BFH: Amtliche Richtsatzsammlung des BMF auf dem Prüfstand

BFH, Urteil vom 18.06.2025 – X R 19/21
(Pressemitteilung Nr. 60/25 vom 25.09.2025)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt: Eine Diskothek ist kein Restaurant. Bei der Schätzung der Getränkeumsätze einer Diskothek darf das Finanzamt daher nicht auf die Rohgewinnaufschlagsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF für Gastronomiebetriebe zurückgreifen.


Der Streitfall

  • Eine Diskothek führte ihre Kassen für Getränkeumsätze nicht ordnungsgemäß.
  • Das Finanzamt griff auf die Richtsatzsammlung des BMF für Gastronomiebetriebe zurück, um die Umsätze zu schätzen.
  • Der BFH lehnte dies ab: Die Schätzung anhand von Vergleichswerten müsse die branchenspezifischen Besonderheiten berücksichtigen.

Wichtige Aussagen des BFH

  1. Innere vs. äußere Schätzung:
    • Der innere Betriebsvergleich, also die Anknüpfung an die eigenen Daten und Verhältnisse des geprüften Betriebs, ist im Regelfall zuverlässiger als der Rückgriff auf branchentypische Durchschnittswerte (äußerer Betriebsvergleich).
    • Finanzamt und Finanzgerichte sind zwar in der Wahl der Schätzungsmethode frei, müssen dieses Prinzip aber berücksichtigen.
  2. Kritik an der Richtsatzsammlung:
    • Der BFH äußert erhebliche Zweifel, ob die Richtsatzsammlung in ihrer derzeitigen Form eine geeignete Schätzungsgrundlage ist.
    • Begründung:
      • fehlende statistische Repräsentativität der Datengrundlagen,
      • Ausschluss bestimmter Gruppen von Betrieben bei der Ermittlung der Richtsätze.
    • Damit steht die amtliche Richtsatzsammlung des BMF insgesamt auf dem Prüfstand.

Bedeutung für die Praxis

  • Für Unternehmer:innen: Wer sich mit Schätzungen konfrontiert sieht, sollte prüfen, ob ein innerer Betriebsvergleich vorrangig in Betracht kommt.
  • Für Berater:innen: Das Urteil bietet Ansatzpunkte, Schätzungen auf Basis der Richtsatzsammlung kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzufechten.
  • Für die Finanzverwaltung: Die Anforderungen an die Qualität und Repräsentativität von Datensammlungen steigen. Gerichte verlangen nachvollziehbare und methodisch belastbare Grundlagen.

Praxis-Hinweis

  • Die Richtsatzsammlung ist für die Finanzverwaltung seit Jahren ein beliebtes Schätzungsinstrument. Mit der aktuellen BFH-Entscheidung wird jedoch deutlich, dass ihre Anwendbarkeit eingeschränkt ist.
  • Unternehmen, insbesondere in branchenfremden Konstellationen (z. B. Diskotheken vs. Restaurants), sollten Schätzungen anhand der Richtsatzsammlung nicht ungeprüft akzeptieren.
  • Es empfiehlt sich, frühzeitig eigene betriebsinterne Datenanalysen vorzulegen, um die Anwendung pauschaler Vergleichswerte zu vermeiden.

Quelle: Bundesfinanzhof