Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Keine quasi voraussetzungslose „Organschaft über die Grenze“

In seinem Urteil vom 13. März 2019 hatte der 1. Senat des FG sich mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen im EU-Raum eine Verlustverrechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft „über die Grenze“ hinweg erfolgen kann.

Die Klägerin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die Berücksichtigung der Verluste der französischen Tochtergesellschaft bei der deutschen Muttergesellschaft sei europarechtlich geboten. Zwar komme eine interpersonelle Verlustverrechnung nach deutschem Recht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG in Betracht. Diese könne die französische Tochtergesellschaft aber nicht erfüllen. Zum einen fehle es ihr am erforderlichen (doppelten) Inlandsbezug, weil sie weder über eine inländische Geschäftsleitung noch über einen Sitz im Inland verfügte. Zum anderen kenne das französische Recht keinen GAV i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG, sodass ein solcher zwischen den Gesellschaften nicht wirksam habe abgeschlossen werden können. Dadurch, dass §§ 14 ff. KStG eine Verlustverrechnung von diesen Voraussetzungen abhängig machten, beschränkten sie in europarechtswidriger Weise insbesondere die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) der beteiligten Gesellschaften. Wie sich aus einer Reihe von EuGH-Entscheidungen ergebe, sei die Berücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft – auch um dem Gesichtspunkt einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen – immer dann geboten, wenn – wie hier – feststehe, dass die Tochtergesellschaft die von ihr erwirtschafteten Verluste weder in der Vergangenheit habe steuerlich nutzen können, noch in der Zukunft dazu in der Lage sein werde, die Verluste also in diesem Sinne „final“ seien. Die §§ 14 ff. KStG seien daher in der Weise geltungserhaltend zu reduzieren, dass auf den normierten doppelten Inlandsbezug und auf das GAV-Erfordernis vollständig verzichtet werde. Ausreichend sei es, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft eine „Organschaft auf faktischer Grundlage gelebt“ hätten. Vorliegend sei das der Fall gewesen.

Das FG ist der Sichtweise der Klägerin nicht gefolgt. Der auch von der Klägerin angeführten einschlägigen EuGH-Rechtsprechung lasse sich entnehmen, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegen könne, wenn eine nationale Regelung die interpersonelle Verlustverrechnung zwischen einer gebietsansässigen Muttergesellschaft und einer ebenfalls gebietsansässigen Tochtergesellschaft zulasse, zwischen einer gebietsansässigen Muttergesellschaft und einer im sonstigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Tochtergesellschaft aber nicht. Aus dieser Einschränkung könne eine gemeinschaftsrechtswidrige Ungleichbehandlung resultieren, wenn sich die inländische und die ausländische Tochtergesellschaft in einer objektiv vergleichbaren Situation befänden, wobei sich eine fehlende Vergleichbarkeit nicht allein daraus ergeben könne, dass hinsichtlich der Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaft keine Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft (also des Staates, in dem ggf. die Verlustverrechnung erfolgen soll) erfolgt.

Eine solche Ungleichbehandlung sei allerdings regelmäßig gerechtfertigt, weil sie erforderlich sei, um eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten aufrecht zu erhalten, der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung zu begegnen und die Kohärenz des Steuersystems zu wahren. Das gelte (nur) dann nicht, wenn es um die Verrechnung „finaler“ Verluste gehe, denn die vollumfängliche Nichtberücksichtigung von Verlusten sei unverhältnismäßig. Stellten die in Rede stehenden nationalen Regelungen danach eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Niederlassungsfreiheit dar und verstießen sie folglich gegen höherrangiges (Europa-)Recht, so stelle sich die Frage nach der daraus resultierenden (Rechts-)Folge. Diese gehe regelmäßig dahin, die als gemeinschaftsrechtswidrig identifizierten Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften in gemeinschaftsrechtlich konformer und normerhaltender Weise zu reduzieren.

