Bindungswirkung der Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG für die Festsetzung des Auszahlungsanspruchs

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 1 K 284/10 vom 21.05.2013 (nrkr – BFH-Az. I R 46/13)

In einem bei dem 1. Senat des Finanzgerichts geführten Verfahren (Az. 1 K 284/10) stritten die Beteiligten darüber, ob das beklagte FA verpflichtet sei, den gegen die Klägerin bereits am 28. Februar 2003 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 zu ändern und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals unter Anwendung des § 36 Abs. 3 bis 6a n. F. zu ermitteln und entsprechend festzustellen. Mit Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05 (BGBl I 2010, 326, BVerfGE 125, 1) hatte das BVerfG die Umgliederungsvorschrift des § 36 Abs. 3 KStG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als die Umgliederung des zum Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren mit 45 % belasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK 02) zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte. Zugleich verpflichtete es den Gesetzgeber, für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren eine Neuregelung zu treffen, die den Erhalt des Körperschaftsteuerminderungspotenzials sicherstellte. Die Umsetzung durch den Gesetzgeber erfolgte durch § 36 Abs. 3 – 6a KStG i. d. F. des JStG 2010. Gem. § 34 Abs. 13 KStG ist die Neuregelung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Endbestände i. S. d. § 36 Abs. 7 KStG noch nicht bestandskräftig festgestellt sind.

Nach Ergehen des Beschlusses des BVerfG (und vor Ergehen der gesetzlichen Neuregelung) beantragte die Klägerin die Änderung des gegen sie ergangenen Bescheides über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auf den 31. Dezember 2001, der nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheide zum 31. Dezember 2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie des Bescheides über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gem. § 37 Abs. 5 KStG. Sie sei durch die nunmehr als verfassungswidrig erklärten Übergangsregelungen steuerlich belastet, weil ihr durch die beanstandeten Feststellungen Körperschaftsteuerminderungspotenzial verloren gehe. Das FA lehnte eine Änderung der Bescheide ab. Die Bescheide zum 31. Dezember 2001 seien bereits vor dem Ergehen des BVerfG-Beschlusses in formelle und materielle Bestandskraft erwachsen und daher nicht mehr änderbar. Der ursprünglich gegebene Vorbehalt der Nachprüfung sei mit dem Eintritt der Feststellungsverjährung am 31. Dezember 2006 gem. §§ 164 Abs. 4, 169 Abs. 2 Satz 1 AO entfallen. Das BVerfG habe ausdrücklich angeordnet, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung nur für noch offene Steuerverfahren zu treffen habe. Eine Änderung komme nach dem Ablauf der Feststellungsfrist auch nicht gem. § 181 Abs. 5 AO in Betracht, denn diese Norm begründe keine eigenständige Änderungsbefugnis.

Mit der Klage begehrte die Klägerin noch, das FA zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG zum 31. Dezember 2001 zu ändern. Hilfsweise sei jedenfalls der Feststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2006 zu ändern und ein höheres KSt-Guthaben zu ermitteln. Das System der Vergütung von KSt-Guthaben sei zum 31. Dezember 2006 tiefgreifend geändert worden. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Feststellung des „alten“ Guthabens Bindungswirkung für das „neue“ Guthaben zukommen solle.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Einzig denkbare Grundlage für eine Änderung des auf den 31. Dezember 2001 ergangenen Feststellungsbescheides sei § 164 Abs. 2 AO. Dessen Anwendung komme jedoch wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Feststellungsverjährung nicht in Betracht, weil mit Eintritt der Feststellungsverjährung gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO auch der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen sei. Dem stehe auch § 181 Abs. 5 AO nicht entgegen. Zwar sei der auf den 31. Dezember 2001 ergangene Feststellungsbescheid für den Bescheid über die Festsetzung des Auszahlungsguthabens „von Bedeutung“ im Sinne der Vorschrift, wenn man von einem Verhältnis Grundlagen-/Folgebescheid ausgehe. Durch § 181 Abs. 5 AO werde jedoch weder eine eigenständige Änderungsmöglichkeit geschaffen, noch werde der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt. Vielmehr ermögliche es die Norm lediglich, einen Feststellungsbescheid mit eingeschränktem Regelungsinhalt zu erlassen, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen sei.

Die hilfsweise beantragte Änderung des auf den 31. Dezember 2006 ergangenen Feststellungsbescheides komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Bescheid auf den 31. Dezember 2006 sei schon kein Grundlagenbescheid im Verhältnis zu dem Bescheid betreffend die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des KSt-Guthabens. Letzteres sei nämlich gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG letztmalig zum 31. Dezember 2005 festgestellt worden. Zum 31. Dezember 2006 werde es gem. § 37 Abs. 4 KStG nur „ermittelt“ und eben nicht festgestellt. Gem. § 179 Abs. 1 AO dürften Besteuerungsgrundlagen nur dann durch einen Feststellungsbescheid festgestellt werden, wenn dies gesetzlich bestimmt sei. Da es hier an einer solchen Bestimmung gerade fehle, werde das KSt-Guthaben lediglich nachrichtlich ausgewiesen, aber nicht vom Tenor/Regelungsgehalt des Bescheides umfasst.

Auch wenn der Hilfsantrag als Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides zum 31. Dezember 2005 ausgelegt werde, könne er keinen Erfolg haben. Einer Änderung stehe die Bindungswirkung der vorausgegangenen Feststellungsbescheide entgegen. Die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 und zum 31. Dezember 2002 bis 2005 sei in § 36 Abs. 7 KStG bzw. in § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG ausdrücklich geregelt. Die Feststellungen entfalteten als Grundlagenbescheide gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO Bindungswirkung für die jeweiligen Folge(feststellungs)bescheide. Die Bindungswirkung sei aber auch bei der Ermittlung des KSt-Guthabens und bei der Festsetzung dieses Guthabens als Auszahlungsanspruch zu beachten. Das gelte, obwohl zum 31. Dezember 2001 und 2006 das KSt-Guthaben nicht festgestellt worden sei. Materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Ausgangspunkt zur Ermittlung und Sicherung des Körperschaftsteuerguthabens beim Übergang zum Halbeinkünfteverfahren sei der Feststellungsbescheid gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F. gewesen. Dieser sei Grundlagenbescheid für den Bescheid gem. § 36 Abs. 7 KStG gewesen. Letzterer wiederum bilde hinsichtlich der in ihm ausgewiesenen Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 2001 die materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich bindende Grundlage für die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 2001, für die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Guthabens zum 31. Dezember 2002 bis 2005 sowie für die Ermittlung des Guthabens zum 31. Dezember 2006. Dementsprechend könnten Einwendungen gegen die Höhe des Endbestandes an EK 40 nur gegen den Feststellungsbescheid gem. § 36 Abs. 7 KStG geltend gemacht werden, nicht aber im Verfahren betreffend die Ermittlung des KSt-Guthabens gem. § 37 Abs. 1 KStG. Diese erfolge allein durch eine mathematische Operation, nämlich durch Anwendung eines Faktors von 1/6 auf den festgestellten Endbestand des EK 40; rechtliche Überlegungen seien nicht anzustellen.

Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 46/13 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein