Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Wirtschaftliche Zurechnung bei „Sale-and-lease-back“-Geschäften

Der 5. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 11. Dezember 2014 (Az. 5 K 3068/13 F) zur wirtschaftlichen Zurechnung des Leasinggegenstands bei „Sale-and-lease-back“-Geschäften Stellung genommen.

Der Kläger ist Rechtsnachfolger einer KG, die im Jahr 2004 zum Zwecke der Durchführung sog. „Sale-and-lease-back“-Geschäfte gegründet worden war. In der Folgezeit erwarb sie von der Herstellerin elektronische Informationssysteme, die zur Ausstrahlung von Informationsprogrammen an werbewirksamen Standorten eingesetzt werden sollten, und verleaste sie unmittelbar an diese für eine Dauer von vier Jahren zurück. Nach den vertraglichen Vereinbarungen konnte die KG nach Beendigung der Laufzeit von der Leasingnehmerin verlangen, die Gegenstände zu einem bereits vorab vereinbarten Preis zurückzukaufen. Die Leasingnehmerin trug die Gefahr des Untergangs und übernahm eventuell anfallende Reparaturkosten. Eine Standortveränderung war nur mit Zustimmung der KG gestattet.

Die KG aktivierte die Leasinggegenstände als Sachanlagen und machte die darauf entfallende AfA als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt rechnete die Gegenstände jedoch der Leasingnehmerin als wirtschaftliche Eigentümerin zu und erkannte die AfA nicht an.

Der Senat wies die unter anderem gegen die wirtschaftliche Zurechnung gerichtete Klage in diesem Punkt ab. Die KG sei nicht berechtigt, AfA auf die Leasinggegenstände vorzunehmen, weil sie zwar zivilrechtlich Eigentümerin sei, ihr die Gegenstände aber wirtschaftlich nicht zuzurechnen seien. Das wirtschaftliche Eigentum sei vielmehr bei der Herstellerin und Leasingnehmerin verblieben. Diese habe die Informationssysteme während der Laufzeit wie gewollt nutzen können. Auf Grundlage des mutmaßlichen, wirtschaftlich vernünftigen Verhaltens der Vertragsbeteiligten sei davon auszugehen, dass die KG nach Ablauf der Grundmietdauer von ihrem Andienungsrecht Gebrauch machen werde und es damit zur Rückübertragung des zivilrechtlichen Eigentums kommen werde. Hierfür spreche, dass die wesentlichen Rückkaufkonditionen – insbesondere der Preis – bereits bei Abschluss der Leasingverträge vereinbart worden seien. Zudem habe die Leasingnehmerin die Gefahr des zufälligen Untergangs und die Kosten bei Beschädigung der Leasinggegenstände tragen müssen. Dass der Standort nicht ohne Zustimmung der KG verändert werden durfte, habe für die Frage der wirtschaftlichen Zurechnung keine Bedeutung, weil dies nicht als Möglichkeit der Einwirkung auf die Wirtschaftsgüter zu werten sei. Die Leasingvereinbarung sei vielmehr als Kreditgewährung der KG an die Leasingnehmerin zur Finanzierung der Leasinggegenstände anzusehen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 16.03.2015 zum Urteil 5 K 3068/13 vom 11.12.2014, Newsletter 03/2015

Erhöhung des Gegenstandswertes um den Kindergeld-Jahreswert

Der Gegenstandswert eines Kindergeldverfahrens ist nach der ab dem 16. Juli 2014 gültigen Gesetzesfassung um den einfachen Jahreswert zu erhöhen, wenn auch eine laufende Kindergeldfestsetzung Gegenstand des Einspruchsverfahrens war. Dies hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster mit Beschluss vom 19. Februar 2015 (Az. 4 K 4115/14 Kg (PKH)) entschieden.

Die Familienkasse lehnte zunächst einen Kindergeldantrag der Antragstellerin für deren Tochter ab, setzte dann jedoch im Einspruchsverfahren Kindergeld für vier Monate rückwirkend sowie für laufende Zeiträume fest. Darüber hinaus regelte sie, dass die Kosten des Einspruchsverfahrens dem Grunde nach übernommen werden. Die Antragstellerin, die bereits im Einspruchsverfahren anwaltlich vertreten worden war, machte daraufhin Anwaltskosten auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 2.994 Euro (16 Monate à 184 Euro) geltend. Die Familienkasse gewährte lediglich Kosten auf Grundlage eines Mindestwerts von 1.000 Euro, da der tatsächliche Gegenstandswert von 736 Euro (4 Monate à 884 Euro) niedriger sei.