Die einschlägigen nationalen Regelungen seien dann als solche weiter anzuwenden, wobei allerdings die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse ggf. in die betroffenen Normen hineinzulesen seien. Inwieweit eine Anwendbarkeit der nationalen Regelungen erhalten bleiben könne, hänge dabei von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Es könne zwischen unterschiedlichen in einer nationalen gesetzlichen Regelung enthaltenen Einzelmerkmalen dergestalt zu differenzieren sein, dass einzelne dieser Merkmale vollständig zu verwerfen seien, andere wiederum lediglich im gemeinschaftsrechtlichen Licht und weitere Merkmale unverändert zur Anwendung kommen könnten. Daraus folge, dass sich der EuGH-Rechtsprechung keineswegs ein gemeinschaftsrechtlich begründetes, quasi übergeordnetes allgemeines Gebot zur Ermöglichung EU-grenzüberschreitender Verlustverrechnungen entnehmen lasse. Die Anerkennung einer grenzüberschreitenden Verrechnung (finaler) Verluste im konkreten Fall könne folglich, sie müsse aber nicht das Ergebnis einer geltungserhaltenden Reduktion nationaler Bestimmungen zur interpersonalen Ergebnisverrechnung sein, die die Niederlassungsfreiheit beschränken. Ausgehend davon komme die seitens der Klägerin begehrte Verlustverrechnung im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Das gelte auch für den Fall, dass die oben dargestellten Grundsätze – wofür viel spreche – auch auf die Vorschriften über die deutsche Organschaft anzuwenden sein sollten und diese darüber hinaus davon auszugehen sein sollte, dass die §§ 14 ff. KStG grundsätzlich geeignet wären, eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Niederlassungsfreiheit zu begründen. Denn selbst dann ergäbe sich daraus nicht, dass die §§ 14 ff. KStG so weit normerhaltend zu reduzieren wären, dass auf das GAV-Erfordernis vollständig zu verzichten sei. Vielmehr zieht das FG aus dem Umstand, dass der GAV über eine essentielle Bedeutung für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses verfüge, den Schluss, dass an dem GAV-Erfordernis auch im Rahmen einer geltungserhaltenden Reduktion der §§ 14 ff. KStG so weit als möglich festzuhalten sei. Denn ein vollständiges Absehen von diesem Erfordernis entzöge der Organschaft einen Kernbestandteil. Als Mindestvoraussetzung auch für einen Verlustabzug „über die Grenze“ sei daher eine verbindliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den beteiligten Tochter- und Muttergesellschaften zu fordern, die jedenfalls die Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft, beinhalten müsse. Anders als der Abschluss eines formalen GAV sei der Abschluss einer solchen schuldrechtlichen Vereinbarung auch der Klägerin und ihrer Tochter möglich gewesen. Da sie das nicht getan hätten, komme eine Verlustverrechnung nicht in Betracht.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 26/19 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 1 K 218/15 vom 13.03.2019 (nrkr – BFH-Az.: I R 26/19)

Ermessensausübung bei der Inanspruchnahme mehrerer Geschäftsführer als Haftungsschuldner

Mit Urteil vom 5. Februar 2019 (Az. 1 K 42/16) hat der 1. Senat des FG erkannt, dass es regelmäßig ermessenswidrig ist, einige von mehreren Geschäftsführern wegen derselben haftungsbegründenden Pflichtverletzung in weiterem Umfang in Haftung zu nehmen, wenn zugleich die Haftung anderer auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt wird. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Inanspruchnahme der Geschäftsführer für ein- und dieselbe Pflichtverletzung, nämlich die Nichtzahlung der Körperschaftsteuer 2008, erfolgen sollte, aber unterschiedliche Haftungszeiträume zugrunde zu legen waren, weil die Geschäftsführer die Geschäftsführerstellung unterschiedlich lange innehatten. Angesichts dessen hatte sich das FA auf den Standpunkt gestellt, auch in solchen Fällen sei der durch die Pflichtverletzung entstandene Steuerschaden stets für beide Geschäftsführer getrennt jeweils unter Anwendung des „Grundsatzes der anteiligen Tilgung“ bezogen auf die unterschiedlichen Haftungszeiträume zu berechnen. Das hatte dazu geführt, dass sich für die Geschäftsführer unterschiedliche Tilgungsquoten ergeben hatten. Im Ergebnis war der Kläger daraufhin in Höhe eines erheblichen fünfstelligen Betrages in Anspruch genommen worden, die (Mit-)Geschäftsführerin hingegen gar nicht.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Das FA habe sein (Auswahl-)Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Bei mehreren Haftungsschuldnern, von denen nur einige in Anspruch genommen werden, sei das Auswahlermessen nur dann ausreichend begründet, wenn aus der Verwaltungsentscheidung hervorgehe, warum die einen in Anspruch genommen werden, die anderen aber nicht. Das sei nicht der Fall gewesen, denn die diesbezüglichen Ausführungen des FA, die erstmals in der Einspruchsentscheidung erfolgt waren, hätten sich auf einen Hinweis auf die unterschiedlichen maßgeblichen Tilgungsquoten beschränkt.

