Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Erledigung der Hauptsache ohne Erledigungserklärung des beigetretenen BMF

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 18.03.2013
Streitjahr: 2006
Aktenzeichen: III R 5/09
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 122 Abs 2 FGO, § 136 Abs 1 S 3 FGO, § 138 Abs 1 FGO, § 138 Abs 2 S 1 FGO, § 143 Abs 1 FGO
(Erledigung der Hauptsache ohne Erledigungserklärung des beigetretenen BMF – Kostenentscheidung nach Teilabhilfe und insgesamt erfolgter Hauptsacheerledigung – Geringfügigkeit des Unterliegens i.S.d. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO)

Leitsatz
1. NV: Hat sich der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erklärungen des Klägers und der Beklagten in der Hauptsache erledigt, kommt es nicht darauf an, ob auch das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen eine Erledigungserklärung abgibt (Rn.2).

2. NV: Es entspricht regelmäßig dem billigen Ermessen, wenn der Kläger in Höhe des von der Abhilfe nicht erfassten Teils des Klageanspruchs die Kosten zu tragen hat (Rn.5).

3. NV: § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO ist im Rahmen der Kostenentscheidung, die nach Teilabhilfe und insgesamt erfolgter Hauptsacheerledigung zu treffen ist, anwendbar (Rn.6).

Orientierungssatz
1. NV: Ist aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen des Klägers und Revisionsklägers und der Beklagten und Revisionsbeklagten der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, ist damit das Urteil des Finanzgerichts einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden (vgl. BFH-Rechtsprechung) (Rn.1).

2. NV: Zu Leitsatz 3: Bei einer Quote von 8 % kann nicht mehr von einer Geringfügigkeit des klägerischen Unterliegens ausgegangen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung) (Rn.6).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend FG Düsseldorf, 22. Dezember 2008, Az: 10 K 404/08 Kg, Urteil
vorgehend BFH, 21. Oktober 2010, Az: III R 5/09, EuGH-Vorlage
vorgehend EuGH, 12. Juni 2012, Az: C-611/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 29. August 2012, Az: X R 5/12
Vergleiche BFH, 11. Mai 2009, Az: VIII R 81/05
Vergleiche BFH, 20. April 2005, Az: X R 53/04
Vergleiche BFH, 29. Mai 1996, Az: I R 79/95
Vergleiche BFH, 23. November 1994, Az: II B 157/92
Vergleiche BFH, 25. Januar 1994, Az: V R 128/85
Vergleiche BFH, 24. Mai 1993, Az: V B 33/93
Vergleiche BFH, 23. August 1990, Az: V R 79/88
Vergleiche BFH, 13. August 1986, Az: V R 112/80
Vergleiche BFH, 14. Mai 1975, Az: VII R 107/72

Gründe
1
1. Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Das Urteil des Finanzgerichts ist damit einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29. Mai 1996 I R 79/95, BFH/NV 1996, 846; vom 25. Januar 1994 V R 128/85, BFH/NV 1995, 918; vom 29. August 2012 X R 5/12, BFH/NV 2013, 53). Gemäß § 143 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat der BFH durch Beschluss nur noch über die Kosten zu entscheiden.

2
Für den durch die Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen bewirkten Wegfall der Rechtshängigkeit der Hauptsache kommt es nicht darauf an, dass auch das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen eine Erledigungserklärung abgegeben hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschlüsse vom 14. Mai 1975 VII R 107/72, BFHE 115, 425, und in BFH/NV 2013, 53).

3
2. Die nach Erledigung der Hauptsache zu treffende Kostenentscheidung richtet sich nach § 138 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 FGO.

4
a) Die Familienkasse hat dem Antrag des Klägers, Kindergeld für seine Tochter für die Monate Februar bis Dezember 2006 in Höhe von insgesamt 1.694 € festzusetzen, nur teilweise entsprochen. Sie hat nach Anrechnung polnischer Familienleistungen im Abhilfebescheid lediglich Differenzkindergeld in Höhe von 1.551,55 € festgesetzt.

