Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Thüringer Finanzämter bereiten Einkommensteuerbescheide mit zusätzlicher Steuererstattung für etwa 100.000 Thüringer Steuerzahler vor.

„In den nächsten Wochen können etwa 100.000 Thüringer Steuerzahler, die Krankheits- und Pflegekosten in ihrer Steuererklärung geltend machten, mit Post vom Finanzamt rechnen. Auf Grund eines Urteils des Bundesfinanzhofs werden Einkommensteuerbescheide von Amts wegen zugunsten der Steuerzahler geändert“, kündigt Finanzministerin Taubert an.

Die Finanzverwaltung setzt damit das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.Januar 2017 um. Der Bundesfinanzhof hatte entschieden, dass Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen (wie Krankheits- und Pflegekosten) weitergehend als bisher steuerlich geltend machen können.

Steuerbescheide, die insoweit vorläufig ergangen sind, werden nunmehr im Rahmen einer Sonderaktion von Amts wegen zugunsten der Steuerzahler geändert. Bürgerinnen und Bürger müssen sich nicht beim Finanzamt melden. „Betroffene müssen keinen Antrag stellen oder aktiv werden“, so Taubert. Die konkrete Höhe der Steuerminderung für den Steuerzahler ist dabei vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

In den seit Juni 2017 erstellten Steuerbescheiden werden die Grundsätze des Urteils vom Bundesfinanzhof bereits bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt.

Die Entscheidung vom 19.Januar 2017 kann beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 75/14 nachgelesen werden.

https://www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen/entscheidungen-online

Thüringer Finanzministerium

Formulare Kirchensteuer

Erklärung zur gesonderten Feststellung der Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer nach Art. 13a Abs. 3 Kirchensteuergesetz

Seit 2015 behalten die Kreditinstitute und Versicherungen die auf die Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer neben der staatlichen Kapitalertragsteuer ein. Hierzu fragen sie beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden ab. Der Bürger kann die Weitergabe dieser persönlichen Daten durch die Einlegung eines Sperrvermerks verhindern. In einem solchen Fall wird die Kirchenkapitalertragsteuer regelmäßig im Veranlagungsverfahren durch die Kirchensteuerämter nacherhoben. Beantragt der kirchensteuerpflichtige Bürger in seiner Einkommensteuererklärung jedoch keine Änderung der staatlichen Kapitalertragsteuer, wird in Bayern die Bemessungsgrundlage für die Kirchenkapitalertragsteuer vom Finanzamt in einem besonderen Verfahren festgestellt und dem Kirchensteueramt gesondert mitgeteilt.

Dateiformat PDF – Druckversionen

Die Formulare können lediglich ausgedruckt werden, eine Dateneingabe am PC ist nicht möglich.

2017

2016

2015

Sperrvermerk, § 51a Abs. 2e EStG

Hinweise zur Körperschaftsteuererklärung 2017

Das elektronische Formular für die Körperschaftsteuererklärung 2017 ist seit dem 24.07.2018 über das Online-Portal „Mein ELSTER“ verfügbar und damit nach dem allgemeinen Abgabetermin. Deswegen wird die Abgabefrist bis zum 31.08.2018 verlängert.

Die sog. ERiC-Schnittstelle steht den Programmanbietern erst seit Ende Mai 2018 zur Verfügung. Ursächlich hierfür sind umfassende Änderungen im Bereich der Körperschaftsteuererklärung.

Ausnahmsweise ist auch eine Abgabe in Papierform bis 31. August möglich.

In diesem Zusammenhang werden  auch die Fristen für die Umsatz- und Gewerbesteuer  bis zum 31.08.2018 verlängert. Diese Erklärungen sind elektronisch abzugeben.

Quelle:  OFD Karlsruhe, Mitteilung v. 31.07.2018

Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses ist bei der Schenkungsteuer nicht abzugsfähig

Mit Urteil vom 21. Juni 2018 (Az. 3 K 621/16 Erb) hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses bei Schenkung eines Erbbaurechts nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden darf.

Die Kläger erhielten – jeweils zur ideellen Hälfte – ein Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück geschenkt. Nach Besitzübergang traf sie die Pflicht, den jährlichen Erbbauzins an die Grundstückseigentümer zu zahlen. Sie beantragten, die Erbbauzinsverpflichtung von der Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer abzuziehen, da es sich um eine Gegenleistung oder Auflage handele. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses mit der Bewertung des Erbbaurechts abgegolten sei. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster führte aus, dass die Übertragung des Erbbaurechts insgesamt eine unentgeltliche Zuwendung an die Kläger darstelle. Es handele sich nicht um eine gemischte Schenkung oder um eine Schenkung unter Leistungsauflage, denn das Erbbaurecht könne nicht in seine einzelnen Bestandteile aufgespalten werden, sondern sei als Ganzes zu betrachten. Die im Grundbuch als Reallast eingetragene Erbbauzinsverpflichtung hafte dem Erbbaurecht – ähnlich wie die Pflichten bei Übertragung eines Personengesellschaftsanteils – untrennbar an. Der Erbbauzins sei keine Gegenleistung für den Erwerb des Erbbaurechts, sondern ein Nutzungsentgelt, das den Grundstückseigentümern zustehe.

