Besteuerung von Gegenwertzahlungen als Arbeitslohn (FG)

Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Gegenwertzahlungen als Arbeitslohn

 Leitsatz

1. Die Besteuerung von Gegenwertzahlungen, die der Arbeitgeber bei Austritt aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder leistet, als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG ist verfassungsgemäß.

2. Zwischen Sanierungsgeldern als Pflichtzahlungen aufgrund der Systemumstellung in ein Punktesystem und Gegenwertzahlungen, deren Zahlungspflicht durch das freiwillige Ausscheiden des Arbeitgebers aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder begründet wird, bestehen Unterschiede von solcher Art und Gewicht, dass eine ungleiche steuerliche Behandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

 Gesetze

EStG § 19 Abs. 3 S. 2
EStG § 40b Abs. 4
LStDV § 3 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 3 Abs. 1

 Instanzenzug

BFH 21.12.2012 – VI R 49/12

 Tatbestand

Streitig ist, ob Gegenwertzahlungen des Klägers an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.

Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit Zustimmung des beklagten Finanzamtes ihre Lohnsteuer im besonderen Erhebungsverfahren nach § 38 Abs. 3a Einkommensteuergesetz (EStG) durch die B anmeldet und abführt. Zum 31. Dezember 2008 trat der Kläger aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) aus. Gemäß der Satzung der VBL leistete der Kläger deshalb eine sogenannte Gegenwertzahlung von xxx.xxx Euro an die VBL. In einer berichtigten Lohnsteueranmeldung für Dezember 2008 vom 27. Januar 2009 wurde diese Gegenwertzahlung mit einem Pauschalsteuersatz von 15% angemeldet; Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag wurden entsprechend abgeführt.

Der hiergegen gerichtete form- und fristgerechte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. September 2009 zurückgewiesen. Mit seiner Klage vom 6. Oktober 2009 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, die gesetzliche Behandlung der Gegenwertzahlung als Arbeitslohn verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der Kläger habe seinen Arbeitnehmern eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge zugesagt, die durch die VBL als umlagefinanzierte Zusatzversorgungskasse ausgezahlt werde. Die Finanzierung der Rentenanwartschaften und -ansprüche erfolge durch eine auf der Basis des Arbeitsentgelts berechnete Umlage, die der Arbeitgeber schulde und die beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führe. Diese Umlagen dienten nicht der Finanzierung der künftigen Renten, sondern der gegenwärtigen Renten innerhalb eines Deckungsabschnitts. Bei Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der VBL würden satzungsgemäß Ausgleichszahlungen fällig, die der Deckung der nach dem Ausscheiden noch zu erfüllenden Verpflichtungen der VBL aus Rentenanwartschaften und -ansprüchen dienten. Durch diese sogenannten Gegenwertzahlungen finanziere der ausscheidende Arbeitgeber die zukünftig zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen der VBL aus. Neue Anwartschaften oder Ansprüche würden dadurch nicht begründet.

Die Ungleichbehandlung der steuerpflichtigen Gegenwertzahlungen gegenüber den Sanierungsgeldern, die ausdrücklich nicht besteuert würden, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sanierungsgelder seien zu zahlen gewesen, um den zusätzlichen Finanzierungsbedarf zu decken, der sich ergeben habe, als die VBL vom früheren Gesamtversorgungssystem auf das jetzige Punktemodell umgestellt worden sei. Damit seien die vor der Umstellung begründeten Anwartschaften gesichert worden. In beiden Fällen würden Ansprüche ausfinanziert, die durch geleistete Zahlungen bereits bestünden und keine neuen Anwartschaften begründet. Damit würden zwei Sachverhalte, die in wesentlichen Punkten als gleich gelagert anzusehen seien, ungleich behandelt. Im Gesetzgebungsverfahren habe die Bundesregierung ebenfalls diesen Standpunkt vertreten. Die vor der gesetzlichen Neuregelung ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung habe die Steuerpflichtigkeit sowohl von Sanierungsgeldern als auch von Gegenwertzahlungen abgelehnt. Die Besteuerung der Gegenwertzahlungen weiche zudem vom objektiven Nettoprinzip ab, da beim Arbeitnehmer Arbeitslohn fingiert werde, der seine Leistungsfähigkeit nicht erhöht habe.

Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liege auch im Vergleich zu sonstigen Personalaufwendungen vor. Gegenwertzahlungen seien als Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer als Betriebsausgaben abziehbar. Die pauschale Lohnversteuerung mache diesen Abzug wirtschaftlich betrachtet jedoch teilweise wieder rückgängig, da der Arbeitgeber für die pauschale Lohnsteuer typischerweise beim Arbeitnehmer keinen Regress nehmen könne und definitiv mit ihr belastet bleibe. Dadurch werde auch das objektive Nettoprinzip verletzt.

Die Ungleichbehandlung sei weder durch einen erkennbar verfolgten Lenkungszweck noch durch eine Vereinfachung aufgrund von Typisierung gerechtfertigt. Im Übrigen fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung, da es sich bei der Besteuerung der Gegenwertzahlungen tatsächlich um eine Verkehrsteuer handele. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 1. Dezember 2009 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.           die Lohnsteueranmeldung für Dezember 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2009 dahingehend zu ändern, dass Lohnsteuer in Höhe von xx.xxx Euro, pauschale Kirchenlohnsteuer in Höhe von x.xxx Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von x.xxx Euro festgesetzt werden;
  2. 2.           hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen;
  3. 3.           die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

 

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Er hält die Besteuerung der Gegenwertzahlungen für verfassungsgemäß. Nicht nur der Erwerb, sondern auch die Sicherung von Zukunftssicherungsleistungen liege im Interesse des Arbeitnehmers. Die Gegenwertzahlungen stellten eine Art Schlusszahlung des Arbeitgebers in das Umlageverfahren dar. Wegen dieser Ersatzfunktion der Sonderzahlung für die laufenden Umlagen sei gesetzlich die Steuerbarkeit hergestellt worden. Dadurch solle auch verhindert werden, dass Finanzierungsbeiträge in großem Umfang unversteuert blieben, und die vorgelagerte Besteuerung im Bereich der umlagefinanzierten Versorgungssysteme solle aufrecht erhalten werden. Diese Entscheidung halte sich im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Die unterschiedliche Behandlung von Gegenwertzahlungen und Sanierungsgeldern sei durch den damit verfolgten Lenkungszweck gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe den Systemwechsel innerhalb der Versorgungseinrichtungen, bei dem Sanierungsgelder angefallen seien, fördern wollen. Arbeitgeber, die die Zusatzversorgungseinrichtungen verließen und sich somit der Umlagezahlung entzögen, sollten dafür jedoch nicht mit der Steuerfreiheit der Gegenwertzahlung als „Exit-Strategie” belohnt werden. Im Übrigen sei grundsätzlich auch eine Überwälzung der Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer möglich. Dass dies tatsächlich oftmals unterbleibe, sei in diesem Zusammenhang unerheblich.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (Gerichtsakte, Rechtsbehelfsakte mit Arbeitgeberakte) und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit allen Anlagen verwiesen. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. a) Nach § 23 Abs. 2 VBL-Satzung sind ausscheidende Arbeitgeber gegenüber der VBL verpflichtet, einen versicherungsmathematisch errechneten Gegenwert zu bezahlen, damit die bereits entstandenen Zahlungsverpflichtungen aus dem vorhandenen Rentenbestand und den unverfallbaren Versorgungsanwartschaften der aktiven Arbeitnehmer auch nach ihrem Ausscheiden erfüllt werden können. Der Gegenwert umfasst damit diejenigen Verpflichtungen, die durch frühere Umlagezahlungen rechtlich begründet, aber – wegen weiterer ausstehender Umlagen – noch nicht ausfinanziert wurden. Die Gegenwertzahlung dient ausschließlich dem Ausgleich der durch das Ausscheiden des Arbeitgebers aus der VBL verursachten Finanzierungslücke, führt jedoch nicht zu einem unmittelbaren geldwerten Vorteil der aktiven Arbeitnehmer: Die Gegenwertzahlung erhöht weder die bestehenden Anwartschaften noch die laufenden Versorgungsbezüge. Der ausscheidende Arbeitgeber wendet durch die Zahlung des Gegenwerts daher nach Auffassung des BFH seinen Arbeitnehmern nichts zu, was über die bereits erworbenen, im Umlageverfahren finanzierten und als Arbeitslohn versteuerten Versorgungsanwartschaften hinausgeht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Februar 2006 VI R 92/04 , Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2006, 528 m.w.N.).

b) Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Darunter zählen ebenso Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder eine diesem nahestehende Person z.B. für den Fall des Alters abzusichern, sogenannte Zukunftssicherung, § 2 Abs. 2 Nr. 3 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) . Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG nach der im Streitjahr geltenden Fassung auch Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber neben laufenden Beiträgen an eine Versorgungseinrichtung leistet, insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.

Eine solche Sonderzahlung ist die Gegenwertzahlung des Klägers an die VBL. Sie unterliegt damit der Lohnsteuer. Nach § 40b Abs. 4 EStG ist die Lohnsteuer mit einem Pauschalsatz von 15% durch den Arbeitgeber zu erheben.

2. Die Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG ist verfassungsgemäß, insbesondere verstößt sie nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) .

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BStBl. II 1989 , 938 ; vom 29.November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BStBl. II 1990, 479; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BStBl. II 1990, 653; vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE – 84, 348).

Im Steuerrecht wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch besteuert werden (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2009 I R 76/08 , BStBl. II 2010, 1061). Dieses Prinzip muss jedoch nicht in reiner Form verwirklicht werden (BVerfG-Beschluss vom 16. März 1983 1 BvR 1077/80 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1983, 227 ). Da die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu vergleichenden Lebensverhältnisse nicht in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind, ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleichoder Ungleichbehandlung ansieht. Maßgeblich ist nicht, ob eine Regelung die zweckmäßigste und gerechteste Lösung bietet, sondern nur, ob die verfassungsrechtlichen Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit eingehalten sind (BVerfG-Beschluss vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BStBl. II 1990, 479).

Die gesetzgeberische Entscheidung kann mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nur daraufhin überprüft werden, ob die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar ist, ob also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2006 I R 69, 70/05, BStBl. II 2007, 662, m.w.N.).

Der Gesetzgeber kann dabei auch finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische und steuertechnische Erwägungen zum Anlass nehmen, bestimmte Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 13. März 1979 2 BvR 72/76 , BStBl. II 1979, 322). Insbesondere sind, wenn ein Gesetz ausschließlich auf die Verfassungsmäßigkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen ist, auch finanzielle Erwägungen sachgerecht. Sie entkräften damit den Vorwurf der Willkür (BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 1953 1 BvR 205, 241, 242, 254, 262-267/52, BVerfGE 3, 1). Es ist des weiteren verfassungsrechtlich ebenfalls nicht sachfremd, wenn der Gesetzgeber Vorschriften erlässt, die Steuerumgehungen verhindern sollen (BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331). So kann beispielweise die Verhinderung von „Steueroasen” ein legitimer gesetzlicher Zweck und damit ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung sein (so auch BVerfG-Beschluss vom 27. Januar 2010 2 BvR 2185, 2189/04, BVerfGE 125, 141). Der Finanzbedarf des Staates oder eine knappe Haushaltslage allein rechtfertigen ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen noch nicht; auf die gerechte Verteilung der Lasten hat der Staat auch bei Einsparungen zu achten (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, m.w.N.).

Der Steuergesetzgeber ist grundsätzlich auch nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. In diesem Fall muss der Förderungs- und Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Dem Gesetzgeber ist hierbei hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel, insbesondere auch bei der Antwort auf die Frage, wie der Kreis der Begünstigten sachgerecht abzugrenzen ist, ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99 , BVerfGE 116, 164 , m.w.N.).

Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungsund Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (z.B. BVerfG-Urteil vom 6. März 2003 2 BvL 17/99 , BStBl. II 2002 , 618 ).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze, denen der erkennende Senat folgt, verstößt die Besteuerung der Gegenwertzahlungen nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, sondern liegt innerhalb des gesetzgeberischen Ermessensspielraums.

