Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

BFH: Steuerfreie Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt

Die entgeltliche Übertragung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt ist von der Umsatzsteuer befreit. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 05.09.2019 – V R 57/17 entschieden.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die von Privatpersonen abgeschlossene Kapitallebensversicherungen erwarb. Der Kaufpreis lag über dem sog. Rückkaufswert, aber unter den eingezahlten Versicherungsprämien. Anschließend änderte die Klägerin die Versicherungsverträge, indem sie die für die Ablaufleistung unerheblichen Zusatzversicherungen kündigte und die Beitragszahlung auf jährliche Zahlungsweise umstellte. Danach veräußerte sie ihre Rechte an den so modifizierten Kapitallebensversicherungen an Fondsgesellschaften. Ihre Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen behandelte die Klägerin im Streitjahr (2007) als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt (FA) ging hingegen davon aus, dass es sich bei der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt um eine einheitliche steuerpflichtige Leistung handele. Diese Leistung sei auf der Grundlage des von den Fondsgesellschaften gezahlten Kaufpreises zu versteuern. Die Klage beim Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg.

Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und gab der Klage statt. Nach seinem Urteil handelt es sich um steuerfreie Umsätze im Geschäft mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes.

Die Klägerin erbrachte mit der Veräußerung ihrer Rechte und Pflichten an den vertraglich angepassten Kapitallebensversicherungen eine einheitliche sonstige Leistung. Dabei ist die Übertragung der (künftigen) Forderung (Ablaufleistung) als Hauptleistung anzusehen, weil die Erwerber auf dem Zweitmarkt (Fonds) lediglich Interesse am Sparanteil der Versicherung haben.

Die Entscheidung des BFH hat erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell des An- und Verkaufs von „gebrauchten“ Lebensversicherungen. Diesem wäre bei der vom FA und vom FG vertretenen Umsatzbesteuerung die Geschäftsgrundlage entzogen worden.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 78/19 vom 05.12.2019 zum Urteil V R 57/17 vom 05.09.2019

Steuerliche Beurteilung des Ausfalls eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen – alles auf Anfang?

Der Bundesfinanzhof hat 2017 seine langjährige Rechtsprechung zur Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen aufgegeben. Jetzt steuert der Gesetzgeber dagegen. Mit einer neuen Definition nachträglicher Anschaffungskosten i. S. d. § 17 EStG will er zurück zum alten Rechtsverständnis. Übergangsprobleme sind vorprogrammiert.

Der Ausfall eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen beschäftigt seit geraumer Zeit die Gemüter. Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019″) ( BR-Drs. 552/19 ) kommt nun eine gesetzliche Neuerung. Der Steuerrechtsausschuss des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV) nimmt dies zum Anlass für eine Kurzinformation:

Aufgabe langjähriger Rechtsprechung zur Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen

Im Sommer 2017 gab der Bundesfinanzhof seine langjährige Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung ausgefallener eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen auf ( Urteil v. 11.07.2017, IX R 36/15 ). Mit Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2018 sei die gesetzliche Grundlage für die bis dato geltende normspezifische Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs entfallen. Diese Grundsatzentscheidung hat der Bundesfinanzhof inzwischen bestätigt ( Urteil v. 02.07.2019, IX R 13/18 ).

Für eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen, die bis zur (Online-)Veröffentlichung des Urteils (27.09.2017) gewährt bzw. die bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend wurden, hat der Bundesfinanzhof eine Vertrauensschutzregelung ausgesprochen. Die Finanzverwaltung hat die Übergangsregelung in dem BMF-Schreiben v. 05.04.2019 (IV C 6 – S-2244 / 17 / 10001, BStBl I 2019, S. 257) bestätigt.

Private Darlehnsverluste können Steuern mindern

Im Herbst 2017 entschied der BFH, dass ab Einführung der Abgeltungsteuer 2009 der Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 EStG führt ( Urteil v. 24.10.2017, VIII R 13/15 ). Durch die Einführung der Abgeltungsteuer sollte – so der BFH – eine vollständige steuerliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden. Damit sei die traditionelle Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen hinfällig.