Darüber hinaus sei die Erbbauzinsverpflichtung mit der Bewertung des Erbbaurechts abgegolten, weil § 193 Abs. 3 BewG einen Abzug des kapitalisierten Erbbauzinses vom Bodenwert vorsehe. Ein nochmaliger Abzug würde zu einer Doppelberücksichtigung führen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.08.2018 zum Urteil 3 K 621/16 vom 21.06.2018

Körperschaftsteuer: Hinzurechnung von Aktienverlusten im Jahr 2003 keine unzulässige Rückwirkung

Der 10. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 20. Juni 2018 (Az. 10 K 3981/16 K) entschieden, dass die in § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG i. d. F. des Korb-II-Gesetzes vom 22. Dezember 2003 angeordnete Hinzurechnung von Verlusten aus Aktiengeschäften für das Jahr 2003 keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung darstellt. Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einem Wertpapier-Sondervermögen sind danach nicht abzugsfähig. Nach der früheren Rechtslage waren entsprechende Gewinne steuerfrei, während sich Verluste steuermindernd auswirken.

Die Klägerin veräußerte im Jahr 2003 – vor Einbringung des Gesetzesentwurfs des Korb-II-Gesetzes in den Bundestag – Anteilsscheine an mehreren Spezialfonds und erlitt hieraus Verluste. Das Finanzamt rechnete diese Verluste bei der Körperschaftsteuerveranlagung für 2003 unter Anwendung der Neuregelung dem zu versteuernden Einkommen hinzu. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass die rückwirkende Anordnung der Hinzurechnung für 2003 verfassungsrechtlich unzulässig sei.

Dem folgte der Senat nicht und wies die Klage ab. Die Anwendungsregelung stelle für 2003 eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung dar. Da die Körperschaftsteuer bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung Ende Dezember 2003 noch nicht entstanden war, handele es sich um eine sog. unechte Rückwirkung. Das Vertrauen der Klägerin in die bisherige Gesetzesfassung sei nicht schutzwürdig gewesen, weil die Rechtslage schon vorher umstritten gewesen sei und zu späteren Zeitpunkten divergierende finanzgerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage ergangen seien. Teilweise sei die Auffassung vertreten worden, dass der in § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG a. F. enthaltene Verweis auf § 8b Abs. 2 KStG weiter zu verstehen sei und auch die Abzugsbeschränkung für Gewinnminderungen umfasse. Danach hätte die Neuregelung lediglich deklaratorische Bedeutung gehabt. Diese Auffassung sei gut vertretbar gewesen, weil die reine Wortlautauslegung negative Wertentwicklungen in systemwidriger und unbilliger Weise gegenüber positiven Wertentwicklungen steuerlich begünstigt habe. Das schutzwürdige Vertrauen der Anleger trete gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der Systemwidrigkeit zurück.

Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 22/18 anhängig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.08.2018 zum Urteil 10 K 3981/16 vom 20.06.2018 (nrkr – BFH-Az.: I R 22/18)

Inflationsrate: Verbraucherpreise Juli 2018: +2,0 % gegenüber Juli 2017

Inflationsrate hat sich erneut leicht abgeschwächt

Verbraucherpreisindex, Juli 2018

  • +2,0 % zum Vorjahresmonat (vorläufiges Ergebnis bestätigt)
  • +0,3 % zum Vormonat (vorläufiges Ergebnis bestätigt)

Harmonisierter Verbraucherpreisindex, Juli 2018

  • +2,1 % zum Vorjahresmonat (vorläufiges Ergebnis bestätigt)
  • +0,4 % zum Vormonat (vorläufiges Ergebnis bestätigt)

Die Verbraucherpreise in Deutschland lagen im Juli 2018 um 2,0 % höher als im Juli 2017. Damit hat sich die Inflationsrate – gemessen am Verbraucherpreisindex – erneut leicht abgeschwächt. In den beiden Vormonaten hatte die Inflationsrate knapp über zwei Prozent gelegen (Juni 2018: +2,1 %; Mai 2018: +2,2 %). Im Vergleich zum Vormonat Juni 2018 stieg der Verbraucherpreisindex im Juli 2018 um 0,3 %. Das Statistische Bundesamt bestätigt somit seine vorläufigen Gesamtergebnisse vom 30. Juli 2018.

Maßgeblich beeinflusst wurde die Inflationsrate im Juli 2018 durch die Preisentwicklung der Energieprodukte. Der Preisanstieg bei Energie gegenüber dem Vorjahresmonat fiel im Juli 2018 mit +6,6 % etwas höher aus als im Juni 2018 (+6,4 %). Verantwortlich für den Preisanstieg sind hauptsächlich die vergleichsweise niedrigen Preise vor einem Jahr (statistischer Basiseffekt). Insbesondere verteuerte sich binnen Jahresfrist leichtes Heizöl um 28,5 %. Erheblich teurer als ein Jahr zuvor waren auch Kraftstoffe (+12,0 %). Die Preisänderungen für die anderen Energieprodukte fielen deutlich schwächer aus (zum Beispiel Umlagen von Zentralheizung und Fernwärme: +1,5 %; Strom: +1,0 %; Gas: -1,3 %). Ohne Berücksichtigung der Preise für Energie hätte die Inflationsrate im Juli 2018 bei +1,5 % gelegen.

Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich von Juli 2017 bis Juli 2018 mit +2,6 % überdurchschnittlich. Die Teuerungsrate für Nahrungsmittel hatte in den letzten drei Monaten sogar bei jeweils über drei Prozent gelegen. Die Preiserhöhungen im Juli 2018 gegenüber dem Vorjahresmonat betrafen alle Nahrungsmittelgruppen. Teurer als ein Jahr zuvor waren vor allem Speisefette und Speiseöle (+6,4 %) sowie Obst (+5,5 %). Auch für Molkereiprodukte und Eier (+4,0 %) sowie für Gemüse (+3,1 %) mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher binnen Jahresfrist deutlich mehr bezahlen. Ohne Berücksichtigung der Preise für Nahrungsmittel und Energie hätte die Inflationsrate im Juli 2018 bei +1,4 % gelegen.

Die Preise für Waren insgesamt lagen im Juli 2018 um 2,4 % über dem Niveau des Vorjahresmonats, maßgeblich bestimmt durch die Preisanstiege bei Energie (+6,6 %) und bei Nahrungsmitteln (+2,6 %). Auch andere Waren verteuerten sich binnen Jahresfrist deutlich, zum Beispiel Zeitungen und Zeitschriften (+4,8 %), Bier (+4,0 %) sowie Tabakwaren (+3,5 %). Günstiger für die Verbraucherinnen und Verbraucher wurden unter anderem Geräte der Unterhaltungselektronik (-5,5 %), Informationsverarbeitungsgeräte (-4,2 %) und Bekleidungsartikel (-2,0 %).

Die Preise für Dienstleistungen insgesamt erhöhten sich im Juli 2018 gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,6 % und damit weniger stark als die Preise für Waren. Bedeutsam für die Preiserhöhung bei Dienstleistungen waren die Nettokaltmieten (+1,6 %), da private Haushalte einen großen Teil ihrer Konsumausgaben dafür aufwenden. Zudem gab es nennenswerte Preiserhöhungen bei Pauschalreisen (+4,2 %), bei Wartung und Reparatur von Fahrzeugen (+3,0 %) sowie bei Dienstleistungen für Verpflegung in Restaurants, Cafés und Straßenverkauf (+2,2 %). Deutlich billiger waren hingegen Flugtickets (-6,9 %).

Veränderung im Juli 2018 gegenüber dem Vormonat Juni 2018

Im Vergleich zum Juni 2018 stieg der Verbraucherpreisindex im Juli 2018 um 0,3 %. Im Ferienmonat Juli zogen vor allem die Preise für Pauschalreisen (+19,3 %, davon ins Ausland: +20,2 %; ins Inland: +8,3 %) und Flugtickets (+4,4 %) an.

Hingegen gab es im Juli 2018 deutliche Preisrückgänge im Vormonatsvergleich bei Bekleidungsartikeln (-6,9 %) sowie bei Schuhen und Schuhzubehör (-4,1 %). Diese Entwicklung erklärt sich vorrangig durch saisonale Preisnachlässe für Sommerartikel.

Zudem gingen im Juli 2018 die Preise für Nahrungsmittel insgesamt (-0,5 %) und Energie insgesamt (-0,1 %) leicht zurück. Unter den Nahrungsmitteln sind im Juli 2018 die saisonalen Preisrückgänge bei Obst (-2,2 %) und Gemüse (-1,2 %) nennenswert. Bei der Energie mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher im Juli 2018 für leichtes Heizöl (-0,8 %) weniger bezahlen. Die Preise für Kraftstoffe gingen gegenüber dem Vormonat nur leicht zurück (-0,2 %, darunter Superbenzin: -0,2 %; Dieselkraftstoff: -0,4 %).