Zwischen Sanierungsgeldern und Gegenwertzahlungen bestehen nach Überzeugung des Senates Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche steuerliche Behandlung rechtfertigen. Sanierungsgelder werden nach § 65 VBL-Satzung entsprechend des periodischen Bedarfs von den Beteiligten mit Pflichtversicherten infolge des Wechsels vom Gesamtversorgungs- auf das Punktesystem erhoben. Beteiligte sind nur Arbeitgeber, die eine bestehende Beteiligungsvereinbarung mit der VBL haben. Sanierungsgelder dienen der Deckung des zusätzlichen Finanzbedarfs der VBL, der durch die Umwandlung der vor der Systemumstellung erworbenen Anwartschaften in Versorgungspunkte entstand. Sie sind zu zahlen, solange das Anstaltsvermögen ohne Sanierungsgelder den versicherungsmathematisch errechneten Barwert dieser Anwartschaften nicht erreicht. Die Verpflichtung zur Zahlung von Sanierungsgeldern und ihre Berechnung beruhen ausdrücklich auf dem Verbleib des Arbeitgebers in der Versorgungseinrichtung; ihre Höhe hängt von den Entgelten der pflichtversicherten Arbeitnehmer ab. Sie dienen der Aufrechterhaltung des derzeitigen Systems: Ohne ihre Zahlung würden sich die von den Arbeitgebern zu leistenden Umlagen stark erhöhen, um die bestehenden Anwartschaften finanzieren zu können. Während Sanierungsgelder also – abgesehen von den sonstigen finanziellen Voraussetzungen – anfallen, solange eine Mitgliedschaft in der VBL besteht, sind Gegenwertzahlungen gerade dann zu leisten, wenn die Mitgliedschaft beendet wird, der Arbeitgeber mithin aus dem laufenden System ausscheidet und dieses nicht mehr mit seinen Zahlungen unterstützt. Sie sollen einen Ausgleich dafür schaffen, dass bereits bestehende Ansprüche von Arbeitnehmern des ausscheidenden Arbeitgebers durch die weiter laufenden Umlagen der in der VBL verbleibenden anderen Arbeitgeber erfüllt werden müssen.

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Die Erhebung von Sanierungsgeldern resultiert aus einer gesetzlich auferlegten Systemumstellung. Die Beteiligten der Versorgungsträger konnten sich dieser gesetzlichen Vorgabe und der damit einhergehenden Zahlung von Sanierungsgeldern nicht entziehen. Seine Entscheidung, die VBL zu verlassen, hat der Kläger demgegenüber eigenverantwortlich getroffen. Sie entsprang letztlich betriebswirtschaftlichen Überlegungen hinsichtlich der Finanzierung von Zukunftssicherungsleistungen. Während Sanierungsgelder also zwangsweise zu zahlen sind, werden Gegenwertzahlungen freiwillig im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung in Kauf genommen.

Bis 1998 waren nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. auch Sanierungsgewinne unter den dort genannten Voraussetzungen steuerfrei. Die Aufhebung dieser Vorschrift erfolgte, da der Gesetzgeber in der Möglichkeit des unbegrenzten Verlustvortrages eine Doppelbegünstigung sah (Schmidt, Kommentar zum EStG , 17. Auflage 1998, § 3 ABC, Stichwort Sanierungsgewinn). Sowohl die dortige, frühere Steuerfreistellung als auch die Besteuerung sind verfassungsrechtlich möglich (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08 BStBl. II 2010, 916).

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass weder Sanierungsgeld noch Gegenwertzahlung neue Anwartschaften der Arbeitnehmer begründen. Maßgeblich ist nach Überzeugung des Senates jedoch die Unterscheidung zwischen Pflicht-Zahlungen innerhalb des Versorgungssystems – Sanierungsgelder – und freiwilligen Zahlungen, die allein dazu dienen, das System verlassen zu können – Gegenwertzahlungen –.

c) Die Entscheidung, Gegenwertzahlungen zu besteuern, Sanierungsgelder hingegen nicht, liegt im Übrigen innerhalb des gesetzgeberischen Ermessenspielraums.