Das Gericht gewährte der Antragstellerin die von ihr zur Durchführung des Klageverfahrens begehrte Prozesskostenhilfe. Nach der gebotenen summarischen Prüfung stehe ihr eine Kostenerstattung in beantragter Höhe zu. Der maßgebliche Gegenstandswert richte sich grundsätzlich nach dem für Gerichtskosten anzuwendenden Streitwert. Dieser sei nach der zum 16. Juli 2014 eingeführten Regelung in § 52 Abs. 3 Satz 3 GKG um den einfachen Jahresbetrag des Kindergeldes zu erhöhen, wenn nicht nur über einen Kindergeldanspruch für die Vergangenheit entschieden wurde, sondern auch eine laufende Kindergeldfestsetzung beantragt worden war.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 16.03.2015 zum Beschluss 4 K 4115/14 vom 19.02.2015, Newsletter 03/2015

Gebietsfremden Steuerpflichtigen darf der Abzug von Versorgungsleistungen nicht verwehrt werden

Der EuGH befasste sich in der deutschen Rechtssache C-559/13 mit der Frage, ob die deutschen Einkommensteuerregelungen, gegen den freien Kapitalverkehr (Art. 63 AEUV) verstoßen, indem sie nur gebietsansässige Steuerpflichtige berechtigen, von ihren steuerpflichtigen Einkünften Versorgungsleistungen abzuziehen, die infolge einer Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erbracht werden.

Der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Kläger hatte im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater einen 50 % Anteil an einer Personengesellschaft, die als Gärtnereibetrieb tätig war, übertragen bekommen. Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass er seinen Eltern private Versorgungsleistungen zahlt. Neben anderen Einkünften in Deutschland erzielte der Kläger in den Jahren 1999-2002 auch aus der genannten Beteiligung Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit. Unter Berufung auf § 50 EStG verweigerte ihm das Finanzamt Dortmund die an seine Eltern gezahlten Versorgungsleistungen von seinen in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften abzuziehen.

Der EuGH entschied wie folgt:
Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es einem gebietsfremden Steuerpflichtigen, der in diesem Mitgliedstaat gewerbliche Einkünfte aus Anteilen an einer Gesellschaft erzielt hat, die ihm von einem Elternteil im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurden, verwehrt, von diesen Einkünften die Versorgungsleistungen abzuziehen, die er an diesen Elternteil als Gegenleistung für diese Übertragung gezahlt hat, während sie einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen diesen Abzug gestattet.

EuGH, Urteil C-559/13 vom 24.02.2015

 

GzUdPe-ZollkodexAnpG: DStV-Anregungen zur geplanten Neuregelung bei Investitionsabzugsbeträgen

Damit sich das Zollkodex-Anpassungsgesetz im vergangenen Jahr den Weg über den Vermittlungsausschuss sparen konnte, musste die Bundesregierung dem Bundesrat am 19.12.2014 in einer Protokollerklärung zusichern, sich zeitnah mit diversen gesetzlichen Änderungsvorschlägen der Länder auseinanderzusetzen. Exakt zwei Monate später will der Gesetzgeber dieses Versprechen mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (kurz: GzUdPe-ZollkodexAnpG) nunmehr einlösen.

In seiner Stellungnahme S 03/15 zum Referentenentwurf unterstützt der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) vor allem die darin geplante Abschaffung des Funktionsbenennungserfordernisses beim Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG. Hierdurch werden bislang bestehende praktische Unsicherheiten im Zusammenhang mit den formellen Voraussetzungen zur Benennung des begünstigten Wirtschaftsguts ausgeräumt.

Was im Referentenentwurf hingegen fehlt, ist die dringend erforderliche Anpassung der Betriebsgrößenmerkmale in § 7g EStG. Die derzeit geltenden Höchstgrenzen (z. B. 100.000 Euro Gewinn für Betriebe mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung) führen überwiegend zu einer leeren „Paragraphenhülse“, die für die Mehrzahl der Adressaten dieser grundsätzlich begrüßenswerten Vorschrift von vornherein nicht zur Anwendung kommen kann. Hier sieht der DStV deutliche Konzipierungsspielräume und plädiert für eine Anhebung der Grenzen mindestens auf die bereits 2009/2010 geltenden Beträge in Höhe von:

  • 335.000 Euro Betriebsvermögen für bilanzierende Unternehmen,
  • 175.000 Euro Wirtschaftswert oder Ersatzwirtschaftswert bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben,
  • 200.000 Euro Gewinn für Betriebe mit Einnahmen-Überschuss-Rechnung.

Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, warum ein Inkrafttreten der Änderung erst für Investitionsabzugsbeträge, die in nach dem 31.12.2015 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden, erfolgen soll. An anderen Stellen des Gesetzentwurfs sind die Verfasser mit einer rückwirkend geplanten Anpassung weniger zimperlich.

Der Titel des Gesetzentwurfs ist wahrlich gewöhnungsbedürftig, doch bekanntlich zählt ja nicht die Verpackung, sondern der Inhalt. Umfassendere Informationen zur inhaltlichen Ausgestaltung sowie zu den weiteren Schritten in der Gesetzesentwicklung erhalten Sie daher auf der DStV-Homepage im Stand der Gesetzgebung.

www.dstv.de

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V.

Vorläufige Festsetzung (§ 165 Abs. 1 AO) der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer)

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – (BStBl II 2015 S. 50) entschieden, dass § 13a und § 13b ErbStG, jeweils in Verbindung mit § 19 Abs. 1 ErbStG, mit Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar sind. Es hat den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu dieser Neuregelung bleibt das bisherige Recht weiter anwendbar.

Im Hinblick auf diese Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Festsetzungen nach dem 31. Dezember 2008 entstandener Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO in vollem Umfang vorläufig durchzuführen.

In die Steuerbescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:

„Die Festsetzung der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – (BStBl II 2015 S. 50) angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang vorläufig. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen.“

Im Übrigen gelten die in dem BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464) getroffenen Regelungen entsprechend.

Die gleich lautenden Erlasse vom 14. November 2012 (BStBl I S. 1082) werden aufgehoben.

FinMin Baden-Württemberg, Erlass (koordinierter Ländererlass) 3 – S 033.8 / 69 vom 12.03.2015

 

EuGH-Vorlage: Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens und einem mit ausländischer Erbschaftsteuer belasteten Vorerwerb

Leitsatz:

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist, und für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde?

Tatbestand:

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seiner am 20. Januar 2007 verstorbenen Mutter (M).

2

M hatte zusammen mit ihrer Tochter (T) bis zu deren Ableben am 29. Oktober 2004 in der Republik Österreich (Österreich) gewohnt und danach ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) verlegt. Sie war Miterbin der T. Der Nachlass der T wurde von dem nach österreichischem Recht eingesetzten Gerichtskommissär erst nach dem Tod der M verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der M deren Anteil am Nachlass der T. Für den der M zuzurechnenden Erwerb vom Oktober 2004 wurde in Österreich Erbschaftsteuer in Höhe von 11.961,91 € festgesetzt und vom Kläger bezahlt.

3

Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb nach M im Januar 2007 die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für den Streitfall maßgebenden Fassung (ErbStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -FA-) zog im Bescheid vom 28. Oktober 2009 zwar die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb ab, lehnte aber die Berücksichtigung der Steuerermäßigung ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 27 ErbStG einen nach diesem Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher nicht vorliege. Der Vorerwerb der M im Oktober 2004 habe nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterlegen. Beim Ableben der T seien sie und M keine Inländer gewesen; zum Nachlass der T habe auch kein Inlandsvermögen gehört. Die Nichtberücksichtigung der Steuerermäßigung verletze nicht die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 und Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV-(ex-Art. 56 und Art. 58 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -EG-). Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 2035.

5

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 27 ErbStG.

6

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Steuerbescheid vom 28. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2010 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer um 4.785 € herabgesetzt wird.

7

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe:

II.

8

Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die in der Entscheidungsformel bezeichnete Frage zur Auslegung von Art. 63 Abs. 1 und 65 AEUV (ex-Art. 56 Abs. 1 und 58 EG) zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.

9

1. Nationales Recht

10

Nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ErbStG tritt die Steuerpflicht ein

11

„1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer … ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall. Als Inländer gelten

12

a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

13

b) deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben,

14

3. in allen anderen Fällen für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen im Sinne des § 121 des Bewertungsgesetzes besteht. …

…“

15

§ 15 ErbStG legt die Steuerklassen fest. Abs. 1 lautet:

16

„Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden:

17

Steuerklasse I:

18

1. der Ehegatte und der Lebenspartner,

19

2. die Kinder und Stiefkinder,

20

3. die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder,

21

4. die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen;

…“

22

§ 27 ErbStG regelt die Steuerermäßigung wie folgt:

23

„(1) Fällt Personen der Steuerklasse I von Todes wegen Vermögen an, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, ermäßigt sich der auf dieses Vermögen entfallende Steuerbetrag vorbehaltlich des Absatzes 3 wie folgt:

