BFH, Urteil II R 43/22 vom 21.08.2024
Leitsatz
- Abzugsfähigkeit von Nachlassregelungskosten: Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen, um die testamentarisch jedem Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen.
- Öffentlichkeit bei Videoverhandlungen: Die Öffentlichkeit kann auch bei (teilweiser) Durchführung einer mündlichen Verhandlung mittels Bild- und Tonübertragung von einem anderen Ort nur im Gerichtssaal, nicht aber an dem anderen Ort, hergestellt oder ausgeschlossen werden.
Sachverhalt
Im verhandelten Fall ging es um die steuerliche Behandlung von Kosten, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft angefallen waren. Konkret entstanden diese Kosten durch die Versteigerung von beweglichen Nachlassgegenständen, um die testamentarisch vorgesehenen Geldbeträge für die Erben sicherzustellen.
Das Finanzamt hatte diese Kosten nicht als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten anerkannt. Die Steuerpflichtigen argumentierten hingegen, dass diese Kosten unmittelbar mit der Nachlassregelung zusammenhängen und daher als Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) abzugsfähig seien.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied zugunsten der Steuerpflichtigen und stellte fest, dass Kosten, die im Rahmen der Nachlassauseinandersetzung anfallen, unter bestimmten Voraussetzungen als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind. Insbesondere gilt:
- Versteigerungskosten: Kosten, die für die Versteigerung von beweglichen Nachlassgegenständen anfallen, um testamentarisch bestimmten Geldbeträge zu erzielen, sind abzugsfähige Nachlassregelungskosten. Diese Ausgaben dienen der Umsetzung der testamentarischen Anordnungen und stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.
- Nachlassregelungskosten: Solche Kosten zielen darauf ab, den Nachlass zu regeln, und sind daher als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des ErbStG zu qualifizieren.
Relevanz der Videoverhandlung
Der BFH ging in seinem Urteil auch auf die Öffentlichkeit bei Videoverhandlungen ein und stellte klar:
- Bei einer mündlichen Verhandlung, die teilweise über Bild- und Tonübertragung von einem anderen Ort durchgeführt wird, kann die Öffentlichkeit nur im Gerichtssaal hergestellt oder ausgeschlossen werden.
- Eine Öffentlichkeit an dem anderen Ort ist rechtlich nicht vorgesehen.
Auswirkungen auf die Praxis
- Steuerliche Planung für Erbengemeinschaften:
- Erben können Versteigerungskosten, die zur Nachlassregelung anfallen, als Nachlassverbindlichkeiten geltend machen. Dies kann die steuerliche Belastung im Rahmen der Erbschaftsteuer erheblich reduzieren.
- Wichtigkeit der Dokumentation:
- Um die Abzugsfähigkeit der Kosten nachzuweisen, ist eine klare Dokumentation erforderlich, die den Zusammenhang der Ausgaben mit der Nachlassauseinandersetzung belegt.
- Regelungen bei Videoverhandlungen:
- Gerichte und Verfahrensbeteiligte sollten bei der Organisation von Videoverhandlungen beachten, dass die Öffentlichkeit nur im Gerichtssaal hergestellt oder ausgeschlossen werden kann. Dies hat praktische Auswirkungen auf die Gestaltung von Hybrid-Verfahren.
Fazit
Das Urteil des BFH klärt wichtige Fragen zur steuerlichen Behandlung von Nachlassregelungskosten und bringt mehr Rechtssicherheit für Erbengemeinschaften. Gleichzeitig unterstreicht es die rechtlichen Anforderungen an die Öffentlichkeit bei Videoverhandlungen. Erben und Steuerberater sollten die Möglichkeiten zur steuerlichen Berücksichtigung solcher Kosten sorgfältig prüfen.