelmäßigen Prüfung unterzogen und gegebenenfalls an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden sollen.

 

BFH, Urteil vom 12.12.2012, VI R 79/10, BFH/NV 2012 S. 637

Kosten einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn

Leitsatz
1. Kosten eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung sind bei Überschreiten einer Freigrenze in vollem Umfang als Arbeitslohn zu werten. Die Freigrenze beträgt auch im Jahr 2007 noch 110 €.
2. Eine Anpassung der Freigrenze an die Geldentwertung ist nicht Aufgabe der Gerichte.
3. In die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, sind die den Arbeitgeber treffenden Gesamtkosten der Veranstaltung einzubeziehen und zu gleichen Teilen sämtlichen teilnehmenden Arbeitnehmern zuzurechnen, sofern die entsprechenden Leistungen Lohncharakter haben und nicht individualisierbar sind.
Gesetze
EStG § 8 Abs. 2 Satz 1
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

Instanzenzug
Hessisches FG vom 1. September 2010 10 K 381/08 (EFG 2011, 443) BFH VI R 79/10
Gründe
I.
1 Streitig ist, ob Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Betriebsveranstaltung zu Arbeitslohn führen.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Niederlassungen in A, B und C. Sie veranstaltet jährlich für ihre Mitarbeiter am Standort A ein Sommerfest und in der Adventszeit eine Weihnachtsfeier. Für das Sommerfest im Streitjahr (2007) mietete sie…entsprechende Räumlichkeiten, organisierte Speisen, Getränke und Live-Musik sowie die An- und Abreise der Teilnehmer. Laut Teilnehmerliste nahmen 302 Personen an der Veranstaltung teil. Es handelte sich dabei um 252 Arbeitnehmer der Klägerin, 44 Partner bzw. Gäste oder sog. Externe sowie 6 Mitarbeiter einer mit der Klägerin assoziierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 52.877 €, je Teilnehmer auf durchschnittlich 175 €.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, dass die Zuwendungen anlässlich des Sommerfestes lohnsteuerpflichtig seien. Das FA erhob daher mit Bescheid vom 9. Januar 2008 entsprechend § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal Lohnsteuer in Höhe von 11.005 € nach.
4 Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 443 veröffentlichten Gründen ab.
5 Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
6 Sie beantragt, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Nachforderungsbescheid aufzuheben.
7 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8 Das Bundesministerium der Finanzen hat den Beitritt zum Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt.
II.
9 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO ).
10 Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Leistungen der Klägerin anlässlich der Betriebsveranstaltung in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Allerdings hat das FG zutreffend entschieden, dass die Freigrenze auch im Streitjahr 110 € beträgt.
11 1. Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 30. April 2009 VI R 55/07 , BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726).
12 Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. Maßgeblich ist insoweit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG .
13 2. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal „für” ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann (BFH-Urteile vom 21. Januar 2010 VI R 2/08 , BFHE 228, 80 , BStBl II 2010, 639; vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544 , BStBl II 1985, 529; vom 21. Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87 , BStBl II 1986, 406).
14 a) Arbeitslohn liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt (BFH-Urteile vom 22. Oktober 1976 VI R 26/74 , BFHE 120, 379 , BStBl II 1977, 99; vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13 , BStBl II 1983, 39; in BFHE 228, 80 , BStBl II 2010 , 639 ; vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85 , BStBl II 2010, 700; jeweils m.w.N.; s. auch Drenseck in Festschrift für Lang, Köln 2010, 477, 482; Schmidt/Krüger, EStG , 31. Aufl., § 19 Rz 30 ff.; Eisgruber in Kirchhof, EStG , 11. Aufl., § 19 Rz 64 ff.; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 225 ff.).
15 b) Ebenfalls in ständiger Rechtsprechung bejaht der Senat bei Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen ein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers, sofern er die Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern (BFH-Urteile in BFHE 143, 544 , BStBl II 1985, 529; in BFHE 146, 87 , BStBl II 1986, 406; vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655; vom 6. Dezember 1996 VI R 48/94, BFHE 182, 142 , BStBl II 1997, 331; vom 16. November 2005 VI R 68/00, BFHE 212, 51 , BStBl II 2006, 440; VI R 151/99, BFHE 211, 321 , BStBl II 2006, 439; VI R 157/98, BFHE 212, 48 , BStBl II 2006, 437; VI R 118/01, BFHE 212, 55 , BStBl II 2006, 444; VI R 151/00, BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; vom 15. Januar 2009 VI R 22/06, BFHE 224, 136 , BStBl II 2009, 476; in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726). Maßgebend für diese Beurteilung ist, dass die fraglichen Zuwendungen der Belegschaft als ganzer angeboten und dass die Vorteile unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie der Stellung und Leistung im Betrieb gewährt werden. In diesem Fall fehlt es regelmäßig an einer Beziehung der Arbeitgeberleistung zur individuellen Arbeitsleistung der betroffenen Arbeitnehmer und damit an der Entlohnung (BFH-Urteil in BFHE 146, 87 , BStBl II 1986, 406).
16 c) Geldwerte Vorteile, die den Arbeitnehmern bei Betriebsveranstaltungen zufließen, können allerdings dann als Ertrag ihrer individuellen Dienstleistung angesehen werden, wenn eine Betriebsveranstaltung lediglich zum Anlass genommen wird, die Arbeitnehmer zusätzlich zu entgelten. Nach der früheren Rechtsprechung des Senats war dies der Fall, wenn bei solchen Veranstaltungen der „übliche Rahmen von Aufwendungen” der Höhe nach überschritten wird (BFH-Urteile in BFHE 143, 544 , BStBl II 1985, 529; vom 22. März 1985 VI R 82/83, BFHE 143, 550 , BStBl II 1985, 532).
17 d) Später hat der Senat die lohnsteuerrechtliche Wertung derartiger Zuwendungen nicht mehr davon abhängig gemacht, ob die Vorteilsgewährung der Höhe nach üblich ist, sondern er hat eine Freigrenze angenommen, bei deren Überschreitung die Zuwendungen in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind (BFH-Urteile in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655; in BFHE 182, 142 , BStBl II 1997, 331; in BFHE 212, 51 , BStBl II 2006, 440; in BFHE 211, 321 , BStBl II 2006, 439; in BFHE 212, 48 , BStBl II 2006, 437; in BFHE 212, 55 , BStBl II 2006, 444; in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; in BFHE 224, 136 , BStBl II 2009, 476; in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726; s. auch Küttner/Thomas, Personalbuch 2012, Stichwort Betriebsveranstaltung, Rz 3). Der Senat ging bisher davon aus, dass er mit der Festlegung der Freigrenze die Befugnisse richterlicher Rechtsanwendung nicht überschritten hat (BFH-Urteile in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655; in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442).