5
b) Mithin sind die Kosten des Verfahrens verhältnismäßig zu teilen. Soweit die Familienkasse dem Klagebegehren abgeholfen hat, trägt sie die Kosten gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. In Bezug auf den von der Abhilfe nicht erfassten Teil des Begehrens trifft den Kläger die Kostenpflicht nach § 138 Abs. 1 FGO. Denn es entspricht regelmäßig dem billigen Ermessen, wenn der Kläger in Höhe des von der Abhilfe nicht erfassten Teils des Klageanspruchs die Kosten trägt (BFH-Beschlüsse vom 13. August 1986 V R 112/80, BFH/NV 1987, 54; vom 23. November 1994 II B 157/92, BFH/NV 1995, 332; vom 11. Mai 2009 VIII R 81/05, BFH/NV 2009, 1447).

6
c) Von der Anwendung des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, wonach einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden können, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, war im Streitfall abzusehen. Zwar ist die genannte Vorschrift grundsätzlich auch bei Hauptsacheerledigung nach erfolgter Teilabhilfe anwendbar (BFH-Beschluss vom 23. August 1990 V R 79/88, BFH/NV 1991, 472), doch fehlt es vorliegend an der Geringfügigkeit des klägerischen Unterliegens. Bei einer Quote von 8 % kann davon nach der Spruchpraxis des BFH nicht mehr ausgegangen werden (BFH-Beschluss vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133; BFH-Urteil vom 20. April 2005 X R 53/04, BFHE 210, 100, BStBl II 2005, 698).

Kein Vertrauensschutz bei bloßer Weiterzahlung von Kindergeld

Gericht: BFH 5. Senat
Entscheidungsdatum: 13.03.2013
Aktenzeichen: V B 133/11
Dokumenttyp: Beschluss
Norm: § 62 EStG
Kein Vertrauensschutz

Leitsatz
NV: Die bloße Weiterzahlung von Kindergeld trotz Kenntnis von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, steht einer Rückforderung nicht entgegen.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 14. April 2011, Az: 13 K 51/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 23. Mai 2011, Az: III B 177/10
Vergleiche BFH, 3. März 2011, Az: III R 11/08
Vergleiche BFH, 28. Januar 2010, Az: III B 37/09
Vergleiche BFH, 26. November 2007, Az: III B 121/06
Vergleiche BFH, 27. Mai 2005, Az: III B 197/04
Vergleiche BFH, 15. Juni 2004, Az: VIII R 93/03
Vergleiche BFH, 14. Oktober 2003, Az: VIII R 56/01
im Text BFH, 26. Juli 2001, Az: VI R 163/00

Gründe
1
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) zu.

3
a) Die Klägerin führt für die grundsätzliche Bedeutung an, dass die Rechtsprechung bei „der Beurteilung der Frage, ab welchem Zeitraum bei unberechtigter Kindergeldzahlung von einem erheblichem Zeitraum auszugehen ist“, der zu einem Vertrauenstatbestand führt, uneinheitlich sei.

4
aa) Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist demgegenüber bereits geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, nicht ausreicht, um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Hinzutreten müssen vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falls unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht, so dass ein anderer Eindruck beim Kindergeldempfänger nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen brauche (z.B. BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123, und vom 15. Juni 2004 VIII R 93/03, BFH/NV 2005, 153; BFH-Beschlüsse vom 26. November 2007 III B 121/06, BFH/NV 2008, 553, und vom 28. Januar 2010 III B 37/09, BFH/NV 2010, 837).

5
bb) Danach ist geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei einer –wie von der Klägerin behaupteten– zeitnahen Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht ausreicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2005 III B 197/04, BFH/NV 2005, 1486, und vom 23. Mai 2011 III B 177/10, BFH/NV 2011, 1507).

6
b) Im Übrigen ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen, da keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage erforderlich ist, ob es sich bei einer Rückforderung nach langer Zeit um eine illoyale Rechtsausübung handelt und die Rückforderung unverhältnismäßig ist. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin insoweit auf das BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 163/00 (BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174), nach dem der Rückforderung von zu viel gezahltem Kindergelds der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen kann, wenn der Beklagte und Beschwerdegegner (die Familienkasse) mit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs zu lange zuwartet. Dass allein die Weiterzahlung trotz Kenntnis der zum Wegfall der Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch führenden Umstände einer Rückforderung entgegensteht, lässt sich dem bezeichneten Urteil nicht entnehmen, wie sich aus der Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der Umstände, die zu einem Schutzwürdigen Vertrauen führen könnten, ergibt.