Der Gesetzgeber betrachtet die Gegenwertzahlungen wirtschaftlich als eine Art Schlusszahlung für die Umlagen, die der ausscheidende Arbeitgeber nun nicht mehr zu leisten hat, obwohl seine Arbeitnehmer noch Versorgungsansprüche gegenüber der VBL haben. Sie ersetzen letztlich die bei regulärem Verlauf – also z.B. ohne das Ausscheiden – weiter zu entrichtenden und dann steuerpflichtigen Umlagen. In ihrer Ersatzfunktion für eigentlich steuerpflichtige Umlagen können auch die Gegenwertzahlungen besteuert werden (vgl. Drucksache des Deutschen Bundestages – BT-Drs. – 16/3368, S. 17). Diese Sichtweise des Gesetzgebers ist weder willkürlich noch unvertretbar. Der gleichen Ansicht war bereits das Finanzgericht München in seinem Urteil 8 K 1587/03 vom 29. Oktober 2004 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2005, 500 ; aufgehoben durch BFH-Urteil vom 15. Februar 2006 VI R 92/04 , BStBl. II 2006, 528). Mit seiner Entscheidung zur Besteuerung der Gegenwertzahlung tritt der Gesetzgeber der anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen.

Die Besteuerung der Gegenwertzahlung als zusammengeballte Umlagen entspricht der Besteuerung von Abfindungszahlungen für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Dort wird dem ausscheidenden Arbeitnehmer einmalig ein Geldbetrag ausgezahlt, der letztlich die künftig nicht mehr zu erzielenden Gehaltszahlungen ersetzen soll. Die Abfindungszahlung ist Arbeitslohn wie die Arbeitseinkünfte selbst, der – wenn auch wegen der steuerlichen Progression tarifbegünstigt – der Besteuerung unterliegt (§§ 24 Nr. 1 a), b), 34 Nr. 2, 4 EStG ). Gleiches muss dann auch für die Gegenwertzahlung gelten, die an die Stelle künftiger – steuerpflichtiger – Umlagen zur Zukunftssicherung tritt. Der niedrigere Pauschallohnsteuersatz führt ebenfalls zu einer Tarifbegünstigung. Ohne die Besteuerung der Gegenwertzahlung käme es hier zu einer Ungleichbehandlung. Zudem wurden ab 2006 die bestehenden gestaffelten Freibeträge für Zahlungen anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses in § 3 Nr. 9 EStG gestrichen. Diese unterliegen seitdem in vollem Umfang der tarifbegünstigten Besteuerung. Dieser Besteuerung beim einzelnen Arbeitnehmer entspricht die pauschale ermäßigte Besteuerung der Gegenwertzahlung, die letztlich auch dem einzelnen Arbeitnehmer zugutekommt, da ansonsten seine Rentenansprüche gekürzt werden müssten.

Mit der Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG sollte zudem verhindert werden, dass Finanzierungsbeiträge, die Arbeitgeber zur Sicherung der Altersvorsorge der Arbeitnehmer leisten, im Gegensatz zu den laufenden Umlagen in größerem Umfang unbesteuert bleiben. Zugleich sollte damit die sogenannte vorgelagerte Besteuerung im Bereich der umlagefinanzierten Vorsorgesysteme auch für diesen Teil der Arbeitgeberbeiträge aufrecht erhalten werden, indem die Besteuerung aller Finanzierungsleistungen in der Ansparphase im Zusammenhang mit der Ertragsanteilsbesteuerung in der Auszahlungsphase gewährleistet wurde (BT-Drs. 16/2712, S. 46). Dies liegt im Ermessen des Gesetzgebers.

Die Steuerfreiheit der Sanierungsgelder verfolgt darüber hinaus einen Lenkungszweck: Erleichtert werden soll dadurch die Umstellung der Versorgungssysteme auf das Versorgungspunktesystem. Gleichzeitig sollte der Verbleib der Arbeitgeber in diesem System gefördert werden, indem die Gegenwertzahlungen besteuert werden. Arbeitgebern, die sich durch Ausscheiden aus den Versorgungseinrichtungen der ansonsten weiter zu entrichtenden Umlagezahlung entziehen, sollte nicht eine unbesteuerte Zahlung als „Exit-Strategie” geboten werden (vgl. BT-Drs. 16/3368, S. 10). Hinsichtlich dieser wirtschaftspolitischen Entscheidung sowie bei der Wahl eines sachgerechten Mittels, insbesondere bei der sachgerechten Abgrenzung des betroffenen Personenkreises, ist dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99 , BVerfGE 116, 164 , m.w.N.), den er mit der Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht verlassen hat.