18 e) Für die Jahre 1983 bis 1992 hatte der BFH die Freigrenze auf 150 DM beziffert. Die Finanzverwaltung hatte bald nach dem Ergehen des Senatsurteils in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655 mit Wirkung ab 1993 die Freigrenze auf 200 DM heraufgesetzt. Ab Veranlagungszeitraum 2002 legt die Finanzverwaltung eine Freigrenze von 110 € je Veranstaltung zugrunde (BFH-Urteil in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; s. für das Streitjahr R 72 Abs. 4 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien —LStR— 2005). Der BFH hatte seinerseits für die Jahre 1996 und 1997 die Freigrenze auf 200 DM festgelegt (BFH-Urteil in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442; zum Jahr 2001 s. BFH-Urteil in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726).
19 In die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, sind grundsätzlich die den Arbeitgeber treffenden Gesamtkosten der Veranstaltung einzubeziehen und zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen (BFH-Urteile in BFHE 167, 542 , BStBl II 1992, 655 mit Hinweis auf Abschn. 72 Abs. 4 LStR 1990 ; in BFHE 212, 48 , BStBl II 2006, 437; in BFHE 212, 55 , BStBl II 2006 , 444 ). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Bei diesem Wert, der im Schätzungsweg zu ermitteln ist, handelt es sich um den Betrag, den ein Fremder unter gewöhnlichen Verhältnissen für Güter gleicher Art im freien Verkehr aufwenden muss. Nach Auffassung des Senats ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, den Wert der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber anlässlich einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen anhand der Kosten zu schätzen, die der Arbeitgeber dafür seinerseits aufgewendet hat. Denn es kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass auch ein Fremder diesen Betrag für die Veranstaltung hätte aufwenden müssen. Sofern sich ein Beteiligter für die Bewertung auf eine abweichende Wertbestimmung beruft, muss er konkret darlegen, dass eine Schätzung des üblichen Endpreises am Abgabeort anhand der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert der Veranstaltung nicht entspricht (BFH-Urteil vom 18. August 2005 VI R 32/03 , BFHE 210, 420 , BStBl II 2006, 30, zur Zuwendung einer Reise).
20 3. Die Festlegung einer höheren Freigrenze für das Streitjahr durch den Senat kommt nicht in Betracht.
21 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind Finanzgerichte im Steuerrecht zur Typisierung befugt, sofern es sich dabei um Gesetzesauslegung handelt (Entscheidungen des BVerfG vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83 , BVerfGE 78, 214; vom 4. Februar 2005 2 BvR 1572/01, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 352 ; s. auch BFH-Urteile vom 21. September 2011 I R 7/11 , BFHE 235, 273 , BFH/NV 2012, 310 ; vom 27. Januar 2010 IX R 31/09, BFHE 229, 90 , BStBl II 2011, 28; vom 15. März 2005 X R 39/03, BFHE 209, 320 , BStBl II 2005, 817; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 1 FGO Rz 144; Kanzler, Finanz-Rundschau 2009, 527 ; Pahlke, Beiheft zum Deutschen Steuerrecht, Heft 31/2011, 66).
22 Es kann hier dahinstehen, ob an der, wie erwähnt, bisher vom Senat vertretenen Auffassung, dass sich die Rechtsprechung mit der Bildung der genannten Freigrenze noch im Rahmen ihrer Ermächtigung zur typisierenden Gesetzesauslegung bewegt, zukünftig uneingeschränkt festgehalten werden kann. Denn der Senat ist der Meinung, dass zumindest eine ständige Anpassung des Höchstbetrags an die Geldentwicklung nicht Aufgabe des Gerichts ist, zumal auch der Gesetz- und Verordnungsgeber Pauschbeträge nicht laufend, sondern allenfalls von Zeit zu Zeit korrigiert (BFH-Urteile in BFHE 182, 142 , BStBl II 1997, 331; in BFHE 211, 325 , BStBl II 2006, 442). Der Senat hält auch zur Gewährleistung von Rechtsanwendungsgleichheit und Rechtssicherheit für den streitigen Zeitraum an dem Höchstbetrag von 110 € fest, zumal nach seiner Einschätzung der Betrag noch ausreicht, um im Rahmen einer Betriebsveranstaltung den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern (gl.A. Zimmermann, EFG 2011, 446 ). Er ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass die Finanzverwaltung erwägen sollte, alsbald den Höchstbetrag, ab dem Zuwendungen des Arbeitgebers bei Betriebsveranstaltungen beim teilnehmenden Arbeitnehmer in vollem Umfang als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind, neu und auf der Grundlage von Erfahrungswissen zu bemessen. Im Übrigen behält sich der Senat vor, ggf. seine bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit typisierender Gesetzesauslegung im hier fraglichen Bereich zu überprüfen.
23 4. Hält der Senat danach zunächst an der Bedeutung und Wirksamkeit einer Freigrenze prinzipiell fest, besteht jedoch Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
24 Es muss sich bei den Kosten des Arbeitgebers, die in die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, einbezogen werden, um Arbeitslohn aus Anlass einer Betriebsveranstaltung handeln. Nach der Rechtsprechung des BFH sind nur solche Leistungen des Arbeitgebers, die den Rahmen und das Programm der Betriebsveranstaltung betreffen, zu berücksichtigen. Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die der Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist (s. dazu BFH-Urteil vom 14. November 2012 VI R 56/11 , zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), sind kein Lohn und daher weder in die Ermittlung, ob die Freigrenze überschritten ist, einzubeziehen noch gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu besteuern (BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 58/04 , BFHE 215, 249 , BStBl II 2007, 128). Entsprechendes gilt für Aufwendungen des Arbeitgebers, die nicht direkt der Betriebsveranstaltung zuzuordnen sind (z.B. Kosten der Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines „Event-Managers”). Zudem ist zu beachten, dass eine Betriebsveranstaltung Elemente einer sonstigen betrieblichen Veranstaltung enthalten kann, die nicht zur Lohnzuwendung führt (BFH-Urteil in BFHE 225, 58 , BStBl II 2009, 726, m.w.N.).
25 In die angesprochene Gesamtkostenermittlung dürfen im Übrigen nur solche Kosten des Arbeitgebers einfließen, die untrennbar Kosten der Betriebsveranstaltung sind. Individualisierbare und als Arbeitslohn zu berücksichtigende Leistungen sind gesondert zu erfassen, ggf. unter Beachtung von § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG .
26 5. Die Sache ist nicht spruchreif.
27 Das FG hat zwar festgestellt, dass sich die Gesamtkosten der Veranstaltung auf 52.877 € beliefen. Dem Urteil lassen sich jedoch keine Angaben zur Struktur der Kosten entnehmen. Insbesondere steht nicht fest, ob, nach Maßgabe der genannten Grundsätze, die entsprechenden Leistungen insgesamt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung standen und deshalb Lohncharakter anzunehmen ist. Auch ist nicht geklärt, welche Leistungen untrennbare Teile der Betriebsveranstaltung sind und welche einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können. Soweit sich etwa den Unterlagen entnehmen lässt, dass auch Kosten für Fahrten mit Taxen angesetzt wurden, weist der Senat daraufhin, dass es sich dabei allenfalls um Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer handeln kann.
28 Das FG wird demnach im zweiten Rechtsgang nach den genannten Grundsätzen die Ermittlung der als Arbeitslohn zu beurteilenden Gesamtkosten der Betriebsveranstaltung und die Aufteilung des Gesamtbetrags auf die Arbeitnehmer der Klägerin, soweit sie teilgenommen haben, erneut vornehmen. Nur wenn das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Höchstbetrag von 110 € überschritten wurde, sind die Gesamtkosten in vollem Umfang als Arbeitslohn zu werten und können gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschal versteuert werden.

