Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Keine Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim bei dreijähriger Renovierungsphase

Mit Urteil vom 24. Oktober 2019 (Az. 3 K 3184/17 Erb) hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass der Erwerb eines Familienheims nicht steuerbefreit ist, wenn der Erbe das Objekt erst nach einer dreijährigen Renovierungsphase bezieht.

Der Kläger ist Alleinerbe seines Vaters, der eine Doppelhaushälfte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 bewohnt hatte. Die angrenzende Doppelhaushälfte bewohnte der Kläger bereits mit seiner Familie. Nach dem Tod des Vaters verband der Kläger beide Doppelhaushälften und nahm in der Hälfte des Vaters umfangreiche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten, teilweise in Eigenleistung, vor. Seit Abschluss dieser Arbeiten im Jahr 2016 nutzt der Kläger das gesamte Haus als einheitliche Wohnung.

Das beklagte Finanzamt versagte die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim unter Hinweis auf die dem Kläger anzulastende Verzögerung. Demgegenüber führte der Kläger aus, dass er unmittelbar nach dem Tod seines Vaters mit der Renovierung begonnen habe. Die Maßnahmen hätten allerdings eine vorherige Trockenlegung des Hauses erfordert und sich aufgrund der angespannten Auftragslage der beauftragten Handwerker weiter verzögert.

Der Senat hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte nicht unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt habe. Dies erfordere nicht nur die Absicht, das Haus zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, sondern auch die Umsetzung dieser Absicht in Form eines tatsächlichen Einzugs. Bei Renovierungsmaßnahmen handele es sich lediglich um Vorbereitungshandlungen, die bei Überschreitung eines angemessenen Zeitraums von sechs Monaten nur dann eine unverzügliche Selbstnutzung darstellten, wenn die Verzögerung nicht dem Erwerber anzulasten sei.

Im Streitfall sei dieser Sechsmonatszeitraum deutlich überschritten worden. Dem Kläger sei anzulasten, dass er keine schnelleren Möglichkeiten, das Haus trockenzulegen, erfragt und angewandt habe. Ferner sei das Haus nach dem vorgelegten Bildmaterial erst mehr als sechs Monate nach dem Tod des Vaters geräumt und entrümpelt worden. Der Kläger habe die angespannte Auftragslage der von ihm ins Auge gefassten Unternehmer hingenommen. Nach den vorgelegten Rechnungen hätten die maßgeblichen Umbauarbeiten erst Anfang 2016 und damit über zwei Jahre nach dem Tod des Vaters begonnen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 16.12.2019 zum Urteil 3 K 3184/17 vom 24.10.2019

Aufwendungen für einen Forschungsaufenthalt im Ausland sind um steuerfreie Stipendien zu kürzen

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 15. Oktober 2019 (Az. 12 K 1794/16 E) entschieden, dass vorweggenommene Werbungskosten für einen Forschungsaufenthalt in den USA um für diesen Aufenthalt gewährte steuerfreie Stipendien zu kürzen sind.

Die Klägerin ist promovierte Historikerin und war im Streitjahr 2014 zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer inländischen Universität tätig, bevor sie einen Forschungsaufenthalt in Washington D. C. antrat. Das Deutsche Historische Institut (DHI) gewährte der Klägerin hierfür ein Forschungsstipendium in Höhe eines monatlichen Festbetrages und einer einmaligen Reisepauschale. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin im Zusammenhang mit dem Auslandsaufenthalt Werbungskosten (Reisekosten, doppelte Haushaltsführung und Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Washington) geltend. Dies lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, die Aufwendungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreien Einnahmen aus dem Stipendium.