7
Dabei steht, wie der BFH unter Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174 bereits entschieden hat, „die bloße Weiterzahlung trotz Kenntnis von Umständen, wie zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, … der Rückforderung nicht entgegen“ (BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 11/08, BFHE 233, 41, BStBl II 2001, 722, unter II.d).

 

Bundestag debattiert über deutsch-schweizerisches Steuerabkommen

Das bisher nicht zu Stande gekommene deutsch-schweizerische Steuerabkommen beschäftigt die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Unter der Überschrift „Große Vermögen durch Neuverhandlung des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens sowie durch eine Vermögensabgabe heranziehen“ werden die Abgeordneten am Nachmittag des 24.04.2013 in einer Aktuellen Stunde über deutsche Auslandsvermögen debattieren. Die Aktuelle Stunde findet auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen statt.

Quelle: Deutscher Bundestag

Tarifierung eines thermisch behandelten Naturphosphats

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 6.3.2013, VII R 26/11

Tarifierung eines thermisch behandelten Naturphosphats – Widerruf einer verbindlichen Zolltarifauskunft
Leitsätze

Führt eine thermische Behandlung eines Naturphosphats allein nicht zur Herstellung des als Futtermittel verwendbaren Calciumphosphats, sondern bewirkt erst die Zuführung von Phosphorpentoxid und Natriumoxid die Veränderung der Kristallstruktur des Naturphosphats und damit die Entstehung des zu tarifierenden Endprodukts, so scheitert die Einreihung der Ware in die Pos. 3103 KN.
Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führt seit 1992 ein als entfluoriertes Calciumphosphat bezeichnetes Produkt in die Europäische Union ein. Die Warenbeschreibung in der zuletzt erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) lautet:
2
„Die als entfluoriertes Calciumphosphat bezeichnete Ware wird aus Naturphosphat mit Apatitstruktur durch Glühen im Drehrohrofen bei Temperaturen oberhalb 1250°C unter Zusatz geringer Mengen Phosphorsäure und Soda hergestellt. Zusammensetzung (Angaben): min. 41,5 % P2O5, min. 42-44 % CaO, ca. 6,5-7,2 % Na2O, max. 0,2 % F. Der Glühverlust beträgt weniger als 1 %. Weitere vertrauliche Angaben liegen vor. Die Ware kann als mineralisches Einzelfuttermittel, Düngemittel und als Rohstoff (Phosphorträger) in der chemischen Industrie verwendet werden. Sie wird in feinkörniger und in mehliger Form mit grauer bis brauner Farbe gehandelt. Danach handelt es sich um ein natürliches Phosphat, geröstet, gebrannt oder weitergehend thermisch behandelt, als zum Entfernen von Verunreinigungen erforderlich. Derartige Erzeugnisse gehören als andere mineralische oder chemische Phosphatdüngemittel zur Pos. 3103, auch wenn sie nicht als Düngemittel verwendet werden. Handelsbezeichnung (…) Entfluoriertes Calciumphosphat; Hauptbestandteil Ca5Na2(PO4)4 Phase A“.
3
Seit dem Jahr 2000 waren der Klägerin drei vZTA erteilt worden, mit denen diese Ware in die Pos. 3103 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht worden war.
4
Unter dem 24. Oktober 2000 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 2354/2000 (VO Nr. 2354/2000) zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 272/10). Danach ist in die Unterpos. 2309 90 97 KN einzureihen eine „Tierfutterzubereitung, hergestellt durch eine bei hoher Temperatur erfolgte chemische Reaktion eines Apatit-, Phosphorsäure- und Natriumcarbonat- oder Natriumhydroxid-Gemisches. Das Erzeugnis ist entfluoriert und besteht hauptsächlich aus einer Mischung von Calcium- und Calcium-Natrium-Phosphaten.“
5
Am 16. November 2007 erteilte die Oberfinanzdirektion (OFD) A der Klägerin eine vZTA, mit der sie die Ware in die Unterpos. 3103 90 00 KN einreihte.
6
Im Februar 2009 wies das Bundesfinanzministerium auf die VO Nr. 2354/2000 hin und forderte die Zollbehörden auf, die vZTA, die Erzeugnisse beträfen, die mit denen der VO Nr. 2354/2000 vergleichbar seien, zu überprüfen. Daraufhin widerrief der inzwischen zuständige Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) mit Bescheid vom 28. Mai 2009 die vZTA vom 16. November 2007 gemäß Art. 9 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) mit der Begründung, die Einreihungsauffassung habe sich geändert und wies darauf hin, dass ggf. eine neue vZTA beantragt werden könne.
