Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 29. August 2024 (Az. V R 43/21) klargestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art (BgA) gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zwischen allen betroffenen BgA einzeln geprüft werden müssen. Damit widerspricht der BFH der bisherigen Verwaltungsauffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) aus dem Schreiben vom 12. November 2009.
Hintergrund: Zusammenfassung von BgA
Betriebe gewerblicher Art (BgA) sind organisatorisch verselbstständigte Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die sich nicht in der hoheitlichen Sphäre bewegen. Nach § 4 Abs. 6 KStG können mehrere BgA zusammengefasst werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Gleiche Trägerschaft (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG):
Alle BgA müssen von derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts getragen werden. - Gleiche Zweckbestimmung (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG):
Die BgA müssen denselben oder einen ähnlichen Zweck verfolgen. - Zusammenhängende Tätigkeit (§ 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 KStG):
Die Tätigkeiten der BgA müssen miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen.
Kernaussagen des BFH-Urteils
- Einzelprüfung erforderlich:
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG müssen für jede Paarung der zusammenzufassenden BgA einzeln geprüft werden. Eine pauschale Prüfung, wie sie das BMF-Schreiben vorsieht, ist unzulässig. - Widerspruch zur Verwaltungsauffassung:
Das BMF hatte in seinem Schreiben von 2009 (BStBl I 2009, S. 1303, Rz. 5 Satz 2 und 3) festgelegt, dass bei mehr als zwei BgA eine Zusammenfassung auch möglich sei, wenn die Voraussetzungen nicht zwischen allen BgA, sondern nur innerhalb der Gruppe insgesamt erfüllt sind. Diese Auffassung wurde vom BFH verworfen. - Strikte Auslegung des Gesetzeswortlauts:
Der BFH betont, dass die gesetzliche Grundlage in § 4 Abs. 6 KStG keine Ausnahmen oder Erleichterungen für die Zusammenfassung von mehr als zwei BgA vorsieht. Jede Paarung von BgA muss einzeln betrachtet werden.
Praktische Konsequenzen
- Erhöhte Prüfungsanforderungen:
Kommunen und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, die mehrere BgA zusammenfassen möchten, müssen sicherstellen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 KStG zwischen allen betroffenen BgA erfüllt sind. Eine unzureichende Prüfung kann dazu führen, dass die Zusammenfassung steuerlich nicht anerkannt wird. - Überprüfung bestehender Zusammenfassungen:
Unternehmen der öffentlichen Hand sollten bestehende Zusammenfassungen von BgA auf ihre Konformität mit den strengeren BFH-Anforderungen hin überprüfen, insbesondere wenn sie sich bislang auf die großzügigere BMF-Verwaltungspraxis stützten. - Verwaltungsaufwand steigt:
Die Einzelprüfung aller BgA-Paarungen führt zu einem erheblichen zusätzlichen Aufwand. Eine enge Zusammenarbeit mit steuerlichen Beratern und gegebenenfalls der Finanzverwaltung ist empfehlenswert.
Fazit
Das BFH-Urteil verschärft die Anforderungen an die Zusammenfassung von BgA und stellt die bisherige Verwaltungsauffassung infrage. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sollten ihre Praxis anpassen und bestehende Zusammenfassungen auf ihre rechtliche Tragfähigkeit prüfen lassen, um mögliche steuerliche Nachteile zu vermeiden. Eine sorgfältige Dokumentation und Beratung sind unerlässlich, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.