BFH: Zweifache Grunderwerbsteuer bei Anteilserwerb? – Zweifel an Doppelbesteuerung bei Auseinanderfallen von Signing und Closing

📄 BFH, Beschluss II B 13/25 (AdV)
🔗 Quelle: Bundesfinanzhof


Worum geht es?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit Beschluss vom 09.07.2025 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kritisch zur Praxis der zweifachen Festsetzung von Grunderwerbsteuer bei Unternehmensanteilserwerben geäußert, wenn Signing und Closing zeitlich auseinanderfallen.

Im Raum steht die Frage, ob bei einem solchen Erwerbsvorgang sowohl nach § 1 Abs. 2b und nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG jeweils gesondert Grunderwerbsteuer festgesetzt werden darf, obwohl der Vorgang wirtschaftlich zusammenhängt.


Hintergrund: Grunderwerbsteuer bei Anteilsübertragungen

Die Grunderwerbsteuer fällt nicht nur bei klassischen Immobilienkäufen an, sondern auch beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen, wenn dadurch mittelbar auf ein Grundstück zugegriffen wird.

Dabei greifen insbesondere zwei Vorschriften:

  • § 1 Abs. 2b GrEStG: Grunderwerbsteuerpflicht bei Erwerb von Anteilen, durch die mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen.
  • § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG: Steuerpflicht, wenn mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Erwerbers vereinigt werden.

Das Problem: Doppelbesteuerung bei zeitlicher Trennung von Signing und Closing

Im vorliegenden Fall wurden die Anteile an einer grundbesitzenden GmbH veräußert – das sogenannte Signing (Abschluss des Kaufvertrags) und das spätere Closing (tatsächliche Übertragung der Anteile) lagen zeitlich auseinander.

Das Finanzamt setzte zweimal Grunderwerbsteuer fest:

  1. Einmal auf Grundlage des schuldrechtlichen Vertrags (Signing, § 1 Abs. 2b GrEStG),
  2. und später nochmals auf Grundlage der tatsächlichen Anteilsübertragung (Closing, § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).

BFH: Rechtliche Zweifel an doppelter Besteuerung

Der BFH äußert in seinem Beschluss ernsthafte Zweifel, ob diese doppelte Festsetzung zulässig ist – insbesondere dann, wenn dem Finanzamt bei Erlass des zweiten Bescheids bereits bekannt war, dass das Closing erfolgt ist.

Die Richter stellten klar:

Es sei fraglich, ob ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang zwei separate Steuerfestsetzungen rechtfertigen könne. Insbesondere sei zu prüfen, ob die spätere Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG noch zulässig sei, wenn das Closing bereits bekannt war.


Bedeutung für die Praxis

Dieser Beschluss ist insbesondere für Gesellschaftstransaktionen mit Immobilienbezug von großer Bedeutung:

✅ Bei strukturierten Anteilskäufen (Share Deals) sollten steuerliche Risiken einer möglichen Doppelbelastung im Blick behalten werden.
✅ Die Praxis der Finanzverwaltung, beide Vorschriften kumulativ anzuwenden, steht nun auf dem Prüfstand.
✅ Unternehmen sollten bei geplanten Transaktionen rechtzeitig prüfen (lassen), wie der Ablauf von Signing und Closing steuerlich strukturiert werden kann, um unnötige Mehrbelastungen zu vermeiden.


📄 Hinweis:
Der vollständige Beschluss ist auf der Homepage des Bundesfinanzhofs verfügbar.
www.bundesfinanzhof.de