Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Mitteilungen über steuerpflichtige Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag oder aus einer betrieblichen Altersversorgung ab dem Kalenderjahr 2019

Amtlich vorgeschriebenes Vordruckmuster nach § 22 Nr. 5 Satz 7 EStG

 

Nach § 22 Nr. 5 Satz 7 Einkommensteuergesetz (EStG) hat der Anbieter eines Altersvorsorgevertrags oder einer betrieblichen Altersversorgung

  • bei erstmaligem Bezug von Leistungen,
  • in den Fällen der steuerschädlichen Verwendung nach § 93 EStG sowie
  • bei Änderung der im Kalenderjahr auszuzahlenden Leistungen

dem Steuerpflichtigen nach amtlich vorgeschriebenem Muster den Betrag der im abgelaufenen Kalenderjahr zugeflossenen Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 5 Satz 1 bis 3 EStG jeweils gesondert mitzuteilen. Das gilt auch für die Abschluss- und Vertriebskosten eines Altersvorsorgevertrages, die dem Steuerpflichtigen erstattet werden.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird hiermit ein neues Vordruckmuster für die Mitteilung nach § 22 Nr. 5 Satz 7 EStG bekannt gemacht. Das in der Anlage beigefügte Vordruckmuster ist erstmals zur Bescheinigung von Leistungen des Kalenderjahres 2019 zu verwenden.

Für die maschinelle Herstellung des Vordrucks werden folgende ergänzenden Regelungen getroffen:

Der Vordruck kann auch maschinell hergestellt werden, wenn nach Inhalt, Aufbau und Reihenfolge vom Vordruckmuster nicht abgewichen wird und die Leistungen auf Seite 2 oder 3 des Vordrucks bescheinigt werden. Der Vordruck hat das Format DIN A 4. Maschinell erstellte Vordrucke können zweiseitig bedruckt werden; sie brauchen nicht unterschrieben zu werden.

Folgende Abweichungen werden zugelassen:

  1. Die Zeilen des Vordrucks, bei denen im Einzelfall keine Leistungen zu bescheinigen sind, können einschließlich der zugehörigen Hinweise entfallen. Dies gilt auch für die letzte Tabellenzeile einschließlich des Hinweises 12. Die Nummerierung der ausgedruckten Zeilen und Hinweise ist dabei dem Vordruckmuster entsprechend beizubehalten.
  2. Werden die Zeile 1 und der Hinweis 1 des Vordruckmusters nicht ausgedruckt, da keine Leistungen im Sinne der Nummer 1, sondern ausschließlich Leistungen im Sinne der Nummer 2 oder der Nummer 3 bezogen werden, kann bei der Nummer 2 und der Nummer 3 auch der Klammerzusatz in Zeile 2 „(in Nummer 1 nicht enthalten)“ entfallen.
  3. Werden Leistungen bescheinigt, kann unter der entsprechenden Zeile des Vordrucks ein Hinweis auf die Zeile der Anlage R aufgenommen werden, in die ggf. der entsprechende Betrag einzutragen ist. Ebenso kann der Anbieter weitere für die Durchführung der Besteuerung erforderliche Angaben (z. B. Beginn der Rente) in den Vordruck aufnehmen.
  4. Sind Nachzahlungen zu mehr als einer Zeile zu bescheinigen, ist die Zeile mit der Nummer 11 des Vordruckmusters mehrfach aufzunehmen.

Der Vordruck darf durch weitere Erläuterungen ergänzt werden, sofern die Ergänzungen im Anschluss an die Inhalte des Vordruckmusters einschließlich der Hinweise erfolgen und hiervon optisch abgesetzt werden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 3 – S-2257-b / 19 / 10005 :001 vom 02.10.2019

BFH: Unzulässigkeit des steuerlichen Querverbunds wirkt auch bei Beteiligung einer Gebietskörperschaft an einer Mitunternehmerschaft

Unterhält eine kommunale Gebietskörperschaft aufgrund einer Beteiligung an einer Personenhandelsgesellschaft (KG) mehrere Betriebe gewerblicher Art (BgA), deren Ergebnisse im Rahmen der handelsrechtlichen Gewinnermittlung der KG saldiert werden, die aber körperschaftsteuerrechtlich mangels zulässigen Querverbunds nicht zusammengefasst werden dürfen, kann eine modifizierende Ermittlung des kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinns geboten sein. Daher sind dem aus der KG entnommenen Gewinnanteil die Erträge zuzurechnen, die auf Ebene der KG mit Verlusten aus einer dauerdefizitären Sparte verrechnet wurden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 26.06.2019 – VIII R 43/15 – zu § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden.

