Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Bundesrat stimmt Gesetz zum Bürokratieabbau zu

Zwei Wochen nach dem Bundestag stimmte am 8. November 2019 auch der Bundesrat dem dritten Bürokratieentlastungsgesetz zu. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürgern sowie Verwaltung zugutekommen.

Aus für den „gelben Schein“

Eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung löst den bisherigen Krankenschein aus Papier ab: Künftig informieren die Krankenkassen den Arbeitgeber auf Abruf elektronisch über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit der gesetzlich versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Schnellerer Check-in im Hotel

Auch der Meldeschein bei Übernachtungen im Hotel ist nach dem Bundestagsbeschluss obsolet. Er musste bisher ausgefüllt, vom Gast persönlich unterschrieben und ein Jahr lang aufbewahrt werden. Ersetzt wird er durch ein elektronisches Meldeverfahren.

Kürzere Aufbewahrung elektronischer Steuerunterlagen

Auch die Archivierung elektronisch gespeicherter Steuerunterlagen wird vereinfacht: Für Unternehmen entfällt die Pflicht, bei einem Wechsel der Steuersoftware zehn Jahre lang die alten Datenverarbeitungsprogramme in Betrieb zu halten. Sie können nun fünf Jahre nach dem Wechsel abgeschafft werden, wenn ein Datenträger mit den gespeicherten Steuerunterlagen vorhanden ist.

Weniger Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Firmengründer

Daneben sieht das Gesetz zahlreiche weitere Steuervereinfachungen vor, unter anderem für Firmengründer, die ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen nur noch vierteljährlich statt bisher monatlich abgeben müssen; oder für Lohnsteuerhilfevereine, die Ehrenamtliche unterstützen.

Weniger Statistikpflichten

Zudem reduziert das Gesetz die Statistikpflichten. Ziel ist es, das aktuelle Registerwesen durch Einführung eines Basisregisters für Unternehmen zu modernisieren.

Milliarden-Entlastung erwartet

Die Bundesregierung rechnet mit einem Entlastungsvolumen von über einer Milliarde Euro.

Kritische Entschließung: Kein großer Wurf

In einer begleitenden Entschließung begrüßt der Bundesrat das Gesetz als einen Schritt zur Entlastung des Mittelstands. Er kritisiert allerdings, der Bundestagbeschluss sei kein großer Wurf, sondern habe die Chance auf deutlich spürbare Vereinfachungen verstreichen lassen. Er bleibe im Umfang deutlich hinter dem zurück, was im Interesse der Stärkung und Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Wirtschaft wünschenswert wäre.

Weitere Bemühungen gefordert

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, ihr Bemühen um Bürokratieentlastung entschieden fortzusetzen und zügig weitere Vorschläge dazu zu erarbeiten. Die Länder kündigen an, den Bund dabei mit Vorschlägen unterstützen.

Die nächsten Schritte

Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten vorgelegt. Seine Unterzeichnung erfolgt übrigens noch traditionell handschriftlich. Anschließend kann das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet werden – das immerhin schon seit einiger Zeit elektronisch erscheint. Zum 1. Januar 2020 soll das Gesetz in Kraft treten.

Die begleitende Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, ob sie das Anliegen der Länder aufgreift. Feste Fristen gibt es hierfür jedoch nicht.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 08.11.2019

Bundesrat beschließt „Grundsteuer-Reformgesetz“

 

Grundsteuerreform ist beschlossene Sache

Der Bundesrat hat am 8. November 2019 einem der wichtigsten steuerpolitischen Projekte dieses Jahres zugestimmt: Der Reform der Grundsteuer. Damit kann das Gesetzespaket aus Grundgesetzänderung (siehe TOP 2 a) sowie Änderung des Grundsteuer- und Bewertungsrechtes wie geplant in Kraft treten: Ab 2025 erheben die Bundesländer die Grundsteuer dann nach den neuen Regeln.