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hat die Klage abgewiesen. Das Finanzamt habe die als vorweggenommene Werbungskosten anzusehenden Aufwendungen zu Recht um die Zahlungen des DHI gekürzt. Hinsichtlich der Reisekosten sei die Klägerin bereits wirtschaftlich nicht belastet worden, weil diese durch die Reisepauschale abgedeckt seien. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Fahrten in Washington seien nach § 3c Abs. 1 Satz 1 EStG nicht abzugsfähig, weil sie unmittelbar mit dem steuerfreien Stipendium im Zusammenhang stünden. Die Zahlung sei nach dem Bewilligungsschreiben des DHI an den tatsächlichen Aufenthalt der Klägerin in Washington gebunden gewesen. Nach den Allgemeinen Stipendienbedingungen des DHI sei das Stipendium allein zum Zwecke eines bestimmten Forschungsvorhabens gewährt worden und die Klägerin sei verpflichtet gewesen, diesem Vorhaben ihre gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen hätte zudem ein wichtiger Grund für die Kündigung durch das DHI mit der Folge der Rückzahlungspflicht des Stipendiums bestanden.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 16.12.2019 zum Urteil 12 K 1794/16 vom 15.10.2019

Rückabwicklung von Baukrediten: Vergleichsbeträge sind nur teilweise einkommensteuerpflichtig

Die aufgrund eines Vergleichs durch eine Bank zurückgezahlten Zinsen stellen keine einkommensteuerpflichtigen Kapitalerträge dar. Dies hat der 14. Senat des FG Köln mit seinem am 16.12.2019 veröffentlichten Urteil (14 K 719/19) entschieden.

Die Kläger hatten wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung den Baukredit für ihr Eigenheim widerrufen. Aufgrund eines Vergleichs zahlte die Bank den Klägern für alle aus dem Widerruf entstehenden gegenseitigen Ansprüche einen Betrag in Höhe von 4.225 Euro. Zusätzlich behandelte die Bank den Betrag als steuerpflichtigen Kapitalertrag, führte die Kapitalertragsteuer ab und stellte hierfür eine Steuerbescheinigung aus.

Gegenüber dem Finanzamt vertraten die Kläger die Auffassung, dass die Bank den Vergleichsbetrag zu Unrecht als Kapitalertrag behandelt und Kapitalertragsteuer abgeführt habe. Der Betrag sei nicht einkommensteuerpflichtig, weil es sich um eine steuerfreie Entschädigungszahlung handele.

Demgegenüber besteuerte das Finanzamt den gesamten Betrag mit der Begründung, dass es zum einen an die Steuerbescheinigung gebunden sei und zum anderen die Kläger durch den geschlossenen Vergleich auf eine Rückabwicklung verzichtet hätten, sodass die Rückzahlung zu hoher Zinsen ausscheide.

Die hiergegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Der 14. Senat kam zu dem Ergebnis, dass der von der Bank gezahlte Vergleichsbetrag aufgeteilt werden müsse. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die hierin enthaltene Zahlung wegen Nutzungsersatz steuerpflichtig. Hingegen sei ein Betrag in Höhe von 1.690 Euro, soweit er auf die Rückzahlung der zu hohen Zinsen entfalle, nicht steuerbar. Auch die insoweit von der Bank falsch ausgestellte Steuerbescheinigung entfalte keine Bindungswirkung für die Einkommensteuer der Kläger.

Die Kläger haben die zugelassene Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt, die unter dem Aktenzeichen VIII R 30/19 geführt wird.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung vom 16.12.2019 zum Urteil 14 K 719/19 vom 16.12.2019 (nrkr – BFH-Az.: VIII R 30/19)

Finanzämter wahren Weihnachtsfrieden

In der Zeit vom 17. bis 31. Dezember leiten die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen keine belastenden Maßnahmen ein

Auf Anweisung von Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter in der Zeit vom 17. bis 31. Dezember auf Vollstreckungsmaßnahmen und die Einleitung von Betriebsprüfungen verzichten.

„Die Wahrung des Weihnachtsfriedens hat in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung lange Tradition. Diese Tradition führen wir auch in diesem Jahr fort und werden rund um die Festtage dort, wo dies möglich ist, von belastenden Maßnahmen absehen“, sagte Lienenkämper. „Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sollen die Weihnachtszeit möglichst in Ruhe verbringen können.“

Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung wird während des Weihnachtsfriedens keine Betriebsprüfungen einleiten und ebenfalls keine Prüfungsberichte versenden. Auf Vollstreckungsmaßnahmen wird grundsätzlich verzichtet. Ausnahmen gelten, wenn schnelles Handeln der Finanzverwaltung angezeigt ist, um Steuerausfällen zuvorzukommen. Steuerbescheide werden demgegenüber durchgehend verschickt. Auf diese Weise können auch Steuererstattungen schnellstmöglich erfolgen.