Die Klägerin, eine kommunale Gebietskörperschaft, war als alleinige Kommanditistin an der Stadtwerke I-GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Die Tätigkeit der KG bestand aus den Sparten Strom- und Wasserversorgung, Fernwärme, einem Fährbetrieb, Freibad, Hallenbad und Eisstadion. Die KG erstellte für die Streitzeiträume 2003 bis 2005 handelsrechtliche Jahresabschlüsse mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Lageberichten, in die die Erträge und Aufwendungen aus sämtlichen Tätigkeiten eingingen. Bei Feststellung der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse der KG wurden aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen Teile des Gewinns (sog. Mindestgewinne) den Rücklagen der KG zugeführt, der verbleibende Betrag wurde von der Klägerin entnommen. Ertragsteuerlich war der dauerdefizitäre Betrieb des Eisstadions ein eigenständiger BgA. Die übrigen Tätigkeitsfelder der KG bildeten einen weiteren BgA (BgA Beteiligung). Die Verluste aus dem Betrieb des dauerdefizitären Eisstadions wurden in der körperschaftsteuerlichen Einkommensermittlung des BgA Beteiligung nicht erfasst, sondern eigenständig im BgA Eisstadion veranlagt. Eine Zusammenfassung dieser beiden BgA für Zwecke der Körperschaftsteuer war unzulässig, weil die Voraussetzungen für einen zulässigen Querverbund nicht vorlagen. Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der KG wurden die Erträge und Aufwendungen, die auf den Betrieb des Eisstadions entfielen, ebenfalls von den Erträgen und Aufwendungen aus den übrigen Sparten separiert.

Der BFH entschied, die Höhe des kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinns des BgA Beteiligung entspreche zwar grundsätzlich dem von der Klägerin aus der KG entnommenen Gewinnanteil. Der entnommene Gewinnanteil sei im Streitfall zur Ermittlung des kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinnanteils des BgA Beteiligung aber um diejenigen Erträge zu erhöhen, die bei der Gewinnermittlung auf Ebene der KG die Verluste aus dem Betrieb des Eisstadions ausgeglichen hätten. Wären auf Ebene der KG die Erträge aus den übrigen Sparten der KG nicht mit dem Verlust aus dem Betrieb des Eisstadions verrechnet worden, wären die zur Verlustdeckung verwendeten Beträge von der Klägerin zusätzlich aus der KG entnommen worden und in den kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinn eingegangen. Allein aufgrund der Zusammenfassung sämtlicher Tätigkeiten auf Ebene der KG dürfe zu Lasten der kapitalertragsteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage kein Querverbund angenommen werden, der für Zwecke der Körperschaftsteuer unzulässig sei. Nicht beanstandet hat der BFH, dass in die kapitalertragsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage des BgA Beteiligung nur der um die auf Ebene der KG thesaurierten Mindestgewinne verminderte Gewinnanteil einging, da es sich insoweit um eine zulässige Rücklagenbildung handele.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 61/19 vom 04.10.2019 zum Urteil VIII R 43/15 vom 26.06.2019

Höhere Steuern auf baureife Grundstücke

Städte und Gemeinden sollen im Zusammenhang mit der Reform der Grundsteuer die Möglichkeit der Festlegung eines erhöhten, einheitlichen Hebesatzes auf baureife Grundstücke erhalten. Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung ( 19/13456 ) vor. Mit dem erhöhten Satz könne über die Grundsteuer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, baureife Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Darin wird auch auf den erheblichen Wohnungsmangel insbesondere in Ballungsgebieten hingewiesen. „Die damit verbundene Wertentwicklung von Grundstücken wird vermehrt dazu genutzt, baureife Grundstücke als Spekulationsobjekt zu halten. Diese Grundstücke werden nur aufgekauft, um eine Wertsteigerung abzuwarten und die Grundstücke anschließend gewinnbringend wieder zu veräußern. Einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung werden diese Grundstücke nicht zugeführt. Trotz des damit vorhandenen Baulands wird der erforderliche Wohnungsbau ausgebremst“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Mit der zusätzlichen grundsteuerlichen Belastung von baureifen, aber brachliegenden Grundstücken gebe es künftig ein wichtiges Instrument, um einerseits Spekulationen zu begegnen und andererseits Bauland für die Bebauung zu mobilisieren. So könnten wichtige Impulse für die Innenentwicklung der Städte und Gemeinden gegeben werden, wird erwartet.