Im Übrigen wurde bei ihrer Einführung in § 17 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags Altersversorgung ausdrücklich festgeschrieben, dass Sanierungsgelder nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören. Dies war eine der entscheidenden Finanzierungsfragen bei der Umstellung der Versorgungssysteme (vgl. Drucksache des Deutschen Bundesrates – BR-Drs.– 622/1/06, S. 11). Insofern ist es gerade unter Gesichtspunkten des Vertrauens- und Bestandsschutzes für die Tarifvertragsparteien folgerichtig, Sanierungsgelder auch in der gesetzlichen Neuregelung des § 19 Abs. 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen. Der Gesetzgeber durfte insoweit an die soeben beschlossene und durchgeführte Reform anknüpfen und einen der dort tragenden Gesichtspunkte systemgerecht fortführen.

d) Die Überwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf die Gegenwertzahlung auf den Arbeitnehmer ist – ebenso wie bei anderen Fällen der Pauschalbesteuerung – grundsätzlich möglich. Notwendig ist hierfür eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und -nehmer. Dass eine Überwälzung tatsächlich wegen der komplizierten Ermittlung des auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Anteils an der Gegenwertzahlung meist nicht stattfindet, ist dabei nicht maßgeblich. Die pauschale Lohnsteuer auf die Gegenwertzahlung ist beim Arbeitgeber außerdem als Betriebsausgabe abziehbar. Die Besteuerung widerspricht daher nicht dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Insoweit wird das Nettoprinzip beim Arbeitgeber beachtet. Die ermäßigte Besteuerung beim Arbeitgeber durch die Einführung der Pauschallohnsteuer hat letztlich dieselbe Wirkung wie die Tarifermäßigung bei § 34 EStG .

Der Gesetzgeber durfte auch die Gegenwertzahlung entgegen der ergangenen Rechtsprechung des BFH als Arbeitslohn ansehen. Nach der zuvor bestehenden Rechtslage waren ersichtlich unterschiedliche Auffassungen zur Frage des Arbeitslohncharakters möglich. Nach Auffassung des Senats liegt es – wie bei anderen Umlagen – nahe, diese per se als Teile des Arbeitslohnes zu betrachten. Ohne die Ausfinanzierung der bis zum Zeitpunkt des Verlassens der VBL durch den Arbeitgeber bestehenden Rentenansprüche müssten im Ergebnis später die Ansprüche der Arbeitnehmer gekürzt werden, ohne dass diese auf das Verbleiben in der Zusatzversorgungskasse Einfluss hätten. Damit wäre der einfache Ausstieg des Arbeitgebers ohne Gegenwertzahlung letztlich ein Verhalten, das zu Lasten der Arbeitnehmer ginge, ohne dass diese Einfluss nehmen könnten. Dem wird durch die Auferlegung von Gegenwertzahlungen begegnet.

e) Schließlich hatte der Bund auch die notwendige Gesetzgebungskompetenz für die Regelung, insbesondere ist die Besteuerung der Gegenwertzahlung keine Verkehrsteuer.

Mit der Besteuerung der Gegenwertzahlung soll eine Leistung des Arbeitgebers erfasst werden, die zukünftige Umlagen, welche aufgrund des Ausscheidens aus der Versorgungseinrichtung eben nicht mehr gezahlt werden, ersetzt und ausgleicht (BT-Drs. 16/3368, S. 17). Solche laufenden Umlagenzahlungen eines Arbeitgebers gehören zum Arbeitslohn und unterliegen damit der Lohnsteuer. Die Besteuerung der Gegenwertzahlung knüpft nicht an den Austritt des Arbeitgebers als Rechtsakt, sondern an die Ausgleichszahlung im Rahmen der Gewährleistung von Zukunftssicherungsleistungen für den Arbeitnehmer an. Für die Besteuerung von Leistungen im Zusammenhang mit einem bestehenden Arbeitsverhältnis – Einkommensbesteuerung – steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG zu.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist zur maßgeblichen Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen.