Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung verfassungsgemäß

Die Beitragszahlung durch die Bezieher von Versorgungsbezügen in die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung ist mit der Verfassung vereinbar. Sie stellt weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar noch greift sie unverhältnismäßig in die Rechte der Betroffenen ein.

Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit dem heute veröffentlichen Beschluss unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung klargestellt und eine Vorlage des Sozialgerichts betreffend die Frage, ob die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als unzulässig zurückgewiesen.

Sachverhalt:

Für die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung werden von versicherungspflichtig Beschäftigten und versicherungspflichtigen Rentnern unter anderem die mit der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Von diesen sogenannten Versorgungsbezügen sind auch Renten der betrieblichen Altersversorgung umfasst. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurde 2004 der zuvor geltende halbe Beitragssatz auf einen vollen allgemeinen Beitragssatz angehoben und neben Renten nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen von der Beitragspflicht erfasst.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens war bei der im Ausgangsverfahren beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Der Arbeitgeber des Klägers schloss für ihn 2007 eine Direktversicherung ab, deren Prämien weitgehend aus dem Bruttolohn des Klägers abgeführt worden sind. Nachdem der Kläger 2015 eine Kapitalauszahlung erhielt, erhob er gegen die Festsetzung der monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für den 120. Anteil der Auszahlung Klage zum Sozialgericht mit der Begründung, dass die Kapitalzahlung überwiegend durch seine Eigenleistung erwirtschaftet worden sei und daher kein Versorgungsbezug vorliege.

Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage vorgelegt, ob die Normen des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

I. Die Vorlage ist unzulässig, da sie zumindest nicht den Begründungsanforderungen des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG genügt.

Das vorlegende Gericht hat bei einem Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG darzulegen, inwiefern die Gültigkeit der Rechtsvorschrift für die Entscheidung erheblich ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Dafür muss das vorlegende Gericht umfassend darlegen, warum es von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist und sich dabei insbesondere mit den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen.

II. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage des Sozialgerichts nicht.

1. Insbesondere führt das vorlegende Gericht selbst aus, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens von der behaupteten Ungleichbehandlung einer doppelten Beitragsbelastung gar nicht betroffen ist. Die Einzahlungen aus seinem Arbeitsentgelt waren nach einer Privilegierung der Sozialversicherungsentgeltverordnung beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Die Beitragspflicht ist lediglich bei der Kapitalauszahlung der Direktversicherung entstanden.

2. Die Vorlage setzt sich zudem nicht zutreffend mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander. Danach ist die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und auch die Anhebung auf den vollen allgemeinen Beitragssatz verfassungsgemäß. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nur einen halben Beitragssatz zu entrichten hätten.

Das Bundesverfassungsgericht hat bislang die Typisierung einer Eigenleistung des Arbeitnehmers als Versorgungsbezug unter Weiternutzung des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als verfassungsgemäß betrachtet. Das Sozialgericht hat es versäumt, sich mit dem daraus ableitbaren Maßstäben auseinander zu setzen und darzulegen inwiefern und unter welchen Gesichtspunkten das Bundesverfassungsgericht von seiner diesbezüglichen Rechtsprechung abweichen sollte. Die von dem Sozialgericht behauptete Ungleichbehandlung aus einem Zusammenspiel zwischen Beitragslast, Beitragssatz und Zahlungspflicht ist nicht ersichtlich.

Quelle: BVerfG, Pressemitteilung vom 04.09.2018 zum Beschluss 1 BvL 2/18 vom 09.07.2018

Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung sind für die Höhe des Arbeitslosengelds relevant

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am Donnerstag, dem 30. August 2018 entschieden (Aktenzeichen B 11 AL 15/17 R), dass die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt einzubeziehen ist.