Der Entwurf ist inhaltlich identisch mit dem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwurf auf Drucksache 19/11086.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 01.10.2019

Grundsteuer: Öffnungsklausel für Bundesländer

Zur Einführung einer Öffnungsklausel für die Bundesländer bei der Erhebung der Grundsteuer soll das Grundgesetz geändert werden. Dieses Ziel verfolgt der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Grundgesetz-Artikel 72, 105 und 125b ( 19/13454 ). In dem Gesetzentwurf heißt es, da die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der Wissenschaft nicht einheitlich beurteilt werde, solle diese unzweifelhaft abgesichert werden. Dazu soll der Bund mit einer Grundgesetzänderung uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten.

Zugleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet. Wie es im Entwurf weiter heißt, bestehen dafür gute Gründe mit Blick auf das Ziel einer bundesgesetzlichen Grundlage. Zugleich biete sich gerade die Grundsteuer aufgrund der Immobilität des Steuerobjekts und des bereits in der Verfassung vorhandenen kommunalen Hebesatzrechts dafür an, die Steuerautonomie der Länder zu stärken.

Der Gesetzentwurf ist identisch mit dem von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf auf Drucksache 19/11084.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 01.10.2019

 

Aufdeckung stiller Reserven bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils

Begünstigte Übertragung gem. § 6 Abs. 3 EStG nur dann, wenn auch funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen mit übertragen wird; bei Aufdeckung stiller Reserven Realisierung auch des anteiligen Firmenwerts

 

Mit Urteil vom 26. März 2019 (Az. 4 K 83/16) entschied das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht, dass bei einer Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens eine Aufdeckung der stillen Reserven – einschließlich derer im Firmenwert – zu erfolgen hat.

Klägerin war eine GmbH & Co. KG. An der GmbH waren V und S beteiligt; diese waren auch die beiden Kommanditisten der Personengesellschaft. V übertrug an S seinen GmbH- und Kommanditanteil, behielt jedoch seine Anteile am Betriebsgrundstück (funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen) zurück und überführte sie damit zeitgleich mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile ins Privatvermögen.

Das FG entschied, dass hier ein Realisationstatbestand gemäß § 16 Abs. 1, Abs. 3 EStG vorliege. Dem stehe auch nicht die Rechtsprechung entgegen, wonach eine Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG möglich sei, wenn ein Mitunternehmer aufgrund einer einheitlichen Planung zunächst Sonderbetriebsvermögen veräußere, bevor er den ihm verbliebenen Mitunternehmeranteil unentgeltlich übertrage. Auch sei eine Ausdehnung der Rechtsprechung zur parallelen Anwendung von § 6 Abs. 3 und § 6 Abs. 5 EStG nicht geboten. Die neueren Tendenzen in der Rechtsprechung (vgl. etwa Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19. April 2018,15 K 1187/17 F) sprächen im Streitfall nicht für eine Buchwertübertragung.

Soweit eine Realisation der stillen Reserven erfolge, müssten auch die in einem Firmenwert enthaltenen stillen Reserven realisiert werden. Die Rechtsprechung, wonach ein Firmenwert grundsätzlich nicht privatisierbar sei (BFH – Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 158/73) greife hier nicht ein. Der auf den übertragenden Gesellschafter entfallene Anteil am Firmenwert werde von diesem in sein Privatvermögen überführt, auf den Empfänger übertragen und von diesem sodann in sein Betriebsvermögen (in die Ergänzungsbilanz) eingelegt. Damit müsse der Übertragende die stillen Reserven realisieren und könne der Empfänger aufgrund der Einlage den entsprechenden Wert in der Ergänzungsbilanz abschreiben.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf beide Rechtsfragen (Buchwertübertragung/Realisation des Firmenwertes) zugelassen. Die Revision wurde nicht eingelegt, das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 4 K 83/16 vom 26.03.2019 (rkr)

Zulässigkeit einer Klage gegen einen Einkommensteuer-„Nullbescheid“

Bedeutungslosigkeit des subjektiven Nettoprinzips für den Verlustabzug

Mit Urteil vom 26. März 2019 (Az. 4 K 187/18) hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht Stellung zu verschiedenen Fragen zum Verlustabzug nach § 10d EStG genommen.

Die Kläger waren Eheleute und wurden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Auf den 31. Dezember 2014 war für den Ehemann ein verbleibender Verlustvortrag in Höhe von rund 14.000 Euro festgestellt worden. Dieser Verlust wurde im Folgejahr mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet, wobei sich diese Verlustverrechnung nicht auswirkte, da das zu versteuernde Einkommen ohnehin zu gering war. Zudem berücksichtigte das Finanzamt im Folgejahr 2015 die von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsleistungen für ihre gemeinsame Tochter – die im Streitjahr das 25. Lebensjahr vollendet hatte und sich in der Berufsausbildung (Studium) befunden hatte – aufgrund der Anwendung der Opfergrenze nur anteilig. Die Kläger wandten sich zunächst gegen die Verlustverrechnung, da sie die Verluste in spätere Jahre vortragen wollten, in denen sich der Verlustabzug steuerlich auch tatsächlich auswirkt.