Angesichts eines vom Bekl. eventuell unterstellten daraus resultierenden „Automatismus“ erscheine es schon zweifelhaft, ob der Bekl. das ihm eröffnete Ermessen überhaupt erkannt habe. Soweit dies der Fall gewesen sei, habe der Bekl. seine Abwägung allein auf die unterschiedlichen Haftungsquoten gestützt, die sich rechnerisch ergeben hätten.

Eine solche Betrachtung werde jedoch dem Schadensersatzcharakter der Haftungsvorschriften nicht gerecht. Anknüpfungspunkt für die Haftung des Geschäftsführers sei eine durch ihn begangene Pflichtverletzung, die einen entsprechenden Steuerschaden verursacht habe. Das sei für den Kläger und die weitere (Mit-)Geschäftsführerin ein- und dieselbe Handlung gewesen, nämlich die Nichtentrichtung der Körperschaftsteuer 2008.

Durch ein- und dieselbe Pflichtverletzung könne aber grundsätzlich nur ein einziger Steuerschaden herbeigeführt werden, für den die Geschäftsführer – grundsätzlich gesamtschuldnerisch – einzustehen hätten. Auch wenn sich bei Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung – rechnerisch – unterschiedlichen Haftungsbeträge ergäben, führe dies nicht dazu, dass aus ein- und derselben Pflichtverletzung unterschiedlich hohe Steuerschäden entstünden. Es sei vielmehr Aufgabe der FÄ, nach pflichtgemäßem Ermessen auch darüber zu entscheiden, für welchen Schaden (der Höhe nach) die Geschäftsführer in Anspruch genommen werden sollen. Dabei sei im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass für eine Differenzierung der Inanspruchnahme der Höhe nach kein Ansatz und keine Veranlassung bestehe, solange und soweit für alle Geschäftsführer derselbe Pflichtenverstoß in Rede stehe. Dementsprechend könne eine Differenzierung nach der Dauer der Bestellung zum Geschäftsführer allenfalls unter besonderen Umständen im Einzelfall ermessensgerecht sein. Regelmäßig sei es jedoch in solchen Fällen ermessenswidrig, einen Geschäftsführer für rückständige Steuern mit einem höheren Betrag in Anspruch zu nehmen, wenn zugleich die Haftung eines Mitgeschäftsführers auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt werde.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 1 K 42/16 vom 05.02.2019 (rkr)

Betriebsbereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ einer Müllverbrennungsanlage als grundsätzlich eigenständige BgA

Im Verfahren 1 K 116/13 hatte der 1. Senat des FG darüber zu entscheiden, ob die Betriebsbereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ einer in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organisierten Müllverbrennungsanlage (MVA), an der eine Stadt als Kommanditistin beteiligt war, im Streitjahr 2006 als jeweils eigenständige Betriebe gewerblicher Art (BgA) anzusehen waren und inwiefern diese ggf. miteinander, aber auch – insgesamt oder jeweils einzeln – mit von der Stadt unterhaltenen Verkehrs-/Versorgungs-BgA im sog. steuerlichen Querverbund zusammengefasst werden konnten. Mit seinem Urteil vom 15. Januar 2019 hat der 1. Senat die erstgenannte Frage grundsätzlich bejaht, eine Zusammenfassung mit Verkehrs- und Versorgungsbetrieben scheiterte jedoch im konkreten Fall.