Anwendung von BMF-Schreiben, die bis zum 8. April 2013 ergangen sind

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O-2000 / 12 / 10001 vom 09.04.2013

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der bis zum Tage dieses Schreibens ergangenen BMF-Schreiben das Folgende:

Für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2011 verwirklicht werden, sind die bis zum Tage dieses BMF-Schreibens ergangenen BMF-Schreiben anzuwenden, soweit sie in der Positivliste (Anlage 1, gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt sind. Die nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben werden für nach dem 31. Dezember 2011 verwirklichte Steuertatbestände aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2012 verwirklichte Steuertatbestände bleibt die Anwendung der nicht in der Positivliste aufgeführten BMF-Schreiben unberührt, soweit sie nicht durch ändernde oder ergänzende BMF-Schreiben überholt sind.

BMF-Schreiben in diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften, die die Vollzugsgleichheit im Bereich der vom Bund verwalteten, der von den Ländern verwalteten und der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern sicherstellen sollen. Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage. Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit die BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfalten. Die in der Anlage zum o. a. BMF-Schreiben vom 27. März 2012 aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben sind nachrichtlich in der Anlage 2 (gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 27. März 2012 (BStBl I S. 370) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13. Juni 2012 (BStBl I S. 645) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es wird erstmals unter demselben Datum wie die dementsprechenden gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung von gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder herausgegeben.

Anlage 1:
Gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Stand:08.04.2013

Anlage 2:
Gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 27. März 2012 (BStBl I S. 370) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13. Juni 2012 (BStBl I S. 645) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder, Stand: 08.04.2013

Siehe auch das BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O-2000 / 12 / 10001 vom 09.04.2013 „Anwendung von gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder, die bis zum 8. April 2013 ergangen sind“

Quelle: BMF

Voller Kostenabzug bei Fahrten zu verschiedenen Tätigkeitsorten auch für Selbständige!

FG Münster, Pressemitteilung vom 15.04.2013 zum Urteil 4 K 4834/10 E vom 22.03.2013

Mit Urteil vom 22. März 2013 (Az. 4 K 4834/10 E) hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster selbständige Unternehmer in Bezug auf Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte Arbeitnehmern gleichgestellt. Die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG ist nach Ansicht des Gerichtes auf maximal einen Tätigkeitsort beschränkt.

Die Klägerin hatte im Auftrag einer städtischen Musikschule nebenberuflich Musikkurse bzw. Musik-AGs an verschiedenen Schulen und Kindergärten gegeben. Für die Fahrten zu den insgesamt sechs verschiedenen Einrichtungen, die sie etwa einmal wöchentlich aufsuchte, nutzte sie ihren Privatwagen. Hierfür machte sie 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte jedoch lediglich die Hälfte dieser Kosten an, da es sich um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätten handele.

Der 4. Senat gab der Klage statt und gewährte der Klägerin den vollen Betriebsausgabenabzug für die Fahrten. Die sechs Einrichtungen – so der Senat -, in denen die Klägerin unterrichte, seien keine Betriebsstätten im Sinne der Abzugsbeschränkung. Eine Kürzung des Betriebsausgabenabzugs sei nur gerechtfertigt, wenn sich der Unternehmer – anders als die Klägerin – auf die immer gleichen Wege einstellen könne, etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder gezielte Wohnsitznahme. Insoweit gelte dasselbe wie bei Arbeitnehmern, die nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch nur eine regelmäßige Arbeitsstätte haben können. Keiner der von der Klägerin angefahrenen Tätigkeitsorte habe jedoch gegenüber den anderen eine derart zentrale Bedeutung, dass er als Mittelpunkt der freiberuflichen Tätigkeit angesehen werden könne.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster

Dienstwagenbesteuerung: Anscheinsbeweis bei Nutzung durch GmbH-Geschäftsführer

FG Münster, Pressemitteilung vom 15.04.2013 zum Urteil 13 K 4396/10 vom 21.02.2013

Die private Kraftfahrzeugnutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist als Arbeitslohn zu versteuern, wenn feststeht, dass zumindest für gelegentliche Fahrten eine Nutzung erlaubt war. Das hat der 13. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 21. Februar 2013 (Az. 13 K 4396/10 E) entschieden.

Der Kläger ist zu 50 % an einer GmbH beteiligt und neben dem weiteren Gesellschafter einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Die GmbH stellt ihm für betriebliche Zwecke ein Fahrzeug zur Verfügung. Der Anstellungsvertrag des Klägers enthält keine Regelungen über eine private Fahrzeugnutzung. Das Finanzamt nahm die Überlassung des ausschließlich dem Kläger zugeordneten Fahrzeugs auch für Privatfahrten an und berechnete den Arbeitslohn nach der sog. 1 %-Methode. Der Kläger wendete hiergegen ein, dass die GmbH mündlich ein Privatnutzungsverbot ausgesprochen habe. Mit seinem Mitgesellschafter habe er für etwaige Privatfahrten vereinbart, dass diese in ein Fahrtenbuch einzutragen seien. Zudem befinde sich in seinem Privatvermögen ein Motorrad. Auch könne er die Pkw seiner Ehefrau und seines Sohnes nutzen.

Das Gericht wies die Klage ab. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers und der Zeugenaussage des Mitgesellschafters stehe fest, dass zumindest eine gelegentliche private Nutzung erlaubt gewesen und deshalb gerade kein generelles Verbot ausgesprochen worden sei. Daher folge aus dem Anscheinsbeweis, dass der Kläger den Dienstwagen tatsächlich privat genutzt habe. Die Nutzungsmöglichkeiten anderer Fahrzeuge widerlegten diesen Anscheinsbeweis nicht, da die Fahrzeuge der Ehefrau und des Sohnes dem Kläger nicht zur freien Verfügung gestanden hätten und das Motorrad nicht dieselben Nutzungsmöglichkeiten eröffne wie der Dienstwagen.

Quelle: FG Münster

Ermäßigter Umsatzsteuersatz auf den Verkauf von Erstexemplaren an den Buchautor

FG Münster, Pressemitteilung vom 15.04.2013 zum Urteil 15 K 3276/10 vom 12.03.2013

Mit Urteil vom 12. März 2013 (Az. 15 K 3276/10 U) hat der 15. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass der Verkauf von Erstexemplaren durch einen Verlag an Buchautoren, die hierfür zur Abdeckung der Druckkosten einen höheren Preis als den Ladenpreis zahlen, keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt.

Die Klägerin betreibt einen Verlag, der Bücher herstellt und verbreitet. Um bei neu aufgelegten Werken zumindest die Druckkosten ersetzt zu bekommen, verpflichteten sich die Buchautoren im Regelfall, jeweils 50 Erstexemplare zu einem über dem späteren Ladenpreis liegenden Preis abzunehmen. Das Finanzamt teilte die hierfür entrichteten Entgelte in einen dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Kaufpreis für Buchlieferungen und in einen sog. Druckkostenzuschuss auf, der dem Regelsteuersatz unterliege. Alleiniges Ziel der vertraglichen Vereinbarungen mit den Buchautoren sei – so das Finanzamt – die Steuerumgehung. Daher liege ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor.