Hinweis der Redaktion

Die Vereinbarung von Weihnachtsfrieden der Steuerverwaltung haben – bisher – auch folgende Bundesländer getroffen, z. B. Baden-Württemberg , Hessen , Sachsen und Bayern .

Quelle: FinMin Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 13.12.2019

DStV begrüßt Angleichung der umsatzsteuerlichen Istbesteuerungsgrenze an die Buchführungsgrenze ab 2020

Kleine Unternehmen können aufatmen. Der Deutsche Bundestag beschloss für sie eine spürbare Bürokratieentlastung. Der DStV hat die gesetzliche Änderung seit Jahren mit Nachdruck angeregt und freut sich über das Weihnachtsgeschenk für den Mittelstand.

So manches, was in der Vergangenheit die Praxis belastete, wendete sich zum Jahresende zum Positiven. Manche Änderungen durch das „Jahressteuergesetz 2019″ oder das „Bürokratieentlastungsgesetz III“ boten bereits Anlass zur Freude. Mit seinem Beschluss am 13.12.2019 legte der Deutsche Bundestag noch ein Bonbon für kleine Unternehmen oben drauf – findet der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV).

Anpassung der umsatzsteuerlichen Istbesteuerungsgrenze an die verfahrensrechtliche Buchführungsgrenze

Die CDU/CSU- und SPD-Bundestagfraktionen ergänzten den Regierungsentwurf zur Einführung einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auf den letzten Metern (vgl. BT-Drs. 19/15876, S. 41, 69 ): Ab 01.01.2020 wird die umsatzsteuerliche Istbesteuerungsgrenze von 500.000 Euro auf 600.000 Euro angehoben. Sie schafften damit den Ausgleich für eine seit 2015 bestehende Verwerfung.

Mit dem ersten Bürokratieentlastungsgesetz aus 2015 wurde die Buchführungsgrenze in der AO von 500.000 Euro auf 600.000 Euro Umsatz im Kalenderjahr angehoben. Damit sollte eine größere Anzahl kleinerer Unternehmen von der steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht befreit, von unnötiger Bürokratie entlastet und die wirtschaftliche Dynamik der mittelständischen Wirtschaft unterstützt werden (vgl. BT-Drs. 18/4948, S. 20 ). Indes wurde die umsatzsteuerliche Umsatzgrenze, die eine Besteuerung nach vereinnahmtem Entgelt ermöglicht, nicht angehoben. Sie beträgt bis heute 500.000 Euro. Die seinerzeit angestrebte Entlastung lief daher bisher in weiten Teilen ins Leere.

Mit der gesetzlichen Anpassung wird nun endlich der Gleichlauf der beiden Umsatzgrenzen hergestellt. Der Bundesrat wird dem Gesetz in seiner Sitzung am 20.12.2019 aller Voraussicht nach zustimmen.

DStV begrüßt Neuerung

Gebetsmühlenartig hat der DStV den Gleichlauf der Grenzen gegenüber den maßgeblichen Entscheidungsträgern seit 2015 angeregt – zuletzt als Sachverständiger in der öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestags zum Gesetzentwurf zur Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen und in seiner Stellungnahme S 06/19 zum Bürokratieentlastungsgesetz III. Für die Praxis bedeutet diese Maßnahme aus seiner Sicht eine echte Erleichterung.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 13.12.2019

Entwurf eines Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetzes

Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG)

Der Entwurf sieht eine Neustrukturierung der Vorschriften zum Kontopfändungsschutz in der Zivilprozessordnung (ZPO) vor, wobei zugleich die Begrifflichkeit aktualisiert worden ist: So wird statt des bislang verwandten Begriffs „Girokonto“ nunmehr der Begriff „Zahlungskonto“ verwandt. Die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos werden ferner in einem eigenen Abschnitt des Achten Buches der ZPO geregelt.