Die Entscheidung betrifft mit dem Streitjahr 2006 einen Zeitraum, in dem die Voraussetzungen für die steuerliche Zusammenfassung mehrerer BgA gesetzlich noch nicht geregelt war. Dies ist mit § 4 Abs. 6 KStG n. F. erst mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 erfolgt. Allerdings war auch schon vorher anerkannt, dass mehrere BgA unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Einheit und damit zu einer einheitlichen Gewinnermittlung verbunden werden konnten. Insofern vertrat die Klägerin in erster Linie die Auffassung, dass es sich bei der MVA insgesamt um ein (Energie-)Versorgungsunternehmen handele, sodass eine Zusammenfassung mit weiteren Verkehrs- und Versorgungs-BgA ohne weiteres möglich sei. Zudem bestehe zwischen A und dem seinerseits bereits zusammengefassten BgA „Verkehr/Versorgung/Hafen“ eine enge wirtschaftlich-technische Verflechtung von erheblichem Gewicht, weil die MVA die gesamte von ihr erzeugte Energie, die nicht für den Eigenbedarf benötigt werde, an diesen BgA liefere. Hilfsweise sei jedenfalls der Betriebsbereich „Energieerzeugung“ der MVA mit dem BgA „Verkehr/Versorgung/Hafen“ zusammenzufassen, denn beide Betriebsbereiche der A ließen sich ohne weiteres voneinander abgrenzen und stellten jeweils eigenständige BgA dar.

Demgegenüber hatte sich das FA auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei der MVA um einen einheitlich zu beurteilenden Betrieb handele, der durch den Vorgang der Abfallentsorgung geprägt sei. Der Betriebsbereich der „Energieerzeugung“, der letztlich lediglich Ausfluss gesetzlicher Verpflichtungen sei, denen die Erzeuger und Besitzer von Abfällen nach dem KrWG und der EU-Abfallrichtlinie unterlägen, stelle sich im Verhältnis hierzu als bloße Neben- bzw. Hilfstätigkeit dar. Da sich die Bereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ in tatsächlicher Hinsicht auch nicht voneinander trennen ließen, lägen auch keine gesondert zu betrachtenden „Einrichtungen“ i. S. d. § 4 Abs. 1 KStG vor.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, käme eine Zusammenfassung mit den Verkehrs- und Versorgungs-BgA nicht in Betracht, denn die MVA sei insgesamt und auch bezogen auf den Betriebsbereich „Energieerzeugung“ nicht als Versorgungsunternehmen anzusehen. Einer isolierten Zusammenfassung nur des Bereichs „Energieerzeugung“ stehe zudem entgegen, dass die Klägerin eine solche für das Streitjahr in keiner Weise nach außen dokumentiert habe, sodass es an der insofern erforderlichen zeitnahen und eindeutigen Zuordnungsentscheidung fehle.

Das FG ist der Sichtweise der Klägerin im Ansatz gefolgt. So hat es – ausgehend davon, dass eine Beteiligung der Klägerin an einer PersG mit mehreren jeweils für sich zu beurteilenden Betätigungen vorlag (sog. Transparenz der PersG) – die Unternehmensbereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ jeweils getrennt am Maßstab des § 4 Abs. 1 KStG darauf untersucht, ob sie als eigenständige „Einrichtungen“ anzusehen sind, und hat diese Frage im Ergebnis bejaht. Eine steuerliche Zusammenfassung der MVA mit Versorgungs- und Verkehrs-BgA lehnte es aber dennoch ab. Die BgA „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ seien als – unstreitig – technisch-wirtschaftlich eng verflochtene BgA bereits durch ihre einheitlich gesellschaftsrechtliche Organisationsform in Gestalt des Betriebs durch eine einzige PersG mit steuerlicher Wirkung zum BgA „Beteiligung Müllverbrennung“ zusammengefasst worden. Eine weitere Zusammenfassung dieses zusammengefassten BgA oder des BgA „Energieerzeugung“ allein komme nicht in Betracht. Das gelte selbst dann, wenn letztgenannter BgA als Versorgungsunternehmen anzusehen sein sollte (diese Frage lässt das FG offen, gibt aber zu erkennen, dass es dieser Sichtweise zuneigt).