Darüber hinaus wandten sie sich gegen die Anwendung der Opfergrenze. Sie wollten weitere Unterhaltsleistungen anerkannt haben, um – da die Steuer ohnehin 0 Euro betrug – weiteres Verlustabzugsvolumen für die Zukunft zu generieren.

Das FG wies die Klage ab. Zwar sei eine Klage zulässig, wenn Besteuerungsgrundlagen in einem „Nullbescheid“ angegriffen würden, mit dem Ziel, eine Verlustverrechnung zu verhindern bzw. ein höheres Verlustabzugsvolumen zu erreichen. Allerdings sei die Klage unbegründet. Es treffe zwar zu, dass sich die Verrechnung von Verlusten mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte nicht auswirke, wenn aufgrund der Regelungen zum subjektiven Nettoprinzip – zum Beispiel der Grundfreibetrag – eine reale steuerliche Entlastung durch die Verlustverrechnung faktisch nicht zum Tragen komme. Diese Folge sei jedoch in § 10d EStG – der ausschließlich das objektive Nettoprinzip betreffe – angelegt; ein Verfassungsverstoß sei darin nicht begründet. Aus diesem Grund könnten auch die Unterhaltsleistungen (§ 33a EStG) nicht zugunsten des Verlustabzugsvolumens berücksichtigt werden. Ungeachtet der Frage, wie hoch der Unterhalt gewesen, und ob die Opfergrenze richtig angewandt worden sei, seien Aufwendungen im Sinne des § 33a EStG nicht geeignet, Verluste im Sinne des § 10d EStG zu generieren. Es sei hinzunehmen, dass sich diese Aufwendungen daher weder im Streitjahr, noch in Folgejahren auswirkten.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 4 K 187/18 vom 26.03.2019 (rkr)

Keine quasi voraussetzungslose „Organschaft über die Grenze“

In seinem Urteil vom 13. März 2019 hatte der 1. Senat des FG sich mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen im EU-Raum eine Verlustverrechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft „über die Grenze“ hinweg erfolgen kann.

Die Klägerin hatte sich auf den Standpunkt gestellt, die Berücksichtigung der Verluste der französischen Tochtergesellschaft bei der deutschen Muttergesellschaft sei europarechtlich geboten. Zwar komme eine interpersonelle Verlustverrechnung nach deutschem Recht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG in Betracht. Diese könne die französische Tochtergesellschaft aber nicht erfüllen. Zum einen fehle es ihr am erforderlichen (doppelten) Inlandsbezug, weil sie weder über eine inländische Geschäftsleitung noch über einen Sitz im Inland verfügte. Zum anderen kenne das französische Recht keinen GAV i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG, sodass ein solcher zwischen den Gesellschaften nicht wirksam habe abgeschlossen werden können. Dadurch, dass §§ 14 ff. KStG eine Verlustverrechnung von diesen Voraussetzungen abhängig machten, beschränkten sie in europarechtswidriger Weise insbesondere die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) der beteiligten Gesellschaften. Wie sich aus einer Reihe von EuGH-Entscheidungen ergebe, sei die Berücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Tochtergesellschaft bei der inländischen Muttergesellschaft – auch um dem Gesichtspunkt einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen – immer dann geboten, wenn – wie hier – feststehe, dass die Tochtergesellschaft die von ihr erwirtschafteten Verluste weder in der Vergangenheit habe steuerlich nutzen können, noch in der Zukunft dazu in der Lage sein werde, die Verluste also in diesem Sinne „final“ seien. Die §§ 14 ff. KStG seien daher in der Weise geltungserhaltend zu reduzieren, dass auf den normierten doppelten Inlandsbezug und auf das GAV-Erfordernis vollständig verzichtet werde. Ausreichend sei es, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft eine „Organschaft auf faktischer Grundlage gelebt“ hätten. Vorliegend sei das der Fall gewesen.

Das FG ist der Sichtweise der Klägerin nicht gefolgt. Der auch von der Klägerin angeführten einschlägigen EuGH-Rechtsprechung lasse sich entnehmen, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegen könne, wenn eine nationale Regelung die interpersonelle Verlustverrechnung zwischen einer gebietsansässigen Muttergesellschaft und einer ebenfalls gebietsansässigen Tochtergesellschaft zulasse, zwischen einer gebietsansässigen Muttergesellschaft und einer im sonstigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Tochtergesellschaft aber nicht. Aus dieser Einschränkung könne eine gemeinschaftsrechtswidrige Ungleichbehandlung resultieren, wenn sich die inländische und die ausländische Tochtergesellschaft in einer objektiv vergleichbaren Situation befänden, wobei sich eine fehlende Vergleichbarkeit nicht allein daraus ergeben könne, dass hinsichtlich der Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaft keine Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft (also des Staates, in dem ggf. die Verlustverrechnung erfolgen soll) erfolgt.