7
Einspruch und Klage gegen den Widerruf stützte die Klägerin darauf, dass die streitgegenständliche nicht mit der in der VO Nr. 2354/2000 beschriebenen Ware identisch sei. Insbesondere handele es sich nicht um eine Mischung nach chemischen Grundsätzen, vielmehr liege eine nichtstöchiometrische Verbindung vor, die nicht wieder durch physikalische Methoden in ihre einzelnen Komponenten zerlegt werden könne. Als mineralisches Düngemittel, das auch als Einzelfuttermittel oder als Rohstoff in der chemischen Industrie verwendet werden könne, falle das Erzeugnis unter die Pos. 3103 KN.
8
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Widerruf der unter dem 16. November 2007 erteilten vZTA sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für den Erlass der vZTA seien von Anfang an nicht erfüllt gewesen, weil die OFD A als erteilende Zollbehörde die VO Nr. 2354/2000 nicht beachtet habe und sich die Tarifierung vor dem Hintergrund dieser Verordnung als unzutreffend darstelle. Die streitgegenständliche Ware entspreche der in der Verordnung beschriebenen Tierfutterzubereitung. Das Endprodukt, entfluoriertes Calciumphosphat, Hauptbestandteil Ca5Na2(PO4)4 Phase A, sei bei hoher Temperatur durch eine chemische Reaktion i.S. der VO Nr. 2354/2000 aus drei verschiedenen chemischen Substanzen entstanden. Die verwendeten Begriffe (Mischung, Gemisch) seien nur im untechnischen Sinne als Zusammenfügung von Bestandteilen zu verstehen, die sodann chemisch miteinander reagieren.
9
Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Das FG habe die Klage gegen den Widerruf der vZTA zu Unrecht abgewiesen. In der vZTA vom 16. November 2007 sei die Ware zutreffend in die Pos. 3103 KN eingereiht worden. Die streitige Ware entspreche der Beschreibung in der Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN, wonach zur Pos. 3103 KN natürliche Phosphate der Pos. 2510 KN gehörten, die geröstet, gebrannt oder weitergehend thermisch behandelt seien, als zum Entfernen von Verunreinigungen erforderlich. Anders als das in VO Nr. 2354/2000 beschriebene Produkt werde das vorliegende Erzeugnis nicht durch eine chemische Reaktion von Apatit mit Natriumverbindungen und Phosphorsäure, sondern in einem Glühvorgang durch Einlagerung in einer Vorstufe gebildeter Natriumphosphate in die Apatitstruktur hergestellt. Auch entstehe es nicht durch eine Reaktion eines Apatit-, Phosphorsäure- und Natriumcarbonat- oder Natriumhydroxid-Gemisches und es handele sich bei der Ware nicht um eine Mischung von Calcium- und Calcium-Natrium-Phosphaten. Es handele sich vielmehr um ein gesintertes homogenes Produkt, eine nichtstöchiometrische Verbindung. Schließlich sei das Endprodukt trotz der Zuführung geringer Mengen von Natriumphosphat ein „natürliches“ Phosphat. „Natürlich“ i.S. der Pos. 3103 KN sei nicht als „naturbelassen“ zu verstehen. Auch die niederländische Tarifkommission (Rechtssache Nr. 0266/95 TC vom 24. August 1999) habe die nämliche Ware in die Unterpos. 3103 90 00 KN und nicht gemäß der seinerzeit geltenden VO (EG) Nr. 1533/92 in die Pos. 2309 KN eingereiht.
10
Das HZA verweist zur Begründung zunächst darauf, dass nach Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN nur natürliche Phosphate ohne Zusätze gehörten, so dass das zu tarifierende entfluorierte Calciumphosphat, das aus Naturphosphat mit Apatitstruktur unter Zusatz von Phosphorsäure und Soda hergestellt werde, nicht darunter fallen könne. Die EinreihungsVO Nr. 2354/2000 hält es für einschlägig, zumal die Ware nicht nur als Düngemittel, sondern auch als Futtermittel verwendbar sei. Im Übrigen hält es dem Revisionsvorbringen sinngemäß entgegen, die VO Nr. 2354/2000 enthalte keine ausführliche Beschreibung der Reaktionsführung, der Herstellungsvorgang werde nicht in seine einzelnen Schritte aufgeteilt, sondern ganzheitlich als eine Reaktion angesehen. Den Begriff „Mischung“ verwende die VO Nr. 2354/2000 nicht ausschließlich im Sinne einer mechanischen Mischung, vielmehr erfasse er auch nichtstöchiometrische Verbindungen.
Entscheidungsgründe