Verbraucherpreisindex für Deutschland
Gesamtindex
________

Jahr / Monat

Index
2010 = 100
Veränderung
gegenüber
Vorjahres-
zeitraum
Veränderung
gegenüber
Vormonat
in %
JD = Jahresdurchschnitt
– = nichts vorhanden
2016 JD 107,4 0,5
2017 JD 109,3 1,8
2017 Juli 109,4 1,7 0,4
August 109,5 1,8 0,1
September 109,6 1,8 0,1
Oktober 109,6 1,6 0,0
November 109,9 1,8 0,3
Dezember 110,6 1,7 0,6
2018 Januar 109,8 1,6 -0,7
Februar 110,3 1,4 0,5
März 110,7 1,6 0,4
April 110,7 1,6 0,0
Mai 111,2 2,2 0,5
Juni 111,3 2,1 0,1
Juli 111,6 2,0 0,3
Verbraucherpreisindex für Deutschland Juli 2018
Gesamtindex / Teilindex Gewichtung Index
2010 = 100
Veränderung
gegenüber
Vorjahres-
zeitraum
Veränderung
gegenüber
Vormonat
in ‰ in %
Gesamtindex 1 000,00 111,6 2,0 0,3
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 102,71 118,8 2,5 -0,4
Nahrungsmittel 90,52 119,1 2,6 -0,5
Fleisch und Fleischwaren 20,76 117,8 1,8 0,2
Obst 8,76 135,0 5,5 -2,2
Gemüse 11,26 108,1 3,1 -1,2
Alkoholische Getränke und Tabakwaren 37,59 123,7 3,3 0,2
Bekleidung und Schuhe 44,93 101,8 -1,5 -5,9
Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe 317,29 111,7 2,0 0,1
Nettokaltmiete 209,93 111,6 1,6 0,1
Haushaltsenergie 68,19 112,8 3,9 -0,1
Strom 26,21 129,3 1,0 0,0
Gas 14,46 101,9 -1,3 0,0
Leichtes Heizöl 11,11 103,3 28,5 -0,8
Möbel, Leuchten, Geräte und anderes Haushaltszubehör 49,78 104,9 0,7 -0,2
Gesundheitspflege 44,44 108,5 1,2 0,1
Verkehr 134,73 111,7 4,3 0,3
Kraftstoffe 38,37 104,4 12,0 -0,2
Superbenzin 28,38 104,3 10,8 -0,2
Dieselkraftstoff 9,19 105,6 16,2 -0,4
Nachrichtenübermittlung 30,10 89,1 -0,4 -0,1
Freizeit, Unterhaltung und Kultur 114,92 113,8 2,0 4,5
Pauschalreisen 26,83 130,3 4,2 19,3
Bildungswesen 8,80 98,0 2,8 -0,1
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen 44,67 118,3 2,0 0,0
Andere Waren und Dienstleistungen 70,04 110,5 0,8 0,1
Gesamtindex
ohne Nahrungsmittel und Energie 802,92 111,0 1,4 0,5
ohne Energie (Haushaltsenergie und Kraftstoffe) 893,44 111,8 1,5 0,3
ohne Heizöl und Kraftstoffe 950,52 112,0 1,4 0,3
Waren 479,77 110,6 2,4 -0,6
Verbrauchsgüter 307,89 115,2 3,8 -0,2
Energie 106,56 109,8 6,6 -0,1
Dienstleistungen 520,23 112,5 1,6 1,1

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 14.08.2018

Grundsicherung nach SGB II: Trunkenheitsfahrt ist kein sozialwidriges Verhalten

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Privatfahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss mit Verlust von Fahrerlaubnis und Arbeitsplatz keinen spezifischen Bezug zur Herbeiführung seiner Hilfebedürftigkeit hat. Sie löst deshalb keinen Kostenersatzanspruch des Jobcenters bei sozialwidrigem Verhalten aus.

Im zugrundeliegenden Verfahren wandte sich der damals 59-jährige Kläger gegen die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen durch das Jobcenter. Der Kläger war als Kraftfahrer bei einer Spedition in Salzgitter beschäftigt. An einem Samstag feierte er die Geburt seines ersten Enkelkindes und trank dabei Alkohol. Als die Zigaretten ausgingen, wollte er mit seinem Pkw an einer Tankstelle neue besorgen und wurde von einer Polizeistreife angehalten. Die Polizei stellte einen Blutalkoholgehalt von mehr als 2,3 Promille fest. Der Kläger erhielt einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit einer Geldstrafe. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen, und die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Kläger vor Ablauf von noch 9 Monaten keine neue zu erteilen. Wegen des Entzugs der Fahrerlaubnis kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Im Anschluss bezog der Kläger aufstockende Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“).

Das Jobcenter machte gegen den Kläger einen Ersatzanspruch in Höhe von rund 2.600 Euro geltend, weil der Kläger die Hilfebedürftigkeit sozialwidrig herbeigeführt habe. Durch eine besonders schwere Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten habe er seinen Arbeitsplatz und damit das existenzsichernde Einkommen verloren.

Dem ist das LSG nicht gefolgt. Bei der Fahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss in der Freizeit bestehe grundsätzlich kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit, wie er insbesondere bei der Verschwendung von Vermögen in Betracht komme. Deshalb stelle das Verhalten des Klägers zwar eine rechtlich zu missbilligende Tat dar. Es sei aber nicht als sozialwidrig einzustufen, sodass der Kläger die „Hartz IV“-Leistungen nicht zu erstatten habe. Das Gericht hat sich dabei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen, die eine Sozialwidrigkeit selbst bei Straftaten verneint, die absehbar zu einer Inhaftierung und damit zum Wegfall von Erwerbsmöglichkeiten führen.

Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Pressemitteilung vom 13.08.2018 zum Urteil L 6 AS 80/17 vom 05.07.2018

Mitgliedsbeiträge der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main rechtmäßig

Vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hatten zwei Firmen und ein Gewerbetreibender, die Mitglieder der IHK Frankfurt/Main sind, ihre Beitragsbescheide für die Industrie- und Handelskammer bezogen auf die Jahre 2012 bis 2015 und die vorläufigen Veranschlagungen für die Jahre 2016 bis 2017 mit der verwaltungsgerichtlichen Klage angegriffen.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2018 wurden die Bescheide allesamt als rechtmäßig erachtet und die Klagen dementsprechend abgewiesen.

Im Rahmen einer kurzen mündlichen Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass Rechtsgrundlage für die Beitragspflicht § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern (IHKG) sei. Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit nicht anderweitig gedeckt, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung erhoben.

