Mit Urteil vom 1. Oktober 2025 (Az. X R 31/23) hat der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung zur Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) präzisiert – und teilweise aufgegeben.
Das Urteil ist für alle Steuerberater relevant, die Schriftsätze bei Finanzgerichten einreichen und dabei auf die technischen Rahmenbedingungen des beSt angewiesen sind.
1. Neue Linie des BFH: Nutzungspflicht auch ohne Registrierungsbrief
Bisher vertrat der Senat die Auffassung:
- Das beSt „steht dem Steuerberater erst ab Zugang des Registrierungsbriefs zur Verfügung“
- → daher bestehe vorher keine Nutzungspflicht.
Diese Auffassung verfolgt der BFH nun nicht weiter.
Neue Kernaussage:
➡️ Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt unabhängig davon, ob der Registrierungsbrief bereits zugegangen ist.
Mit anderen Worten:
Rein rechtlich besteht die Pflicht zur beSt-Nutzung bereits dann, wenn das Postfach technisch bereitgestellt ist – nicht erst, wenn der Registrierungsbrief eingetroffen ist.
2. Was bedeutet das für Klagen ohne beSt?
Viele Steuerberater konnten sich bisher auf Hinweise der Bundessteuerberaterkammer berufen, wonach die beSt-Nutzung erst nach Zugang des Registrierungsbriefs erforderlich sei.
Wenn sie daher vor Erhalt des Registrierungsbriefs Schriftsätze nicht über das beSt eingereicht haben, stellt das nach Auffassung des BFH weiterhin:
👉 einen Wiedereinsetzungsgrund nach § 56 FGO dar.
Der BFH verweist ausdrücklich auf:
- BVerfG-Beschluss vom 23.06.2025 (1 BvR 1718/24)
- BFH-Urteil vom 06.08.2025 (X R 13/23)
3. Aber: Wiedereinsetzung nur bei fristgerechter Nachholung!
Ganz zentral:
➡️ Wiedereinsetzung gibt es nur, wenn die versäumte Prozesshandlung fristgerecht nachgeholt wird.
Das bedeutet:
- Die Klage oder der Schriftsatz muss innerhalb der Monatsfrist für den Wiedereinsetzungsantrag
- elektronisch über das beSt erneut eingereicht werden.
Ohne diese Nachholung ist ein Wiedereinsetzungsantrag automatisch unzulässig – selbst dann, wenn der Steuerberater den Registrierungsbrief objektiv noch nicht hatte.
4. Bedeutung für die Praxis
Für Steuerberater:
- Die beSt-Pflicht beginnt früher als bisher angenommen.
- Auch ohne Registrierungsbrief wird eine papierhafte Klage grundsätzlich nicht mehr akzeptiert.
- Wer dennoch in Papierform oder ohne beSt einreicht, muss:
✔ Wiedereinsetzung beantragen und
✔ elektronisch nachreichen – innerhalb der Fristen!
Für Kanzleiorganisation:
- beSt-Prozesse und technische Zugänge müssen sofort nach Freischaltung eingerichtet werden.
- Posteingang (Registrierungsbrief) muss dokumentiert werden.
- Teams sollten auf Pflicht zur unverzüglichen elektronischen Nachholung hingewiesen werden.
Für Mandanten:
- Verfahrensverzögerungen oder Risiken durch formunwirksame Einreichungen können kostspielig werden.
- Die Klagefrist bleibt gewahrt, wenn die Kanzlei schnell handelt.
5. Fazit
Der BFH zieht eine klare Linie:
Die Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs gilt nicht erst ab Zugang des Registrierungsbriefs, sondern bereits mit technischer Bereitstellung.
Gleichzeitig schützt er Steuerberater in der Übergangsphase:
Ein Irrtum ist entschuldbar – aber nur, wenn die elektronische Nachholung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt.
Damit wird das Urteil zum Schlüsselentscheid für den digitalen Rechtsverkehr im Steuerberaterberuf.