BFH, Urteil II R 7/22 vom 28.02.2024
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 28. Februar 2024 entschieden, dass bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgeblich ist und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen. Dies gilt sowohl für zwischengeschaltete Kapital- als auch für Personengesellschaften.
Leitsätze des Urteils
- Beteiligung am Gesellschaftskapital: Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend. Dies bestätigt das Urteil des BFH vom 27.09.2017 – II R 41/15.
- Rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils vom 27.09.2017: Die rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils auf einen Anteilserwerb im Jahr 2012 verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), da kein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen in die frühere Rechtslage bestehen konnte.
- Objektive Anzeigepflichten: Die grunderwerbsteuerrechtlichen Anzeigepflichten bestehen objektiv und auch dann, wenn ein bereits erfolgter Rechtsvorgang durch die Rechtsprechung als steuerbar angesehen wird, bei dem der Steuerpflichtige subjektiv nicht wusste, dass eine Anzeige zu erstatten ist.
- Billigkeitsantrag: Wenn das Finanzgericht einen Billigkeitsantrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 € mangels Ermessensreduzierung auf Null ablehnt und die Finanzbehörde zur Neubescheidung des Antrags verpflichtet, kann der Steuerpflichtige im Revisionsverfahren seinen Antrag weiter verfolgen.
Hintergrund des Falls
Die Klägerin, eine luxemburgische Kapitalgesellschaft, war Kommanditistin der G-KG, die eine GmbH als Komplementärin hatte. Am 9. Februar 2012 erwarben die Klägerin und die G-KG Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft GL. Der Erwerbsvorgang wurde erst 2019 dem Finanzamt (FA) angezeigt, das daraufhin Grunderwerbsteuer festsetzte. Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein und beantragte zudem die Festsetzung der Steuer auf 0 € aus Billigkeitsgründen. Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag ab, verpflichtete jedoch die Finanzbehörde zur Neubescheidung.
Entscheidung des BFH
- Zurückweisung der Revision: Der BFH wies die Revision der Klägerin gegen das Urteil des FG zurück und bestätigte, dass der Erwerbsvorgang vom 9. Februar 2012 nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.
- Kein Vertrauensschutz: Die Klägerin konnte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bestand, die die sachenrechtliche Beteiligung an der zwischengeschalteten Personengesellschaft für maßgeblich erklärte. Die rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils vom 27.09.2017 verstößt somit nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
- Anzeigepflichten: Die objektiven Anzeigepflichten bestehen auch unabhängig vom subjektiven Wissen der Steuerpflichtigen. Daher war die Festsetzungsverjährung nicht abgelaufen, da die Anzeigepflicht nicht erfüllt wurde.
- Billigkeitsantrag: Das Ermessen des FA war nicht auf Null reduziert. Die Steuerfestsetzung entsprach der Gesetzeslage und war nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen zu ändern.