Denn zum einen gebe die Energieerzeugung dem zusammengefassten BgA „Beteiligung Müllverbrennung“ nicht das Gepräge, sodass dieser nicht (insgesamt) als Versorgungsunternehmen angesehen werden könne (die anderweitig denkbare Möglichkeit einer engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung verneint das FG ebenfalls).

Zum anderen könne der BgA „Energieerzeugung“ nicht im Nachhinein aus dem zusammengefassten BgA „Beteiligung Müllverbrennung“ herausgelöst werden. Denn die Klägerin habe ihr grundsätzlich bestehendes Wahlrecht betreffend die steuerwirksame Zusammenfassung ihrer BgA bereits ausgeübt. Jedenfalls vor 2009 habe eine solche Ausübung des Wahlrechts durch entsprechende organisatorische Maßnahmen geschehen können, worunter insbesondere auch die Schaffung bestimmter gesellschaftsrechtlicher Organisationsstrukturen gefallen seien, so wie hier die Ausübung mehrerer Tätigkeiten durch eine PersG. Seien solche Organisationsstrukturen aber einmal geschaffen worden, so könne eine (rein) steuerliche Zusammenfassung von BgA im Sinne einer reinen Ergebnisverrechnung über sie im Nachhinein nicht einfach hinweggehen; vielmehr wirkten bereits getroffene organisatorische Maßnahmen vorgreiflich und stünden einer anderweitigen Zusammenfassung entgegen.

Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 9/19 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 1 K 116/13 vom 15.01.2019 (nrkr – BFH-Az.: I R 9/19)

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen umfasst Aufwendungen für statische Berechnung

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen umfasst Aufwendungen für statische Berechnung, die zur Durchführung der Handwerkerleistungen erforderlich ist.

So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 4. Juli 2019 (Az. 1 K 1384/19; Revision anhängig beim Bundesfinanzhof Az. VI R 29/19) und ermäßigte die festgesetzte Einkommensteuer um 107,10 Euro (20 % von 535,50 Euro) nach § 35a Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz. Die Norm umfasse nach Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte „alle handwerklichen Tätigkeiten“, jedoch nicht gutachterliche Tätigkeiten, wie z. B. Wertermittlung eines Grundstücks und Erstellen eines Energieausweises. Im Streitfall bestehe indes eine „enge sachliche Verzahnung“ zwischen den statischen Berechnungen und den folgenden „unstreitig erbrachten Handwerkerleistungen“. Die statische Berechnung habe „der ordnungsgemäßen und sicheren Durchführung des Austausches von tragenden Stützelementen für das Dach des Wohnhauses“ gedient und sei in einem Haushalt erbracht worden. Ein „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zu einem Haushalt“ bestehe. Ein solcher ergebe sich auch aus der Besprechung vor Ort und Inaugenscheinnahme des Hauses. Eine Aufspaltung nach dem Leistungsort der Berechnung erscheine „gekünstelt“ und widerspreche dem Gesetzeszweck, der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Entscheidend sei, dass die Leistung der Wohnung der Kläger zugutekomme.

Die verheirateten Kläger sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines eigengenutzten Hauses. Schadhafte Holzstützen wurden durch Stahlstützen ersetzt. Hierzu beauftragten die Kläger einen Handwerker. Nach dessen Ansicht war eine vorherige statische Berechnung „unbedingt erforderlich“. Hierzu fand eine Besprechung vor Ort und Inaugenscheinnahme des Hauses statt. Die Kläger überwiesen den für die Berechnung in Rechnung gestellten Betrag für Arbeitskosten in Höhe von 535,50 Euro einschließlich Umsatzsteuer. Sie erklärten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2015 eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen („Kaminfeger, Statiker“) im eigenen Haushalt in Höhe von insgesamt 565 Euro. Die statische Berechnung sei für den Austausch der Stützbalken erforderlich und eine unselbständige, untrennbar mit der Hauptleistung verbundene Nebenleistung gewesen. Es liege eine einheitliche Handwerkerleistung vor. Das beklagte Finanzamt erkannte lediglich 28 Euro für den „Kaminfeger“ und damit 6 Euro (20 % von 258 Euro) als Ermäßigungsbetrag für Handwerkerleistungen an. Bei der statischen Berechnung handle es sich um eine nicht steuerlich begünstigte Gutachterleistung.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 01.10.2019 zum Urteil 1 K 1384/19 vom 04.07.2019 (nrkr – BFH-Az.: VI R 29/19)