Eine solche Ungleichbehandlung sei allerdings regelmäßig gerechtfertigt, weil sie erforderlich sei, um eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten aufrecht zu erhalten, der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung zu begegnen und die Kohärenz des Steuersystems zu wahren. Das gelte (nur) dann nicht, wenn es um die Verrechnung „finaler“ Verluste gehe, denn die vollumfängliche Nichtberücksichtigung von Verlusten sei unverhältnismäßig. Stellten die in Rede stehenden nationalen Regelungen danach eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Niederlassungsfreiheit dar und verstießen sie folglich gegen höherrangiges (Europa-)Recht, so stelle sich die Frage nach der daraus resultierenden (Rechts-)Folge. Diese gehe regelmäßig dahin, die als gemeinschaftsrechtswidrig identifizierten Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften in gemeinschaftsrechtlich konformer und normerhaltender Weise zu reduzieren.

Die einschlägigen nationalen Regelungen seien dann als solche weiter anzuwenden, wobei allerdings die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse ggf. in die betroffenen Normen hineinzulesen seien. Inwieweit eine Anwendbarkeit der nationalen Regelungen erhalten bleiben könne, hänge dabei von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Es könne zwischen unterschiedlichen in einer nationalen gesetzlichen Regelung enthaltenen Einzelmerkmalen dergestalt zu differenzieren sein, dass einzelne dieser Merkmale vollständig zu verwerfen seien, andere wiederum lediglich im gemeinschaftsrechtlichen Licht und weitere Merkmale unverändert zur Anwendung kommen könnten. Daraus folge, dass sich der EuGH-Rechtsprechung keineswegs ein gemeinschaftsrechtlich begründetes, quasi übergeordnetes allgemeines Gebot zur Ermöglichung EU-grenzüberschreitender Verlustverrechnungen entnehmen lasse. Die Anerkennung einer grenzüberschreitenden Verrechnung (finaler) Verluste im konkreten Fall könne folglich, sie müsse aber nicht das Ergebnis einer geltungserhaltenden Reduktion nationaler Bestimmungen zur interpersonalen Ergebnisverrechnung sein, die die Niederlassungsfreiheit beschränken. Ausgehend davon komme die seitens der Klägerin begehrte Verlustverrechnung im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Das gelte auch für den Fall, dass die oben dargestellten Grundsätze – wofür viel spreche – auch auf die Vorschriften über die deutsche Organschaft anzuwenden sein sollten und diese darüber hinaus davon auszugehen sein sollte, dass die §§ 14 ff. KStG grundsätzlich geeignet wären, eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Niederlassungsfreiheit zu begründen. Denn selbst dann ergäbe sich daraus nicht, dass die §§ 14 ff. KStG so weit normerhaltend zu reduzieren wären, dass auf das GAV-Erfordernis vollständig zu verzichten sei. Vielmehr zieht das FG aus dem Umstand, dass der GAV über eine essentielle Bedeutung für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses verfüge, den Schluss, dass an dem GAV-Erfordernis auch im Rahmen einer geltungserhaltenden Reduktion der §§ 14 ff. KStG so weit als möglich festzuhalten sei. Denn ein vollständiges Absehen von diesem Erfordernis entzöge der Organschaft einen Kernbestandteil. Als Mindestvoraussetzung auch für einen Verlustabzug „über die Grenze“ sei daher eine verbindliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den beteiligten Tochter- und Muttergesellschaften zu fordern, die jedenfalls die Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft, beinhalten müsse. Anders als der Abschluss eines formalen GAV sei der Abschluss einer solchen schuldrechtlichen Vereinbarung auch der Klägerin und ihrer Tochter möglich gewesen. Da sie das nicht getan hätten, komme eine Verlustverrechnung nicht in Betracht.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 26/19 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 1 K 218/15 vom 13.03.2019 (nrkr – BFH-Az.: I R 26/19)

Ermessensausübung bei der Inanspruchnahme mehrerer Geschäftsführer als Haftungsschuldner