Aufgenommen werden in dem Entwurf Vorschriften für die Pfändung eines Gemeinschaftskontos und für den Kontenwechsel. Die Möglichkeit des Ansparens von nicht verbrauchtem Guthaben für Anschaffungen jenseits des täglichen Bedarfs wird erweitert. Zudem wird der Pfändungsschutz bei debitorischen Konten verbessert. Ferner wird dem Schuldner der Zugang zu Nachweisen zur Erhöhung des Grundfreibetrags erleichtert. Außerdem werden für die Fälle, in denen die Vollstreckungsgerichte oder die Vollstreckungsstellen öffentlicher Gläubiger bei der Sicherstellung des Kontopfändungsschutzes mitwirken müssen, Klarstellungen getroffen.

Weitere Änderungen betreffen die Verkürzung des Anpassungszeitraums für die Pfändungsfreigrenzen auf ein Jahr, den Pfändungsschutz von Kultusgegenständen, die der Religions- oder Weltanschauungsausübung dienen, und die Sicherstellung des Vollstreckungsschutzes für Sachen Privater, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind.

Quelle: BMJV, Mitteilung vom 05.12.2019

Bundestag beschließt Entlastung für Betriebsrentner

Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge

Ab 2020 werden alle Betriebsrentnerinnen und -rentner bei der gesetzlichen Krankenversicherung entlastet. Sie müssen dann nur noch für den Teil ihrer Betriebsrente Beiträge zahlen, der über dem künftigen Freibetrag von 159 Euro liegt. Das entsprechende Gesetz hat der Bundestag nun beschlossen.

Rund vier Millionen gesetzlich krankenversicherte Betriebsrentnerinnen und -rentner werden von der Einführung eines Freibetrags profitieren. Sie zahlen dann nur noch für die Einkünfte aus der betrieblichen Altersvorsorge Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, die den dynamischen Freibetrag von zunächst 159 Euro im Monat übersteigen.

„Wir wollen das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge stärken. Wer fürs Alter vorsorgt, darf nicht bestraft werden“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Alle Betriebsrentner profitieren

Rentnerinnen und Rentner mit kleinen Betriebsrenten zahlen damit ab kommendem Jahr gar keine Beiträge mehr, für andere halbiert sich der Beitragssatz. Auch wer eine höhere Betriebsrente bezieht, wird spürbar entlastet: Er spart rund 300 Euro jährlich. Ganz konkret heißt das: Wer im kommenden Jahr 169 Euro im Monat Betriebsrente bekommt, zahlt nur noch auf 10 Euro Kassenbeiträge.

Der Freibetrag gilt gleichermaßen für monatliche Zahlungen wie für einmalige Kapitalauszahlungen. In der sozialen Pflegeversicherung bleibt die bisherige Rechtslage bestehen.

Wichtige Säule der Altersvorsorge

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die betriebliche Altersvorsorge zu einer wichtigen Säule der Absicherung des Lebensstandards im Alter entwickelt. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge stärken. Besonders junge Beschäftigte sollen motiviert werden, eine Betriebsrente aufzubauen.

Seit 2004 gilt für gesetzliche krankenversicherte Betriebsrentner eine Beitragsfreigrenze für Versorgungsbezüge. Überschreiten die Einnahmen aus der Betriebsrente diese Freigrenze, sind nach derzeitigem Recht auf die gesamten Bezüge volle Beiträge zahlen. Dies verringert die Attraktivität von Betriebsrenten und hemmt den weiteren Ausbau der betrieblichen Altersversorgung.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 12.12.2019

Bundesrat billigt Entlastung für Betriebsrenten

Nur eine Woche nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat die Entlastung der Betriebsrenten von der sog. Doppelverbeitragung gebilligt. Daher kann das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 2020 in Kraft treten – nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt.

Freibetrag statt Freigrenze

Das Gesetz führt einen dynamischen Freibetrag von zunächst 159,25 Euro für Einkommen aus der betrieblichen Altersversorgung ein. Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung fallen daher erst ab einer höheren Betriebsrente an. Der neue Freibetrag verändert sich künftig jährlich mit der Lohnentwicklung.

Bislang gibt es lediglich eine sog. Freigrenze in Höhe von 155,75 Euro: Betriebsrenten bis zu dieser Summe blieben gänzlich beitragsfrei. Wer mehr Betriebsrente bekam, musste auf die komplette Summe den Krankenkassenbeitrag bezahlen.

Unterschiedliche Auswirkungen

Nach Einschätzung der Bundesregierung summiert sich die Entlastung auf rund 1,2 Milliarden Euro, etwa vier Millionen Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner sollen davon profitieren.