24

um … vom Hundert wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer liegen
50 nicht mehr als 1 Jahr
45 mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahre
40 mehr als 2 Jahre, aber nicht mehr als 3 Jahre
35 mehr als 3 Jahre, aber nicht mehr als 4 Jahre
30 mehr als 4 Jahre, aber nicht mehr als 5 Jahre
25 mehr als 5 Jahre, aber nicht mehr als 6 Jahre
20 mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als 8 Jahre
10 mehr als 8 Jahre, aber nicht mehr als 10 Jahre

25

(2) Zur Ermittlung des Steuerbetrags, der auf das begünstigte Vermögen entfällt, ist die Steuer für den Gesamterwerb in dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Wert des begünstigten Vermögens zu dem Wert des steuerpflichtigen Gesamterwerbs ohne Abzug des dem Erwerber zustehenden Freibetrags steht.

26

(3) Die Ermäßigung nach Absatz 1 darf den Betrag nicht überschreiten, der sich bei Anwendung der in Absatz 1 genannten Vomhundertsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtet hat.“

27

2. Beurteilung des Streitfalls nach nationalem Recht

28

Für den Erwerb des Klägers ist eine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG nicht zu gewähren.

29

a) Die Steuerermäßigung setzt nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG ausdrücklich voraus, dass bei einem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens für den früheren Vermögensanfall „nach diesem Gesetz“ eine Steuer zu erheben war. Sie erfasst damit nur Fälle, in denen für den Vorerwerb Erbschaftsteuer nach dem in Deutschland geltenden ErbStG festzusetzen war. Sie ist nicht zu gewähren, wenn für den Vorerwerb eine Erbschaftsteuer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats erhoben wurde. Eine ausländische Steuer ist im Sinne des § 27 Abs. 1 ErbStG keine Steuer „nach diesem Gesetz“.

30

b) Der Kläger erhielt im Januar 2007 mit dem Tod der M deren Vermögen als Alleinerbe. Das Vermögen der M bestand im Wesentlichen aus ihrem Anteil als Miterbin am Nachlass der T, die im Oktober 2004 verstorben war. Für den Vorerwerb der M aufgrund des Erbanfalls nach T wurde in Deutschland keine Erbschaftsteuer festgesetzt, weil eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 ErbStG nicht eingetreten ist. Nach den Feststellungen des FG waren M und T zum Zeitpunkt des Ablebens der T keine Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG. Beide hatten ihren Wohnsitz in Österreich. Der Nachlass der T bestand nur aus Auslandsvermögen. Durch den Erwerb von Auslandsvermögen wird eine Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht begründet.

31

Die für den Vorerwerb der M in Österreich erhobene Erbschaftsteuer rechtfertigt keine Steuerermäßigung für den nachfolgenden, in Deutschland steuerpflichtigen Erwerb des Klägers. Aus diesem Grund ist es nicht von Bedeutung, dass sowohl M beim Vorerwerb im Oktober 2004 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 4 ErbStG als auch der Kläger beim Erwerb im Januar 2007 nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG zur Steuerklasse I gehörten.

32

c) Der Kläger kann sich möglicherweise mit Erfolg unmittelbar auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 65 AEUV berufen.

33

3. Zur Vorlagefrage

34

a) Zu klären ist, ob die Erbschaft des Klägers ein Vorgang ist, der unter den Kapitalverkehr im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV fällt, weil sie Auslandsvermögen enthält und dieses Auslandsvermögen aufgrund des vorhergehenden Erwerbs der Erblasserin durch die in einem anderen Mitgliedstaat zu entrichtende Erbschaftsteuer belastet war.

35

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht und die unter die Rubrik XI („Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“) des Anhangs I der Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (88/361/EWG) fallen, um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV; ausgenommen sind Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (vgl. Urteil Welte, C-181/12, EU:C:2013:662, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Der Kläger erhielt als Alleinerbe das Vermögen der M, das im Wesentlichen aus deren Anteil am Nachlass der T, also aus Auslandsvermögen bestand. Beim Eintritt des Erbfalls im Januar 2007 hatten der Kläger und M ihren Wohnsitz jeweils in Deutschland. Die Steuerpflicht für den Erwerb des Klägers trat nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 Buchst. a ErbStG für den gesamten Vermögensanfall ein und erfasste damit auch das Auslandsvermögen. Wegen des Erwerbs von Auslandsvermögen dürfte die Erbschaft des Klägers nicht als rein innerstaatlicher Vorgang anzusehen sein und deshalb unter die Bestimmungen über den Kapitalverkehr fallen.

37

b) Fraglich ist, ob § 27 Abs. 1 ErbStG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt.

