Bindungswirkung der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG für die Festsetzung des Auszahlungsanspruchs gem. § 37 Abs. 5 KStG

In einem bei dem 1. Senat des Finanzgerichts geführten Verfahren (Aktenzeichen 1 K 284/10) stritten die

Beteiligten darüber, ob das beklagte FA verpflichtet sei, den gegen die Klägerin bereits am 28. Februar

2003 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände des verwendbaren Eigenkapitals

zum 31. Dezember 2001 zu ändern und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals unter

Anwendung des § 36 Abs. 3 bis 6a n.F. zu ermitteln und entsprechend festzustellen. Mit Beschluss vom

17. November 2009 1 BvR 2192/05 (BGBl I 2010, 326, BVerfGE 125, 1) hatte das BVerfG die Umgliederungsvorschrift

des § 36 Abs. 3 KStG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als die Umgliederung des zum

Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren mit 45 % belasteten

Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK

02) zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte. Zugleich verpflichtete es den

Gesetzgeber, für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren eine Neuregelung zu treffen, die

den Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials

sicherstellte. Die Umsetzung durch den Gesetzgeber erfolgte durch § 36 Abs.

3 – 6a KStG i.d.F. des JStG 2010. Gem. § 34 Abs. 13 KStG ist die Neuregelung in allen Fällen anzuwenden,

in denen die Endbestände i.S.d. § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind.

Nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG (und vor Ergehen der gesetzlichen Neuregelung) beantragte

die Klägerin die Änderung des gegen sie ergangenen Bescheides über die gesonderte Feststellung der

Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen

auf den 31. Dezember 2001, der nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheide zum 31. Dezember

2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie des Bescheides über die Festsetzung des Anspruchs auf Aus5

zahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG. Sie sei durch die nunmehr als verfassungswidrig

erklärten Übergangsregelungen steuerlich belastet, weil ihr durch die beanstandeten Feststellungen

Körperschaftsteuerminderungspotenzial verloren gehe. Das FA lehnte eine Änderung der Bescheide

ab. Die Bescheide zum 31. Dezember 2001 seien bereits vor dem Ergehen des BVerfG-Beschlusses in

formelle und materielle Bestandskraft erwachsen und daher nicht mehr änderbar. Der ursprünglich gegebene

Vorbehalt der Nachprüfung sei mit dem Eintritt der Feststellungsverjährung am 31. Dezember 2006

gem. §§ 164 Abs. 4, 169 Abs. 2 Satz 1 AO entfallen. Das BVerfG habe ausdrücklich angeordnet, dass der

Gesetzgeber eine Neuregelung nur für noch offene Steuerverfahren zu treffen habe. Eine Änderung komme

nach dem Ablauf der Feststellungsfrist auch nicht gem. § 181 Abs. 5 AO in Betracht, denn diese Norm

begründe keine eigenständige Änderungsbefugnis.

Mit der Klage begehrte die Klägerin noch, das FA zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung

der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG zum 31. Dezember 2001 zu ändern. Hilfsweise sei jedenfalls

der Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2006 zu ändern und ein höheres KSt-Guthaben

zu ermitteln. Das System der Vergütung von KSt-Guthaben sei zum 31. Dezember 2006 tiefgreifend geändert

worden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Feststellung des „alten“

Guthabens Bindungswirkung für das „neue“ Guthaben zukommen solle.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Einzig denkbare Grundlage für eine Änderung des auf den 31.

Dezember 2001 ergangenen Feststellungsbescheides sei § 164 Abs. 2 AO. Dessen Anwendung komme

jedoch wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Feststellungsverjährung nicht in Betracht, weil mit Eintritt

der Feststellungsverjährung gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO auch der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen

sei. Dem stehe auch § 181 Abs. 5 AO nicht entgegen. Zwar sei der auf den 31. Dezember 2001 ergangene

Feststellungsbescheid für den Bescheid über die Festsetzung des Auszahlungsguthabens „von

Bedeutung“ im Sinne der Vorschrift, wenn man von einem Verhältnis Grundlagen-/Folgebescheid ausgehe.

Durch § 181 Abs. 5 AO werde jedoch weder eine eigenständige Änderungsmöglichkeit geschaffen,

noch werde der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt. Vielmehr ermögliche es die Norm lediglich, einen

Feststellungsbescheid mit eingeschränktem Regelungsinhalt zu erlassen, obwohl die Feststellungsfrist

bereits abgelaufen sei.

Die hilfsweise beantragte Änderung des auf den 31. Dezember 2006 ergangenen Feststellungsbescheides

komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Bescheid auf den 31. Dezember 2006 sei schon kein Grundlagenbescheid

im Verhältnis zu dem Bescheid betreffend die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des

KSt-Guthabens. Letzteres sei nämlich gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG letztmalig zum 31. Dezember 2005

festgestellt worden. Zum

31. Dezember 2006 werde es gem. § 37 Abs. 4 KStG nur „ermittelt“ und eben nicht festgestellt. Gem. §

179 Abs. 1 AO dürften Besteuerungsgrundlagen nur dann durch einen Feststellungsbescheid festgestellt

werden, wenn dies gesetzlich bestimmt sei. Da es hier an einer solchen Bestimmung gerade fehle, werde

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das KSt-Guthaben lediglich nachrichtlich ausgewiesen, aber nicht vom Tenor/Regelungsgehalt des Bescheides

umfasst.

Auch wenn der Hilfsantrag als Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides zum

31. Dezember 2005 ausgelegt werde, könne er keinen Erfolg haben. Einer Änderung stehe die Bindungswirkung

der vorausgegangenen Feststellungsbescheide entgegen. Die Feststellung der Teilbeträge des

verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 und zum

31. Dezember 2002 bis 2005 sei in § 36 Abs. 7 KStG bzw. in § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG ausdrücklich geregelt.

Die Feststellungen entfalteten als Grundlagenbescheide gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung

für die jeweiligen Folge(feststellungs)bescheide. Die Bindungswirkung sei aber auch bei der Ermittlung

des KSt-Guthabens und bei der Festsetzung dieses Guthabens als Auszahlungsanspruch zu beachten.

Das gelte, obwohl zum 31. Dezember 2001 und 2006 das KSt-Guthaben nicht festgestellt worden sei.

Materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt zur Ermittlung und Sicherung des Körperschaftsteuerguthabens

beim Übergang zum Halbeinkünfteverfahren sei der Feststellungsbescheid gem.

§ 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a.F. gewesen. Dieser sei Grundlagenbescheid für den Bescheid gem. § 36 Abs. 7

KStG gewesen. Letzterer wiederum bilde hinsichtlich der in ihm ausgewiesenen Endbestände der Teilbeträge

des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 die materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich

bindende Grundlage für die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG auf den 31.

Dezember 2001, für die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Guthabens zum 31. Dezember

2002 bis 2005 sowie für die Ermittlung des Guthabens zum 31. Dezember 2006. Dementsprechend könnten

Einwendungen gegen die Höhe des Endbestandes an EK 40 nur gegen den Feststellungsbescheid

gem. § 36 Abs. 7 KStG geltend gemacht werden, nicht aber im Verfahren betreffend die Ermittlung des

KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG. Diese erfolge allein durch eine mathematische Operation, nämlich

durch Anwendung eines Faktors von 1/6 auf den festgestellten Endbestand des EK 40; rechtliche Überlegungen

seien nicht anzustellen.

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 46/13 geführt.