Dem folgte das Gericht nicht und gab der Klage statt. Die Herstellung der Bücher und die Lieferung an die Autoren zu den jeweils vereinbarten Preisen seien insgesamt nur mit 7 % zu versteuern (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 49 der Anlage 2). Da eine einheitliche Leistung vorliege, sei eine Aufspaltung in mehrere Hauptleistungen nicht zulässig. Allein der tatsächlich vereinbarte Preis sei für die Bemessung des Entgelts maßgeblich. Die Vereinbarung höherer Preise zur Abdeckung der Druckkosten stelle ein beachtliches außersteuerliches Motiv für die Ausgestaltung der Verträge dar. Ein Gestaltungsmissbrauch liege daher nicht vor. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster

Anwendung von gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder, die bis zum 8. April 2013 ergangen sind

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O-2000 / 12 / 10001 vom 09.04.2013

Hiermit übersende ich die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der bis zum Tag dieser Erlasse ergangenen gleich lautenden Ländererlasse mit der Bitte um Kenntnisnahme. Sie werden erstmals unter demselben Datum wie das dem-entsprechende BMF-Schreiben herausgegeben. Die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil I habe ich veranlasst. (…)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der bis zum Tage dieser Erlasse ergangenen gleich lautenden Ländererlasse das Folgende:

Für Steuertatbestände, die nach dem 31. Dezember 2011 verwirklicht werden, sind die bis zum Tage dieser Erlasse ergangenen gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder anzuwenden, soweit sie in der Positivliste (Anlage 1, gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) auf-geführt sind. Die nicht in der Positivliste aufgeführten gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder werden für nach dem 31. Dezember 2011 verwirklichte Steuertat-bestände aufgehoben. Für vor dem 1. Januar 2012 verwirklichte Steuertatbestände bleibt die Anwendung der nicht in der Positivliste aufgeführten gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder unberührt, soweit sie nicht durch ändernde oder ergänzende gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder überholt sind.

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in diesem Sinne sind Verwaltungsvorschriften, die die Vollzugsgleichheit im Bereich der vom Bund verwalteten, der von den Ländern verwalteten und der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern sicherstellen sollen sowie Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Steuerberatungsgesetzes und die mit gleichem Wortlaut und Datum im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht wurden bzw. zur Veröffentlichung vorgesehen sind. Die Aufhebung der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage.

Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfalten. Die in der Anlage zu den o. a. gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13. Juni 2012 aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder sind nachrichtlich in der Anlage 2 (gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 27. März 2012 (BStBl I S. 370) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13. Juni 2012 (BStBl I S. 645) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder) aufgeführt.

Diese Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen. Sie werden erstmals unter demselben Datum wie das dementsprechende BMF-Schreiben zur Anwendung von BMF-Schreiben herausgegeben.

Anlage 1:
Gemeinsame Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, Stand:08.04.2013

Anlage 2:
Gemeinsame Liste der im BMF-Schreiben vom 27. März 2012 (BStBl I S. 370) und in den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 13. Juni 2012 (BStBl I S. 645) aufgeführten und nicht mehr in der aktuellen Positivliste enthaltenen BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder, Stand: 08.04.2013

Siehe auch das BMF-Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 2 – O-2000 / 12 / 10001 vom 09.04.2013 „Anwendung von BMF-Schreiben, die bis zum 8. April 2013 ergangen sind“

Quelle: BMF

Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Zur Frage der Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2009

 

Finanzgericht Düsseldorf, 2 K 3893/11 E

Datum: 14.11.2012
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 2. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 2 K 3893/11 E
Tenor: Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 09.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011 wird dahin geändert, dass Werbungskosten in Höhe von 1.248,00 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n dDie Beteiligten streiten darüber, ob für das Streitjahr 2009 Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, wenn die GmbH-Beteiligung vor dem Veranlagungszeitraum 2009 veräußert wurde.

Die Kläger wurden für das Streitjahr als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hielt ab dem Jahr 1999 einen Anteil von 15.000,00 DM (15 v. H.) am Stammkapital von insgesamt 100.000,00 DM der im Jahr 1993 gegründeten Firma A GmbH (im Folgenden: GmbH). Mit Vertrag vom 26.09.2001 veräußerten er und der Mitgesellschafter ihre Geschäftsanteile zu einem Kaufpreis von je 1,00 DM, wobei ein Eigenkapital der Gesellschaft von 466.000,00 DM garantiert wurde. Hieraus ergab sich ein an den Erwerber zu leistender Ausgleichsbetrag in Höhe von ca. 2,3 Millionen DM, wovon ein Betrag in Höhe von ca. 346.000,00 DM (15 v. H.) auf den Kläger entfiel. Um seiner Ausgleichsverpflichtung nachzukommen, verzichtete der Kläger u. a. auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens aus dem Jahr 1999 im Nennwert von 200.000,00 DM, welches er bei einer Bank refinanziert hatte. Außerdem leistete er eine Sonderzahlung, welche durch ein weiteres Bankdarlehen über 45.000,00 € finanziert wurde. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 machten die Kläger die Zinsbeträge für diese Darlehen als nachträgliche Erwerbsaufwendungen des Klägers geltend. Der Beklagte erkannte dies nicht an; das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. In der mündlichen Verhandlung des sich hieran anschließenden Klageverfahrens 2 K 4898/07 E am 05.11.2008 verständigten sich die Beteiligten dahin, dass die auf das Darlehen in Höhe von 45.000,00 € entfallenden Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen waren. Hinsichtlich der Zinsen aus dem der Gesellschaft gewährten Darlehen erklärte sich der Vertreter des Beklagten bereit, beide Einkommensteuerbescheide im Hinblick auf das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof mit dem Aktenzeichen VIII R 36/07 für vorläufig zu erklären. Der Rechtsstreit wurde daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt.

In der Folgezeit, nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs in dem o. g. Verfahren, erkannte der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen 2005 bis einschließlich 2008 auch die auf die Finanzierung des Gesellschafterdarlehens entfallenden Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an.

In der Einkommensteuererklärung für 2009 machten die Kläger weiterhin die dem Kläger entstandenen Schuldzinsen anteilig als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit und – in Höhe von 1.248,00 € – bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte erkannte für 2009 aber keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mehr an.

Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 09.03.2011 legten die Kläger Einspruch ein. Sie waren der Auffassung, die angefallenen Schuldzinsen seien in vollem Umfang steuermindernd zu berücksichtigen. Die Abzugsfähigkeit nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sei erst durch eine gravierende Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) möglich geworden. Diese Rechtsprechungsänderung habe nicht im Gesetzesvorhaben bezüglich der Einführung der Kapitalertragsteuer mit Abgeltungswirkung berücksichtigt werden können, da das Gesetz bereits vor Bekanntgabe dieses Urteils verkündet worden sei. Daher könnten die Zinskosten nicht in den Wirkungskreis der Abgeltungsteuer einbezogen werden. Da im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt worden sei, dass für Kosten aus bestimmten Beteiligungen auf Antrag die Wirkung des Abgeltungsverfahrens ausgeschlossen werden könne, andererseits sowohl in sämtlichen Jahren vor der Einführung des Abgeltungsprinzips als auch im ersten Jahr nach Einführung ein Antrag auf Ansatz dieser Kosten gestellt worden sei, seien sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung der Zinsaufwendungen erfüllt.