In den vorliegenden Verfahren wurden insbesondere die nach jährlichen Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltshaltung zu erstellende Wirtschaftspläne einer gerichtlichen Prüfung unterzogen. Die zwölfte Kammer des Verwaltungsgerichts führte aus, dass der Industrie- und Handelskammer ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes zustehe. Das Gericht dürfe daher nur in diesem Rahmen überprüfen, ob die Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung gewahrt worden seien. Dies wurde bejaht. Insbesondere konnten die Richter nicht feststellen, dass die IHK in unzulässiger Weise Vermögen gebildet habe.

Das Gericht überprüfte die Rücklagenbildung und konnte auch hier keine Fehler, die zu einer Rechtswidrigkeit der Bescheide hätten führen können, feststellen. Die Bildung und Vorhaltung von Mittelreserven, die zur Überbrückung von Einnahmeausfällen und Einnahmeverzögerungen dienen, knüpfe an einen sachlichen Zweck der zulässigen Kammertätigkeit an. Die einzelnen Rücklagen seien ausreichend gebildet, bzw. aufrechterhalten und ordnungsgemäß in den Bilanzen dotiert worden. Sie seien anhand nachvollziehbarer Erwägungen und Risikoabschätzungen erstellt worden. Die Vollversammlung habe die jährlichen Wirtschaftspläne anhand von begründeten Risikobeschreibungen, von denen die Mitglieder vorab Kenntnis erlangen konnten, beschlossen und gebilligt.

Nach diesen Grundsätzen konnten alle in Streit stehenden Wirtschaftspläne bezogen auf die einzelnen Jahre als rechtmäßig bewertet werden.

Eine schriftliche Urteilsbegründung lag bei Abfassung der Pressemitteilung noch nicht vor.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit, die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu beantragen.

Quelle: VG Frankfurt a. M., Pressemitteilung vom 10.08.2018 zum Urteil 12 K 229/17, 12 K 1978/16, 12 K 9695/17, 12 K 2912/16 vom 09.08.2018 (nrkr)

Kindergeld für EU-Ausländer ist meist rechtens

EU-Bürger, die in Deutschland arbeiten oder ihren Wohnsitz haben, bekommen für ihre Kinder zumeist das deutsche Kindergeld. Auch, wenn die Kinder in ihrer Heimat leben. Das hat Diskussionen über Missbrauch von Kindergeldzahlungen ausgelöst. Doch die Situation ist nicht dramatisch wie manchmal dargestellt.

Alle Menschen in Europa profitieren von der Freizügigkeit innerhalb der EU. Sie ist eine der wichtigsten Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses und für die allermeisten nicht mehr wegzudenken. EU-Zuwanderer kommen nach Deutschland, um hier zu leben und zu arbeiten. Die große Mehrheit von ihnen hält sich dabei an nationale und europäische Regeln.

Was bedeutet Freizügigkeit?

Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich in der EU frei zu bewegen, in jeden anderen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Freizügigkeit im Binnenmarkt heißt, sich in jedem Mitgliedstaat wirtschaftlich betätigen zu können, also angestellt oder selbständig zu arbeiten, dauerhaft oder vorübergehend.

Alle Unionsbürgerinnen und -bürger haben Anspruch

Nach geltendem Europarecht haben Unionsbürgerinnen und -bürger, die in Deutschland wohnen oder arbeiten, einen Kindergeldanspruch nach dem Einkommensteuergesetz. Das gilt auch dann, wenn die Kinder weiterhin im anderen Mitgliedstaat leben. Sie können in Deutschland regulär Kindergeld erhalten.

Um wie viele Kinder geht es?

Insgesamt haben in diesem Juni 15,29 Millionen Kinder Kindergeld erhalten. Darunter sind 12,27 Millionen deutsche und etwa drei Millionen ausländische Kinder. Die meisten Kinder mit anderer Staatsangehörigkeit, für die die Leistung gezahlt wird, leben tatsächlich in Deutschland. Lediglich 268.336 von ihnen beziehen im europäischen Ausland Kindergeld vom deutschen Staat. Übrigens beziehen auch Eltern für 31.512 deutsche Kinder, die sich im Ausland aufhalten, beispielsweise dort studieren, Kindergeld.

Missbrauch bekämpfen

Es ist nicht wegzudiskutieren, dass es auch Betrugsfälle gibt und Menschen missbräuchlich staatliche Leistungen in Deutschland beziehen. Das ist auch der Bundesregierung bekannt. Solche Fälle müssen wirkungsvoll unterbunden und geahndet werden. Rechtsmissbrauch und Betrug werden konsequent bekämpft. Dabei ist es wichtig, die Diskussion sachlich und frei von Vorurteilen führen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz: „Die meisten ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in Deutschland leben, arbeiten und zahlen in die Sozialkassen ein. Natürlich muss Sozialmissbrauch bekämpft werden. Deshalb können zum Beispiel EU-Bürgerinnen und Bürger erst dann zeitlich begrenzt Hartz IV bekommen, wenn sie hier mindestens ein halbes Jahr sozialversicherungspflichtig tätig waren.“

Anpassung an Lebenshaltungskosten geplant

Bereits 2014 hat die Bundesregierung Maßnahmen beschlossen, um den missbräuchlichen Bezug von Sozial- und Familienleistungen zu bekämpfen. Das schließt auch den Kindergeldbezug ein:

Eltern und Kinder erhalten jetzt eine steuerliche Identifikationsnummer, um ungerechtfertigte Kindergeldzahlungen zu vermeiden. Mit Hilfe der Nummer kann die Familienkasse durch Datenabgleich ausschließen, dass Eltern für das gleiche Kind mehrfach Kindergeld erhalten. Die Behörden prüfen auch die Voraussetzungen für Kindergeld umfassender und konsequenter als früher. Eltern müssen außerdem genauer nachweisen, dass Kinder, für die sie staatliche Leistungen beziehen möchten, überhaupt existieren. Insgesamt arbeiten die deutschen Behörden inzwischen koordinierter und deutlich erfolgreicher mit den für Kindergeld zuständigen Stellen im Heimatstaat zusammen.