11
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
12
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Widerruf der vZTA rechtmäßig war, weil die als entfluoriertes Calciumphosphat bezeichnete Ware nicht, wie in der vZTA festgelegt, in die Unterpos. 3103 90 00 der hier maßgeblichen VO (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 301/1) einzureihen war.
13
1. Das HZA und das FG haben die Rechtsgrundlage für den Widerruf der vZTA zutreffend in Art. 9 Abs. 1 ZK gesehen.
14
Hiernach wird eine begünstigende Entscheidung widerrufen, wenn in anderen als in den in Art. 8 ZK bezeichneten Fällen eine oder mehrere Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind. Die vZTA, ein Unterfall der verbindlichen Auskunft i.S. des Art. 12 ZK, erfüllt die Begriffsmerkmale einer Entscheidung i.S. des Art. 4 Nr. 5 ZK. Ihre begünstigende Wirkung für den Berechtigten ergibt sich aus der Bindung der Zollbehörden aller Mitgliedstaaten der Gemeinschaft hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK). Erweist sich eine vZTA nach ihrer Erteilung als fehlerhaft, ohne dass eine Rücknahme nach Art. 8 ZK in Betracht kommt, ist die erteilende Zollbehörde verpflichtet, sie zu widerrufen, auch wenn der Antragsteller für die Unrichtigkeit der Tarifierung keine Ursache gesetzt hat (vgl. den Senatsbeschluss vom 11. März 2004 VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305).
15
2. Das FG hat weiter zutreffend entschieden, dass die der Klägerin erteilte vZTA von Anfang an so nicht hätte ergehen dürfen, weil das streitgegenständliche Erzeugnis nicht in die Unterpos. 3103 90 00 KN eingereiht werden kann.
16
Unbeschadet der EinreihungsVO Nr. 2354/2000 wird die zu tarifierende Ware von der Pos. 3103 KN nicht erfasst, weil sie nicht den Anforderungen der Anm. 3 Buchst. a zu Kap. 31 KN entspricht.
17
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– (vgl. Urteil vom 7. Februar 2002 C-276/00, Slg. 2002, I-1389, Rz 21) und des erkennenden Senats (z.B. Senatsurteil vom 28. März 2006 VII R 50/04, BFHE 213, 169, m.w.N., Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 293) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. Daneben stellen die vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens für das Harmonisierte System bzw. die von der Europäischen Kommission für die KN ausgearbeiteten Erläuterungen ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar.
18
Nach Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN gehören zu Pos. 3103 KN ausdrücklich nur natürliche Phosphate der Pos. 2510, die weitergehend thermisch behandelt wurden, als zum Entfernen von Verunreinigungen erforderlich. Die Pos. 2510 KN erfasst „Natürliche Calciumphosphate, natürliche Aluminiumcalciumphosphate und Phosphatkreiden“ und die dazu ergangenen Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) zu Pos. 2510 KN präzisieren unter Rz 01.0 „Zu dieser Position gehören nur Apatit und andere natürliche Calciumphosphate …“. Nach der ErlHS zu Pos. 3103 KN Rz 08.0 erfasst diese Position nicht andere als die vorstehend aufgeführten Phosphaterzeugnisse (chemische oder andere).
19