Die Grundzüge der Reform

Mit der Reform ändert sich insbesondere die Bewertung der Grundstücke. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018. Es hatte die derzeit geltende Einheitsbewertung für verfassungswidrig erklärt. In Zukunft erfolgt die Bewertung grundsätzlich nach dem wertabhängigen Modell: Bei einem unbebauten Grundstück ist dafür der Wert maßgeblich, der durch unabhängige Gutachterausschüsse ermittelt wird. Ist das Grundstück bebaut, werden bei der Berechnung der Steuer auch Erträge wie Mieten berücksichtigt. Um das Verfahren zu vereinfachen, wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Sollertrag in Form einer Nettokaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks angenommen.

Ausnahme: Das wertabhängige Modell

Anstelle dieses wertabhängigen Modells können sich die Bundesländer auch dafür entscheiden, die Grundsteuer nach einem wertunabhängigen Modell zu berechnen. Ermöglicht wird dies durch die Grundgesetzänderung, der ein langer Streit vorangegangen war. Entstehen den Ländern aufgrund ihrer Entscheidung Steuermindereinnahmen, dürfen sie allerdings nicht im Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden.

Grundsätzliche Struktur bleibt erhalten

Die grundsätzliche Struktur der Grundsteuer bleibt erhalten. Sie wird weiter in einem dreistufigen Verfahren berechnet: Bewertung der Grundstücke, Multiplikation der Grundstückswerte mit einer Steuermesszahl und einem Hebesatz der Kommune.

Übergangsphase

Bis 2025 ist nun Zeit, um die notwendigen Daten zu erheben. Ebenso lange dürfen auch die bestehenden Regelungen noch gelten.

Zum Schluss: Noch eine wichtige Unterschrift

Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Danach kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 08.11.2019

BMF verlängert Frist zur Aufrüstung elektronischer Kassen

Ab dem 1. Januar 2020 müssen alle elektronischen Aufzeichnungssysteme mit Kassenfunktion (z. B. Registrierkassen) durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung geschützt werden. Das Problem: Bisher gibt es lediglich erste Prototypen der technischen Sicherheitseinrichtung, deren Zertifizierungsverfahren voraussichtlich erst Ende 2019 abgeschlossen ist. Eine flächendeckende Umsetzung ist für die Betriebe und Berater zeitlich bis Ende des Jahres nicht machbar. Die Bundessteuerberaterkammer setzte sich daher früh für eine Nichtbeanstandungsregelung ein, die das BMF nunmehr mit Schreiben vom 6. November 2019 veröffentlicht hat (LEXinform 7012004). Danach wird es nicht beanstandet, wenn die elektronischen Aufzeichnungssysteme bis zum 30. September 2020 noch nicht über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen.

BStBK-Präsident Prof. Dr. Schwab: „Wir sind froh, dass sich Bund und Länder auf die Nichtbeanstandungsregelung geeinigt haben. Damit wird eine Rechtsunsicherheit für die Unternehmen beseitigt, die aufgrund der erheblichen Verzögerungen bei der Formulierung der rechtlichen und technischen Anforderung an die zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen entstanden ist. Die neuen Anforderungen führen gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zu einem erhöhten Beratungs- und Umstellungsbedarf. Wir begrüßen auch die Klarstellung des BMF, dass eine Mitteilung erst erfolgen muss, wenn es ein elektronisches Meldeverfahren geben wird.“

Die Neuregelung im Kassengesetz dient der Sicherung von Kassensystemen vor Manipulationen. Damit soll eine verlässliche Grundlage für eine einheitliche Besteuerung geschaffen werden. Die zertifizierte technische Sicherungseinrichtung muss aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle bestehen. Das Sicherheitsmodul soll dabei gewährleisten, dass Kasseneingaben mit Beginn des Aufzeichnungsvorgangs protokolliert und später nicht mehr verändert werden können. Die Neuerung betrifft alle Betriebe, die ihre Bargeldeinnahmen mittels einer elektronischen Registrierkasse aufzeichnen, z. B. Gastronomie, Friseure und Bäckereien.