Der Einkommensteuerbescheid für 2009 wurde mit Bescheid vom 16.05.2011 aus anderen Gründen zugunsten der Kläger geändert.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011 rechnete der Beklage antragsgemäß zwischenzeitlich nachgewiesene, einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 137,00 € an. Im Übrigen wies er sinngemäß den Einspruch als unbegründet zurück. Er war der Auffassung, dass für 2009 Schuldzinsen nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden könnten. Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gelte nämlich die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Gemäß § 20 Abs. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei ein Abzug tatsächlicher Werbungskosten ausgeschlossen. Lediglich der Sparer-Pauschbetrag – hier in Höhe von 1.602,00 € – könne gewährt werden. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, wonach das Prinzip der Abgeltungsteuer für Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG auf Antrag durchbrochen werden könne, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt werde, zu mindestens 1 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt sei, sei hier nicht anzuwenden. Der Kläger habe bereits im Jahre 2001 seine Geschäftsanteile an der GmbH veräußert. Im Veranlagungszeitraum 2009, für den der Antrag erstmals gestellt werden könne, sei er nicht mehr an der GmbH beteiligt gewesen.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit welcher die Kläger geltend machen, die Ausnahmevorschrift des § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG greife zu ihren Gunsten ein. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift habe der Steuerpflichtige nur alle fünf Jahre zu belegen, dass er seinerzeit, und zwar bei der erstmaligen Antragstellung, die Antragsvoraussetzungen erfüllt habe. Nach Ablauf der fünf Jahre habe er keinen neuen Antrag zu stellen, sondern er werde nur bis dahin vom jährlichen Nachweis eines erstmals gestellten Antrags befreit. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger unbefristet Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen könnte, wenn er die Beteiligung im Jahr 2009 gehalten und veräußert hätte, da das Halten einer Beteiligung in den Folgejahren grundsätzlich nicht vom Gesetz verlangt werde (nur für das Jahr der erstmaligen Antragstellung). Dem Kläger werde jedoch der Werbungskostenabzug verwehrt, weil es aufgrund der damaligen Gesetzeslage nicht möglich gewesen sei, bereits im Jahr 2001 einen entsprechenden Antrag zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt sei vom Abgeltungsverfahren noch keine Rede gewesen.

10Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass erst mit BFH-Urteil vom 16.03.2010 VIII R 36/07 Schuldzinsen, die auf wesentliche Beteiligungen im Sinne von § 17 EStG entfielen, auch nach Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden könnten. Diese erhebliche Änderung der Rechtsprechung habe der Gesetzgeber naturgemäß bei der Abfassung eines Gesetzes, das ab dem Veranlagungszeitraum 2009 geltend solle, nicht berücksichtigen können. Insbesondere habe er diesen Sachverhalt nicht im Rahmen der umfangreichen Anpassungen zur erstmaligen Anwendung der neuen Gesetzeslage auf den Schnittpunkt 31.12.2008/01.01.2009 beachten können, wie er es z. B. bei Fondsanteilen, Stückzinsen, bestehenden Verlustvorträgen getan habe. Der Steuerpflichtige habe jedenfalls für die Jahre bis 2008 und auch für das Jahr 2009 als dem erstmaligen Jahr der Abgeltungsteuer stets und folgerichtig die Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erklärt und damit einen vollen Abzug beantragt. Die Veräußerung der Anteile des Klägers habe im Jahr 2001 bei diesem zu steuerpflichtigen Verlusten in vollem Umfang geführt. Eine Veräußerung der Anteile im Jahr 2009 hätte (evtl. mit Ausnahme des Teileinkünfteverfahrens) hier zum gleichen steuerlichen Ergebnis geführt.

11Der Kläger werde bei gleichem Sachverhalt unterschiedlich behandelt, wenn die Veräußerung der Anteile im Jahr 2009 statt im Jahr 2001 stattgefunden hätte. Es handele sich insofern um eine echte Gesetzeslücke, die von den zuständigen Gerichten zu füllen sei. Ein Wille des Gesetzgebers, derartige Sachverhalte zukünftig nicht mehr zu berücksichtigen, sei aus dem Gesetz nicht zu ersehen.

12Die Schuldzinsen seien ungekürzt zu berücksichtigen. Der Kläger habe seine Beteiligung bereits im Jahr 2001 vor Geltung des Halb- und Teileinkünfteverfahrens veräußert.

13Die Kläger beantragen,

14den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 09.03.2011, geändert durch Bescheid vom 16.05.2011, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011 dahin zu ändern, dass die geltend gemachten Schuldzinsen in Höhe von 1.248,00 € als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

15Der Beklagte beantragt,

16              die Klage abzuweisen,

17hilfsweise, die Revision zuzulassen.

18Er ist der Auffassung, ab dem Jahr 2009 sei eine Berücksichtigung der Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten nur noch unter den Voraussetzungen des § 32d

19Abs. 2 Nr. 3 EStG für fünf Jahre möglich. Dieses Optionsrecht werde nach derzeitiger Rechtslage aber nur demjenigen eingeräumt, der im betreffenden Jahr auch tatsächlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt sei. Alle Veräußerungen und Auflösungen vor dem Veranlagungszeitraum 2009 (sog. Altfälle) liefen damit faktisch ins Leere. Diese Vorschrift diene der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetze nicht das Vorliegen einer Beteiligung.

20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

22Die Klage ist begründet.

23Der Einkommensteuerbescheid für 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

24Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten Schuldzinsen in Höhe von 1.248,00 € nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt.

251. Seit Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile vom 16.03.2010 VIII R 20/08 (Bundessteuerblatt –BStBl- II 2010, 787) und vom 16.03.2010 VIII R 36/07 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen -BFH/NV- 2010, 1795) können ab dem Veranlagungszeitraum 1999 Schuldzinsen, die durch die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i. S. des § 17 EStG veranlasst sind, unter den gleichen Voraussetzungen wie nachträgliche Betriebsausgaben als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen. Durch die Beendigung der Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen, weil die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen aufgenommenen Schulden ausgelöst sind, die bei Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung nicht abgelöst werden konnten. Hiernach sind die von den Klägern geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen für 2009 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuerkennen. Dies entspricht – bis zur Einführung des Abgeltungsverfahrens – auch der übereinstimmenden Auffassung und Handhabung der Beteiligten.

262. Die geltend gemachten Schuldzinsen sind ungekürzt, also nicht begrenzt durch das Halb- oder Teileinkünfteverfahren, anzusetzen. Denn der Kläger hat lediglich solche durch seine Beteiligung an der GmbH vermittelten Einnahmen erzielt, für die noch das Anrechnungsverfahren galt. Seine Beteiligung hat er bereits im Jahr 2001 veräußert (vgl. BFH-Urteil vom 06.04.2011 IX R 28/10, BStBl II 2011, 814).

273. Der Abzug dieser tatsächlichen Werbungskosten ist nicht ausgeschlossen. § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG, der als Teil des Abgeltungsverfahrens einen solchen Ausschluss vorsieht, ist hier für 2009 nicht anzuwenden.

