BFH: Verlustabzugssperre zur Verhinderung einer doppelten Nutzung von Organschaftsverlusten im In- und Ausland

BFH, Urteil vom 16.07.2025 – I R 20/22

Mit Urteil vom 16. Juli 2025 (I R 20/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zentrale Fragen zur Verlustabzugssperre nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG geklärt. Im Mittelpunkt steht die Zielsetzung der Norm, eine doppelte Nutzung von Organschaftsverlusten im Inland und Ausland zu verhindern. Der BFH bestätigt dabei sowohl die rückwirkende Anwendbarkeit der Regelung als auch ihren weiten persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich.

Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für grenzüberschreitende Konzernstrukturen mit ertragsteuerlicher Organschaft.

Hintergrund: Verlustabzugssperre bei Organschaften

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG wurde durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 eingeführt. Die Vorschrift soll verhindern, dass Verluste einer Organgesellschaft oder des Organträgers sowohl in Deutschland als auch im Ausland steuerlich berücksichtigt werden.

Die zeitliche Anwendungsregelung findet sich in § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG. Danach ist die Verlustabzugssperre rückwirkend auf alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle anzuwenden. Diese Rückwirkung war im Streitfall Gegenstand verfassungsrechtlicher und systematischer Bedenken.

Entscheidung des BFH

Der BFH weist die Revision zurück und bestätigt die Anwendung der Verlustabzugssperre in vollem Umfang.

Keine Regelungslücke bei der zeitlichen Anwendung

Zunächst stellt der BFH klar, dass die zeitliche Anwendungsregelung des § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG keine verdeckte Regelungslücke enthält. Der Gesetzgeber habe die rückwirkende Geltung der Verlustabzugssperre ausdrücklich angeordnet. Eine einschränkende Auslegung oder eine verfassungskonforme Reduktion des Anwendungsbereichs komme daher nicht in Betracht.

Damit bestätigt der BFH die umfassende Rückwirkung der Vorschrift auf alle offenen Veranlagungszeiträume.

Persönlicher Anwendungsbereich: Kein Auslandsbezug erforderlich

Weiter stellt der BFH klar, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG persönlich auf jeden Organträger anzuwenden ist. Die Norm beschränkt sich nicht auf Organträger, die sowohl im Inland als auch im Ausland ansässig sind.

Entscheidend ist allein, ob negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft im Ausland steuerlich berücksichtigt werden. Ein eigener Wohnsitz oder Sitz des Organträgers im Ausland ist nicht erforderlich.

Bedeutung für die Gewerbesteuer

Von erheblicher praktischer Relevanz ist zudem die Aussage des BFH zur Gewerbesteuer. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gehört nach Auffassung des Gerichts zu den Gewinnermittlungsvorschriften, auf die § 7 Satz 1 GewStG verweist.

Die Verlustabzugssperre ist daher auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass sich die Sperrwirkung nicht nur auf die Körperschaftsteuer, sondern auch auf die Gewerbesteuer auswirkt.

Maßstab für eine ausländische Verlustberücksichtigung

Schließlich konkretisiert der BFH, wann eine relevante Berücksichtigung negativer Einkünfte im Ausland vorliegt. Eine solche ist nur insoweit gegeben, als eine am Ertrag orientierte ausländische Steuer unter Einbeziehung sämtlicher Einkünfte aus derselben Quelle bei periodenübergreifender Betrachtung endgültig niedriger festgesetzt wurde, als dies ohne Berücksichtigung dieser Einkunftsquelle der Fall gewesen wäre.

Damit grenzt der BFH rein temporäre Effekte von einer endgültigen steuerlichen Doppelverwertung ab und stellt auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung ab.

Praxishinweis

Das Urteil stärkt die Rechtsposition der Finanzverwaltung und unterstreicht die weitreichende Bedeutung der Verlustabzugssperre bei Organschaften:

  • Die rückwirkende Anwendung der Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
  • Die Sperre gilt unabhängig von der Ansässigkeit des Organträgers.
  • Sie wirkt sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer.
  • Maßgeblich ist eine endgültige steuerliche Entlastung im Ausland, nicht nur eine vorübergehende Verlustverrechnung.

Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass grenzüberschreitende Organschaftsstrukturen und ausländische Verlustnutzungen sorgfältig auf eine mögliche Sperrwirkung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG zu überprüfen sind. Insbesondere bei internationalen Konzernen ist eine abgestimmte Steuerplanung im In- und Ausland unerlässlich, um ungewollte steuerliche Mehrbelastungen zu vermeiden.

Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.07.2025 – I R 20/22