Rentnerinnen und Rentner mit sehr kleinen Betriebsrenten brauchen ab dem kommenden Jahr gar keine Beiträge mehr zu zahlen, für andere reduziert sich der Beitragssatz: Rund 60 Prozent der Betroffenen müssen künftig maximal die Hälfte des bisherigen aus der Betriebsrente berechneten Krankenversicherungsbeitrag leisten. Wer eine höhere Betriebsrente bezieht, wird nach Angaben der Bundesregierung um 300 Euro jährlich entlastet.

Der Freibetrag gilt für monatliche Zahlungen ebenso wie für einmalige Kapitalauszahlungen. In der sozialen Pflegeversicherung bleibt die bisherige Rechtslage bestehen.

Jährliche Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden Euro

Die Koalition rechnet mit Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden Euro jährlich für die gesetzliche Krankenversicherung. Sie werden 2020 komplett aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert. Von 2021 bis 2023 werden die fehlenden Beträge noch teilweise aus dem Gesundheitsfonds bereitgestellt und stufenweise zurückgeführt. Ab 2024 müssen die Krankenkassen die Beitragsausfälle in voller Höhe selbst tragen.

Forderung des Bundesrates aufgegriffen

Das Gesetz greift eine Forderung des Bundesrates auf: Im April dieses Jahres hatten die Länder von der Bundesregierung verlangt, die Doppelverbeitragung abzuschaffen (siehe TOP 13, 976. Sitzung).

Sorge um Liquidität des Gesundheitsfonds

In einer begleitenden Entschließung kritisiert der Bundesrat die vom Bundestag beschlossene Absenkung der Mindestreserve des Gesundheitsfonds von 25 auf 20 Prozent als nicht zielführend. Die Bundesregierung solle diese Maßnahme prüfen und gegebenenfalls in einem zukünftigen Gesetzgebungsverfahren ändern. Es müsse auch künftig gewährleistet bleiben, dass den gesetzlichen Krankenkassen unterjährig liquide Mittel zur Verfügung stehen. Statt einer Senkung der Mindestreserve sei eher eine Erhöhung des Bundeszuschusses zu prüfen, schlägt der Bundesrat vor.

Die Entschließung wurde der Bundesregierung zur Entscheidung zugeleitet. Wann diese sich damit befasst, steht noch nicht fest: verbindliche Fristvorgaben gibt es nicht.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 20.12.2019

Dieselkäufer sind bei Klagen gegen Hersteller auf Rückabwicklung beschränkt

Kein Anspruch auf Schadensersatz in Form des Minderwertes gegen den Hersteller

Der für die südbadischen Landgerichtsbezirke (Offenburg, Freiburg, Waldshut-Tiengen und Konstanz) für sog. „Dieselverfahren“ zuständige 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Zivilsenate in Freiburg, hat durch Urteil vom 18.12.2019 eine Klage auf Schadensersatz gegen die Volkswagen AG auf Ersatz des Minderwerts eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges abgewiesen.

Der Kläger erwarb im Jahr 2014 von einer Autohändlerin ein Fahrzeug der Marke Skoda Yeti, bei dem ein Motor des Typs EA 189 EU 5 eingebaut ist, zu einem Kaufpreis von 22.100 Euro. Er hat mit der Klage von der VW AG als Schadensersatz unter anderem Zahlung eines Minderbetrages in Höhe von 25 % des Kaufpreises begehrt. Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch angenommen und die Beklagte zur Zahlung eines Minderbetrages, jedoch nur in Höhe von 10 % des Kaufpreises des Fahrzeuges, verurteilt. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Zivilsenate in Freiburg, hat durch Urteil vom 18.12.2019 das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zwar steht dem Kläger nach Auffassung des Senats dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu. Der Kläger kann aber nicht Schadensersatz in Form des behaupteten Minderwerts des Fahrzeuges (sog. kleiner Schadensersatz) verlangen. Diese Form der Schadensberechnung ist nach Auffassung des Senates nur dann möglich, wenn – jedenfalls auch – eine vertragliche oder vertragsähnliche Sonderverbindung besteht. Werden Schadensersatzansprüche ausschließlich auf eine unerlaubte Handlung gestützt, scheidet diese Form der Schadensberechnung aus. Die Berechnung des Minderwerts setzt nach Auffassung des Senats außerdem voraus, dass der Geschädigte das Fahrzeug, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte, zu einem niedrigeren Kaufpreis gekauft hätte. Dies ist hier nicht der Fall.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: OLG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 20.12.2019 zum Urteil 13 U 670/19 vom 18.12.2019 (rkr)

