BMF legt Entwurf für neue Zurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen vor

Mit Schreiben vom 18. November 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen den Entwurf einer umfassenden Neu­fassung des § 15 AStG veröffentlicht. Die Regelung betrifft die sog. Zurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen – ein Bereich, der seit Jahrzehnten steuerlich besonders sensibel und beratungsintensiv ist.

Der Entwurf steht bis 15. Januar 2026 zur Stellungnahme und soll die Zurechnungsbesteuerung an die seit 2021 reformierte Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) angleichen.

Zielsetzung des BMF:
➡️ Vereinheitlichung, Vereinfachung, Missbrauchsabwehr und höhere Rechtssicherheit


1. Hintergrund: Reformbedarf seit ATAD-Umsetzungsgesetz

Die Zurechnungsbesteuerung existiert seit 1972 und erfasst Einkünfte aus ausländischen Familienstiftungen, die deutschen Begünstigten zugerechnet werden. Seit der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung (2021) war die Regelung des § 15 AStG systematisch nicht mehr konsistent.

Der neue Entwurf soll diese Inkonsistenzen beseitigen – durch:

  • Annäherung an die CFC-Regeln (Hinzurechnungsbesteuerung),
  • Niedrigsteuergrenzen,
  • Einbeziehung mittelbarer Berechtigungen,
  • präzisere Missbrauchsvermeidung,
  • und eine Modernisierung des Entlastungsnachweises nach EuGH- und BFH-Rechtsprechung.

2. Die wichtigsten Reformelemente im Überblick

1) Systematische Annäherung an die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG)

✔ Einbeziehung unmittelbarer und mittelbarer Bezugs- und Anfallsberechtigungen
✔ Einführung einer Niedrigsteuergrenze von 15 %
✔ Anwendung des Kürzungsbetrags nach § 11 AStG unter stiftungsspezifischen Anpassungen

Damit wird die Familienstiftung mehr wie eine ausländische kontrollierte Gesellschaft behandelt.


2) Neue Definition des „Anteils“

Der Anteil der Zurechnung richtet sich künftig nach:

➡️ dem gemeinen Wert der übertragenen Vermögenswerte und Berechtigungen

Dies schafft eine einheitlichere und nachvollziehbare Bemessungsgrundlage für die Zurechnung.


3) Ausweitung des Stiftungsbegriffs durch Einbeziehung nahestehender Personen

§ 15 Abs. 2 AStG/E erfasst künftig auch Stiftungen, bei denen nahestehende Personen an Vermögensübertragungen oder Begünstigungen beteiligt sind.

👉 Das schließt Gestaltungsmöglichkeiten durch Zwischenschaltung von Verwandten oder „freundschaftlichen“ Zuwendungsträgern.


4) Straffung der Vorschrift

  • Streichung des § 15 Abs. 3 AStG (Unternehmerstiftungen)
  • Zusammenführung und Umnummerierung mehrerer Absätze
  • Vereinfachte Struktur und weniger Redundanzen

5) Neuer Entlastungsnachweis (ehemals Abs. 6)

Der Entlastungsnachweis wird:

✔ an die EuGH-Rechtsprechung angepasst (insbesondere zu Grundfreiheiten)
✔ auf Drittstaaten erweitert
✔ stärker am Konzept „tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit“ ausgerichtet

Damit können Stiftungen, die real wirtschaftlich tätig sind, eine Unionsrechtskonforme Ausnahme von der Zurechnungspflicht erreichen.


6) Fortführung des Systems bei Zwischengesellschaften

Wie bisher gilt:

  • Nachgeschaltete ausländische Gesellschaften → Einkünfte werden zuerst der Familienstiftung zugerechnet
  • Danach erfolgt die Weiterzurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG/E an die inländischen Begünstigten

Dieses Grundprinzip bleibt unverändert.


3. Bedeutung für die Praxis

Für Steuerpflichtige / Begünstigte:

  • potenziell erhöhte Steuerlast, wenn die Niedrigsteuergrenze greift
  • größere Transparenzanforderungen
  • Nachweispflichten für echte wirtschaftliche Aktivitäten im Ausland

Für Stifter / Familienunternehmer:

  • Einschränkung von Gestaltungsmodellen
  • höhere Anforderungen an Satzungsgestaltung und Stiftungsorganisation
  • Gefahr der Steuerpflicht trotz DBA durch Vorrang des AStG

Für Berater:

  • umfassender Anpassungsbedarf bei bestehenden Strukturen
  • Notwendigkeit von Stiftungs-Compliance-Prüfungen
  • Monitoring der finalen Gesetzesfassung zwingend

4. Fazit

Der Entwurf modernisiert die Zurechnungsbesteuerung grundlegend und rückt sie näher an die CFC-Regeln heran. Für viele ausländische Familienstiftungsstrukturen bedeutet dies:

➡️ mehr Zurechnung, weniger Steuerfreiheit, höhere Dokumentationsanforderungen.

Die geplante Niedrigsteuergrenze von 15 % und die erweiterte Einbeziehung nahestehender Personen schließen zahlreiche bisherige Gestaltungsmöglichkeiten.

Berater und Betroffene sollten frühzeitig prüfen:

  • Welche Stiftungen betroffen sind
  • Ob Anpassungen der Stiftungsstruktur erforderlich sind
  • Welche Nachweise künftig geführt werden müssen
  • Ob Einspruchs- oder Vertrauensschutzfragen relevant werden