Aufrechterhaltung eines Insolvenzantrags trotz vollständigen Ausgleichs der Steuerforderungen

Der 2. Senat hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung zur Rücknahme eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet. Die Besonderheit des Verfahrens lag darin, dass der Steuerpflichtige nach Stellung des Insolvenzantrages beim Amtsgericht zunächst einen Teil und später sämtliche Steuerforderungen des Finanzamtes ausgeglichen hatte. Überdies hatte er eine Gesamtbereinigung seiner wirtschaftlichen Situation u. a. durch Veräußerung einer Immobilie eingeleitet und dem Finanzamt die Eintragung einer Sicherungsgrundschuld über 100.000 Euro zur Sicherung künftiger Steueransprüche angeboten. Gleichwohl hielt das Finanzamt unter Berufung auf § 14 Abs. 1 S. 2 InsO seinen Insolvenzantrag aufrecht.

Nach dieser Vorschrift wird ein Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. Hält der Gläubiger seinen Antrag aufrecht, müssen die Eröffnungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen, als bestünde die Forderung noch, d. h. der Gläubiger muss ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung (bzw. Fortführung) haben und einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Diese Voraussetzungen hat das Gericht im Streitfall nicht als gegeben angesehen. Weil der Schuldner eine Gesamtbereinigung seiner wirtschaftlichen Situation eingeleitet und die Eintragung einer Sicherungsgrundschuld angeboten hatte, sei die Aufrechterhaltung des mit gravierenden Folgen verbundenen Insolvenzantrages unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Quelle: FG Hamburg, Mitteilung vom 01.10.2019 zum Beschluss 2 V 121/19 vom 02.07.2019 (rkr)

Vordruckmuster für Anzeige nach § 8 VermBDV und Verfahrensbeschreibung für die Auszahlung der Arbeitnehmer-Sparzulage

Bekanntmachung Vordruckmuster für Anzeigen nach § 8 VermBDV Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VermBDV (VermB 12) und nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 VermBDV (VermB 13), der Datenschutzbeschreibung für die Zuleitung durch Datenfernübertragung sowie der Verfahrensbeschreibung für die Auszahlung der Arbeitnehmer-Sparzulage

BMF, Schreiben IV C 5 – S-2439 / 19 / 10002 vom 23.09.2019

Die Vordruckmuster für Anzeigen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VermBDV (VermB 12) und nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 VermBDV (VermB 13), die Datensatzbeschreibung für die Zuleitung der entsprechenden Anzeigen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung (§ 8 Abs. 3 VermBDV) sowie die Verfahrensbeschreibung für die Auszahlung der Arbeitnehmer-Sparzulage werden hiermit in der Anlage neu bekannt gemacht.Die neuen Vordrucke sind spätestens ab dem 1. Januar 2020 zu verwenden. Datenübermittlungen sind spätestens ab dem 1. Januar 2020 auf Grundlage der neuen Datensatzbeschreibung durchzuführen.Die Vordrucke haben das Format DIN A4. Die Vordrucke können auch maschinell hergestellt werden. Im Interesse einer korrekten Erfassung (maschinelle Beleglesung) muss ein maschinell hergestellter Vordruck sämtliche Angaben in gleicher Anordnung enthalten und in Format, Aufbau, Druckbild und Wortlaut dem bekannt gemachten Vordruck entsprechen. Insbesondere darf ein maschinell hergestellter Vordruck bezüglich folgender Punkte nicht vom amtlichen Muster abweichen:

  • keine Hinterlegung in Farbe oder Grauwerten,
  • keine Kammboxen und keine Erläuterungstexte in den Datenfeldern,
  • Schriftgrößen,
  • keine Serifenschriften,
  • keine zusätzlichen Inhalte wie Erläuterungstexte und Informationen des Anlageinstituts, Unternehmens, Empfängers.