In der Literatur herrscht die Meinung vor, dass die Grundsätze dieses Urteils auch auf den Ausfall bzw. den Verzicht von Gesellschafterdarlehen anzuwenden sein dürften (Ott, DStZ 2019, 412, Stenert/Selle, Ubg 2018, S. 183; Moritz/Strohm, DB 2018, S. 88). Während zum Ausfall einer Darlehensforderung noch die Revision zum Urteil des FG Köln vom 18.01.2017 (Az. 9 K 267/14) anhängig ist (Az. X R 9/17), hat der Bundesfinanzhof inzwischen – entgegen der Verwaltungsauffassung in Rz. 61 des BMF-Schreibens vom 18.01.2016 – die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG und des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b i. V. m. Satz 2 EStG bei einem Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil einer Darlehensforderung grundsätzlich bejaht (Urteil v. 06.08.2019, VIII R 18/16 ). Voraussetzung ist allerdings, dass der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat (was im Urteilssachverhalt nicht der Fall war).

Damit können Gesellschafter, die zu mindestens 10 % an einer darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, grundsätzlich ihre Verluste durch einen Darlehensausfall vollständig steuerlich berücksichtigen – während eine Berücksichtigung im Rahmen des § 17 EStG aufgrund des Teileinkünfteverfahrens auf 60 % beschränkt wäre. Ungeklärt ist derzeit noch das Verhältnis der Vertrauensschutzregelung im Rahmen des § 17 EStG zu § 20 Abs. 2 EStG.

Änderungen durch das „JStG 2019″

Der Referentenentwurf des „JStG 2019″ verhieß zunächst nichts Gutes. Er sah noch eine Anpassung des § 20 Abs. 2 EStG vor, die dazu geführt hätte, dass der durch den Ausfall einer Kapitalforderung entstandene Verlust steuerlich unbeachtlich gewesen wäre. Es sollte ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich die BFH-Rechtsprechung vom 24.10.2017 korrigiert werden. Diese Neuerung hat es letztlich nicht durch das parlamentarische Verfahren geschafft.

Stattdessen hat der Gesetzgeber mit der Ergänzung in § 17 Abs. 2a Satz 3 EStG einen anderen Weg eingeschlagen: Er hat die Anschaffungskosten im Sinne des § 17 EStG neu definiert. Demnach gelten u. a. Darlehensverluste sowie Ausfälle von Bürgschaftsregress- und vergleichbaren Forderungen explizit als nachträgliche Anschaffungskosten, soweit die Gewährung des Darlehens oder dessen Stehenlassen in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Der neue § 17 Abs. 2a EStG gilt grundsätzlich bereits ab dem 31.07.2019.

Gesellschafter können daher aufatmen. Abweichend von der genannten Rechtsprechung aus dem Sommer 2017 sind Darlehensverluste künftig wieder gewinnmindernd im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen; auch wenn das Darlehen nach den Grundsätzen des MoMiG zu behandeln ist. Eigen- und Fremdkapital werden steuerlich mithin wieder gleichbehandelt. Die neue Definition der Anschaffungskosten gilt erfreulicherweise auch für Kleinanleger mit einer Beteiligung von weniger als 10 %.

Etwaige Übergangsprobleme in der Praxis

Auf Antrag kann der Steuerpflichtige die Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG auch für Altfälle anwenden. Betroffene sollten jedoch beachten, dass keine Pflicht besteht, die Neuregelung auch für Altfälle anzuwenden. Unter Umständen kommt für die Zeit nach Ablauf der Vertrauensschutzregelung am 27.09.2017 bis zum Inkrafttreten des § 17 Abs. 2a EStG am 31.07.2019 auch eine Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i. V. m. Satz 2 und Abs. 4 EStG in Betracht. Für Gesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 10 % käme dann womöglich ein 100 %-iger Verlustausgleich auch mit anderen Einkunftsarten in Betracht.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 04.12.2019

Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) 2020

Das BMF gibt die für das Jahr 2020 geltenden Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) bekannt:

Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) für das Kalenderjahr 2020

Vorbemerkungen

  1. Die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben werden auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Aufwendungen privater Haushalte für Nahrungsmittel und Getränke festgesetzt.
  2. Sie beruhen auf Erfahrungswerten und bieten dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die Warenentnahmen monatlich pauschal zu verbuchen. Sie entbinden ihn damit von der Aufzeichnung einer Vielzahl von Einzelentnahmen (§ 148 Satz 1 Abgabenordnung).
  3. Diese Regelung dient der Vereinfachung und lässt keine Zu- und Abschläge zur Anpassung an die individuellen Verhältnisse (z. B. individuelle persönliche Ess- oder Trinkgewohnheiten, Krankheit oder Urlaub) zu.
  4. Der jeweilige Pauschbetrag stellt einen Jahreswert für eine Person dar. Für Kinder bis zum vollendeten 2. Lebensjahr entfällt der Ansatz eines Pauschbetrages. Bis zum vollendeten 12. Lebensjahr ist die Hälfte des jeweiligen Wertes anzusetzen. Tabakwaren sind in den Pauschbeträgen nicht enthalten. Soweit diese entnommen werden, sind die Pauschbeträge entsprechend zu erhöhen (Schätzung).
  5. Die pauschalen Werte berücksichtigen im jeweiligen Gewerbezweig das allgemein übliche Warensortiment.
  6. Bei gemischten Betrieben (Fleischerei/Metzgerei oder Bäckerei mit Lebensmittelangebot oder Gaststätten) ist nur der jeweils höhere Pauschbetrag der entsprechenden Gewerbeklasse anzusetzen.

Pauschbeträge (in Euro) nach Gewerbezweig, Jahreswert für eine Person ohne Umsatzsteuer, gegliedert nach ermäßigtem Steuersatz, vollem Steuersatz und insgesamt:

Bäckerei 1.218 | 406 | 1.624

Fleischerei/Metzgerei 891 | 865 | 1.756

Gaststätten aller Art

  1. mit Abgabe von kalten Speisen 1.126 | 1.087 | 2.213
  2. mit Abgabe von kalten und warmen Speisen 1.689 | 1.768 | 3.457

Getränkeeinzelhandel 105 | 302 | 407

Café und Konditorei 1.179 | 642 | 1.821

Milch, Milcherzeugnisse, Fettwaren und Eier (Eh.) 590 | 79 | 669

Nahrungs- und Genussmittel (Eh.) 1.140 | 681 | 1.821

Obst, Gemüse, Südfrüchte und Kartoffeln (Eh.) 275 | 236 | 511

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben IV A 4 – S-1547 / 19 / 10001 :001 vom 02.12.2019

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für die steuerpflichtigen Einfuhren von Sammlermünzen

Bekanntmachung des Gold- und Silberpreises für das Kalenderjahr 2020

Auf die steuerpflichtigen Einfuhren von Sammlermünzen aus Edelmetallen ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden, wenn die Bemessungsgrundlage für die Umsätze dieser Gegenstände mehr als 250 Prozent des unter Zugrundelegung des Feingewichts berechneten Metallwerts ohne Umsatzsteuer beträgt (§ 12 Abs. 2 Nr 12 UStG i. V. m. Nr 54 Buchst. c Doppelbuchst. cc der Anlage 2 zum UStG).

Für die Anwendung der Umsatzsteuerermäßigung im Kalenderjahr 2020 gilt Folgendes:

1. Goldmünzen

Für steuerpflichtige Einfuhren von Goldmünzen muss der Unternehmer zur Bestimmung des zutreffenden Steuersatzes den Metallwert von Goldmünzen grundsätzlich anhand der aktuellen Tagespreise für Gold ermitteln. Maßgebend ist der von der Londoner Börse festgestellte Tagespreis (Nachmittagsfixing) für die Feinunze Gold (1 Feinunze entspricht 31,1035 Gramm). Dieser in US-Dollar festgestellte Wert muss anhand der aktuellen Umrechnungskurse in Euro umgerechnet werden.

Nach Tz. 174 Nummer 1 des Bezugsschreibens kann der Unternehmer aus Vereinfachungsgründen jedoch auch den letzten im Monat November festgestellten Goldtagespreis für das gesamte folgende Kalenderjahr zu Grunde legen. Für das Kalenderjahr 2020 ist die Metallwertermittlung dabei nach einem Goldpreis (ohne Umsatzsteuer) von 42.721 Euro je Kilogramm vorzunehmen.