Quelle: BStBK, Pressemitteilung vom 08.11.2019

JStG: Bundestag beschließt ermäßigten Mehrwertsteuersatz für digitale Publikationen

Der Deutsche Bundestag hat am 07.11.2019 das Jahressteuergesetz beschlossen. Mit diesem Gesetz wird auch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf E-Books, digitale Zeitungen und Periodika eingeführt.

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, begrüßte diese Entscheidung: „Es ist gut, dass der Deutsche Bundestag den Weg frei gemacht hat für die steuerliche Gleichbehandlung aller Bücher, Zeitungen und Zeitschriften – unabhängig davon, ob sie auf Papier oder in elektronischer Form erscheinen. Ganz wichtig und erfreulich ist, dass auch Datenbanken mit Sammlungen einer Vielzahl elektronischer Publikationen – wie zum Beispiel bei digitalen wissenschaftlichen Verlagsangeboten – von der steuerlichen Vergünstigung profitieren werden.“

In Deutschland gilt für gedruckte Presseerzeugnisse der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, für digitale Ausgaben hingegen bislang der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Diese Regelung war europarechtlich vorgegeben. Deutschland hatte eine Änderung dieser Rechtslage schon seit langem gefordert. Der Rat der Europäischen Union hatte Ende des vergangenen Jahres die Angleichung möglich gemacht.

Monika Grütters betonte: „Ich habe mich intensiv dafür eingesetzt, dass gedruckte und digitale Presseangebote gleichberechtigt behandelt werden und dabei der EU-rechtliche Rahmen so weit wie möglich ausgeschöpft wird. Denn nicht auf die Form der Veröffentlichung kommt es an, entscheidend sind vielmehr die Inhalte. Die Mehrwertsteuerermäßigung ist ein wichtiger Beitrag zu unserer Medienvielfalt. Eine vielfältige Presselandschaft ist für eine freie und unabhängige Meinungsbildung unverzichtbar.“

Das Gesetz bedarf nun noch der Zustimmung des Bundesrates.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 08.11.2019

Bundestag beschließt „Angehörigen-Entlastungsgesetz“

 

Pflegekosten: Familien werden entlastet

Die Bundesregierung will erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern entlasten. Künftig sollen sie erst zu Unterhaltszahlungen herangezogen werden können, wenn ihr Jahreseinkommen 100.000 Euro brutto übersteigt. Der Bundestag hat dem Entwurf zum Angehörigen-Entlastungsgesetz zugestimmt.

Wenn Eltern die Kosten für ihre Pflege im Alter nicht allein aufbringen können, werden häufig die erwachsenen Kinder zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Der Bundestag hat einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugestimmt der vorsieht, Angehörige erst heranzuziehen, wenn ihr Brutto-Jahreseinkommen 100.000 Euro übersteigt. Für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gilt die Einkommensgrenze von 100.000 Euro bereits.

Eltern und Kinder seien durch die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen oft stark belastet und trügen eine große Verantwortung, hatte Bundessozialminister Hubertus Heil zu dem Gesetzesvorhaben erklärt. „Wir nehmen ihnen jetzt die Angst vor unkalkulierbaren finanziellen Forderungen.“

Von der Neuregelung sollen künftig alle Kinder und Eltern bis zu einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro profitieren, die gegenüber Sozialleistungsbeziehern unterhaltspflichtig sind. So auch Familien, die sich um ein Kind mit Behinderung kümmern. Damit geht der Gesetzentwurf über die Vereinbarung im Koalitionsvertag hinaus. Die Bundesregierung beende damit eine jahrelange Ungleichbehandlung, so Heil. „Das ist längst überfällig.“

Im gleichen Umfang sollen außerdem Menschen von Zuzahlungen befreit werden, deren Angehörige aufgrund einer Behinderung Anspruch auf eine sogenannte Eingliederungshilfe haben – etwa auf finanzielle Hilfe für den Umbau einer barrierefreien Wohnung oder auf einen Gebärdensprachdolmetscher.

Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen

Für Menschen mit Behinderungen enthält der Gesetzentwurf darüber hinaus weitere wichtige Verbesserungen. Geplant ist etwa ein Budget für Ausbildung. Damit sollen behinderte Menschen unterstützt werden, die eine reguläre Berufsausbildung antreten. Bisher wird nur die berufliche Bildung in einer Werkstatt für behinderte Menschen gefördert – allerdings ohne die Möglichkeit, dort einen anerkannten Berufsabschluss zu erwerben.

Zudem soll die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung entfristet und finanziell aufgestockt werden. Sie bietet Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen Hilfe und Beratung zu Fragen von Rehabilitation und Teilhabe – unabhängig von Leistungsträgern und Leistungserbringern.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 08.11.2019

Verkürzte Restschuldbefreiung auch für überschuldete Verbraucher

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht plant zügige Umsetzung europäischer Vorgaben zum Entschuldungsrecht.

Zum Deutschen Insolvenzverwalterkongress 2019 erklärt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht:

„Im Zuge der Umsetzung der europäischen Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie plane ich, die reguläre Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs auf drei Jahre zu verkürzen. Für unternehmerisch tätige Personen schreibt dies die Richtlinie ausdrücklich vor. Ich setze mich dafür ein, dass das gleiche auch für Verbraucherinnen und Verbraucher gilt. Auch weiterhin werden sich alle Schuldnerinnen und Schuldner die Restschuldbefreiung dadurch verdienen müssen, dass sie ihren Pflichten im Restschuldbefreiungsverfahren hinreichend nachkommen. Um einen abrupten Übergang von der sechsjährigen zur dreijährigen Entschuldungsfrist zu verhindern, plane ich eine Übergangsregelung, bei der die Fristen nach und nach verkürzt werden.“

Zum Hintergrund

Die Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 über Restrukturierung und Insolvenz schreibt vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden. Die Richtlinie ist bis zum 17. Juli 2021 umzusetzen; die Umsetzungsfrist kann aber einmalig um ein Jahr verlängert werden.

Den Anforderungen der Richtlinie genügt das geltende Recht nicht. Zwar können Schuldnerinnen und Schuldner bereits heute eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren erlangen. Allerdings setzt dies voraus, dass bis dahin nicht nur die Verfahrenskosten, sondern auch 35 Prozent der Insolvenzforderungen gedeckt werden. Eine vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durchgeführte Evaluation dieser Regelung im Jahr 2018 hat gezeigt, dass dieses Mindestbefriedigungserfordernis von weniger als 2 Prozent der Schuldnerinnen und Schuldner erfüllt werden kann. Zudem ist es mit der Richtlinie unvereinbar. Künftig soll daher eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren auch dann möglich sein, wenn es nicht gelingt, die bisherige Mindestbefriedigungsquote zu erzielen. Ebenso wenig soll es erforderlich sein, dass die Verfahrenskosten gedeckt sind. In den Fällen der Verfahrenskostenstundung soll der Schuldner oder die Schuldnerin aber weiterhin einer vierjährigen Nachhaftung unterliegen.

Auch weiterhin müssen Schuldnerinnen und Schuldner den bestehenden Pflichten und Obliegenheiten nachkommen, um die Restschuldbefreiung zu erlangen. Dazu gehören umfangreiche Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten. Auch muss der Schuldner einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich um eine solche bemühen.

Das deutsche Restschuldbefreiungsrecht hat seit seiner Einführung vor über 20 Jahren bewusst nicht danach unterschieden, ob der Schuldner oder die Schuldnerin einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht oder nicht. Die Richtlinie gibt keinen Anlass, daran etwas zu ändern – zumal sie die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu einlädt, auch für Verbraucherinnen und Verbrauchern dieselbe dreijährige Entschuldungsfrist vorzusehen.

