📅 31. Juli 2025
📄 BFH, Pressemitteilung Nr. 51/25 zum Beschluss XI R 23/24 vom 19.02.2025
Worum geht es?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 19. Februar 2025 (Az. XI R 23/24) eine unionsrechtlich brisante Frage vorgelegt:
Darf der Schutz des gutgläubigen Steuerpflichtigen erst im Billigkeitsverfahren geprüft werden – oder muss dieser Schutz bereits im Steuerfestsetzungsverfahren greifen?
Die Antwort des EuGH könnte weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Umsatzsteuerrecht haben.
Der Fall im Überblick
Die Klägerin betreibt u. a. Handel mit hochwertigen Uhren. Für bestimmte Umsätze wandte sie die sogenannte Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG an. Diese erlaubt es Wiederverkäufern, nur die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der Umsatzsteuer zu unterwerfen – vorausgesetzt, auch der Vorlieferant ist ein Wiederverkäufer.
Die Klägerin verließ sich hierbei auf entsprechende Angaben ihrer Vorlieferanten in den Rechnungen. Später stellte das Finanzamt fest, dass einige dieser Angaben unzutreffend waren. Es setzte die Umsatzsteuer entsprechend höher fest – ohne Rücksicht auf den angeblichen guten Glauben der Klägerin.
Rechtslage: Kein Schutz im Steuerbescheidverfahren?
Das Finanzgericht bestätigte die Sichtweise des Finanzamts:
Der gute Glaube sei nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern nur im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens (z. B. Erlassantrag) zu prüfen.
Der Steuerpflichtige müsste also zwei Verfahren führen:
- Klage gegen die Steuerfestsetzung
- Separates Verfahren zum Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen
BFH sieht Unionsrecht möglicherweise verletzt
Der BFH hält diese Praxis für unionsrechtlich zweifelhaft:
„Es erscheint nicht verhältnismäßig, dem Steuerpflichtigen ein zusätzliches Verfahren mit erheblichem Zeit-, Kosten- und Risikoaufwand aufzubürden.“
Besonders kritisch sieht der XI. Senat:
- die Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer
- das doppelte Kostenrisiko
- die Komplexität eines nachgelagerten Billigkeitsverfahrens
EuGH soll Klarheit schaffen
Der BFH hatte bereits in zwei früheren Fällen (u. a. zum Vorsteuerabzug) ähnliche Fragen an den EuGH gerichtet. Damals blieb eine Entscheidung aus, weil sich die Fälle anderweitig erledigten. Nun unternimmt der BFH einen dritten Anlauf, diesmal am Beispiel der Differenzbesteuerung.
Die Entscheidung des EuGH könnte jedoch über diesen Einzelfall hinaus Bedeutung erlangen – für viele Fallkonstellationen im Umsatzsteuerrecht, in denen der gute Glaube des Steuerpflichtigen eine Rolle spielt.
🔎 Praxis-Tipp für Unternehmer und Berater
Bis zur Klärung durch den EuGH gilt besondere Vorsicht:
- Vertrauen Sie nicht blind auf Angaben in Lieferantenrechnungen.
- Prüfen Sie sorgfältig, ob Voraussetzungen für Sonderregelungen (z. B. Differenzbesteuerung) wirklich erfüllt sind.
- Dokumentieren Sie Ihre Prüfungen nachvollziehbar.
- Im Zweifelsfall: Rechtzeitig steuerlichen Rat einholen.
📄 Zum Beschluss:
Der vollständige Beschluss ist auf der Website des Bundesfinanzhofs verfügbar.
www.bundesfinanzhof.de