Wenn der Preis erst nach der Einfuhr erhöht wird, spricht vieles für eine Preisbeeinflussung
Mit Urteil vom 15. Juli 2025 (VII R 36/22) hat der Bundesfinanzhof wichtige Grundsätze zur Zollwertermittlung bei grenzüberschreitenden Geschäften zwischen verbundenen Unternehmen klargestellt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wann der Transaktionswert nach Art. 29 ZK bzw. Art. 70 UZK noch anwendbar ist – und wann Preisänderungen als Hinweis auf eine unzulässige Preisbeeinflussung gelten.
Das Urteil ist für viele internationale Unternehmensgruppen von großer praktischer Bedeutung.
1. Rechtlicher Rahmen: Transaktionswert und nachträgliche Überprüfung
Nach Art. 78 ZK / Art. 48 UZK kann die Zollbehörde eine Anmeldung nach Überlassung der Ware prüfen – entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders.
Der Regelfall der Zollwertermittlung ist der Transaktionswert (Art. 29 ZK / Art. 70 UZK) – also der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis.
Doch bei Geschäften zwischen verbundenen Unternehmen gilt eine entscheidende Voraussetzung:
👉 Der Preis darf durch die Verbundenheit nicht beeinflusst sein.
2. Kern des Urteils: Nachträgliche Preiserhöhung → Indiz für Preisbeeinflussung
Der BFH betont:
- Wird der ursprünglich gemeldete Preis später erhöht,
- und betrifft dies ein Geschäft zwischen verbundenen Unternehmen,
dann spricht viel dafür, dass:
👉 die Verbundenheit den ursprünglichen Preis beeinflusst hat.
Folge:
- Die Transaktionswertmethode kann ausgeschlossen sein.
- Der Zollwert muss nach Ersatzmethoden ermittelt werden, z. B.:
– Gleichwertige Waren (Art. 74 Abs. 2 UZK),
– Deduktive Methode,
– Computermethode,
– Schlussmethode („Letzte Möglichkeit“).
Damit stellt der BFH klar:
Nachträgliche Preisänderungen sind hochgradig verdachtsbegründend.
3. Aufgabe des Finanzgerichts: Vollständige Tatsachenwürdigung
Der BFH hebt hervor:
👉 Bei Streit über die Preisbeeinflussung muss das Finanzgericht alle relevanten Tatsachen feststellen und würdigen.
Das bedeutet:
- Analyse der Vertragsbeziehungen,
- Prüfung der Berechnung des ursprünglichen Preises,
- Untersuchung der Gründe für die spätere Preiserhöhung,
- Bewertung der wirtschaftlichen Abhängigkeiten.
Ein pauschaler Hinweis auf Geschäftsbeziehungen oder interne Buchungen reicht nicht aus.
4. Bedeutung für Unternehmen: Höhere Anforderungen an Dokumentation und Compliance
Das Urteil hat weitreichende Folgen für international verbundene Unternehmen:
4.1 Dokumentationspflichten steigen
Unternehmen müssen belegen können:
- warum der ursprüngliche Preis korrekt war,
- warum eine spätere Anpassung erforderlich wurde (z. B. Fehler, Nachkalkulation, Lieferbedingungen),
- dass die Verbundenheit keinen Einfluss auf die Preisbildung hatte.
4.2 Harmonisierung von Zoll- und Transferpreisprozessen wird wichtiger
Wenn Transferpreise angepasst werden („year-end adjustments“), betrifft das oft auch den Zollwert.
Der BFH macht deutlich:
👉 Zollrechtliche Preisänderungen sind nicht einfach „übertragbar“ – sie müssen zollrechtlich begründet sein.
4.3 Risiko von Nachforderungen steigt
Nachträgliche Preisänderungen können zu:
- Zollwertanpassungen,
- Nachzahlungen von Zöllen und EUSt,
- Verzugszinsen,
- Compliance-Prüfungen oder Bußgeldern führen.
5. Praktische Empfehlungen für Unternehmen
Unternehmen sollten:
- Preisbildungsprozesse eindeutig dokumentieren,
- klare Gründe für spät erfasste oder angepasste Preise vertreten können,
- Transferpreis- und Zollstrategie eng abstimmen,
- interne Kontrollen zur Preisfestlegung etablieren,
- zollrechtliche Auswirkungen von „TP Adjustments“ frühzeitig prüfen.
Fazit
Der BFH stellt klar:
Bei verbundenen Unternehmen ist eine nachträgliche Preiserhöhung ein starkes Indiz für eine unzulässige Preisbeeinflussung – und kann die Anwendung des Transaktionswerts ausschließen.
Damit steigen die Anforderungen an:
- Vertragsklarheit,
- Preisbildungsdokumentation,
- Abstimmung zwischen Steuer- und Zollabteilungen.
Das Urteil unterstreicht, wie wichtig integrierte Zoll- und Transferpreis-Compliance in internationalen Konzernen geworden ist.
Quelle: BFH-Urteil VII R 36/22 vom 15.07.2025