28Dies folgt aus der eindeutig formulierten Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG. Hiernach ist § 20 Abs. 3 bis 9 in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 19.12.2008 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I; 2794, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 08.12.2010 BGBl I, 1768), erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Der Gesetzgeber hat für die Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG nicht auf das Jahr des Abflusses der Aufwendungen beim Steuerpflichtigen abgestellt. Entscheidend ist, in welchem Jahr die den Aufwendungen zuzuordnenden Kapitaleinnahmen zufließen, ggf. ab wann diese zufließen können (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.12.2011 2 K 1176/11, rkr., Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2012, 1146; Findeis/Karlstedt, Betriebsberater –BB- 2011, 2075 unter V.; Eggers, Neue Wirtschaftsbriefe –NWB- 2011, 646; a. A. Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, Loseblatt, § 20 Rdnr. K 77; Bundesministerium der Finanzen vom 09.10.2012 IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl I 2012, 953 Rz. 322, wonach in 2009 abgeflossene Ausgaben auch unter das Abzugsverbot fallen, wenn sie mit Kapitalerträgen der Vorjahre zusammenhängen).

29Hier stehen die geltend gemachten Schuldzinsen nicht im Zusammenhang mit nach dem 31.12.2008 zufließenden Kapitalerträgen. Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist hier nicht möglich; er ist aufgrund der Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2001 ausgeschlossen.

30Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Begründung des Ausschlusses des Abzugs von tatsächlichen Aufwendungen durch § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG. Der Gesetzgeber rechtfertigt dieses Abzugsverbot mit der Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in Höhe von 801 € bzw. 1.602 € in den unteren Einkommensgruppen. In den oberen Einkommensgruppen sollen die Werbungskosten durch den relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 v. H. mit abgegolten sein (Bundestags-Drucksache 16/4841, 57). Hierdurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Abzugsverbot gerechtfertigt ist, wenn Einnahmen zufließen, für welche die Besonderheiten des Abgeltungsverfahrens, nämlich der einheitliche Sparer-Pauschbetrag bzw. die Abgeltungsteuer von 25 v. H., zu beachten sind. Das gilt hier nicht.

31Angesichts dieser Gesetzesbegründung kann auch eine mögliche Gesetzeslücke, welche dadurch entstanden sein könnte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der Abgeltungsteuer die Rechtsprechungsänderung zur Anerkennung von nachträglichen Werbungskosten nicht berücksichtigen konnte, nicht dahin geschlossen werden, dass auf den Zeitpunkt des Abflusses der Aufwendungen beim Steuerpflichtigen abgestellt wird. Einer solchen Auslegung steht zudem der eindeutige Gesetzeswortlaut der besonderen Anwendungsvorschrift für § 20 Abs. 9 EStG entgegen.

324. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

33Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 135 Abs. 1 FGO.

34Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage wird die Revision zugelassen (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Schenkungssteuerpflichtig ist die zinslose Überlassung eines Geldbetrages

Schenkungssteuerpflichtig ist die zinslose Überlassung eines Geldbetrages auch dann, wenn der Darlehensgeber nach islamischem Recht keine Zinsen berechnen darf.

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 3143/12 Erb

Datum: 20.03.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 4 K 3143/12 Erb
Tenor: Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. 

Die Steuerbescheide vom 30. Juni 2011 mit der Steuernummer …………………

…………………………… und …….. in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2012 werden aufgehoben, soweit jeweils als Vorerwerb vom 7. Oktober 2003 ein Betrag von 64.589 € angesetzt worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 95 % und der Beklagte trägt 5 % der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d:

2Der Kläger schloss mit der im Iran ansässigen A Co. (A Co.) am 1. Juli 2002 einen notariell beurkundeten Vertrag ab, mit dem ihm ein Darlehen in Höhe von 20.000.000.000 Rial (IRR) unter Bezugnahme auf eine Anleihe der X Bank für den Kauf und die Renovierung des Gebäudes ………… Straße …. in ……….. (Deutschland) gewährt wurde. Der Kläger verpflichtete sich, der A Co. einen Wechsel über 20.000.000.000 IRR und das Haus seines Vaters im Iran als Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. Die Frist für die Rückzahlung des Darlehens sollte 20 Jahre betragen. Ferner sollte das Darlehen unter Bezugnahme auf Art. 60 des Gesetzes über das 3. Wachstumsprogramm für die ersten acht Jahre zinslos sein. Für die restlichen 12 Jahre sollte ein Zinssatz von 2 % über Labor berechnet werden.

3Am 30. Juli 2002 schloss der Kläger mit der A Co. einen schriftlichen Darlehensvertrag ab, mit dem diese ihm einen Betrag von 5.840.000.000 IRR zur Verfügung stellte. Als Sicherheit stellte der Kläger einen Scheck auf die Order der A Co. aus. Das Darlehen sollte eine Laufzeit von 20 Jahren haben. Zinsen sollten nach einem Nachtrag vom 3. August 2002 in den ersten acht Jahren der Laufzeit des Darlehens nicht berechnet werden.

4Der Kläger erteilte der Y-Bank in der Schweiz mit Schreiben vom 7. Oktober 2003 den Auftrag, 100.000 SFR zu Lasten des dort geführten Kontos der A Co. auf ein Konto bei der Z-Bank in der Schweiz zu überweisen. Der Betrag sollte zwecks Einzahlung des Stammkapitals der M-SA überwiesen werden. Der Kläger bat darum, dass die Zahlung im Namen und Auftrag des G ausgeführt werden solle. Die A Co. solle nicht genannt werden. Die M-SA wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30. Oktober 2003 in der Schweiz gegründet. Sie wurde am ….. November 2003 in das Handelsregister des Kantons ……. eingetragen.

5Der Kläger schloss mit der A Co. am 4. August 2004 im Iran einen notariell beurkundeten Vertrag ab, mit dem diese ihm einen Betrag von 20.000.000.000 IRR darlehensweise für den Erwerb und Umbau des Gebäudes ………… in …….. (Deutschland) gewährte. Das Darlehen sollte dem Kläger über die in …… ansässige D zur Verfügung gestellt werden und unter Bezugnahme auf Art. 60 des Gesetzes über das 3. Wachstumsprogramm für die ersten acht Jahre zinslos sein. Der Kläger einigte sich in der Folgezeit mit der A Co. dahingehend, dass ein Darlehenskapital von 2.100.000 € ausgezahlt werden sollte. Demgemäß schloss der Kläger am 22. August 2004 mit der D einen schriftlichen Darlehensvertrag ab, mit dem diese ihm einen Betrag von 2.100.000 € für den Erwerb von Grundbesitz darlehensweise zur Verfügung stellte. Dieser Darlehnsvertrag wurde ausweislich einer Bestätigung der D vom 6. Oktober 2004 (Bl. 158 GA) von der A Co. übernommen.

6Die vorgenannten Darlehen wurden dem Kläger wie folgt ausgezahlt:

7………………………………………………………………………………………………….. .

8Das beklagte Finanzamt erlangte durch ein Schreiben des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Kenntnis von den Auszahlungen der Darlehensbeträge und der Erteilung des Überweisungsauftrags vom 7. Oktober 2003. Es sah in der fehlenden Verzinsung der Darlehensbeträge in den ersten acht Jahren schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendungen der A Co. und setzte deshalb gegen den Kläger mit 27 Bescheiden vom 30. Juni 2011 Schenkungsteuer fest. Mit dem die Auszahlung vom 16. Juli 2002 betreffenden Bescheid mit der Steuernummer …………. setzte es 0 € Schenkungsteuer fest. Ferner ging das beklagte Finanzamt davon aus, dass der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer der M-SA sei und er durch die Einzahlung des Stammkapitals zu Lasten der A Co. auf Grund des Auftrags vom 7. Oktober 2003 von einer entsprechenden Einzahlungsverpflichtung über 100.000 SFR (64.589 €) frei geworden sei. Es setzte deshalb gegen den Kläger mit Bescheid vom 30. Juni 2011 (Steuernummer ……………………) 22.610 € Schenkungsteuer fest.