Kein Schadensersatzanspruch gegen Hersteller nach Kauf eines Audi A6 3.0 TDI

Der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat mit einem am 19.12.2019 verkündeten Berufungsurteil die Abweisung einer auf Schadensersatz gerichteten Klage eines Kunden gegen den Hersteller wegen behaupteten Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Motor eines Audi A6 3.0 TDI bestätigt.

Der Kläger hat mit seiner Klage die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt und zur Begründung ausgeführt, der von ihm im Februar 2017 erworbene gebrauchte Audi mit einem Dieselmotor des Typs 3.0 l V6, Schadstoffklasse Euro-5 weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Das Fahrzeug verfüge über eine Abgasrückführung, bei der der zurückzuführende Teil des Abgases der frisch angesaugten Umgebungsluft beigemischt werde. Hierdurch verändere sich die chemische Zusammensetzung des Gemischs und habe daher Einfluss auf die anschließende Verbrennung. Die Höhe des Abgasanteils werde durch die Motorsteuerungssoftware bestimmt und richte sich nach der Umgebungslufttemperatur („Thermofenster“). Durch das verbaute System im Fahrzeug des Klägers werde das Abgas bei einer Umgebungstemperatur von 20° bis 30° C auf dem Prüfstand und im Realbetrieb bei gleichen Umgebungstemperaturen gereinigt. Außerhalb dieses Temperaturbereiches verringere die Abschalteinrichtung die Rückführungsrate. Damit werde der Grenzwert für den Stickoxidausstoß unter Prüfbedingungen und bei gleichen Umgebungstemperaturen im Realbetrieb eingehalten, außerhalb dieser Temperaturen aber überschritten.

Die beklagte Herstellerin hat unter anderem eingewandt, bei der geschilderten Funktionsweise der Einhaltung eines „Thermofensters“ handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern um eine notwendige und zulässige Maßnahme, die Versottungen des Motors bei höheren Temperaturen verhindere. Diese dem Schutz des Motors dienende Einrichtung sei nach den anwendbaren europarechtlichen Vorschriften (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 715/2007) zulässig.

In der Begründung der Entscheidung führt der Senat im Wesentlichen aus: Ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB setze voraus, dass der Anspruchsgegner dem Geschädigten einen Schaden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich zugefügt hat. Der Kläger müsse darlegen und beweisen, dass der Hersteller voraussah oder hätte voraussehen können, dass die Abschalteinrichtung als unzulässig angesehen werden könne, und er müsste dies bewusst in Kauf genommen haben. Diese Voraussetzungen habe der Kläger hier nicht dargelegt.

Die Abschalteinrichtung funktioniere im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise wie auf dem Prüfstand. Um bei dieser Konstellation und dem Einwand der Beklagten, dass die Einrichtung dem Schutz des Motors diene, davon ausgehen zu können, die Einrichtung sei in dem Bewusstsein eingebaut worden, dass die Einrichtung unzulässig und nicht genehmigungsfähig sei, müssten konkrete Umstände vorliegen, die auf einen solchen Vorsatz des Herstellers hinwiesen. Anders als bei einer Umschaltlogik, die nur auf dem Prüfstand aktiviert werde, lasse die Beschränkung der Funktion außerhalb eines Thermofensters nicht bereits den Schluss zu, dass der Hersteller Kunden bewusst geschädigt habe. Die Typengenehmigungsvorschriften ließen im Interesse des Motorschutzes Abschalteinrichtungen zu und seien nicht eindeutig. Dem Hersteller könne ein bewusster Verstoß gegen die Regelungen daher nicht ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellt werden.

Quelle: OLG Brandenburg, Pressemitteilung vom 19.12.2019 zum Urteil 5 U 103/18 vom 19.12.2019