38

aa) Zu den Maßnahmen, die bei Erbschaften als Beschränkungen des Kapitalverkehrs nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verboten sind, gehören nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH solche, die eine Wertminderung des Nachlasses dessen bewirken, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem ansässig ist, in dessen Gebiet sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und der deren Erwerb von Todes wegen besteuert (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, C-211/13, EU:C:2014:2148, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Danach liegt eine durch Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor, wenn die Gewährung von Steuervergünstigungen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer davon abhängig gemacht wird, dass der von Todes wegen erworbene Vermögensgegenstand im Inland belegen ist (Urteil Jäger, C-256/06, EU:C:2008:20, Rn. 35).

40

bb) § 27 Abs. 1 ErbStG sieht vor, dass eine Steuerermäßigung für einen Erwerb von Vermögen von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I zu berücksichtigen ist, wenn dieses Vermögen in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist und für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in Deutschland zu erheben war. Eine Steuerermäßigung scheidet aus, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat festgesetzt wurde.

41

Die Vorschrift hat zur Folge, dass ein Nachlass, der ein in einem anderen Mitgliedstaat befindliches, vom Erblasser selbst von Todes wegen erworbenes und in dem anderen Mitgliedstaat der Erbschaftsteuer unterworfenes Vermögen umfasst, in Deutschland einer höheren Erbschaftsteuer unterliegt, als dies der Fall wäre, wenn das den Nachlass bildende Vermögen ausschließlich aus Gegenständen bestünde, die schon der Erblasser in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig erworben hat. Der mehrfache Erwerb von Auslandsvermögen durch Personen der Steuerklasse I wird bei einem in Deutschland nicht besteuerten Vorerwerb erbschaftsteuerrechtlich schlechter gestellt als der mehrfache Erwerb von Auslandsvermögen bei einem in Deutschland besteuerten Vorerwerb oder als der mehrfache Erwerb von Inlandsvermögen. Da die Besteuerung des Vorerwerbs -wie bei jedem Erwerb- nach § 2 Abs. 1 ErbStG an den Wohnort des Erblassers oder des Erwerbers oder an den Vermögensanfall von Inlandsvermögen anknüpft, ist damit zugleich die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG für den nachfolgenden Erwerb von diesen Voraussetzungen abhängig. Die Versagung der Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG mindert den Wert des Nachlasses, zu dem durch ausländische Erbschaftsteuer belastetes Vermögen gehört. Darin könnte eine Beschränkung des Kapitalverkehrs liegen.

42

cc) Es bestehen Zweifel, ob eine verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 27 Abs. 1 ErbStG im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Block (C-67/08, EU:C:2009:92) ausgeschlossen ist. Diese Entscheidung ist zu einem mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen. Sie betrifft die doppelte Besteuerung eines Erwerbs von Todes wegen durch zwei Mitgliedstaaten, wobei die Doppelbesteuerung darauf beruhte, dass die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung von Erbschaftsteuer für den Erwerb von Kapitalforderungen verschiedene Anknüpfungspunkte gewählt haben.

43

Der EuGH hat in dieser Entscheidung eine Beschränkung des Kapitalverkehrs verneint. Das Unionsrecht schreibe bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand und in einer Situation, in der es um die Entrichtung von Erbschaftsteuer geht, in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Demgemäß verfügten die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Unionsrechts vorbehaltlich dessen Beachtung über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich. Sie seien nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen und so die Anrechnung der Erbschaftsteuer zu ermöglichen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat des Erben entrichtet worden sei.

44

Demgegenüber geht es im Streitfall nicht um die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer bei einer Doppelbesteuerung eines Erwerbs, sondern um die Gewährung einer Steuerermäßigung wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Block (EU:C:2009:92) im Streitfall dazu führen kann, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 27 Abs. 1 ErbStG zu verneinen.

45

c) Sollte § 27 Abs. 1 ErbStG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bewirken, ist fraglich, ob diese aufgrund von Bestimmungen des Vertrags gerechtfertigt ist.

46

aa) Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

47

Diese Bestimmung in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV ist, da sie eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs darstellt, eng auszulegen (vgl. Urteil Welte, EU:C:2013:662, Rn. 42). Sie kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Mitgliedstaat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne Weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre (vgl. Urteile Jäger, EU:C:2008:20, Rn. 40; Eckelkamp, C-11/07, EU:C:2008:489, Rn. 57; Arens-Sikken, C-43/07, EU:C:2008:490, Rn. 51; Mattner, C-510/08, EU:C:2010:216, Rn. 32).

