Urteil vom 08.10.2025 – II R 33/23
Kurzfassung für die Praxis
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt:
Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel (§ 6a GrEStG) greift nicht, wenn Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft in eine erst kurz zuvor gegründete Kapitalgesellschaft eingebracht werden und die fünfjährige Vorbehaltensfrist nicht eingehalten ist.
➡️ Die Folge ist volle Grunderwerbsteuer, obwohl wirtschaftlich keine neue Person „hinzukommt“.
1. Worum ging es im Streitfall?
Im entschiedenen Fall wurden sämtliche Anteile an einer mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft, die wiederum an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt war, in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft eingebracht.
Dadurch kam es zu einem steuerbaren Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG (Übergang von mindestens 90 % der Anteile innerhalb von zehn Jahren).
Der Steuerpflichtige argumentierte, der Vorgang sei aufgrund der Konzernklausel des § 6a GrEStG grunderwerbsteuerfrei.
2. Entscheidung des BFH
Der BFH verneinte die Steuerbefreiung eindeutig.
Kernaussage des Urteils:
Eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG scheidet aus, wenn der Einbringende nicht innerhalb von fünf Jahren vor der Einbringung zu mindestens 95 % an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft beteiligt war.
Da die Kapitalgesellschaft erst kurz vor dem Einbringungsvorgang gegründet wurde, war die Vorbehaltensfrist zwangsläufig nicht erfüllt.
➡️ Grunderwerbsteuer fällt an.
3. Warum hilft § 6a GrEStG hier nicht?
Die Konzernklausel des § 6a GrEStG setzt voraus:
- ein herrschendes Unternehmen,
- ein oder mehrere abhängige Gesellschaften,
- eine ununterbrochene Mindestbeteiligung von 95 %,
- und zwar fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Umwandlungsvorgang.
Der BFH stellt erneut klar:
- Die Fristen sind materielle Tatbestandsvoraussetzungen,
- keine bloßen Förmlichkeiten,
- und nicht aus Billigkeitsgründen verkürzbar, wenn die Struktur erst neu geschaffen wurde.
4. Bedeutung für die Gestaltungspraxis
Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz, insbesondere bei:
- Holding-Neugründungen
- Einbringungsvorgängen nach dem UmwStG
- Umstrukturierungen von Familiengesellschaften
- Share Deals mit grundbesitzenden Personengesellschaften
Typische Fehlannahme:
„Die Gesellschaft gehört mir doch wirtschaftlich weiterhin.“
➡️ Grunderwerbsteuerlich unbeachtlich.
Maßgeblich sind zivilrechtliche Beteiligungsverhältnisse und gesetzliche Fristen, nicht die wirtschaftliche Identität.
5. Abgrenzung zu anderen Fällen
| Konstellation | Steuerbefreiung |
|---|---|
| Einbringung in langjährig bestehende 95%-Tochter | möglich |
| Ausgliederung zur Neugründung | kritisch |
| Vorbehaltensfrist objektiv nicht erfüllbar | keine Befreiung |
| Personengesellschaft → Kapitalgesellschaft | besonders risikobehaftet |
6. Handlungsempfehlung
Vor jeder Umstrukturierung mit Grundbesitz gilt:
- Frühzeitige grunderwerbsteuerliche Prüfung
- Analyse der Beteiligungsketten (direkt & mittelbar)
- Prüfung der Vor- und Nachbehaltensfristen
- Alternativgestaltungen erwägen (Zeitachse, Stufenmodell, Asset Deal)
➡️ Eine „zu schnelle“ Holdingstruktur kann teuer werden.
7. Fazit
Der BFH bestätigt seine strenge Linie bei § 6a GrEStG:
- Keine Steuerbefreiung ohne Einhaltung der Fristen
- Neugründungen sind grunderwerbsteuerlich gefährlich
- Wirtschaftliche Betrachtungsweisen helfen nicht
Für Unternehmer bedeutet das:
Grunderwerbsteuer ist ein zentrales Strukturierungsrisiko, das zwingend vor Umsetzung geprüft werden muss.