Mit Urteil vom 5. Februar 2019 (Az. 1 K 42/16) hat der 1. Senat des FG erkannt, dass es regelmäßig ermessenswidrig ist, einige von mehreren Geschäftsführern wegen derselben haftungsbegründenden Pflichtverletzung in weiterem Umfang in Haftung zu nehmen, wenn zugleich die Haftung anderer auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt wird. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Inanspruchnahme der Geschäftsführer für ein- und dieselbe Pflichtverletzung, nämlich die Nichtzahlung der Körperschaftsteuer 2008, erfolgen sollte, aber unterschiedliche Haftungszeiträume zugrunde zu legen waren, weil die Geschäftsführer die Geschäftsführerstellung unterschiedlich lange innehatten. Angesichts dessen hatte sich das FA auf den Standpunkt gestellt, auch in solchen Fällen sei der durch die Pflichtverletzung entstandene Steuerschaden stets für beide Geschäftsführer getrennt jeweils unter Anwendung des „Grundsatzes der anteiligen Tilgung“ bezogen auf die unterschiedlichen Haftungszeiträume zu berechnen. Das hatte dazu geführt, dass sich für die Geschäftsführer unterschiedliche Tilgungsquoten ergeben hatten. Im Ergebnis war der Kläger daraufhin in Höhe eines erheblichen fünfstelligen Betrages in Anspruch genommen worden, die (Mit-)Geschäftsführerin hingegen gar nicht.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Das FA habe sein (Auswahl-)Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Bei mehreren Haftungsschuldnern, von denen nur einige in Anspruch genommen werden, sei das Auswahlermessen nur dann ausreichend begründet, wenn aus der Verwaltungsentscheidung hervorgehe, warum die einen in Anspruch genommen werden, die anderen aber nicht. Das sei nicht der Fall gewesen, denn die diesbezüglichen Ausführungen des FA, die erstmals in der Einspruchsentscheidung erfolgt waren, hätten sich auf einen Hinweis auf die unterschiedlichen maßgeblichen Tilgungsquoten beschränkt.

Angesichts eines vom Bekl. eventuell unterstellten daraus resultierenden „Automatismus“ erscheine es schon zweifelhaft, ob der Bekl. das ihm eröffnete Ermessen überhaupt erkannt habe. Soweit dies der Fall gewesen sei, habe der Bekl. seine Abwägung allein auf die unterschiedlichen Haftungsquoten gestützt, die sich rechnerisch ergeben hätten.

Eine solche Betrachtung werde jedoch dem Schadensersatzcharakter der Haftungsvorschriften nicht gerecht. Anknüpfungspunkt für die Haftung des Geschäftsführers sei eine durch ihn begangene Pflichtverletzung, die einen entsprechenden Steuerschaden verursacht habe. Das sei für den Kläger und die weitere (Mit-)Geschäftsführerin ein- und dieselbe Handlung gewesen, nämlich die Nichtentrichtung der Körperschaftsteuer 2008.

Durch ein- und dieselbe Pflichtverletzung könne aber grundsätzlich nur ein einziger Steuerschaden herbeigeführt werden, für den die Geschäftsführer – grundsätzlich gesamtschuldnerisch – einzustehen hätten. Auch wenn sich bei Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung – rechnerisch – unterschiedlichen Haftungsbeträge ergäben, führe dies nicht dazu, dass aus ein- und derselben Pflichtverletzung unterschiedlich hohe Steuerschäden entstünden. Es sei vielmehr Aufgabe der FÄ, nach pflichtgemäßem Ermessen auch darüber zu entscheiden, für welchen Schaden (der Höhe nach) die Geschäftsführer in Anspruch genommen werden sollen. Dabei sei im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass für eine Differenzierung der Inanspruchnahme der Höhe nach kein Ansatz und keine Veranlassung bestehe, solange und soweit für alle Geschäftsführer derselbe Pflichtenverstoß in Rede stehe. Dementsprechend könne eine Differenzierung nach der Dauer der Bestellung zum Geschäftsführer allenfalls unter besonderen Umständen im Einzelfall ermessensgerecht sein. Regelmäßig sei es jedoch in solchen Fällen ermessenswidrig, einen Geschäftsführer für rückständige Steuern mit einem höheren Betrag in Anspruch zu nehmen, wenn zugleich die Haftung eines Mitgeschäftsführers auf eine niedrigere Haftungsquote beschränkt werde.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 1 K 42/16 vom 05.02.2019 (rkr)

Betriebsbereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ einer Müllverbrennungsanlage als grundsätzlich eigenständige BgA

Im Verfahren 1 K 116/13 hatte der 1. Senat des FG darüber zu entscheiden, ob die Betriebsbereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ einer in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG organisierten Müllverbrennungsanlage (MVA), an der eine Stadt als Kommanditistin beteiligt war, im Streitjahr 2006 als jeweils eigenständige Betriebe gewerblicher Art (BgA) anzusehen waren und inwiefern diese ggf. miteinander, aber auch – insgesamt oder jeweils einzeln – mit von der Stadt unterhaltenen Verkehrs-/Versorgungs-BgA im sog. steuerlichen Querverbund zusammengefasst werden konnten. Mit seinem Urteil vom 15. Januar 2019 hat der 1. Senat die erstgenannte Frage grundsätzlich bejaht, eine Zusammenfassung mit Verkehrs- und Versorgungsbetrieben scheiterte jedoch im konkreten Fall.