48

Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Abs. 3 dieses Artikels eingeschränkt, wonach die in Art. 65 Abs. 1 AEUV genannten nationalen Vorschriften weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 63 AEUV darstellen dürfen (vgl. Urteile Jäger, EU:C:2008:20, Rn. 41; Eckelkamp, EU:C:2008:489, Rn. 58; Arens-Sikken, EU:C:2008:490, Rn. 52; Mattner, EU:C:2010:216, Rn. 33).

49

Deshalb ist zwischen den nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubten Ungleichbehandlungen und den nach Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen willkürlichen Diskriminierungen zu unterscheiden. Eine nationale Steuerregelung, die für die Festsetzung der Erbschaftsteuer bei einem Tatbestandsmerkmal danach unterscheidet, ob der Erblasser oder der Erwerber seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat oder beide in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, kann nur dann mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar sein, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (vgl. Urteil Welte, EU:C:2013:662, Rn. 44). Außerdem kann die unterschiedliche Behandlung nur gerechtfertigt sein, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zum Erreichen des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil Welte, EU:C:2013:662, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50

bb) Es ist fraglich, ob sich die Situation, bei der ein Vorerwerb von Auslandsvermögen durch Erbanfall zwischen Gebietsfremden stattfindet, von der Situation objektiv unterscheidet, bei der ein Gebietsansässiger an dem Vorerwerb beteiligt ist. Der wesentliche Unterschied besteht in den steuerlichen Folgen, vor allem darin, welcher Mitgliedstaat Erbschaftsteuer erhebt. Im ersten Fall (Vorerwerb von Auslandsvermögen durch Gebietsfremde) ist der Vorerwerb in Deutschland nicht steuerpflichtig, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 ErbStG nicht erfüllt sind; für den Vorerwerb wird allenfalls Erbschaftsteuer nach dem Recht des Mitgliedstaats festgesetzt, in dem die am Vorerwerb beteiligten Personen ansässig sind. Im zweiten Fall (Vorerwerb von Auslandsvermögen unter Beteiligung eines Gebietsansässigen) besteht eine unbeschränkte Steuerpflicht, die den gesamten Vermögensanfall erfasst; für den Vorerwerb wird in Deutschland Erbschaftsteuer erhoben.

51

Kommt es zu einem nachfolgenden Erwerb, der in Deutschland steuerpflichtig ist, wird die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG nur im zweiten Fall, nicht aber im ersten Fall gewährt. Die Situationen erscheinen jedoch vergleichbar, wenn -wie im Streitfall- für den Vorerwerb in einem anderen Mitgliedstaat Erbschaftsteuer festgesetzt wurde.

52

cc) Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 27 ErbStG rechtfertigen könnte, könnte die Notwendigkeit sein, die Kohärenz der steuerlichen Regelung zu wahren.

53

Dieser Rechtfertigungsgrund setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der betreffenden Steuerbegünstigung und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargelegt wird (vgl. Urteile Manninen, C-319/02, EU:C:2004:484, Rn. 42, und Kommission/Deutschland, EU:C:2014:2148, Rn. 55).

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Der mit der Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG verbundene Vorteil hängt unmittelbar damit zusammen, dass schon für den Vorerwerb desselben Vermögens Erbschaftsteuer erhoben wurde. Der Grundgedanke des § 27 ErbStG besteht nach den Vorstellungen des Gesetzgebers darin, bei mehrmaligem Übergang desselben Vermögens innerhalb von zehn Jahren auf den begünstigten Erwerberkreis die auf dieses Vermögen entfallende Steuer, soweit das Vermögen beim Vorerwerber der Besteuerung unterlag, bis höchstens 50 % zu ermäßigen (Bundestags-Drucksache 13/4839, S. 71). Daraus ist die Verknüpfung von Steuerbelastung (durch die Besteuerung des Vorerwerbs) und Steuerermäßigung (bei der Besteuerung des Nacherwerbs) erkennbar.

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4. Die dem EuGH vorgelegte Frage ist entscheidungserheblich.

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Sollte sich der Kläger mit Erfolg auf Art. 63 Abs. 1 AEUV berufen können, wäre die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG zu gewähren. Die Revision wäre begründet.

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5. Das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ist nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich.

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6. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 der Finanzgerichtsordnung.

Bundesfinanzhof, II-R-37/13

Beschluss vom 20.01.2015

 

Abgeltungsteuer: Auch bei sog. Günstigerprüfung kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten

Nach Auffassung des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) findet § 20 Abs. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch bei der sog. „Günstigerprüfung“ nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG Anwendung; ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten kommt daher nicht in Betracht.