Bei der Ware, die von der Klägerin zur Tarifierung gestellt wurde, handelt es sich weder um Apatit noch um ein anderes natürliches Calciumphosphat, das (lediglich) thermisch behandelt wurde. Laut Warenbeschreibung wird sie „aus Naturphosphat mit Apatitstruktur … unter Zusatz geringer Mengen Phosphorsäure und Soda hergestellt“. In der Revisionsbegründung erläutert die Klägerin, das Natriumphosphat werde in die Kristallstruktur des Apatit eingelagert, bei einer Glühtemperatur verbänden sich die Komponenten durch eine Festkörperreaktion. Und nach den Feststellungen des FG, die –weil mit der Revision nicht angegriffen– für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, handelt es sich bei den in der Strukturformel des Hauptbestandteils der Ware CA5Na2(PO4)4 genannten Stoffen Phosphorpentoxid und Natriumoxid um Anteile am Endprodukt und nicht lediglich um bei der Herstellung eingesetzte Substanzen. Ob die Herstellung des Endprodukts auf eine chemische Reaktion oder eine thermische Behandlung zurückzuführen ist, ist demgegenüber nicht entscheidend. Denn der von der Klägerin eingehend beschriebene Prozess des (thermischen) Aufschlusses der Apatitstruktur ist untrennbar verbunden mit der Einlagerung von Natriumphosphat in diese Struktur und damit dem Entstehen der gewünschten, zur Verwendung als Futtermittel geeigneten nichtstöchiometrischen Verbindung. Das heißt, eine thermische Behandlung des Naturphosphats allein hat nicht zur Herstellung des zu tarifierenden Produkts geführt, sondern erst die Zuführung von Phosphorpentoxid und Natriumoxid hat die Veränderung der Kristallstruktur des Naturphosphats und damit die Entstehung des Endprodukts bewirkt. Daran scheitert die Einreihung der Ware in die Pos. 3103 KN. Denn es handelt sich um ein anderes als von der Beschreibung in Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN und in ErlHS zu Pos. 3103 Rz 05.0 erfasstes Phosphaterzeugnis und wird damit nach der ErlHS zu Pos. 3103 Rz 08.0 von der Pos. 3103 KN nicht erfasst. Die Auffassung der Klägerin, die in der Anm. 3 Buchst. a Nr. 2 zu Kap. 31 KN beschriebene „weitergehende thermische Behandlung“, welche zur Einreihung der natürlichen Phosphate in die Pos. 3103 KN führt, erfasse auch den Aufschluss der Apatitstruktur unter Einlagerung des Natriumphosphats, findet weder in der genannten Anmerkung noch in den ErlHS zu Pos. 3103 KN eine Stütze.
20
3. Da die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der vZTA nicht davon abhängt, in welche Position der KN die Ware zutreffend einzureihen ist, lässt der Senat offen, ob das zu tarifierende entfluorierte Calciumphosphat von der VO Nr. 2354/2000 erfasst wird und damit in die dort genannte Unterpos. 2309 90 97 KN, bzw. in die im Jahr 2007 geltende Unterpos. 2309 90 99 KN einzureihen ist.
21
Damit erübrigt sich auch eine Vorlage an den EuGH zur Prüfung der Vereinbarkeit der VO Nr. 2354/2000 mit den einschlägigen Positionen der KN.
22
4. Die von der Klägerin vorgelegte Entscheidung der niederländischen Tarifkommission in der Rechtssache Nr. 0266/95 TC vom 24. August 1999 ist für den Streitfall unergiebig. Denn sie enthält keine Aussage darüber, ob die zu beurteilende Ware entsprechend der Vorgaben der Pos. 3103 KN und der Anm. 3 zu Kap. 31 KN in die Unterpos. 3103 90 00 KN einzureihen ist. Wie sich aus Tz 6.1.2. der Entscheidung ergibt, erfolgte die Einreihung in diese Unterposition in jenem Streitfall, weil sich die dortige Klägerin auf eine dänische vZTA berufen konnte, in der die nämliche Ware in diese Tarifposition eingereiht worden war.