Die Entscheidung betrifft mit dem Streitjahr 2006 einen Zeitraum, in dem die Voraussetzungen für die steuerliche Zusammenfassung mehrerer BgA gesetzlich noch nicht geregelt war. Dies ist mit § 4 Abs. 6 KStG n. F. erst mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 erfolgt. Allerdings war auch schon vorher anerkannt, dass mehrere BgA unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Einheit und damit zu einer einheitlichen Gewinnermittlung verbunden werden konnten. Insofern vertrat die Klägerin in erster Linie die Auffassung, dass es sich bei der MVA insgesamt um ein (Energie-)Versorgungsunternehmen handele, sodass eine Zusammenfassung mit weiteren Verkehrs- und Versorgungs-BgA ohne weiteres möglich sei. Zudem bestehe zwischen A und dem seinerseits bereits zusammengefassten BgA „Verkehr/Versorgung/Hafen“ eine enge wirtschaftlich-technische Verflechtung von erheblichem Gewicht, weil die MVA die gesamte von ihr erzeugte Energie, die nicht für den Eigenbedarf benötigt werde, an diesen BgA liefere. Hilfsweise sei jedenfalls der Betriebsbereich „Energieerzeugung“ der MVA mit dem BgA „Verkehr/Versorgung/Hafen“ zusammenzufassen, denn beide Betriebsbereiche der A ließen sich ohne weiteres voneinander abgrenzen und stellten jeweils eigenständige BgA dar.

Demgegenüber hatte sich das FA auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei der MVA um einen einheitlich zu beurteilenden Betrieb handele, der durch den Vorgang der Abfallentsorgung geprägt sei. Der Betriebsbereich der „Energieerzeugung“, der letztlich lediglich Ausfluss gesetzlicher Verpflichtungen sei, denen die Erzeuger und Besitzer von Abfällen nach dem KrWG und der EU-Abfallrichtlinie unterlägen, stelle sich im Verhältnis hierzu als bloße Neben- bzw. Hilfstätigkeit dar. Da sich die Bereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ in tatsächlicher Hinsicht auch nicht voneinander trennen ließen, lägen auch keine gesondert zu betrachtenden „Einrichtungen“ i. S. d. § 4 Abs. 1 KStG vor.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, käme eine Zusammenfassung mit den Verkehrs- und Versorgungs-BgA nicht in Betracht, denn die MVA sei insgesamt und auch bezogen auf den Betriebsbereich „Energieerzeugung“ nicht als Versorgungsunternehmen anzusehen. Einer isolierten Zusammenfassung nur des Bereichs „Energieerzeugung“ stehe zudem entgegen, dass die Klägerin eine solche für das Streitjahr in keiner Weise nach außen dokumentiert habe, sodass es an der insofern erforderlichen zeitnahen und eindeutigen Zuordnungsentscheidung fehle.

Das FG ist der Sichtweise der Klägerin im Ansatz gefolgt. So hat es – ausgehend davon, dass eine Beteiligung der Klägerin an einer PersG mit mehreren jeweils für sich zu beurteilenden Betätigungen vorlag (sog. Transparenz der PersG) – die Unternehmensbereiche „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ jeweils getrennt am Maßstab des § 4 Abs. 1 KStG darauf untersucht, ob sie als eigenständige „Einrichtungen“ anzusehen sind, und hat diese Frage im Ergebnis bejaht. Eine steuerliche Zusammenfassung der MVA mit Versorgungs- und Verkehrs-BgA lehnte es aber dennoch ab. Die BgA „Abfallverbrennung“ und „Energieerzeugung“ seien als – unstreitig – technisch-wirtschaftlich eng verflochtene BgA bereits durch ihre einheitlich gesellschaftsrechtliche Organisationsform in Gestalt des Betriebs durch eine einzige PersG mit steuerlicher Wirkung zum BgA „Beteiligung Müllverbrennung“ zusammengefasst worden. Eine weitere Zusammenfassung dieses zusammengefassten BgA oder des BgA „Energieerzeugung“ allein komme nicht in Betracht. Das gelte selbst dann, wenn letztgenannter BgA als Versorgungsunternehmen anzusehen sein sollte (diese Frage lässt das FG offen, gibt aber zu erkennen, dass es dieser Sichtweise zuneigt).