Die Einführung des Restschuldbefreiungsverfahrens im Jahr 1999 und sämtliche nachfolgende Erleichterungen des Zugangs zur Restschuldbefreiung waren stets von der Sorge begleitet, dass die Insolvenz für Schuldnerinnen und Schuldner ihren Schrecken verlieren könnte und dass deshalb Anreize zu einer sorglosen oder gar missbräuchlichen Überschuldung gesetzt werden könnten. Bewahrheitet haben sich derartige Befürchtungen nicht. Nach den meisten Studien zählen unverschuldete und unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheit, Scheidung und Arbeitslosigkeit bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu den Hauptursachen von Überschuldungen, die sich über die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht steuern lassen. Selbst dort, wo die Überschuldung im Einzelfall auf objektiv vermeidbares Verhalten zurückzuführen ist, schränken nicht selten wirtschaftliche und psychosoziale Belastungen die Fähigkeit der Betroffenen zu einer geordneten finanziellen Planung ein. Da diese Fälle weit überwiegend masse- und einkommenslos sind, haben auch die Gläubigerinnen und Gläubiger regelmäßig nichts von einem längeren Verfahren.

Um einen geordneten Übergang vom geltenden Recht zum künftigen Recht sicherzustellen, insbesondere um zu verhindern, dass Schuldnerinnen und Schuldner bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts systematisch dazu übergehen, die Einleitung des Verfahrens zu verzögern, um sich in den Genuss einer substantiell kürzeren Frist zu bringen, soll die dreijährige Frist allmählich und kontinuierlich eingeführt werden. Das vermeidet die Ausbildung eines Verfahrensstaus, infolge dessen die Kapazitäten von Schuldnerberatungsstellen, Gerichten und Verwalterbüros zunächst über einen längeren Zeitraum unterbelastet bleiben, um sich dann mit Inkrafttreten der Neuregelung in einer schwer bewältigbaren Verfahrensschwemme aufzulösen. Auch werden Ungerechtigkeiten vermieden, die entstünden, wenn die Frist von heute auf morgen verkürzt werden würde. Zu diesem Zweck soll die dreijährige Frist allmählich eingeführt werden. Nähere Details hierzu finden sich im zugehörigen Informationsblatt.

Quelle: BMJV, Pressemitteilung vom 07.11.2019

BFH: Keine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung bei der Überlassung von Hotelzimmern an Reiseveranstalter

Entgelte, die ein Reiseveranstalter an Hoteliers für die Überlassung von Hotelzimmern bezahlt, unterliegen nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil III R 22/16 vom 25.07.2019 zu § 8 Nr. 1 Buchst. d und e des Gewerbesteuergesetzes entschieden. Nach diesen Vorschriften werden bei der Gewerbesteuer dem nach den Vorschriften des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerrechts ermittelten Gewinn Miet- und Pachtzinsen, die zuvor gewinnmindernd berücksichtigt wurden, teilweise wieder hinzugerechnet, wenn die Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen des Betriebs des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.