Der Kläger war testamentarischer Alleinerbe der im September 2010 verstorbenen A. Im Streitjahr 2009 lebte die über 90 Jahre alte A in einem Pflegeheim und hatte neben Renteneinkünften aufgrund einer atypischen Zusammenballung Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 30.238 Euro. Aufgrund eines Treuhandvertrages mit dem Kläger, der ihr Vermögen verwaltete und sie betreute, hatte die A an den Kläger im Jahr 2009 eine Vergütung von ca. 10.650 Euro gezahlt, die – abzüglich eines vom Finanzamt (FA) als außergewöhnliche Belastung berücksichtigten Teilbetrages von 3.549 Euro – als Werbungskosten bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte geltend gemacht wurde. Da der Steuersatz der A deutlich unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 % lag, berief sich der Kläger auf die sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG und begehrte – gegen den Wortlaut des § 20 Abs. 9 EStG – den vollen Werbungskostenabzug. In erster Instanz vor dem Finanzgericht hatte er damit Erfolg.

Der BFH hat indes die Rechtsauffassung des FA bestätigt und das Urteil der Vorinstanz aufgehoben. Zwar kommt bei der sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende Abgeltungsteuersatz von 25 % zur Anwendung, sondern der (niedrigere) progressive Regelsteuersatz. Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte ist indes auch bei der Günstigerprüfung nach § 20 EStG vorzunehmen¸ damit findet auch im Falle der Günstigerprüfung das Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG) Anwendung. Der Abzug bleibt im Urteilsfall damit auf den sog. Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro beschränkt.

Nach Auffassung des BFH halten sowohl § 32d Abs. 6 EStG als auch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG verfassungsrechtlichen Anforderungen stand (vgl. dazu BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12). Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ist vornehmlich als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liegt als 25 %, eine weitere Begünstigung erfahren. Diese soll aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden. Ob es sich hier um einen atypischen Extremfall handelt, für den eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 der Abgabenordnung in Betracht zu ziehen ist, hatte der BFH nicht zu entscheiden. Er weist jedoch darauf hin, dass es keinen Anspruch auf „Meistbegünstigung“ selbst gewählter Gestaltungen gibt.

Entsprechend hat der BFH auch in einem ähnlich gelagerten Fall (Urteil VIII R 34/13 vom 02.12.2014) entschieden.

BFH, Pressemitteilung Nr. 20/15 vom 11.03.2015 zum Urteil VIII R 13/13 vom 28.01.2015

 

 

Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes bei Darlehen zwischen Ehegatten

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 28. Januar 2015 VIII R 8/14 erstmals entschieden, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 25 % (sog. Abgeltungsteuersatz) nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bei der Gewährung von Darlehen zwischen Ehegatten aufgrund eines finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.

Der Kläger gewährte seiner Ehefrau fest verzinsliche Darlehen zur Anschaffung und Renovierung einer fremd vermieteten Immobilie. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass die Ehefrau weder über eigene finanzielle Mittel verfügte noch eine Bank den Erwerb und die Renovierung des Objekts zu 100 % finanziert hätte und sie daher auf die Darlehensgewährung durch den Kläger angewiesen war. Das Finanzamt besteuerte die hieraus erzielten Kapitalerträge des Klägers mit der tariflichen Einkommensteuer: Der niedrigere Abgeltungsteuersatz sei nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anzuwenden, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge „einander nahe stehende Personen“ im Sinne des Gesetzes seien.

Der BFH bestätigte diese Auffassung: Zwar sei bei verfassungskonformer Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ein lediglich aus der Ehe abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i. S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen (vgl. Urteile des VIII. Senats vom 29. April 2014 VIII R 9/13, VIII R 35/13 und VIII R 44/13, PM Nr. 59/14). Jedoch sei die Ehefrau bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig gewesen, so dass ein Beherrschungsverhältnis vorliege, das gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führe.

Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nach Auffassung des BFH in diesem Fall weder gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht. Die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs führt hier zu keiner Ungleichheit, sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch den Ausschluss von Mitnahmeeffekten eine größere Gleichheit her.