Die Klägerin, die als geprüfte Pharmareferentin beschäftigt war, vereinbarte mit ihrer Arbeitgeberin durch Aufhebungsvertrag einvernehmlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2012. Vereinbarungsgemäß war sie ab dem 1. Mai 2011 unwiderruflich von ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Die Arbeitgeberin zahlte in diesem Zeitraum die monatliche Vergütung weiter. Die Klägerin verpflichtete sich, der Arbeitgeberin in der Freistellungsphase unentgeltlich zur Beantwortung von Fragen sowie zur Erteilung von Informationen jederzeit zur Verfügung zu stehen. Nachfolgend bezog die Klägerin bis zum 24. März 2013 Krankentagegeld. Im Anschluss daran bewilligte die Beklagte ab dem 25. März 2013 Arbeitslosengeld in Höhe von kalendertäglich 28,72 Euro. Dabei ließ sie die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung außer Betracht, denn die Klägerin sei faktisch bereits ab dem 1. Mai 2011 aus der Beschäftigung ausgeschieden.

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der Klägerin Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von kalendertäglich 181,42 Euro unter Einbeziehung der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlten Vergütung zusteht. Dadurch bestand im erweiterten Bemessungsrahmen vom 25. März 2011 bis 24. März 2013 ein Anspruch auf Arbeitsentgelt von mehr als 150 Tagen, sodass die von der Beklagten zugrunde gelegte fiktive Bemessung ausgeschlossen ist. Maßgebend für die Arbeitslosengeld-Bemessung im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist der Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinn. Soweit Entscheidungen des Senats ein anderes Begriffsverständnis entnommen werden kann, hält der Senat hieran nicht fest. Auf dieser Grundlage hat das Landessozialgericht zutreffend das Arbeitslosengeld mit kalendertäglich 58,41 Euro berechnet.

Hinweise zur Rechtslage

§ 150 SGB III – Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen

(1) 1Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. 2Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.

(3) 1Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn

1. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, …

§ 24 SGB III – Versicherungspflichtverhältnis

(1) In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

(4) Das Versicherungspflichtverhältnis endet für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis …

§ 25 SGB III – Beschäftigte

(1) 1Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt … beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind.

Quelle: BSG, Pressemitteilung vom 30.08.2018 zum Urteil B 11 AL 15/17 vom 30.08.2018

Künstlersozialabgabe bleibt 2019 bei 4,2 Prozent

Der Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung wird im Jahr 2019 unverändert 4,2 Prozent betragen. Die entsprechende Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden.

Was ist die Künstlersozialversicherung?

Über die Künstlersozialversicherung werden derzeit rund 190.000 selbständige Künstlerinnen und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einbezogen. Sie tragen, wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss (20 Prozent) und durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen finanziert, die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten (30 Prozent). Die Künstlersozialabgabe wird als Umlage erhoben. Der Abgabesatz wird jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegt und beträgt derzeit 4,2 Prozent. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbständige Künstlerinnen und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten gezahlten Entgelte.

Bei der Künstlersozialabgabe-Verordnung handelt es sich um eine Ministerverordnung ohne Kabinettbeschluss.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 30.08.2018

Zweifelhaftes Online-Branchenbuch

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass die Betreiberin eines Online-Branchenbuchs kein Geld bekommt, wenn sie in ihrem Vertragsformular nicht hinreichend auf die Kostenpflichtigkeit ihrer Dienstleistung hinweist.

Hintergrund war der Streit um die Eintragung eines Unternehmens in ein Branchenbuch, für welche die Klägerin 1.270,92 Euro begehrte. Sie hatte dem Beklagten ein Schreiben übersandt, welches mit „Eintragungsantrag/Korrekturabzug“ überschrieben war. Dort sollte dieser seine aktuellen Firmendaten einsetzen, wobei die Klägerin um Rücksendung binnen 14 Tagen bat. Im unteren Drittel des Schreibens fand sich ein Text: “Die Richtigkeit der oben aufgeführte Firmendaten sowie die Aufnahme in das Branchenbuch zum Preis von 1.068 Euro netto pro Jahr für den Standard Business Eintrag wird durch Unterschrift bestätigt.“ Der Beklagte sandte das Schreiben ausgefüllt mit seinen Firmendaten unterschrieben zurück.