Die Klägerin ist in der Rechtsform einer GmbH als Reiseveranstalterin tätig und organisiert Pauschalreisen. Zu diesem Zweck schloss sie mit anderen Leistungsträgern im Inland und im europäischen Ausland Verträge über typische Reisevorleistungen, insbesondere Übernachtungen, Personenbeförderungen, Verpflegungen, Betreuungen und Aktivitäten im Zielgebiet. Im Rahmen ihrer Gewerbesteuererklärung für 2008 nahm die Klägerin zwar Hinzurechnungen für von ihr geleistete Miet- und Pachtzinsen vor, jedoch nur hinsichtlich der von ihr angemieteten Geschäftsräume. Die an die Hoteliers gezahlten Entgelte blieben bei den Hinzurechnungen unberücksichtigt. Das Finanzamt war nach Durchführung einer Betriebsprüfung dagegen der Auffassung, dass nicht insgesamt eine Hotelleistung „eingekauft“ werde, sondern ein Teil des an die Hoteliers bezahlten Entgeltes auf die „Anmietung“ von Hotelzimmern entfalle. Entsprechend erhöhte es den gewerblichen Gewinn um den gesetzlich vorgesehenen Teil dieser Mietzinsen. Das Finanzgericht (FG) entschied zunächst im Rahmen eines Zwischenurteils über verschiedene Rechtsfragen. Dabei gelangte es u. a. zu dem Ergebnis, dass in den von der Klägerin an die Hoteliers gezahlten Entgelten Mietzinsen enthalten seien und der betreffende Anteil bei der Hinzurechnung zu berücksichtigen sei.

Dagegen sah der BFH die Revision der Klägerin als begründet an. Die Hinzurechnung setze neben dem Vorliegen eines Miet- oder Pachtvertrages voraus, dass die gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter bei fiktiver Betrachtung Anlagevermögen des Steuerpflichtigen wären, wenn sie in seinem Eigentum stünden. Letzteres verneinte der BFH, da bei einer nur kurzfristigen Überlassung der Hotelzimmer auch nur eine entsprechend kurzfristige Eigentümerstellung der Klägerin zu unterstellen sei. Für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Anlage- oder dem Umlaufvermögen sei der konkrete Geschäftsgegenstand des Unternehmens zu berücksichtigen und – soweit wie möglich – auf die betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen abzustellen.

Insofern sei entscheidend, dass das Geschäftsmodell eines Reiseveranstalters wie der Klägerin typischerweise keine langfristige Nutzung der von den Hoteliers überlassenen Wirtschaftsgüter erfordere. Vielmehr diene die nur zeitlich begrenzte Nutzung der Wirtschaftsgüter dem Bedürfnis des Reiseveranstalters, sich ständig an dem Wandel unterliegende Markterfordernisse (wie z. B. veränderte Kundenwünsche oder veränderte Verhältnisse am Zielort der Reise) anpassen zu können.

Da das FG bislang nur durch Zwischenurteil über Einzelfragen entschieden hatte, ging die Sache an das Finanzgericht zurück.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 72/19 vom 07.11.2019 zum Urteil III R 22/16 vom 25.07.2019

Nicht­beanstandungsregelung bei Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a AO ohne zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung nach dem 31. Dezember 2019

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 (BGBl. S. 3152) ist § 146a AO eingeführt worden, wonach ab dem 1. Januar 2020 die Pflicht besteht, dass jedes eingesetzte elektronische Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 1 Satz 1 KassenSichV sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen sind.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 1 Satz 1 KassenSichV ohne zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung nach dem 31. Dezember 2019 Folgendes:

Die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen sind umgehend durchzuführen und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen. Zur Umsetzung einer flächendeckenden Aufrüstung elektronischer Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a AO wird es nicht beanstandet, wenn diese elektronischen Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 30. September 2020 noch nicht über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen.

Die digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme – DSFinV-K – findet bis zur Implementierung der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung, längstens für den Zeitraum der Nichtbeanstandung, keine Anwendung. Von der Mitteilung nach § 146a Abs. 4 AO ist bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen. Der Zeitpunkt des Einsatzes der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit wird im Bundessteuerblatt Teil I gesondert bekannt gegeben.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV A 4 – S-0319 / 19 / 10002 :001 vom 06.11.2019

Sind Zahlungen eines Jugendwerks für die Betreuung von Jugendlichen steuerfreie Einnahmen?

Dies verneinte das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 26. März 2019 (Az. 11 K 3207/17) und ließ die Revision zu (Az. beim Bundesfinanzhof VIII R 13/19).