Auf europäischer Ebene setzt sich die Bundesregierung seit Jahren dafür ein, die Höhe des Kindergeldes europaweit an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes anzupassen. Bislang lehnt es die Europäische Kommission jedoch ab, einen Vorschlag zur Kindergeld-Indexierung vorzulegen. Es bleibt Ziel der Bundesregierung, in dieser Legislaturperiode eine Änderung des europäischen Rechts zu erreichen.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 10.08.2018

 Herabsetzung des Kaufpreises innerhalb der Zweijahresfrist des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

 Leitsatz

  1. § 16 GrEStG ist keine Steuerbefreiungs-, sondern eine „sonst gesetzlich zugelassene” besondere Korrekturvorschrift i. S. d. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2d AO über Aufhebung oder Änderung einer Grunderwerbsteuerfestsetzung. § 16 GrEStG lässt mithin die Anwendbarkeit der allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO auf die Grunderwerbsteuer unberührt.
  2. Die nachträgliche Aufhebung von Grunderwerbsteuerbescheiden nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO setzt voraus, dass das grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsgeschäft von Anfang an unwirksam war oder nachträglich durch Anfechtung unwirksam geworden ist.
  3. Die Ausübung von vertraglichen oder gesetzlichen Gestaltungsrechten (Rücktritt oder Wandlung) stellt hingegen kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar; ebenso ist kein Fall des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO gegeben, wenn die Gegenleistung durch den Abschluss einer Vergleichsvereinbarung innerhalb von zwei Jahren nach Kaufvertragsschluss herabgesetzt wird. Wird der Kaufpreis innerhalb von zwei Jahren nach der Steuerentstehung herabgesetzt, ist die Korrektur des Grunderwerbsteuerbescheides vielmehr nur gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG möglich.

 Gesetze

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
GrEStG § 16 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG § 16 Abs. 4

 Tatbestand

 Gründe

Die Beteiligten streiten, ob die Voraussetzungen für die Änderung eines Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO ) im Streitfall vorliegen.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 7. August 2007 erwarb die Klägerin Grundvermögen in A zum Kaufpreis von 49.547.500 EUR. Der Kaufpreis war am 31. August 2007 in voller Höhe zur Zahlung fällig. Die Klägerin war verpflichtet, einen Kaufpreisteil i.H.v. 2.160.000 EUR auf ein Notartreuhandkonto als Einbehalt für den in die Wertkalkulation einbezogenen, aber noch nicht abgeschlossenen Mietvertrag Meier zu bezahlen. Dieser Kaufpreisteil sollte erst dann an den Verkäufer ausbezahlt werden, wenn der Verkäufer der Klägerin den Abschluss eines Mietvertrages mit der Firma Meier oder mit einem Dritten über eine Mindestlaufzeit von 10 Jahren zu einer Mindestnettojahresmiete von insgesamt 216.000 EUR vermittelt hätte. Einen Kaufpreisteil i.H.v. 360.000 EUR hatte die Klägerin auf ein Notartreuhandkonto als Einbehalt für den in die Wertkalkulation einbezogenen, aber nicht überzuleitenden Mietvertrag Müller zu bezahlen. Dieser Kaufpreisanteil sollte erst dann an den Verkäufer ausbezahlt werden, wenn der Verkäufer der Klägerin den Abschluss von Mietverträgen mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren zu einer Mindestnettojahresmiete von insgesamt 72.000 EUR vermittelt hätte. Einen weiteren Kaufpreisteil i.H.v. 1.093.500 EUR hatte die Klägerin auf ein Notartreuhandkonto als Einbehalt für Nebenkosten zu bezahlen, welcher einem Nebenkostenvolumen von 437.400 EUR p.a. über eine Laufzeit von 2,5 Jahren entsprach. Dieser Kaufpreisteil sollte ab Besitzübergang unter bestimmten Voraussetzungen in monatlichen Raten von 36.450 EUR an die Klägerin ausbezahlt werden. Nach Ablauf von 2,5 Jahren hatte der Notar den auf dem Notaranderkonto verbleibenden Restbetrag an den Verkäufer auszuzahlen.

Ferner verpflichtete sich die Klägerin, die aufgrund des vom Grundstücksverkäufer mit einem Dritten abgeschlossenen Vorerwerbvertrages anfallende Grunderwerbsteuer i.H.v. 1.452.500 EUR zu bezahlen, sowie die dem Verkäufer im Zusammenhang mit der Erstellung von Due-Diligence-Berichten entstehenden Kosten anteilig zu erstatten.