Das Gericht entschied, dass eine solche Entgeltklausel gegen § 305 c Abs. 1 BGB verstößt, weil sie für den Empfäger überraschend ist. Die berechtigte Kundenerwartung sei gewesen, dass es sich um einen kostenlosen Eintrag in ein Branchenverzeichnis handele, weil im oberen Teil des Schreibens das Wort „Korrekturabzug“ stehe. Ein Empfänger erwarte daher nicht den Abschluß eines neuen Vertragsverhältnisses. Der Hinweis auf die Vergütungspflicht im Fließtext im unteren Teil des Schreibens sei so gewählt, dass der Empfänger diesen nicht zur Kenntnis nehme.
Gerade durch die drucktechnisch hervorgehobene Fristsetzung von 14 Tagen werde beim umbefangenen Leser die Chance zur sorgfältigen Lektüre und zur Wahrnehmung der Entgeltklausel herabgesetzt.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: AG Frankfurt, Pressemitteilung vom 31.08.2018 zum Urteil 32 C 2278/17 vom 22.02.2018

KPMG-Studie „Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2018“

Angriffe von außen und Datendelikate nehmen zu. Jede zweite Tat kommt nur durch Zufall ans Licht.

 

Jedes dritte Unternehmen in Deutschland (32 Prozent) war in den letzten beiden Jahren Opfer von Wirtschaftskriminalität, wobei die Betroffenheit mit der Größe des Unternehmens zunimmt. Die Angst vor wirtschaftskriminellen Vorfällen ist sogar noch um ein Vielfaches höher: Vier von fünf Unternehmen (81 Prozent) sehen generell ein hohes bis sehr hohes Risiko mit Blick auf wirtschaftskriminelle Vorfälle in Deutschland. Die häufigsten Deliktarten sind Betrug und Untreue (58 Prozent), eindeutlicher Anstieg um 13 Prozentpunkte gegenüber der letzten Befragung 2016; auch hier sind große Unternehmen besonders stark betroffen (73Prozent). Diebstahl und Unterschlagung trifft im Schnitt 40 Prozent der Unternehmen. Aber auch Datendelikte sind weiter auf dem Vormarsch: Inzwischen erwischt es schon jedes dritte befragte Unternehmen (31Prozent), vor zwei Jahren war es noch jedes vierte (24 Prozent). Das sind Ergebnisse der Studie „Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2018″, für die im Auftrag von KPMG 702 repräsentativ nach Branche, Mitarbeiterzahl und Umsatz ausgewählte Unternehmen zu ihren Erfahrungen im Bereich Wirtschaftskriminalität befragt wurden.

Jede zweite Tat nur zufällig entdeckt

Über die Hälfte der Taten (51 Prozent) ist nur durch Zufall ans Licht gekommen (2016: 39 Prozent). Vor allem bei kleinen Unternehmen hat diezufällige Entdeckung drastisch zugenommen.

Alexander Geschonneck, Leiter Compliance & Forensic bei KPMG, erklärt: „Dass Unternehmen schlichtweg auf Entdeckerglück angewiesen sind, ist alarmierend. Dadurch werden wirtschaftskriminelle Vorfälle viel zu spätentdeckt und die Schäden fallen noch gravierender aus.

Gleichwohl wird die Mehrzahl der wirtschaftskriminellen Handlungen mit 61 Prozent nach wie vor aufgrund offener Hinweise durch Unternehmensinterne aufgedeckt.

Barbara Scheben, Partner bei KPMG im Bereich Forensic & Compliance,erklärt: „Das unterstreicht, wie wichtig die Sensibilisierung und Schulungder Mitarbeiter ist. Wer mit wachem Auge und geschärftem Risikobewusstsein auf eine potenzielle wirtschaftskriminelle Handlung im Unternehmen stößt, kann mithelfen, diese im Keim zu ersticken.“

Hinweisgebersysteme: eine starke Waffe gegen Wirtschaftskriminalität

Zwei von drei Befragten (66 Prozent) verfügen inzwischen über ein Hinweisgebersystem zur Meldung von Verdachtsfällen; bei den Finanzdienstleistern sind es sogar 95 Prozent. Es umfasst etwa Briefkästenoder Postfächer (57 Prozent) oder eine eigene E-Mail-Adresse (54 Prozent) zur Meldung von Verdachtsfällen. Vor allem kleinere Unternehmen haben aber offenbar große Probleme bei der Umsetzung: So beklagt jedes zweite von ihnen (49 Prozent) eine unzureichende Meldekultur.