Körperschaftsteuerpflicht von kommunalen Kindertageseinrichtungen

Die Bundesregierung sieht sich in einem Urteil des Bundesfinanzhofs zur Körperschaftsteuerpflicht von kommunalen Kindertageseinrichtungen bestätigt (Urteil vom 12.07.2012, Az. I R 106/10).

Im Übrigen könne laut Körperschaftsteuerrichtlinien die Festsetzung einer Steuer unterbleiben, wenn die Kosten der Einziehung der Steuer einschließlich der Festsetzung außer Verhältnis zu dem festzusetzenden Betrag stehen, heißt es in der Antwort der Regierung (17/12985) auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (17/12897).

Quelle: Deutscher Bundestag

Bekämpfung von Steuerhinterziehung

EU-Kommission richtet Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen ein

Im Zuge ihres konzertierten Vorgehens gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung hat die Kommission heute die neue Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen eingerichtet. Diese Plattform soll die Fortschritte der Mitgliedstaaten beim Vorgehen gegen aggressive Steuerplanung und Steueroasen entsprechend der Empfehlungen (siehe IP/12/1325) überwachen, die die Kommission im vergangenen Jahr vorgelegt hat. Damit soll gewährleistet werden, dass die Mitgliedstaaten in einem koordinierten EU-Rahmen wirksame Maßnahmen ergreifen. Die Plattform wird sich aus einem breiten Spektrum von Interessenträgern – nationale Steuerbehörden, Europäisches Parlament, Unternehmen, wissenschaftliche Kreise, NRO und andere Beteiligte – zusammensetzen. Sie soll auch den Dialog und den Austausch von Fachwissen vereinfachen, was zu einem besser koordinierten und wirksameren Vorgehen der EU gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung führen kann.

Algirdas Šemeta, für Steuern, Zoll, Statistik, Audit und Betrugsbekämpfung zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission, erklärte: „Wenn wir gegen Steuerhinterziehung vorgehen, kämpfen wir für die Gerechtigkeit unserer Steuersysteme, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Es steht so viel auf dem Spiel, dass dieser Kampf nicht verlorengehen darf. Der neue Einsatz der Mitgliedstaaten ist sehr zu begrüßen und muss jetzt in Maßnahmen umgesetzt werden. Die Plattform, die ich heute einrichten werde, wird einen Beitrag leisten. Sie wird gewährleisten, dass bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung die Ergebnisse den Erwartungen gerecht werden.“

Die Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen ist eine Initiative des Aktionsplans der Kommission vom Dezember 2012 zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung (siehe MEMO/12/949). Sie wird sich aus rund 45 Mitgliedern zusammensetzen – jeweils einem hochrangigen Vertreter der Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten und bis zu 15 anderen Vertretern. Letztere werden anhand eines offenen Bewerbungsverfahrens von der Kommission ernannt. Die Aufforderung für Bewerbungen zur Auswahl der teilnehmenden Organisationen ist heute ebenfalls ergangen. Die Organisationen werden für eine dreijährige Mandatsperiode ausgewählt, die durch eine weitere erfolgreiche Bewerbung nach Ablauf dieses Zeitraums verlängert werden kann.

Hintergrund

Die Plattform wird insbesondere die Fortschritte bei zwei Empfehlungen des Aktionsplans verfolgen.

Die erste Empfehlung beinhaltet eine entschiedene Haltung der EU gegenüber Steueroasen, die über die derzeitigen internationalen Maßnahmen hinausgeht. Den Mitgliedstaaten werden einheitliche Kriterien an die Hand gegeben, um Steueroasen zu erkennen, so dass sie diese auf nationale schwarze Listen setzen können.

Die zweite Empfehlung betrifft die aggressive Steuerplanung. Sie führt aus, wie verhindert werden kann, dass Unternehmen Wege finden, um ihrer Steuerpflicht nicht in vollem Umfang nachzukommen. Es wird vorgeschlagen, die Missbrauchsbekämpfungsvorschriften in Doppelbesteuerungsabkommen, nationalen Rechtsvorschriften und dem Unternehmenssteuerrecht der EU zu verstärken. Künstliche Vorkehrungen, die eingeführt wurden, um eine Besteuerung zu vermeiden, würden außer Acht bleiben, und die Unternehmen würden stattdessen anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Substanz besteuert.

 

 

Gegen Steuerhinterziehung

Für die Bundesregierung zählt der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steueroasen zu den wichtigsten Aufgaben. Erst 2011 hat sie die gesetzlichen Regeln zur strafbefreienden Selbstanzeige deutlich verschärft. Nun arbeitet sie mit Nachdruck an einem verbesserten internationalen Informationsaustausch. Der fehlende Informationsaustausch mit anderen Staaten ist die Hauptursache für eine erfolgreiche Steuerflucht. Für Steuerhinterzieher galten früher vor allem die Staaten und Gebiete als besonders attraktiv, die sich nicht zum steuerlichen Informationsaustausch bereit erklärten.

Gesetzliche Hürden verschärft
Seit 2011 führt die steuerliche Selbstanzeige nur noch dann zur Straffreiheit, wenn Steuerhinterzieher alles offengelegen. Straffreiheit trifft erst ein, wenn die Selbstanzeige umfassend und vollständig ist. So genannte Teilselbstanzeigen sind nicht mehr möglich.