Mit Bescheid vom 11. September 2007 setzte das beklagte Finanzamt (FA) die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin mit 3,5 % aus einer Gegenleistung von 51.000.000 EUR (Kaufpreis 49.547.500 EUR zzgl. Grunderwerbsteuer Vorerwerb 1.453.500 EUR) auf 1.785.000 EUR fest. Der Bescheid erging gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nachdem die Klägerin dem FA mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 mitgeteilt hatte, dass sie dem Verkäufer die Kosten der Due-Diligence mit einem Betrag von 84.795,39 EUR erstatten werde, setzte das FA mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 15. November 2007 die Grunderwerbsteuer auf 1.787.967 EUR (3,5 % der Gegenleistung von nunmehr 51.084.795 EUR) herauf. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Mit Schreiben vom 13. September 2012 beantragte die Klägerin eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. Oktober 2007 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO . Zur Begründung trug sie vor, der Grundstückskaufpreis sei nachträglich gemindert worden. Verkäufer und Klägerin hätten im Rahmen der Vertragsverhandlungen vereinbart, dass der Verkäufer nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages weitere Grundstücksteile vermieten bzw. die Laufzeit von kurzfristig auslaufenden Mietverträgen verlängern oder neue Mietverträge abschließen sollte. Zur Absicherung der Klägerin sei deshalb ein Teilbetrag i.H.v. insgesamt 3.613.500 EUR auf ein Notaranderkonto überwiesen worden, um den, sollte es dem Verkäufer nicht gelingen, die vorgenannten Mietverträge abzuschließen, der Kaufpreis reduziert werden sollte. Nachdem es dem Verkäufer in der Folgezeit nur in geringem Umfang gelungen sei, weitere Mietverträge abzuschließen, habe es nachfolgend zwischen dem Verkäufer und der Klägerin Streitigkeiten hinsichtlich der Voraussetzungen der Auskehrung des hinterlegten Kaufpreises gegeben. Am 24. Februar 2009 sei ein notariell beurkundeter Vergleich geschlossen worden. Danach seien im Februar 2009 insgesamt 2.113.499,72 EUR des auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreises an die Klägerin zurückbezahlt worden. Diese Kaufpreisminderung i.H.v. 2.113.499,72 EUR sei gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als rückwirkendes Ereignis steuermindernd zu berücksichtigen.

Mit Verwaltungsakt vom 11. Oktober 2012 lehnte das FA den Antrag der Klägerin auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ab. Erfolge die Minderung des Kaufpreises – wie im Streitfall – aufgrund eines vertraglich vereinbarten Minderungsrechts, so stelle dies kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 AO dar, denn die nachträgliche Änderung des Kaufpreises aufgrund des am 24. Februar 2009 abgeschlossenen Vergleichs lasse den ursprünglich entstandenen Steueranspruch unberührt. In diesem Fall komme nur eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 16 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG ) in Betracht. Ein Antrag auf Änderung des Steuerbescheides nach § 16 GrEStG müsse jedoch innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt werden, da die Änderung einer Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr zulässig sei (§ 169 AO ). Im Streitfall habe die Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2007 zu laufen begonnen. Gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage

die Festsetzungsfrist vier Jahre, habe also mit Ablauf des Jahres 2011 geendet. Die Vorschrift des § 16 Abs. 4 GrEStG führe im Streitfall nicht zu einer Hemmung der Frist, da die Kaufpreisminderung bereits im Jahre 2009, also innerhalb der Festsetzungsfrist verwirklicht worden sei. Die Klägerin habe den Antrag auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides aber erst im Jahr 2012 und damit verspätet gestellt.

Am 29. Oktober 2012 legte die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides Einspruch ein. Sie stimmte der Auffassung der Beklagten zu, dass der gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 GrEStG erforderliche Antrag auf Änderung der Grunderwerbsteuerfestsetzung gem. § 16 Abs. 3 GrEStG nur innerhalb der Festsetzungsfrist bis Ende des Jahres 2011 hätte gestellt werden können. Am Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hielt sie jedoch fest.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. April 2013 wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Zur Begründung der Klage vom 17. Mai 2013 trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Vereinbarung vom 24. Februar 2009 stelle ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Die Vergleichsvereinbarung vom 24. Februar 2009 sei ein sachverhaltsänderndes Ereignis. Erst am 24. Februar 2009 habe festgestanden, dass die vom Verkäufer garantierten Mieteinnahmen nicht erzielt werden konnten und daher Teile des Kaufpreises zurückzuzahlen waren. Die endgültige Höhe des Kaufpreises sei daher erst mit der Vereinbarung vom 24. Februar 2009 bestimmt worden. Damit sei der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer für die Vergangenheit geändert worden. Die Klägerin verweist auf das Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 6. März 2007 IX R 51/04 (BFH/NV 2007, 1456) .