Barbara Scheben: „Jeweils rund ein Fünftel der Befragten gibt an, dass Hinweisgebersysteme eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung wirtschaftskrimineller Handlungen gespielt haben bzw. dass solche Vorfälle erst aufgrund solcher Hinweise entdeckt wurden. Das macht deutlich, dass solche Systeme eine starke Waffe gegen Wirtschaftskriminalität sein können.“

Angriffe von außen nehmen zu

War in der letzten Befragung vor zwei Jahren das Verhältnis zwischen internen und externen Tätern in etwa ausgeglichen, kommen heute fast 61 Prozent von außen. Bei Datendelikten ist der Anteil externer Täter gerade zu explosionsartig von 30 Prozent auf 76 Prozent gestiegen.

Alexander Geschonneck: „Die Unternehmen sind vermehrt in der Lage, externe Angriffe zu entdecken und als solche zu klassifizieren.“

Geldwäschedelikte werden in fast allen Fällen von externen Tätern verübt (98 Prozent). Hinter dem Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen stecken mit 79 Prozent interne Täter, bei Diebstahl und Unterschlagung liegt der Anteil der internen Täter bei 75 Prozent.

Misstrauen wächst – Gefahr für die weitere Geschäftsentwicklung

Das Thema Wirtschaftskriminalität wird zunehmend bei der Bewertungvon Geschäftsbeziehungen berücksichtigt. So hat das Misstrauen gegenüber Unternehmen, von denen wirtschaftskriminelle Handlungenausgingen, aber mals zugenommen. Inzwischen schließt fast die Hälftealler Befragten (47 Prozent) eine Geschäftsbeziehung mit solchen Unternehmen grundsätzlich aus (2016: 35 Prozent). 44 Prozent greifen zwar nicht zu derart drastischen Maßnahmen, stellen aber gleichwohl Bedingungen für eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung. Dazu zählen insbesondere eine unabhängige Sachverhaltsaufklärung (88 Prozent), die Entlassung des Täters oder der Täter (78 Prozent) und die Einführungeines wirksamen Compliance Management Systems (76 Prozent).

Barbara Scheben: „Wirtschaftskriminalität kann zu einer Gefahr für die weitere Geschäftsentwicklung werden. Die Ergebnisse der Studie sollten für jedes Unternehmen Motivation genug sein, mehr für Prävention zu tun.“

Positiver Trend bei Prävention

Noch ist die Investitionsbereitschaft von Unternehmen mit Blick auf die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gering. Gleichwohl fällt ein positiver Trend ins Auge: Die vorangegangenen Studien ergaben einen eher reaktiven Ansatz beim Umgang mit Wirtschaftskriminalität.

Alexander Geschonneck: „Es wurde erst gelöscht, wenn es schon brannte, anstatt die Entstehung potenzieller Brandherde zu minimieren.“

Inzwischen wappnen sich die Unternehmen lieber frühzeitig gegen wirtschaftskriminelle Sachverhalte, anstatt erst nach einem Vorfall zu reagieren. Die diesjährige Studie zeigt erstmals, dass die Investitionen in die Prävention deutlich höher ausfielen als die jenigen in Aufdeckung, Aufklärung und Reaktion.

Alexander Geschonneck: „Wer rechtzeitig in Präventionsmaßnahmen investiert, kann nicht nur die Häufigkeit wirtschaftskrimineller Vorfälle reduzieren. Sollte es trotzdem zum Ernstfall kommen, können die Schäden minimiert werden. Implementierungs­ und Betriebskosten präventiver Maßnahmen werden durch die vermiedenen oder geminderten Kosten inder Regel mehr als nur gedeckt.“

Presseinformation von KPMG vom 05.07.2018

Rentenpakt gewährleistet Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen

Kabinett bringt doppelte Haltelinie, Verbesserungen bei Mütter- und Erwerbsminderungsrente und Entlastung von Geringverdienern auf den Weg

Das Bundeskabinett hat am 29.08.2018 den Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) beschlossen.

Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales:

„Mit dem Rentenpakt sichern wir das Kernversprechen unseres Sozialstaates neu ab, er gewährleistet Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen: Wir halten das Rentenniveau stabil und sorgen dafür, dass es wieder stärker der Lohnentwicklung folgt. Auch die Jüngeren profitieren, weil der Rentenpakt garantiert, dass der Rentenbeitrag nicht über 20 Prozent steigt. Wir stärken die gesellschaftliche Solidarität, indem wir Kindererziehung besser honorieren und diejenigen, die ihren Job krankheitsbedingt aufgeben müssen, besser absichern. Beschäftigte, die wenig verdienen, werden künftig stärker bei Sozialabgaben entlastet. Und weil gutes Leben im Alter eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, nehmen wir für den Rentenpakt zusätzliches Steuergeld in die Hand. Das ist ein Neustart für mehr Verlässlichkeit in der Rente.“

Das Gesetz hat vier Kernelemente:

Rentenniveau und Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr 2025 garantiert

  • Das Sicherungsniveau wird bis zum Jahr 2025 bei 48 Prozent gehalten. Hierfür wird die Rentenanpassungsformel so ergänzt, dass bis zum Jahr 2025 mindestens ein Niveau von 48 Prozent erreicht wird (Haltelinie I).
  • Der Beitragssatz zur Rentenversicherung wird die Marke von 20 Prozent bis zum Jahr 2025 nicht überschreiten (Haltelinie II).
  • Da die Stabilisierung des Systems der Altersvorsorge eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, übernimmt der Staat über einen erhöhten Zuschuss aus Steuern zusätzliche Verantwortung. Hierfür wird im Bundeshaushalt ein „Demografiefonds“ von 2021 bis 2024 mit jährlich zwei Milliarden Euro aufgebaut, der die Beitragsobergrenze auch im Fall unvorhergesehener Entwicklungen absichert. Zusätzlich wird eine Beitragssatzuntergrenze von 18,6 Prozent bis zum Jahr 2025 eingeführt, um eine bessere Beitragssatzverstetigung zu erreichen.

Verbesserte Leistungen bei Erwerbsminderung

Die Absicherung bei Erwerbsminderung wird deutlich verbessert. Die Zurechnungszeit wird für Rentenzugänge im Jahr 2019 in einem Schritt auf 65 Jahre und acht Monate angehoben. Anschließend wird sie in Anlehnung an die Anhebung der Regelaltersgrenze weiter auf 67 Jahre verlängert.

Bessere Anerkennung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder

Mütter oder Väter erhalten für vor 1992 geborene Kinder ein weiteres halbes Kindererziehungsjahr angerechnet. Damit sind alle Eltern mit vor 1992 geborenen Kindern gleichgestellt. Davon profitieren knapp zehn Millionen Menschen.

Entlastung von Beschäftigten mit geringem Einkommen

Die bisherige „Gleitzone“ wird auf Arbeitsentgelte von 450,01 Euro bis 1.300 Euro (bisher 850 Euro) zum „Übergangsbereich“ für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeweitet. Beschäftigte in diesem Bereich werden stärker bzw. erstmalig bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Zudem führen die verringerten Rentenbeiträge nicht mehr zu geringeren Rentenansprüchen. Davon profitieren bis zu 3,5 Millionen Beschäftigte.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 29.08.2018

Staat erzielt im 1. Halbjahr 2018 Überschuss von 48,1 Milliarden Euro

Der Staat erzielte im ersten Halbjahr 2018 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) einen Finanzierungsüberschuss von rund 48,1 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen (1.671,8 Milliarden Euro) errechnet sich daraus eine Überschussquote von 2,9 %. Hierbei handelt es sich um Daten in der Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010. Die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung konnten damit weiter von einer günstigen Beschäftigungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie einer moderaten Ausgabenpolitik profitieren. Von den Ergebnissen für das erste Halbjahr lassen sich nur begrenzt Rückschlüsse auf das Jahresergebnis ziehen.

