BFH: Unrichtiger Steuerausweis – Wann und wie Rechnungen wirksam berichtigt werden können


BFH, Urteil vom 09.07.2025 – XI R 25/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 9. Juli 2025 zentrale Fragen zur Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises nach § 14c UStG geklärt. Besonders praxisrelevant:
Der BFH konkretisiert, wann keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, zu welchem Zeitpunkt eine Berichtigung wirkt und wer eine Rechnung wirksam berichtigen darf.


1. Ausgangspunkt: Unrichtiger Steuerausweis in Rechnungen

Ein unrichtiger Steuerausweis liegt vor, wenn in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen wird, obwohl:

  • der Umsatz nicht steuerbar oder steuerfrei ist oder
  • der ausgewiesene Steuerbetrag zu hoch ist.

Grundsätzlich schuldet der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Steuer nach § 14c UStG, um das Steueraufkommen zu schützen. Diese Haftung greift jedoch nicht schrankenlos.


2. Keine Anwendung von § 14c UStG ohne Gefährdung des Steueraufkommens

Der BFH stellt klar:

Ist eine Gefährdung des Steueraufkommens vollständig ausgeschlossen, finden § 14c UStG und Art. 203 MwStSystRL keine Anwendung.

Wann liegt keine Gefährdung vor?

Eine Gefährdung des Steueraufkommens ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn:

  • der Rechnungsempfänger keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat oder
  • ein unberechtigter Vorsteuerabzug rückgängig gemacht wurde und
  • eine doppelte Steuerbelastung des Fiskus sicher ausgeschlossen ist.

➡️ Folge: Der Rechnungsaussteller schuldet die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht allein wegen des fehlerhaften Steuerausweises.


3. Zeitpunkt der Berichtigung: Wann wirkt sie steuerlich?

Ein zentraler Punkt des Urteils betrifft den Zeitpunkt der Berichtigung.

Der BFH entscheidet:

Die Berichtigung wirkt zu dem Zeitpunkt, zu dem eine zuvor bestehende Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist.

Das bedeutet:

  • Die Berichtigung wirkt nicht zwingend rückwirkend auf den ursprünglichen Rechnungszeitpunkt.
  • Maßgeblich ist der Moment, in dem keine Gefahr mehr besteht, dass dem Fiskus Umsatzsteuer entgeht.

Dies ist insbesondere relevant für:

  • Zinsfragen (§ 233a AO),
  • Berichtigungen in laufenden Betriebsprüfungen,
  • Abgrenzung der Voranmeldungszeiträume.

4. Entgeltminderung (§ 17 UStG) und Rechnungsberichtigung sind unabhängig

Der BFH stellt ausdrücklich klar:

Die Berichtigung wegen einer Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG) ist nicht zwingend von einer formellen Rechnungsberichtigung abhängig.

Praktische Bedeutung:

  • Eine Entgeltminderung (z.B. Rabatt, Rückzahlung, Vergleich) kann umsatzsteuerlich wirksam sein,
    auch wenn die Rechnung formal noch nicht berichtigt wurde.
  • Die umsatzsteuerliche Korrektur folgt der wirtschaftlichen Änderung, nicht zwingend der formellen Rechnung.

5. Rechnungsberichtigung durch Dritte – BFH erweitert die Praxis

Besonders praxisfreundlich ist die Klarstellung zur Berichtigung durch Dritte.

Der BFH entscheidet:

Eine Rechnung kann auch durch Dritte berichtigt werden,
wenn diese mit der Prüfung beauftragt sind und
Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger die Berichtigung akzeptieren.

Typische Fälle:

  • Steuerberater im Rahmen einer Betriebsprüfung,
  • Wirtschaftsprüfer,
  • interne Prüfstellen großer Unternehmen.

➡️ Entscheidend ist nicht, wer die Berichtigung technisch vornimmt, sondern:

  • dass sie inhaltlich korrekt ist und
  • von beiden Vertragsparteien anerkannt wird.

6. Verfahrensrechtlicher Hinweis: Revision schon vor Zustellung möglich

Der BFH bestätigt außerdem:

Eine Revision kann bereits nach Verkündung des finanzgerichtlichen Urteils eingelegt werden – auch vor Zustellung.

Das ist relevant für:

  • Fristenkontrolle,
  • strategische Verfahrensführung in komplexen Steuerstreitigkeiten.

7. Bedeutung für die Praxis

Das Urteil bringt mehr Rechtssicherheit und Flexibilität:

✔ Keine automatische Steuerhaftung bei rein formalen Fehlern
✔ Klare Abgrenzung zwischen § 14c UStG und § 17 UStG
✔ Erleichterung bei Betriebsprüfungen
✔ Anerkennung moderner Prüf- und Berichtigungsprozesse


8. Fazit

Der BFH stärkt mit dem Urteil XI R 25/23 die materielle Betrachtungsweise im Umsatzsteuerrecht:

  • Schutz des Steueraufkommens bleibt zentral,
  • aber rein formale Risiken werden begrenzt,
  • Berichtigungen sind praxisnah und flexibel möglich.

Für Unternehmer bedeutet das:

Fehlerhafte Rechnungen sind kein Automatismus mehr für Steuerschulden – entscheidend ist, ob dem Fiskus tatsächlich ein Schaden droht.


Hinweis: Die Anwendung der Grundsätze hängt stets vom Einzelfall ab. Eine frühzeitige steuerliche Prüfung ist insbesondere bei Betriebsprüfungen dringend zu empfehlen.