2. Silbermünzen

Bei der Ermittlung des Metallwerts von Silbermünzen kann der Unternehmer nach Tz. 174 Nummer 2 des Bezugsschreibens statt der jeweiligen Tagesnotierung aus Vereinfachungsgründen den letzten im Monat November festgestellten Preis je Kilogramm Feinsilber für das gesamte folgende Kalenderjahr zu Grunde legen. Für das Kalenderjahr 2020 ist die Wertermittlung dabei nach einem Silberpreis (ohne Umsatzsteuer) von 483 Euro je Kilogramm vorzunehmen.

Diese Bekanntmachung wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben III C 2 – S-7246 / 19 / 10002 :001 vom 02.12.2019

Weihnachtsbaumkulturen unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer

Werden Weihnachtsbaumkulturen zusammen mit dem Grundstück erworben, unterliegt nur der das Grundstück betreffende Teil des Kaufvertrags der Grunderwerbsteuer. Der Kauf der Weihnachtsbäume ist grunderwerbsteuerfrei. Denn die Weihnachtsbäume sind kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, sondern nur sog. Scheinbestandteil, wie der 8. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 14.11.2019 (Az. 8 K 168/19 GrE) entschieden hat.

Der Kläger hatte ein Grundstück mit darauf stehendem Aufwuchs erworben. Im Kaufvertrag war der Kaufpreis in einen Betrag für Grund und Boden und einen (nach einem Berechnungsschema errechneten) Betrag für Weihnachtbaumkulturen aufgeteilt worden. Der Beklagte setzte Grunderwerbsteuer fest und zog dabei als Bemessungsgrundlage den Gesamtkaufpreis einschließlich des Teilbetrags für die Weihnachtsbaumkulturen heran.

Der hiergegen erhobenen Klage hat der 8. Senat stattgegeben. Für die Grunderwerbsteuer sei der zivilrechtliche Grundstücksbegriff maßgeblich. Damit seien die Regelungen des bürgerlichen Rechts dazu, was als wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks anzusehen sei und deshalb gemäß § 93 BGB nicht Gegenstand besonderer Rechte sein könne, auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu berücksichtigen. Bäume in Baumschulbeständen oder in forstwirtschaftlich betriebenen Pflanzungen, aber auch Weihnachtsbäume seien zivilrechtlich nach einhelliger Ansicht keine wesentlichen Bestandteile, sondern Scheinbestandteile, da sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit den Grundstücken verbunden seien. Auch im Streitfall habe der Kläger von vornherein beabsichtigt, die Bäume der Weihnachtsbaumkulturen zu fällen und als Weihnachtsbäume zu verkaufen. Diese Absicht zeige sich auch daran, dass die Weihnachtsbäume bilanziell als Umlaufvermögen behandelt worden seien.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 02.12.2019 zum Urteil 8 K 168/19 vom 14.11.2019

Entfallen der Wegzugsbesteuerung nur bei Rückkehrabsicht

Gemäß § 6 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) führt das Ausscheiden des Steuerpflichtigen aus der unbeschränkten Steuerpflicht dazu, dass auch ohne Veräußerung die stillen Reserven von im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen aufgedeckt werden und ein Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern ist. Diese sog. Wegzugsbesteuerung kann gemäß § 6 Abs. 3 AStG nachträglich entfallen. Hierfür ist neben der (objektiven) Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht auch erforderlich, dass glaubhaft gemacht wird, dass bereits bei Wegzug (subjektiv) der Wille zur Rückkehr bestand, wie der 1. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 31.10.2019 (Az. 1 K 3448/17 E) entschieden hat.

Der Kläger war nach Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten gezogen und hatte seinen inländischen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben. Zum Zeitpunkt seines Wegzugs hielt der Kläger Beteiligungen an mehreren im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften. Zwei Jahre nach dem Wegzug begründete der Kläger wieder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Das Finanzamt erfasste bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Jahr des Wegzugs Veräußerungsgewinne gemäß § 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Argument, dass infolge seiner Rückkehr nach Deutschland die Besteuerung rückwirkend wieder entfallen müsse. Das Finanzamt folgte dem nicht mit der Begründung, dass der Kläger nicht bereits bei seinem Wegzug seinen Willen zur Rückkehr angezeigt habe.