BFH, Pressemitteilung Nr. 19/15 vom 11.03.2015 zum Urteil VIII R 8/14 vom 28.01.2015

 

Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags

Der Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags soll die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags für die Jahre 2015 und 2016 entsprechend den Vorgaben des 10. Existenzminimumberichts sicherstellen. Zur Förderung der Familien, bei denen sich der Kinderfreibetrag nicht auswirkt, soll das Kindergeld in gleichem Verhältnis für 2015 und 2016 angehoben werden. Daneben soll der Kinderzuschlag um einen Betrag von 20 Euro auf 160 Euro monatlich ab dem 1. Juli 2016 angehoben werden.
Den Entwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 09.03.2015

 

Erbschaftsteuerreform belastet Familienunternehmen

Die jetzt bekannt gewordenen „Eckwerte“ aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) zur Neuregelung der Erbschaftsteuer führen – anders als noch im Koalitionsvertrag zugesagt – zu einer zusätzlichen Steuerbelastung bei der Übertragung von „großen“ Familienunternehmen. Die Vorschläge gehen weit über das hinaus, was die Verfassungsrichter im Urteil vom Dezember 2014 anmahnten. Es geht dabei um die Frage, wie die vom Gericht geforderte Bedürfnisprüfung für „große“ Unternehmen geregelt werden soll. Schon heute müssen Nachfolger das Unternehmen mindestens fünf Jahre lang weiterführen und die Arbeitsplätze erhalten, wenn das übertragene Betriebsvermögen von der Erbschaftsteuer verschont werden soll. Die Neuregelung muss sich in das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigte Verschonungskonzept integrieren. Ferner sollte sie verfassungsfest und wenig bürokratisch sein.

Erforderliche Bedürfnisprüfung für „große“ Unternehmen
Dreh- und Angelpunkt der künftig erforderlichen Bedürfnisprüfung ist die Definition von „großen“ Unternehmen. Diese muss sich aus Sicht des DIHK an der Unternehmensstruktur in Deutschland und der internationalen Wettbewerbssituation der Betriebe orientieren. Das BVerfG hat beispielhaft einen Wert von 100 Millionen Euro pro geerbten Unternehmensanteil genannt. Das entspricht nach heutigen Bewertungsmethoden für das Betriebsvermögen einem Wert von mindestens 300 Millionen Euro. Die vom BMF ins Spiel gebrachte Freigrenze von 20 Millionen Euro pro Erwerb und der Einbezug von Privatvermögen führen mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass Erben von Familienunternehmen auch dann Erbschaftsteuer auf das Betriebsvermögen zahlen müssen, wenn sie den Betrieb unverändert weiterführen.

Bedürfnisprüfung in zwei Stufen
Die Bedürfnisprüfung muss die besondere Kapitalbindung und die Vertragsstrukturen in Familienunternehmen berücksichtigen. Der DIHK schlägt deshalb gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden eine Prüfung in zwei Stufen vor: In einem ersten Schritt wird gecheckt, ob das Unternehmen kapitalmarktorientiert ist, ob also Anteile und Schuldtitel an geregelten Märkten gehandelt werden. Unternehmen, für die dies nicht zutrifft, sollten ohne weitere Prüfung unter Einhaltung der Haltefristen und Lohnsummen eine Verschonung erhalten. Denn bei diesen Unternehmen ist davon auszugehen, dass die Nachfolger langfristig vertraglich, persönlich und finanziell eng an ihr Unternehmen gebunden sind. Sie erfüllen damit die Kerneigenschaften, die das BVerfG im Sinne der Arbeitsplätze für verschonungswürdig hält.

In einem zweiten Schritt könnte für die kapitalmarktorientierten Unternehmen eine Bedürfnisprüfung anhand von fünf Kriterien durchgeführt werden:

  • Veräußerungsbeschränkungen hinsichtlich der Gesellschaftsanteile,
  • Abfindungsbeschränkungen bei Übertragung der Gesellschaftsanteile auf andere Gesellschafter,
  • Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkungen beim Jahresüberschuss,
  • persönliche Einflussnahme auf die Geschäftsführung durch die Nachfolger und
  • persönliche Einflussnahme auf Kontrollorgane (Aufsichtsrat, Beirat) durch die Nachfolger.

Wenn mindestens drei dieser fünf Kriterien vom Nachfolger erfüllt werden, würde die Verschonungsregelung greifen. Scheitern Unternehmen an dieser Hürde, verlieren sie auch an Rechtfertigung, die Verschonung in Anspruch nehmen zu können.

Änderungen im bestehenden System verfassungsfest ausgestalten
Die Unternehmen brauchen jetzt schnell Rechtssicherheit. Die Wirtschaft erwartet deshalb zeitnah ein nachgebessertes, verfassungsfestes Gesetz, das auf rückwirkende Maßnahmen verzichtet. Sie vertraut auf den Koalitionsvertrag, in dem eindeutig zugesichert wurde, dass die Übergabe von Betrieben nicht durch eine höhere steuerliche Belastung beeinträchtigt wird.

Quelle: DIHK, Mitteilung vom 26.02.2015