Die Klägerin ist eine staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin. Sie betreut Jugendliche auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags mit einem Jugendwerk. Sie erbringt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) VIII. Hinsichtlich der einzelnen zu betreuenden Jugendlichen schloss sie jeweils eine als „Leistungs- und Honorarvertrag über Betreuungsstelle“ bezeichnete Vereinbarung mit einem Jugendwerk „zur Durchführung einer Hilfemaßnahme im Rahmen der Jugendhilfe“. Die Höhe ihres Tageshonorars hing vom zuständigen Jugendamt ab. Zusätzlich hatte sie für jeden Jugendlichen Anspruch auf Ersatz der Sachkosten entsprechend dem Sozialhilfesatz. Die von der Klägerin betreuten Jugendlichen wohnten in den Streitjahren in einer Wohnung mit Einzelzimmern in einem Gebäude der Klägerin, in dem sich auch ihre Wohnung befand. Gekocht wurde im Wesentlichen gemeinsam in einer Gemeinschaftsküche. Es gab Gemeinschaftsräume. Die Klägerin beschäftigte mehrere Personen. Sie machte geltend, ihre Einnahmen seien nach § 3 Nr. 11 Einkommensteuergesetz (EStG) als Beihilfen steuerfrei. Das beklagte Finanzamt ging von steuerpflichtigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus.

Nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg handelt es sich um steuerpflichtige „Vergütungen für eine unternehmerisch betriebene sozialpädagogische Einzelbetreuung, Verpflegung und Unterbringung einer intensiven Betreuung bedürftiger Jugendlicher“. Die Tätigkeit sei auf Dauer zur Erzielung von Einnahmen angelegt. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen sowie Art und Höhe der Vergütung sprächen „für einen Grad an institutionalisierter Professionalität, der über eine Aufnahme familienfremder Jugendlicher in den eigenen Haushalt“ weit hinausgehe. Es handle sich um eine erwerbsmäßig betriebene Betreuung von Jugendlichen auf Grundlage der §§ 34 und 35 SGB VIII. Die Klägerin habe die Jugendlichen nicht im Rahmen einer Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII als Pflegekinder in ihren eigenen Haushalt aufgenommen. Ihr Honorar übersteige die „Löhne für im Angestelltenverhältnis beschäftigte Erzieher um ein Vielfaches“. Ihr hoher Kostenaufwand werde bei den Betriebsausgaben berücksichtigt. Ihr Gewinn sei jedenfalls höher als das Durchschnittsentgelt der Arbeitnehmer.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 06.11.2019 zum Urteil 11 K 3207/17 vom 26.03.2019 (nrkr – BFH-Az.: VIII R 13/19)

Steuerförderung für Forschung beschlossen

In Deutschland wird erstmals eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung (FUE) eingeführt. Der Finanzausschuss stimmte in seiner Sitzung am 06.11.2019 unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung ( 19/10940 , 19/11728 ) zu, nachdem die Koalitionsfraktionen zuvor noch einige Änderungen vorgenommen hatten, um den Beihilfevorschriften der EU zu entsprechen. Für den Entwurf in geänderter Fassung stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie die AfD-Fraktion. Gegen den Entwurf stimmte die Fraktion die Linke, während sich die Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen enthielten. Ein Antrag der AfD-Fraktion auf Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung ( 19/4844 ) wurde abgelehnt.

Mit der steuerlichen Forschungszulage soll erreicht werden, dass insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen vermehrt in Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten investieren, heißt es in dem Entwurf. Bei den Vorhaben, für die eine Förderung beantragt werden kann, muss es sich um Grundlagenforschung, angewandte Forschung oder experimentelle Entwicklung handeln. Laut Finanztableau wird von Kosten für die Forschungszulage in Höhe von rund 1,15 Milliarden Euro ab 2021 ausgegangen. Der Betrag soll bis 2024 auf rund 1,3 Milliarden Euro steigen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 06.11.2019