Der 1. Senat hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er im Zeitpunkt seines Wegzugs den Willen gehabt habe, zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Deutschland steuerlich ansässig zu werden. § 6 Abs. 3 S. 1 AStG setze für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung voraus, dass der Steuerpflichtige nicht nur innerhalb von fünf Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig werde, sondern auch, dass die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf nur vorübergehender Abwesenheit beruhe. Hierin sei ein subjektives Tatbestandsmerkmal im Sinne einer bei Wegzug bestehenden Rückkehrabsicht zu sehen. § 6 Abs. 3 AStG gelte nicht für gescheiterte oder „abgebrochene“ Auswanderungen. Die Absicht zur Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht müsse zwar nicht bereits bei Wegzug angezeigt werden, sondern könne auch erst bei Rückkehr glaubhaft gemacht werden. Im Streitfall sei dem Kläger diese Glaubhaftmachung aber nicht gelungen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 02.12.2019 zum Urteil 1 K 3448/17 vom 31.10.2019

Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Verzinsung nach § 233 AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO

Der VIII. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 4. Juli 2019, VIII B 128/18, BFH/NV S. 1060, unter Bezugnahme auf die Beschlüsse vom 25. April 2018, IX B 21/18, BStBl II S. 415, und vom 3. September 2018, VIII B 15/18, BFH/NV S. 1279, entschieden, dass die Vollziehung eines Bescheides über die Festsetzung von Aussetzungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2012 auszusetzen ist. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden wird daher Folgendes bestimmt:

  1. In der Überschrift, in Abschnitt I Absatz 1 und 3 und Abschnitt II Absatz 1 und 3 des BMF-Schreibens vom 14. Dezember 2018 – IV A 3 – S-0465 / 18 / 10005-01 – wird die Angabe „1. April 2012“ jeweils durch die Angabe „1. Januar 2012“ ersetzt.
  2. Abschnitt VI des BMF-Schreibens vom 2. Mai 2019 – IV A 3 – S-0338 / 18 / 10002 – wird wie folgt gefasst:

„VI. Aussetzung der Vollziehung

Auf das BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2018 (IV A 3 – S-0465 / 18 / 10005-01, BStBl I S. 1393), geändert durch das BMF-Schreiben vom 27. November 2019 (IV A 3 – S-0465 / 19 / 10004 :001, BStBl I S. …) wird verwiesen.“

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 3 – S-0465 / 19 / 10004 :001 vom 27.11.2019

Lohnsteuerliche Sachbezüge ab 2020: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Der Bundesrat hat am 29.11.2019 dem „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (gemeinhin „JStG 2019“) zugestimmt. Das Gesetz enthält neben zahlreichen weiteren Regelungen eine wichtige Änderung bei der Abgrenzung von Bar- und Sachlohn. Steuerliche Berater und Arbeitgeber sollten diese unbedingt im Blick haben.

Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zur Abgrenzung von Bar- und Sachlohn geändert bzw. fortentwickelt hat. Bestimmte Sachbezüge wie aufladbare Geldkarten erfüllten demnach nicht länger die Kriterien eines Sachbezugs. Da dies für Rechtsunsicherheit sorge, war im Referentenentwurf zum JStG 2019 vom 08.05.2019 eine Änderung der Abgrenzung von Bar- und Sachlohn enthalten, die Geldkarten und weitere Arbeitgeberleistungen eindeutig als Barlohn definierten.

Wohl auch bedingt durch die Kritik der Verbände, Medien und einzelner Länder war die Regelung im Regierungsentwurf vom 09.08.2019 überraschend nicht mehr enthalten – nur um dann in geänderter Form im Rahmen eines Antrags der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD kurz vor Abschluss der Erörterungen erneut einen Platz im JStG 2019 zu finden.

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) erklärt, was ab 2020 zu beachten ist.

Geänderte Sachbezugsdefinition

Auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung ist bislang ein Sachbezug regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen kann. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer die Sache unmittelbar vom Arbeitgeber erhalte oder ob der Arbeitnehmer die Sache von einem Dritten auf Kosten des Arbeitgebers beziehe (vgl. etwa BFH vom 04.07.2018, VI R 16/17, BStBl II 2019, S. 373 ). Zudem darf nach dem BFH keine Barauszahlung möglich sein.