9Der Kläger trug mit seinem gegen die vorgenannten Steuerbescheide eingelegten Einspruch vor: Er habe die Darlehen von der X Bank über die A Co. erhalten, was jene ihm bestätigt habe (Anlagen 1 und 2 zur Einspruchsbegründung vom 4. August 2011). Die A Co. habe die Darlehen über die X Bank refinanziert. Die A Co. habe nur als Zahlstelle gedient. Für die Verträge sei iranisches Recht maßgebend. Danach sei die Vereinbarung der Zahlung von Zinsen verboten gewesen. Er habe mit der X Bank vereinbart, dass diese an etwaigen Gewinnen aus der Veräußerung der Grundstücke beteiligt sei. Diese Gewinnbeteiligung schließe eine Unentgeltlichkeit aus. Jedenfalls sei die Ermittlung des Wertes der Bereicherung fehlerhaft. Er habe die A Co. in den Jahren 2002 bis 2006 beraten. Hierfür habe er im Jahr 2002  12.000 € und in den Jahren 2003 bis 2006 jeweils 24.000 € jährlich erhalten sollen. Diese Beträge seien ihm jedoch nicht ausgezahlt, sondern als Rückzahlung auf das mit Vertrag vom 30. Juli 2002 gewährte Darlehen angerechnet worden (Anlage 9 zur Einspruchsbegründung vom 30. November 2011). Die M-SA sei ihm nicht wirtschaftlich zuzurechnen. Diese Gesellschaft sei auf Veranlassung des Herrn K für die A Co. gegründet worden. Ihm selbst sei für das Konto der A Co. bei der Y-Bank nur Vollmacht erteilt worden. Einen Treuhandvertrag zwischen ihm und G vom 2. Februar 2004 habe er nicht unterschrieben. Hierbei habe es sich um einen Entwurf gehandelt, der G mitgegeben bzw. zugesandt worden sei. Er selbst sei in dem Entwurf als angeblicher Treugeber in Unkenntnis der Tatsache benannt worden, dass tatsächlich Herr K Treugeber gewesen sei.

10Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit zwei Entscheidungen vom 23. Juli 2012 zurück und führte aus: Die dem Kläger gewährten Darlehensbeträge könnten nicht um die für Beratungsleistungen von der A Co. zu zahlende Beträge vermindert werden. Der Vortrag des Klägers hierzu sei widersprüchlich. Hinsichtlich des Überweisungsauftrags vom 7. Oktober 2003 sei von einer freigebigen Zuwendung der A Co. auszugehen. Die M-SA sei auf Veranlassung des Klägers gegründet worden und ihm wirtschaftlich zuzurechnen. Die Kosten der Gründung der Gesellschaft habe die N-GmbH übernommen, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger sei.

11Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Die M-SA sei ihm nicht wirtschaftlich zuzurechnen. Er habe von dieser Gesellschaft keine Gewinnausschüttungen oder sonstige Vergütungen erhalten. Die gegenüber dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung von ihm am 19. Juli 2007 abgegebene Erklärung, wonach ihm die M-SA wirtschaftlich zuzurechnen sei, habe er mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 widerrufen. Die Erklärung sei inhaltlich unzutreffend und widersprüchlich. Ferner habe er die Erklärung unter dem Druck einer drohenden Verhaftung und im Zustand der Übermüdung unterzeichnet. G habe die M-SA im Jahr 2003 im Auftrag des Herrn K, der Gesellschafter und Vorstand der A Co. sei, gegründet. Herr K hätte selbst als iranischer Staatsangehöriger in der Schweiz eine Gesellschaft nur mit großem Aufwand gründen können. Herr K habe ihn – den Kläger – beauftragt, das Gründungskapital von 100.000 SFR zu überweisen, weil er Vollmacht für das Konto der A Co. bei der Y-Bank gehabt habe. Die Darlehen seien ihm im Ergebnis von der X Bank gewährt worden. Die Zinslosigkeit der Darlehen unterliege nicht der Schenkungsteuer, weil es an der erforderlichen Abrede der Unentgeltlichkeit fehle. Die A Co. hätte mit dem Darlehenskapital kein Geld verdienen können, weil eine geldwerte Nutzungsmöglichkeit im Iran nicht bestanden habe. Darüber hinaus sei die X Bank an einem etwaigen Veräußerungsgewinn zu beteiligen gewesen.

12Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2013 seine Klage gegen den Steuerbescheid vom 30. Juni 2011 mit der Steuernummer ………….. zurückgenommen. Ferner hat der Vertreter des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2013 den Steuerbescheid vom 30. Juni 2011 mit der Steuernummer ………………. aufgehoben. Die Beteiligten haben daraufhin insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

13Der Kläger beantragt,

14

  • 151 die Steuerbescheide vom 30. Juni 2011 (Steuernummer …………………………………………………………………………….. und ……..) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2012 aufzuheben;
  • 162 hilfsweise die Revision zuzulassen.

17Das beklagte Finanzamt beantragt,

18die Klage abzuweisen.

19Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.

20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

21Das Verfahren ist nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzustellen, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Entsprechendes gilt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 2008  3 C 5.07, juris).

22Die Klage ist nur zum Teil begründet. Die Steuerbescheide vom 30. Juni 2011 mit der Steuernummer …………………………………………………… und ……. in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2012 sind nur insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger nur insoweit in seinen Rechten, als das beklagte Finanzamt als Vorerwerb vom 7. Oktober 2003 jeweils einen Betrag von 64.589 € angesetzt hat. Dieser Vorerwerb ist mit dem Steuerbescheid vom 30. Juni 2011 mit der Steuernummer ……………….. besteuert worden, den der Vertreter des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung aufgehoben hat. Im Übrigen sind die Steuerbescheide vom 30. Juni 2011 (Steuernummer …………………………………………………………………………. ………………….. und …… ) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2012 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

23Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer wegen der zinslosen Gewährung der Darlehen zu Recht gegen den Kläger festgesetzt.

24Nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) unterliegt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, der Schenkungsteuer. Die Gewährung eines zinslosen Darlehens ist eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Gegenstand der Zuwendung ist die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen (Bundesfinanzhof – BFH -, Urteil vom 7. Oktober 1998 II R 64/96, BFHE 187, 53, BStBl II 1999, 25). Die Steuer entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit der zinslosen Überlassung des Kapitals (BFH-Urteil in BFHE 187, 53, BStBl II 1999, 25).

25Die A Co. war im Verhältnis zum Kläger Darlehensgeberin und damit Zuwendende. Der Kläger hat die Verträge vom 1. und 30. Juli sowie vom 4. August 2002 mit der A Co. abgeschlossen. Den mit der D am 22. August 2004 abgeschlossenen Darlehensvertrag hat die A Co. übernommen. Der Kläger hat eingeräumt, dass sich die A Co. bei der X Bank lediglich refinanziert habe. Der Kläger war zudem nach den mit der A Co. abgeschlossenen Verträgen dieser gegenüber verpflichtet, Sicherheiten für die Rückzahlung der Darlehen zur Verfügung zu stellen.