Wird ein Vordruck maschinell ausgefüllt, dürfen für die Eintragungen in den Datenfeldern ebenfalls keine Serifenschriften verwendet werden. Diese Eintragungen sind in Schriftgröße 12 pt vorzunehmen. Eine kleinere Schrift darf nur verwendet werden, wenn anderenfalls der für die Eintragung zur Verfügung stehende Platz nicht ausreichen würde. Maschinell erstellte Anzeigen brauchen nicht handschriftlich unterschrieben zu werden.

Die Bekanntmachung vom 16. August 2011 – IV C 5 – S-2439 / 10 / 10002 – (BStBl I Seite 801) wird mit Wirkung ab 1. Januar 2020 aufgehoben.

Quelle: 2019-09-23-Vordruckmuster-VermBDV

Standardisierte Einnahmeüberschussrechnung nach § 60 Abs. 4 EStDV – Anlage EÜR 2019

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gebe ich die Vordrucke der Anlage EÜR sowie die Vordrucke für die Sonder- und Ergänzungsrechnungen für Mitunternehmerschaften und die dazugehörigen Anleitungen für das Jahr 2019 bekannt.

Der amtlich vorgeschriebene Datensatz, der nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in Verbindung mit § 87a Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) durch Datenfernübertragung authentifiziert zu übermitteln ist, wird nach § 87b Abs. 2 AO im Internet unter www.elster.de zur Verfügung gestellt. Für die authentifizierte Übermittlung ist ein Zertifikat notwendig. Dieses wird nach Registrierung unter www.elster.de ausgestellt. Der Registrierungsvorgang kann bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen.

Die Anlage AVEÜR sowie bei Mitunternehmerschaften die entsprechenden Anlagen sind notwendiger Bestandteil der Einnahmenüberschussrechnung. Übersteigen die im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ohne die Berücksichtigung der Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, den Betrag von 2.050 Euro, sind bei Einzelunternehmen die in der Anlage SZ (Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen) enthaltenen Angaben ebenfalls an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Auf Antrag kann das Finanzamt entsprechend § 150 Abs. 8 der AO in Härtefällen auf die Übermittlung der standardisierten Einnahmenüberschussrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten. Für die Einnahmenüberschussrechnung sind in diesen Fällen Papiervordrucke zur Anlage EÜR zu verwenden.

Dieses Schreiben wird mit den Anlagen im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2142 / 19 / 10001 :010 vom 27.09.2019

Faktorverfahren wird kaum genutzt

Das in der Lohnsteuerklasse IV mögliche Faktorverfahren, mit dem Arbeitslohn entsprechend der tatsächlichen Einkommensverhältnisse von Ehegatten besteuert werden kann, wird in der Praxis kaum genutzt. Dies ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung ( 19/12857 ) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke ( 19/12373 ). Danach gab es im Jahr 2018 6,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit Familienstand verheiratet oder Lebenspartnerschaft, in denen beide ein aktives Arbeitsverhältnis hatten. Das Faktorverfahren wurde in nur 39.267 Fällen genutzt, was einem Anteil von 0,585 Prozent entspricht. Nach Angaben der Regierung wurde das Faktorverfahren im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes 2015 dahingehend vereinfacht, dass es nicht mehr jährlich beantragt werden muss, sondern nur noch alle zwei Jahre. Außerdem werde nunmehr in den Steuerbescheiden gezielt über die Möglichkeit der Steuerklasse IV/IV mit Faktor aufgeklärt. Ob diese Maßnahme eine Wirkung entfalten werde, lasse sich noch nicht sagen.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 30.09.2019

Weitere Förderung von Photovoltaik-Anlagen

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, insbesondere kleinere und mittelständische Photovoltaik-Anlagen weiter zu fördern. Der sog. 52 Gigawatt-Deckel, der nach geltendem Recht die Förderung begrenzt, soll ersatzlos aufgehoben werden. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den der Bundesrat am 11. Oktober 2019 beschlossen hat. Er wird nun in den Bundestag eingebracht.

Fördergrenze für kleinere Anlagen

Hintergrund für die Initiative ist die Befürchtung, dass ab dem nächsten Jahr insbesondere kleinere und mittlerer Solaranlagen nicht mehr gefördert werden können: Sobald bundesweit ein Ausbaustand von 52 Gigawatt installierter Photovoltaik-Leistung erreicht ist, reduziert das Erneuerbare-Energien-Gesetz die Werte für bestimmte Anlagen auf null. Betroffen davon wäre insbesondere Solarenergie bis 750 Kilowatt Peak.