Künftig dürfte die Abgrenzung zwischen Bar- und Sachlohn – insbesondere bei Gutscheinen und Geldkarten – indes etwas komplizierter werden. Denn § 8 EStG wird wie folgt geändert (vgl. BR-Drs. 552/19, S. 10 ):

Dem Absatz 1 werden die folgenden Sätze angefügt: „Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen.“

Ferner wird für Gutscheine und Geldkarten gesetzlich ein Zusätzlichkeitserfordernis festgeschrieben. Dem § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG werden hierfür folgende Wörter angefügt: „(…) die nach Absatz 1 Satz 3 nicht zu den Einnahmen in Geld gehörenden Gutscheine und Geldkarten bleiben nur dann außer Ansatz, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.“

Konsequenzen für die Praxis

Gemäß der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/14909, S. 44 ) sollen durch die Änderung insbesondere bestimmte Open-Loop-Geldkarten nicht länger als Sachbezug gelten. Open-Loop-Geldkarten funktionieren ähnlich wie Kreditkarten und können an zahlreichen Akzeptanzstellen zur Zahlung genutzt werden. Unberührt von der Änderung sollen nach der Gesetzesbegründung hingegen sog. Closed-Loop- (nur beim Aussteller der Karte einlösbar) sowie sog. Controlled-Loop-Karten (Centergutscheine, „City-Cards“) sein.

Durch den Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) könnten jedoch auch andere – bislang als Sachbezug geltende – Leistungen des Arbeitgebers ihre Sachbezugseigenschaft ab 01.01.2020 verlieren. Sie wären dann als steuer- und sozialversicherungspflichtiger Barlohn zu behandeln.

Der DStV empfiehlt daher: Die Sachbezugseigenschaft von durch den Arbeitgeber gewährten Leistungen – insbesondere Geldkarten und Gutscheine – sollte mit Blick auf die Gesetzesänderung sorgfältig überprüft werden. Für eine erste Einordnung, ob die Kriterien des ZAG erfüllt sind und insoweit ein Sachbezug vorliegt, bietet sich das Merkblatt zum ZAG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an. Ferner ist das Zusätzlichkeitserfordernis zu beachten.

Kritik an der Gesetzesänderung

Die in der Gesetzesbegründung angeführte geänderte bzw. fortentwickelte Rechtsprechung des BFH kann der DStV nicht erkennen. Dies hat er bereits in seiner Stellungnahme S 09/19 zu dem Referentenentwurf deutlich zum Ausdruck gebracht. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass hier eine unliebsame Rechtsprechung des BFH überschrieben werden soll.

Die Regelung schafft zudem nicht – wie in der Gesetzesbegründung behauptet – mehr Rechtssicherheit. Das Gegenteil ist der Fall. Die Frage, ob Bar- oder Sachlohn vorliegt, dürfte in der Praxis nunmehr schwieriger zu beantworten sein als zuvor. In der öffentlichen Anhörung des Bundestages zu dem Gesetzentwurf hat sich der DStV vergeblich für eine rechtssichere, an der BFH-Rechtsprechung orientierte und praktikable Lösung eingesetzt.

Bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung der Gesetzesänderung schnell ein klarstellendes und nicht zu restriktives Anwendungsschreiben folgen lässt.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 02.12.2019

Mobiles Scannen von Belegen: BStBK unterstützt Steuerberater mit überarbeiteter Muster-Verfahrensdokumentation

GoBD

Mit dem Ziel, den Berufsstand über die neuen Vorgaben zum mobilen Scannen bei der Belegdokumentation zu informieren, veröffentlichte die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) gemeinsam mit dem Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) am 29. November 2019 die überarbeitete Muster-Verfahrensdokumentation. Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) enthalten in der am 28. November 2019 vom BMF veröffentlichten überarbeiteten Fassung erstmals Aussagen zum mobilen Scannen.

Die Finanzverwaltung fordert in den GoBD für zahlreiche Bereiche Verfahrensdokumentationen von steuerpflichtigen Unternehmen. Das betrifft vor allem eine geordnete und sichere Belegablage oder die Umwandlung von Papierdokumenten in elektronische Dokumente. Durch die Möglichkeit, Belege mit einem Smartphone abzufotografieren und in der Cloud zu speichern, ergeben sich neue Vorgaben für Steuerberater und Unternehmen.