26Durch das Fehlen einer Verzinsung für die Darlehen in den ersten acht Jahren ihrer Gewährung ist der Kläger auch auf Kosten der A Co. i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereichert worden. Dies schon deshalb, weil sie nach Ablauf der acht Jahre für die Gewährung der Darlehen Zinsen berechnet hat. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach iranischem Recht (Art. 60 des Gesetzes über das 3. Wachstumsprogramm) in den ersten acht Jahren der Darlehensgewährung keine Zinsen berechnet werden durften (vgl. auch Finanzgericht – FG – Münster, Urteil vom 7. November 1991  3 K 7354/90 Ern, EFG 1992, 468; Hessisches FG, Urteil vom 22. Januar 2007  1 K 4906/03, ErbBstg 2007, 179). Dies ändert nichts daran, dass die A Co. durch das Fehlen einer Verzinsung der Darlehen in den ersten acht Jahren ihrer Gewährung objektiv entreichert worden ist. Entscheidend und ausreichend ist insoweit, dass die zur Nutzung überlassene Geldsumme nach den allgemeinen Verhältnissen dem Zuwendenden die Möglichkeit geboten hätte, das Kapital fruchtbringend anzulegen (BFH, Urteil vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266 , BStBl II 1979, 631). Daher kommt es letztlich nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die A Co. das Kapital konkret auch anderweitig unternehmerisch hätte nutzen können (vgl. zu nach islamischem Recht zulässigen Gestaltungen: Patzner/Usalir, Betriebs-Berater 2010, 1513, 1514). Da es auf eine konkrete anderweitige Nutzungsmöglichkeit des Darlehenskapitals nicht ankommt, muss der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten und mit Schriftsatz vom 20. März 2013 wiederholten Beweisantrag des Klägers nicht nachgehen.

27Als die Unentgeltlichkeit teilweise ausschließende Gegenleistung kann eine Gewinnbeteiligung der X Bank nicht berücksichtigt werden. Eine entsprechende Vereinbarung lässt sich den mit der A Co. abgeschlossenen Verträgen nicht entnehmen. Aus der vom Kläger übersandten Bestätigung der X Bank (Bl. 157 GA) ergibt sich zwar, dass diese an einem etwaigen Gewinn aus der Veräußerung des Grundbesitzes beteiligt sein sollte. Die X Bank war jedoch nicht Vertragspartei des Klägers. Zu einer Veräußerung des Grundbesitzes ist es überdies innerhalb der ersten acht Jahre nach der Gewährung der Darlehen nicht gekommen. Aus den vom Senat beigezogenen Auszügen der Grundbücher von ………… Blatt ………. sowie von ………….. Blatt …… und …… , die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, ergibt sich, dass der Kläger immer noch als Eigentümer des fraglichen Grundbesitzes eingetragen ist. Bei der Gewinnbeteiligung der X Bank könnte es sich daher allenfalls um eine aufschiebend bedingte Gegenleistung handeln, die bis zum Eintritt der Bedingung gemäß § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BFH, Urteil vom 8. Februar 2006 II R 38/04, BFHE 213, 102, BStBl II 2006, 475). Insofern ist der Streitfall nicht mit der Einräumung eines unbedingten Verkaufs- und Ankaufsrechts zu vergleichen, die bereits zu gegenwärtigen Einschränkungen des Grundstückseigentümers führen kann (vgl. BFH, Urteil vom 11. April 2006 II R 13/04, BFH/NV 2006, 1665).

28Anders als der Kläger im Einspruchsverfahren geltend gemacht hat, hat das beklagte Finanzamt den Wert seiner Bereicherung (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 BewG) nicht fehlerhaft ermittelt. Die von ihm geltend gemachten Beträge für in den Jahren 2002 bis 2006 erbrachte Beratungsleistungen zugunsten der A Co. können schon deshalb nicht abgezogen werden, weil die hierfür vereinbarten Beträge ihm nicht ausgezahlt worden sein sollen. Das beklagte Finanzamt hat der Besteuerung nur die dem Kläger tatsächlich ausgezahlten Darlehensbeträge zugrunde gelegt. Unbeschadet dessen hat das beklagte Finanzamt zu Recht darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Klägers im Einspruchsverfahren widersprüchlich war. Der Darlehensvertrag vom 30. Juli 2002 hat sich auf ein Kapital von 5.840.000.000 IRR bezogen, während in den vom Kläger übersandten Abrechnungen der A Co. (Anlage 9 zur Einspruchsbegründung vom 30. November 2011) ein Kredit von 8.276.000.000 IRR genannt wird. Darüber hinaus beziehen sich die vom Kläger übersandten Abrechnungen auf Zahlungen im Jahr 2002, was nicht mit seinem Vortrag zu vereinbaren ist, es habe sich um Zahlungen für in den Jahren 2002 bis 2006 erbrachte Beratungsleistungen gehandelt.

29Die Zuwendungen der A Co. erfüllen auch den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Hierzu genügt es, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit seiner Leistung bewusst ist. Die Kenntnis des Zuwendenden hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, ist regelmäßig zu vermuten. Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 12. Juli 2005 II R 8/04, BFHE 210, 474, BStBl II 2005, 845). Die A Co. musste erkennen, dass der Kläger durch das Fehlen einer Verzinsung für die ersten acht Jahre bereichert wurde, zumal für die Zeit danach eine Zinszahlungsvereinbarung getroffen worden ist.

30Das beklagte Finanzamt hat nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bei der Berechnung der mit den Bescheiden vom 30. Juni 2011 mit der Steuernummer ……………………………………………………… und ……. festgesetzten Steuer zu Unrecht jeweils als Vorerwerb vom 7. Oktober 2003 einen Betrag von 64.589 € angesetzt. In dem an die Y-Bank gerichteten Auftrag des Klägers vom 7. Oktober 2003, 100.000 SFR zu Lasten des dort geführten Kontos der A Co. auf ein Konto bei der Z-Bank zu überweisen, kann keine freigebige Zuwendung der A Co. an den Kläger i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gesehen werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger durch die von ihm veranlasste Überweisung von einer Verpflichtung zur Zahlung einer Einlage frei geworden ist und dies auf einer Zuwendung der A Co. beruhte. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche Absprachen zwischen Vertretungsberechtigten der A Co. und dem Kläger dem Überweisungsauftrag zugrunde lagen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nochmals unwidersprochen vorgetragen, dass er weder Gesellschafter der M-SA gewesen sei noch ein Treuhandverhältnis mit ihm bestanden habe. Der Treuhandvertrag vom 2. Februar 2004 (Bl. 39 GA) ist von ihm nicht unterzeichnet worden. Der Vertreter des beklagten Finanzamts ist der Behauptung des Klägers, tatsächlich sei Herr K Treugeber gewesen, nicht mehr entgegen getreten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger als vermeintlicher Treugeber überhaupt verpflichtet gewesen wäre, die Einlage zu leisten. Da er unstreitig nicht selbst Gesellschafter der M-SA war, hätte eine Verpflichtung zur Zahlung der Einlage eine entsprechende vertragliche Vereinbarung erfordert (vgl. etwa Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Februar 1992 II ZR 89/91, NJW-RR 1992, 930).

31Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 2, 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.