Der Finanzierungsüberschuss ergibt sich aus der Differenz zwischen Einnahmen (761,8 Milliarden Euro) und Ausgaben (713,7 Milliarden Euro) des Staates. Im ersten Halbjahr 2018 trugen alle staatlichen Ebenen zum positiven Budgetsaldo bei: Der Bund hatte mit rund 19,5 Milliarden Euro den größten Finanzierungsüberschuss. Die Länder erzielten ein Plus von 13,1 Milliarden Euro, die Sozialversicherungen von 9,0 Milliarden und die Kommunen von 6,6 Milliarden Euro.

Die Einnahmen des Staates erhöhten sich im ersten Halbjahr 2018 um 36,5 Milliarden Euro (+5,0 %) gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die wichtigste Einnahmequelle des Staates sind Steuern, die mit 403,5 Milliarden Euro gut die Hälfte der gesamten Einnahmen ausmachten. Der Zuwachs bei den Steuereinnahmen blieb mit +5,2 % im ersten Halbjahr 2018 weiter hoch, wobei der Anstieg bei den Einkommen- und Vermögensteuern (+7,2 %) deutlich höher ausgefallen ist als bei den Produktions- und Importabgaben (+2,7 %). Die gute Beschäftigungsentwicklung sorgte für eine weiterhin dynamische Entwicklung bei den Sozialbeiträgen (+4,2 %). Auch die Einnahmen des Staates aus Zinsen und empfangenen Ausschüttungen (+29,3 %) stiegen, insbesondere weil sich der in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gebuchte Bundesbankgewinn von einem niedrigen Niveau im Vorjahr deutlich erhöhte.

Die Ausgaben des Staates stiegen im ersten Halbjahr 2018 nur mäßig (+1,2 %). Der Bund gab auch aufgrund der Auswirkungen der bis Mitte Juli geltenden vorläufigen Haushaltsführung weniger aus als im Vorjahr. Zudem sind die staatlichen Zinsausgaben wegen des weiterhin sehr niedrigen Zinsniveaus und eines gesunkenen Schuldenstandes erneut zurückgegangen (-8,7 %). Die Investitionsausgaben des Staates entwickelten sich im ersten Halbjahr dagegen überdurchschnittlich (+12,3 %). Ein deutlicher Ausgabenzuwachs zeigte sich auch beim Arbeitnehmerentgelt (+4,0 %). Hier wirkten sich zusätzliches Personal und höhere Entgelte aus.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 24.04.2018

Werbungskosten für Homeoffice bei Vermietung an Arbeitgeber

Vermietet der Steuerpflichtige eine Einliegerwohnung als Homeoffice an seinen Arbeitgeber für dessen betriebliche Zwecke, kann er Werbungskosten nur geltend machen, wenn eine objektbezogene Prognose die erforderliche Überschusserzielungsabsicht belegt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17. April 2018 IX R 9/17 entschieden hat.

Nach der BFH-Rechtsprechung wird bei der Vermietung zu gewerblichen Zwecken die Absicht des Steuerpflichtigen, auf Dauer einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen zu wollen, nicht vermutet. Die zweckentfremdete Vermietung von Wohnraum an den Arbeitgeber zu dessen betrieblichen Zwecken hat der BFH nun erstmals als Vermietung zu gewerblichen Zwecken beurteilt. Er widerspricht insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Dezember 2005 IV C 3-S 2253-112/05, BStBl I 2006 S. 4).

Die Kläger sind Eigentümer eines Gebäudes, das sie im Obergeschoss selbst bewohnen. Eine Einliegerwohnung mit Büro, Besprechungsraum, Küche und Bad/WC im Erdgeschoss vermieteten sie als Homeoffice des Klägers für 476 Euro monatlich an dessen Arbeitgeber. Der Mietvertrag war zeitlich an den Arbeitsvertrag des Klägers und an die Weisung des Arbeitgebers gebunden, die Tätigkeit in diesen Büroräumen zu betreiben. Die Kläger machten aus der Vermietung einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 29.900 Euro geltend. Enthalten waren hierin Aufwendungen in Höhe von 25.780 Euro für die behindertengerechte Renovierung des Badezimmers mit Dusche und Badewanne. Das Finanzamt ließ die Renovierungskosten nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben.

Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Aufgrund der im Mietvertrag vereinbarten Nutzung handele es sich nicht um die Vermietung von Wohnraum, sondern (zweckentfremdet) um die Vermietung zu gewerblichen Zwecken, da die Räume dem Arbeitgeber zur ausschließlichen Erfüllung von dessen betrieblichen Zwecken überlassen wurden und der Kläger hinsichtlich der Nutzung dem Weisungsrecht seines Arbeitgebers unterlag. Zu berücksichtigen war dabei auch die Koppelung des Mietvertrages an das Bestehen des Dienstverhältnisses. Das FG muss nun noch feststellen, ob der Kläger einen Gesamtüberschuss erzielen konnte.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 43/18 vom 20.08.2018 zum Urteil IX R 9/17 vom 17.04.2018

Ehe für Alle – Splittingtarif rückwirkend für alle Jahre seit 2001

Mit Urteil vom 31. Juli 2018 hat der 1. Senat des Finanzgerichts (FG) Hamburg (1 K 92/18) der Klage eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares stattgegeben, das die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer begehrte, und zwar rückwirkend ab dem Jahr 2001.

Die Kläger hatten nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) am 1. August 2001 im Jahr 2001 eine Lebenspartnerschaft begründet, die sie nach Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes (EheöffnungsG) im November 2017 in eine Ehe umwandelten. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft nach der Umwandlung in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Partner maßgeblich. Weil die Zusammenveranlagung nach dem Splittingtarif in vielen Fällen zu einer Verringerung der Steuerlast führt, beantragten die Kläger, die für Eheleute vorgesehene Zusammenveranlagung nachträglich für alle Jahre seit Beginn ihrer Lebenspartnerschaft, also ab 2001. Weil beide Partner bis in das Jahr 2012 bereits mit bestandskräftigen Bescheiden jeweils einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden waren, lehnte das Finanzamt die – rückwirkende – Zusammenveranlagung ab.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das EheöffnungsG bestimme in Art. 3 Abs. 2, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend sei. Nach der Umwandlung seien die Lebenspartner so zu stellen, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Das EheöffnungsG sei ein außersteuerliches Gesetz und damit grundsätzlich geeignet, ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung darzustellen, das eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide ab 2001 rechtfertige. Diese Rückwirkung sei direkt aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG herzuleiten. Die Bestandskraft sei kein derart tragendes Prinzip des Rechts, dass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide infolge einer Gesetzesänderung in jedem Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der Rückwirkung bedürfe.

Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Hamburg, Pressemitteilung vom 20.08.2018 zum Urteil 1 K 92/18 vom 31.07.2018

100 Jahre Umsatzsteuer. Am 1. August 1918 wurde die Umsatzsteuer eingeführt.

„Die Umsatzsteuer wird 100 Jahre alt. Sie ist die zweitstärkste Einnahmequelle für den Freistaat. Im Jahr 2017 wurden 33,26 Prozent des gesamten Steueraufkommens in Thüringen durch die Einnahmen aus der Umsatzsteuer realisiert“, sagt Finanzministerin Heike Taubert. In Thüringen wurden im vergangenen Jahr Umsatzsteuern in Höhe von 2.287.629.607,05 Euro von den Finanzämtern eingenommen.

Am 1. August 1918 wurde das erste eigenständige deutsche Umsatzsteuergesetz eingeführt. Der bis dahin verwendete Warenumsatzstempel hatte ausgedient. Im Laufe eines Jahrhunderts hat sich die Steuer immer wieder verändert und weiterentwickelt. Lag 1918 der Steuersatz noch bei 0,5 Prozent, wurde er 1919 für ausgewählte Güter bereits auf 15 Prozent angehoben. Heute beträgt der Regelsteuersatz 19 Prozent. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Drittel. Die Spannweite reicht von 17 Prozent in Luxemburg bis 27 Prozent in Ungarn.

Die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, wird auf den Verbrauch von Waren und Dienstleistungen erhoben. Im Rückblick ist das von den Finanzämtern vereinnahmte Aufkommen stark gestiegen. So betrug das Umsatzsteueraufkommen Thüringens im Jahr 1991 nur 181,7 Millionen Euro und stieg auf 1.424,6 Millionen Euro im Jahr 2001.

Thüringer Finanzministerium