Denn zum einen gebe die Energieerzeugung dem zusammengefassten BgA „Beteiligung Müllverbrennung“ nicht das Gepräge, sodass dieser nicht (insgesamt) als Versorgungsunternehmen angesehen werden könne (die anderweitig denkbare Möglichkeit einer engen wechselseitigen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung verneint das FG ebenfalls).

Zum anderen könne der BgA „Energieerzeugung“ nicht im Nachhinein aus dem zusammengefassten BgA „Beteiligung Müllverbrennung“ herausgelöst werden. Denn die Klägerin habe ihr grundsätzlich bestehendes Wahlrecht betreffend die steuerwirksame Zusammenfassung ihrer BgA bereits ausgeübt. Jedenfalls vor 2009 habe eine solche Ausübung des Wahlrechts durch entsprechende organisatorische Maßnahmen geschehen können, worunter insbesondere auch die Schaffung bestimmter gesellschaftsrechtlicher Organisationsstrukturen gefallen seien, so wie hier die Ausübung mehrerer Tätigkeiten durch eine PersG. Seien solche Organisationsstrukturen aber einmal geschaffen worden, so könne eine (rein) steuerliche Zusammenfassung von BgA im Sinne einer reinen Ergebnisverrechnung über sie im Nachhinein nicht einfach hinweggehen; vielmehr wirkten bereits getroffene organisatorische Maßnahmen vorgreiflich und stünden einer anderweitigen Zusammenfassung entgegen.

Gegen das Urteil ist Revision eingelegt worden, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 9/19 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.09.2019 zum Urteil 1 K 116/13 vom 15.01.2019 (nrkr – BFH-Az.: I R 9/19)

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen umfasst Aufwendungen für statische Berechnung

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen umfasst Aufwendungen für statische Berechnung, die zur Durchführung der Handwerkerleistungen erforderlich ist.

So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 4. Juli 2019 (Az. 1 K 1384/19; Revision anhängig beim Bundesfinanzhof Az. VI R 29/19) und ermäßigte die festgesetzte Einkommensteuer um 107,10 Euro (20 % von 535,50 Euro) nach § 35a Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz. Die Norm umfasse nach Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte „alle handwerklichen Tätigkeiten“, jedoch nicht gutachterliche Tätigkeiten, wie z. B. Wertermittlung eines Grundstücks und Erstellen eines Energieausweises. Im Streitfall bestehe indes eine „enge sachliche Verzahnung“ zwischen den statischen Berechnungen und den folgenden „unstreitig erbrachten Handwerkerleistungen“. Die statische Berechnung habe „der ordnungsgemäßen und sicheren Durchführung des Austausches von tragenden Stützelementen für das Dach des Wohnhauses“ gedient und sei in einem Haushalt erbracht worden. Ein „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zu einem Haushalt“ bestehe. Ein solcher ergebe sich auch aus der Besprechung vor Ort und Inaugenscheinnahme des Hauses. Eine Aufspaltung nach dem Leistungsort der Berechnung erscheine „gekünstelt“ und widerspreche dem Gesetzeszweck, der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Entscheidend sei, dass die Leistung der Wohnung der Kläger zugutekomme.

Die verheirateten Kläger sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines eigengenutzten Hauses. Schadhafte Holzstützen wurden durch Stahlstützen ersetzt. Hierzu beauftragten die Kläger einen Handwerker. Nach dessen Ansicht war eine vorherige statische Berechnung „unbedingt erforderlich“. Hierzu fand eine Besprechung vor Ort und Inaugenscheinnahme des Hauses statt. Die Kläger überwiesen den für die Berechnung in Rechnung gestellten Betrag für Arbeitskosten in Höhe von 535,50 Euro einschließlich Umsatzsteuer. Sie erklärten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2015 eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen („Kaminfeger, Statiker“) im eigenen Haushalt in Höhe von insgesamt 565 Euro. Die statische Berechnung sei für den Austausch der Stützbalken erforderlich und eine unselbständige, untrennbar mit der Hauptleistung verbundene Nebenleistung gewesen. Es liege eine einheitliche Handwerkerleistung vor. Das beklagte Finanzamt erkannte lediglich 28 Euro für den „Kaminfeger“ und damit 6 Euro (20 % von 258 Euro) als Ermäßigungsbetrag für Handwerkerleistungen an. Bei der statischen Berechnung handle es sich um eine nicht steuerlich begünstigte Gutachterleistung.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 01.10.2019 zum Urteil 1 K 1384/19 vom 04.07.2019 (nrkr – BFH-Az.: VI R 29/19)