Mit dem Urteil vom 18. April 2023, VII R 35/19, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Zahlung von Arbeitslohn eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO) darstellt.
In dem zugrunde liegenden Fall war eine GmbH im April 2015 in die vorläufige Insolvenzverwaltung und im Mai 2015 in das Insolvenzverfahren überführt worden. Im April 2015 hatte die GmbH noch Arbeitslohn für den Monat März 2015 gezahlt. Das Finanzamt (FA) hatte die Körperschaftsteuer für das Jahr 2014 festgesetzt und dabei ein Guthaben in Höhe von rund 10.000 Euro berücksichtigt. Das FA ging davon aus, dass die Zahlung des Arbeitslohns im April 2015 nicht anfechtbar sei, da es sich um eine Zahlung an den Arbeitnehmer handele.
Die Insolvenzverwalterin der GmbH erhob dagegen Einspruch gegen den Steuerbescheid. Sie vertrat die Auffassung, dass die Zahlung des Arbeitslohns anfechtbar sei, da sie eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen darstelle.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) gab der Einspruchsführerin Recht und hob den Steuerbescheid teilweise auf. Das FG führte aus, dass die Zahlung des Arbeitslohns im April 2015 eine unentgeltliche Zuwendung an den Arbeitnehmer darstelle, die zu einer Verminderung des Schuldnervermögens geführt habe. Die Zahlung sei daher nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar.
Das FA legte Revision ein.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG. Der BFH führte aus, dass die Zahlung von Arbeitslohn grundsätzlich eine unentgeltliche Zuwendung an den Arbeitnehmer darstelle. Diese Zuwendung sei zu einer Verminderung des Schuldnervermögens geführt habe, da der Arbeitnehmer den Arbeitslohn in der Regel nicht an den Schuldner zurückgezahlt habe.
Der BFH wies darauf hin, dass die Zahlung von Arbeitslohn auch dann anfechtbar sei, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Die Zahlung sei auch dann anfechtbar, wenn sie an einen Arbeitnehmer gezahlt worden sei, der nicht zur Insolvenzmasse gehöre.
Die Entscheidung des BFH ist von erheblicher Bedeutung für die Insolvenzpraxis. Die Entscheidung stellt klar, dass die Zahlung von Arbeitslohn grundsätzlich eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der Insolvenzordnung darstellt. Die Entscheidung gilt auch für Zahlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind.
Die Entscheidung hat folgende Konsequenzen für die Praxis:
- Insolvenzverwalter sollten bei der Zahlung von Arbeitslohn sorgfältig prüfen, ob die Zahlung anfechtbar ist.
- Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass sie bei einer anfechtbaren Zahlung des Arbeitslohns in Regress genommen werden können.
- Gläubiger sollten beachten, dass die Zahlung von Arbeitslohn zu einer Minderung der Insolvenzmasse führen kann.