BStBK und DStV zeigen in der aktualisierten Muster-Verfahrensdokumentation u. a. die einzelnen Verfahrensschritte der Belegbearbeitung vom Posteingang über die Prüfung und Digitalisierung bis zur Archivierung. Sie geben Hilfestellung zur Anleitung der Mitarbeiter und zu den Anforderungen an die verwendete Hard- sowie Software. Das digitale Belegabbild soll zukünftig den Papierbeleg für Nachweis- und Dokumentationszwecke vollständig ersetzen. So sind keine originalen Papierbelege mehr notwendig, um die Aufzeichnungen ordnungsgemäß zu führen.

Quelle: BStBK, Pressemitteilung vom 02.12.2019

 

Führt die Besteuerung einer Altersrente zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung?

Dies verneinte das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) mit Urteil vom 1. Oktober 2019 im zweiten Rechtsgang (Az. 8 K 3195/16). Es ließ die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Noch nicht höchstrichterlich geklärt seien „die Einzelheiten zur Ermittlung einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung“. Im ersten Rechtsgang hatte das FG die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung hatte der BFH aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im Streitfall hatte der verheiratete Kläger ca. 10 Jahre lang als Auszubildender und Angestellter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Als freiberuflich Tätiger war er auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bis zum Eintritt in den Ruhestand pflichtversichert. Seit Dezember 2007 bezieht er eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte einen steuerpflichtigen Besteuerungsanteil von 54 %. Dies sei verfassungswidrig – so der Kläger. Als Freiberufler habe er 89,15 % der Beiträge aus versteuertem Einkommen gezahlt. Der Kläger legte Versicherungsverläufe der DRV für sich und seine Ehefrau vor sowie die als beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben geltend gemachten Versicherungsaufwendungen in tabellarischer Form, kopierte Auszüge der Einkommensteuererklärungen und die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1971-2007. Die DRV hatte Angaben zum Umlageverfahren und zur Höhe einer möglichen Witwenrente gemacht.

Das FG entschied, dass die Summe der dem Kläger nach der statistischen Lebenserwartung nach der im Zeitpunkt des Renteneintritts letztverfügbaren Sterbetafel voraussichtlich steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge höher sei als der vom Kläger aus versteuertem Einkommen geleistete Teil seiner Altersvorsorgeaufwendungen. Die Berechnung der steuerunbelastet zufließenden Rententeilbeträge nahm das FG auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vor. Es berücksichtigte weder die Lebenserwartung der jüngeren Ehefrau im Hinblick auf eine ihr möglicherweise künftig zufließende Hinterbliebenenrente, den Werbungskosten-Pauschbetrag, den Sonderausgaben-Pauschbetrag, die Sonderausgabenabzüge für die aus der Rente zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge und Pflegeversicherungsbeiträge noch nach § 3 Nr. 14 Einkommensteuergesetz steuerfreie Zuschüsse der Rentenversicherungsträger zu Krankenversicherungsbeiträgen. Die Einkommensteuer sei eine „Personensteuer“. Es gelte daher der „Grundsatz der Individualbesteuerung“. Sonderausgaben und Steuerbefreiungen dienten der Freistellung des Existenzminimums. Dies gelte auch für den Grundfreibetrag. Der Werbungskosten-Pauschbetrag verwirkliche das objektive Nettoprinzip.

Das FG berücksichtigte bei der Berechnung der aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der Sozialversicherung gleichrangig einschließlich derjenigen zu privaten Kranken- oder Pflegeversicherungen, soweit sie der Erlangung eines mit dem Niveau der gesetzlichen Versicherung vergleichbaren Schutzes dienten. Sofern Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt würden, sei „der für die Veranlagungszeiträume bis 2004 gewährte Sonderausgabenabzug zwischen den Ehegatten gleichmäßig im Verhältnis der von ihnen geleisteten und geltend gemachten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen und dann der anteilig auf die Rentenversicherungsbeiträge des betroffenen Ehegatten entfallende Anteil am Sonderausgabenabzug zu ermitteln.“ Eine hälftige Aufteilung des Vorwegabzugs sei nicht sachgerecht. Nach Ansicht des FG komme es für die Frage, ob Aufwendungen für die Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen erbracht worden sind, nicht auf die Höhe der Einkommensteuer an.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 02.12.2019 zum Urteil 8 K 3195/16 vom 01.10.2019