Ermessenerwägungen zum „Ob“ der Prüfung im Falle der Auftragsprüfung

Im Falle der Auftragsprüfung sind Ermessenerwägungen zum „Ob“ der Prüfung und zur Frage der Beauftragung eines anderen Finanzamtes ausschließlich von dem den Auftrag erteilenden Finanzamt anzustellen

FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.09.2013 zum Urteil 1 K 64/09 vom 19.03.2013 (rkr)

Mit Urteil vom 19. März 2013 hat der 1. Senat in dem Verfahren 1 K 64/09 entschieden, dass in Fällen, in denen gemäß § 195 Satz 2 AO ein anderes Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragt wird, ausschließlich das für die Besteuerung zuständige Finanzamt befugt ist, die Entscheidung darüber zu treffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang und durch welches Finanzamt geprüft werden soll. Erlässt das beauftragte Finanzamt die Prüfungsanordnung und entscheidet daher auch über den gegen die Prüfungsanordnung erhobenen Einspruch, hat das beauftragte Finanzamt in dem gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruchsverfahren nicht die Befugnis, zur Frage der Auftragserteilung eigene Ermessenerwägungen anzustellen oder die Erwägungen des beauftragenden Finanzamtes zu ergänzen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das für die Besteuerung einer GmbH zuständige Finanzamt (K) hatte gegenüber dem für die Besteuerung des Gesellschafter-Geschäftsführers zuständigen Finanzamt (E) telefonisch angeregt, einen Auftrag zur Durchführung einer Außenprüfung an das Finanzamt K zu erteilen. Dieser Anregung folgte das Finanzamt E und übersandte dem Finanzamt K einen Prüfungsauftrag. Beigefügt war ein bereits vor der telefonischen Kontaktaufnahme erstelltes Schreiben der Veranlagungsdienststelle E an die Betriebsprüfungsstelle E, in welchem die Durchführung einer Außenprüfung angeregt wurde. Zu der Entscheidung, mit der Durchführung der Prüfung das Finanzamt K zu beauftragen, ergab sich aus dem Prüfungsauftrag und dem beigefügten Schreiben der Veranlagungsdienststelle nichts.

Im gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruchsschreiben wurden durch den Betriebsprüfer des Finanzamtes K die Gründe erläutert, die für die Auftragserteilung maßgeblich gewesen seien. Ob und inwieweit diese Überlegungen von dem Finanzamt E stammten bzw. sich das Finanzamt E diese Erwägungen bei Auftragserteilung zueigen gemacht hatte, ließ sich den Akten nicht entnehmen. Während des Einspruchsverfahrens wurde die Außenprüfung bei der GmbH durchgeführt und abgeschlossen. Der Einspruch des Klägers gegen die Prüfungsanordnung wurde ohne vorherige Beteiligung des Finanzamtes E als unbegründet zurückgewiesen.

Der 1. Senat hat seine Entscheidung maßgeblich auf zwei Gesichtspunkte gestützt: Zum einen ist er davon ausgegangen, dass Ermessenerwägungen zur Auftragserteilung ausschließlich von dem Finanzamt E anzustellen gewesen wären, zum anderen hat das Gericht darauf abgestellt, dass es für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung auf den Sachstand im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung ankomme. Daher sei, wenn sich der Sachverhalt während des Einspruchsverfahrens maßgeblich verändert habe, das den Auftrag erteilende Finanzamt vor einer abschließenden Entscheidung zu beteiligen, um festzustellen, ob und ggf. mit welchen ergänzenden Ermessenerwägungen an der bisherigen Entscheidung festgehalten werden solle.

Da eine rechtswidrige Prüfungsanordnung, die später aufgehoben oder deren Rechtswidrigkeit festgestellt wird, nicht Grundlage für eine nach § 171 Abs. 4 AO eintretende Ablaufhemmung sein kann, können sich aus einer unzureichenden Ermessensbetätigung weitreichende Konsequenzen ergeben. Darf die beauftragte Behörde keine eigenen Ermessenerwägungen – auch nicht ergänzende – anstellen, so sind die Finanzämter gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass das den Auftrag erteilende Finanzamt im Einspruchsverfahren beteiligt wird und seine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bestehenden Sachlage treffen kann.

Im Hinblick auf die nicht eindeutige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) hat der 1. Senat die Revision zugelassen, diese ist jedoch nicht eingelegt worden, so dass das Urteil rechtskräftig geworden ist.

Quelle: FG Schleswig-Holstein