Markteinbruch befürchtet

Nach Einschätzung des Bundesrates wird der Förderdeckel im Jahr 2020 erreicht – der Markt für die Neuinstallation von Solaranlagen würde einbrechen. Das Geschäftsmodell zahlreicher mittelständischer Solar-Installateure und Projektentwickler, Komponentenhersteller wäre gefährdet, ebenso die damit verbundenen Arbeitsplätze.

Da die Kosten für neue Photovoltaikanlagen in der Freifläche und auf Dächern stark gesunken sind, ist das ursprüngliche Ziel des Förderdeckels erreicht. Er kann daher aus Sicht des Bundesrates ersatzlos wegfallen.

Im Klimaschutzplan 2030 vorgesehen

Auch die Bundesregierung hat in ihrem Klimaschutzplan 2030 die Aufhebung des 52 Gigawatt-Deckels angekündigt. Der Bundesrat legt nun einen konkret ausformulierten Gesetzentwurf dazu vor.

Wie es weitergeht

Der Entwurf wird zunächst der Bundesregierung zugeleitet, die dazu Stellung nimmt. Anschließend bringt sie beide Dokumente in den Bundestag ein. Dieser entscheidet, wann und ob er den Entwurf verabschiedet.

Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 11.10.2019

Keine Anwendung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V im Recht der sozialen Pflegeversicherung

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 5 ab November 2017. Den Antrag auf Höherstufung vom 21. November 2017 lehnte die Beklagte erst mit Bescheid vom 1. März 2018 ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch unter anderem mit der Begründung, die Beklagte habe verspätet über ihren Antrag entschieden. Daher greife die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a SGB V.

Die zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage hatte keinen Erfolg:

Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bestünden bei der Klägerin keine gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die eine Einstufung in den Pflegegrad 5 begründeten. Sie habe auch keinen Anspruch auf die Gewährung des Pflegegrades 5 aufgrund einer Genehmigungsfunktion. So könne sie sich nicht wirksam auf den von ihr herangezogenen § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V stützen. Gemäß § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt, § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V. Diese Fiktion finde jedoch keine Anwendung. Bei dieser Norm handele es sich um eine Vorschrift, die lediglich im Bereich des Krankenversicherungsrecht Anwendung finde. Etwaige Ansprüche oder Rechtsfolgen gegenüber der Pflegeversicherung seien damit gerade nicht erfasst. Denn es handele sich dabei nicht um eine gesetzliche Regelung, die für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches Anwendung finde. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre die Norm systematisch nicht im Bereich des SGB V verortet worden. Zudem wäre der Wortlaut der Norm anders gefasst worden. Es finde sich auch keine vergleichbare Regelung im Bereich des Pflegeversicherungsrechts. Dort habe der Gesetzgeber vielmehr in § 18 Abs. 3 Sätze 2 und 7 SGB XI geregelt, dass der antragstellenden Person spätestens 25 Arbeitstage nach Antragseingang, jedoch unverzüglich nach Vorliegen des Gutachtens bei der Pflegekasse, der Bescheid schriftlich mitgeteilt werde. Wenn der Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von fünf Wochen nach Eingang des Antrages ergehe oder nicht einer der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Bearbeitungsfristen eingehalten werde, habe die Pflegekasse nach Fristablauf für jeden Tag Verzögerung 70 Euro an die antragstellende Person zu zahlen. Nach dem gesetzgeberischen Willen solle mit der Sanktionsregelung im SGB XI die Situation der Antragsteller verbessert und die Pflegekassen dazu angehalten werden, die Bescheide fristgerecht zu erteilen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/93269, Begründung des Gesetzesentwurfes zum Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, Seite 37). Danach habe der Gesetzgeber im Bereich des SGB XI lediglich eine Sanktionierung in Form einer finanziellen Entschädigung und gerade keine Genehmigungsfiktion statuiert.

Quelle: SG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 08.10.2019 zum Gerichtsbescheid S 11 P 2393/18 vom 30.08.2019 (nrkr)