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 11. Oktober 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2013 das FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer auf 1.713.995 EUR herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA ist der Ansicht, es habe den Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu Recht abgelehnt. Die von der Klägerin angeführte BFH-Entscheidung sei nicht einschlägig. Diese sei zur Einkommensteuer ergangen. Im Streitfall bestimme sich die Beurteilung des rückwirkenden Ereignisses aber allein nach dem Grunderwerbsteuerrecht. Die im Vergleich vom 24. Februar 2009 vereinbarte Kaufpreisminderung stelle kein Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, welches im Streitfall steuerliche Wirkung für die Vergangenheit habe, da sich mit Abschluss der Vergleichsvereinbarung der in der Kaufurkunde wirksam vereinbarte und verwirklichte Sachverhalt nicht rückwirkend geändert habe. Vielmehr hätten die Vertragsparteien mit dem Vergleichsabschluss von ihrem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, die entsprechende Vereinbarung sei erst mit Unterzeichnung wirksam geworden und entfalte lediglich für die Zukunft Wirkung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO ) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. April 2018 Bezug genommen.

 Gründe

  

  1. Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat das FA die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides abgelehnt. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO berufen.

  1. a) Wird die Gegenleistung für das Grundstück innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer herabgesetzt, so wird die Steuer gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf Antrag entsprechend niedriger festgesetzt. Der gem. § 16 GrEStG erforderliche Antrag ist innerhalb der Festsetzungsfrist zu stellen. Ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellter Antrag ist unzulässig.

Gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Zu den rückwirkenden Ereignissen zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerlich – ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen – in der Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 , BStBl II1993, 897; BFH-Urteile vom 13. September 2000 X R 148/97 , BStBl II 2001, 641 und vom 10. Dezember 2008 II R 55/07, BStBl II 2009, 473 ). In den Fällen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt.

  • 16 GrEStG ist keine Steuerbefreiungs-, sondern eine „sonst gesetzlich zugelassene” besondere Korrekturvorschrift i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2d AO über Aufhebung oder Änderung einer Grunderwerbsteuerfestsetzung. § 16 GrEStG lässt mithin die Anwendbarkeit der allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff AO auf die GrESt unberührt (vgl. Loose in Boruttau, GrEStG , 18. Auflage, § 16 Rz. 12). Das Nebeneinander des § 16 GrEStG und der §§ 172 AO ist deshalb bedeutsam, weil § 16 GrEStG nicht auf alle fehlgeschlagenen Erwerbsvorgänge Anwendung finden kann. So fehlt es an dem von § 16 GrEStG tatbestandlich vorausgesetzten Erwerbsvorgang, wenn ein Rechtsgeschäft kraft wirksamer Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen ist. In diesem Fall bestimmen sich die Rechtsfolgen im Hinblick auf die Änderung der GrESt nicht nach § 16 GrEStG , sondern ausschließlich nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO .
  1. b) Der Abschluss des notariell beurkundeten Vergleichs vom 24. Februar 2009, aufgrund dessen 2.114.499,72 EUR des Kaufpreises an die Klägerin zurückgezahlt worden sind, stellt im Streitfall kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

Wird die Gegenleistung – wie im Streitfall – durch den Abschluss einer Vergleichsvereinbarung innerhalb von zwei Jahren nach Kaufvertragsschluss herabgesetzt, so stellt diese Vereinbarung nach Ansicht des Senats kein steuerlich rückwirkendes Ereignis i.S.d. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. So setzt die nachträgliche Aufhebung von Grunderwerbsteuerbescheiden nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO voraus, dass das grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsgeschäft von Anfang an unwirksam war oder nachträglich durch Anfechtung unwirksam geworden ist (Loose in Tipke/Kruse, SO/FGO , § 175 AO Rz. 35 am Ende). Die Ausübung von vertraglichen oder gesetzlichen Gestaltungsrechten (Rücktritt oder Wandlung) stellt hingegen kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar (vgl. Loose in Tipke/Kruse, SO/FGO , § 175 AO Rz 35 am Ende, Loose in Boruttau, GrEStG , 18. Auflage, § 16 Rz. 13; Sächs FG 8 K 1441/08 , UVR 2010, 263) . Nichts anderes kann nach Ansicht des Senats gelten, wenn – wie im Streitfall – die nachträgliche Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen einer Kaufpreisminderung begehrt wird. Auch in diesem Fall ist nach Ansicht des Senats eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht möglich, denn auch die Ausübung des Gestaltungsrechts der Minderung ist kein Ereignis, das auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs zurückwirkt (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 22. Juli 1987 II B 45/87 , BFH/NV 1988, 783) . Zwar ist im Streitfall der Grundstückskaufpreis mit Abschluss der Vergleichsvereinbarung im Ergebnis um 2.113.499,72 EUR gemindert worden, jedoch entfaltet diese Vereinbarung ihre Wirkung lediglich für die Zukunft. Wird der Kaufpreis innerhalb von zwei Jahren nach der Steuerentstehung herabgesetzt, ist die Korrektur des Grunderwerbsteuerbescheides vielmehr nur gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG möglich. Die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG , dessen Voraussetzungen hier unstreitig erfüllt waren, ist im Streitfall jedoch daran gescheitert, dass es die Klägerin versäumt hat, den nach § 16 GrEStG erforderlichen Antrag auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer innerhalb der Festsetzungsfrist zu stellen.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .
  2. Die Revision wird zugelassen, weil zu der Frage, ob die Herabsetzung des Kaufpreises innerhalb der Zweijahresfirst des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt, bislang keine bundesgerichtliche Rechtsprechung besteht (§ 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 FGO ).
FG München  v.  – 4 K 103/18