Der Zeitpunkt, bis zu dem eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich ist, wurde vorverlegt. In der Vergangenheit war dies bis zum Erscheinen des Steuerprüfers möglich. Nun ist es bereits zu spät, sobald die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde.

Die strafbefreiende Selbstanzeige ist dabei ein erfolgreiches Instrument zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Eine vollständige Abschaffung der Selbstanzeige hätte die Ermittlungsmöglichkeiten verringert.

50.000-Euro-Grenze: Für eine Strafbefreiung darf die Steuerhinterziehung grundsätzlich nicht mehr als 50.000 Euro ausmachen. Die Geständigen müssen die nicht gezahlten Steuern fristgerecht plus Zinsen nachzahlen. Wurden mehr als 50.000 Euro Steuern hinterzogen, tritt Straffreiheit nur ein, wenn neben der Steuernachzahlung samt Zinsen eine Zusatzleistung von 5 Prozent geleistet wird.

Steuerabkommen mit der Schweiz wäre richtig
Die Bundesregierung ist weiter davon überzeugt, dass das deutsch-schweizerische Steuerabkommen richtig gewesen wäre: „Wir brauchen ein solches Steuerabkommen mit der Schweiz, so wie es die Schweiz auch mit anderen Ländern geschlossen hat. Alles spricht für diese systematische, lückenlose Lösung, und eines Tages wird ein solches Abkommen auch kommen“, bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Das von der Bundesregierung mit der Schweiz ausgehandelte Steuerabkommen hätte gewährleistet, dass alle Steuerpflichtigen ihren Anteil für die Vergangenheit und für die Zukunft hätten leisten müssen. Da es nicht zustande gekommen ist, verjähren für die Vergangenheit jedes Jahr hunderte Millionen Euro an Steuerforderungen.

Auch für die Zukunft ist nicht gesichert, dass alle ihren fairen Anteil an der Steuerlast tragen – unabhängig davon, ob sie Konten in der Schweiz oder in Deutschland haben. Das Abkommen hätte zudem sichergestellt, dass die Steuerbehörden mit sehr einfachen, stichprobenartigen Abfragen feststellen könnten, wer noch ein Konto in der Schweiz hat.

Informationsaustausch verbessern
Die Bundesregierung geht das Thema „Steueroasen“ offensiv an. Erfolgreich kann man das Problem aber nur im internationalen Verbund lösen. Mittlerweile haben sich nahezu alle Staaten mit relevanten Finanzzentren zum steuerlichen Informationsaustausch verpflichtet.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat gemeinsam mit seinen Kollegen aus den USA, Großbritannien und Frankreich im Rahmen der G20 die so genannte BEPS-Initiative gestartet, mit der sie den Trend zu Gewinnverlagerungen von Unternehmen in Steueroasen stoppen wollen.

Deutschland hat sich stets für mehr Transparenz und einen verbesserten Informationsaustausch für Steuerzwecke – sowohl mit einzelnen Staaten als auch international – stark gemacht. So hat die Bundesrepublik die Chance genutzt und mit vielen Staaten entsprechende Informationsaustauschabkommen geschlossen. Diese Abkommen ermöglichen Informationen, wenn den Finanzbehörden bereits Anhaltspunkte vorliegen, dass Steuerpflichtige ihre Einkünfte oder Vermögenswerte ins Ausland verlagert haben könnten.

Nur noch wenige Ausnahmeregelungen
Besser ist es natürlich, wenn die Finanzverwaltungen die Informationen über verlagerte Einkünfte und Vermögen ohne konkrete Anfrage erhalten. Es können sich grundsätzlich alle EU-Mitgliedstaaten automatisch gegenseitig über Zinseinkünfte informieren. Allerdings machen zur Zeit noch Österreich und Luxemburg von Ausnahmeregelungen Gebrauch. Aufgrund des internationalen Drucks hat sich Luxemburg inzwischen bereit erklärt, ab 2015 zum automatischen Informationsaustausch überzugehen.

Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien haben inzwischen erklärt, den gegenseitigen Informationsaustausch auch auf Dividenden und Wertpapierverkaufserlöse auszudehnen.

Quelle: Bundesregierung

Niedersachsen stellt im Bundesrat Entschließungsantrag gegen Steuerbetrug

Die niedersächsische Landesregierung hat auf Vorschlag von Finanzminister Peter-Jürgen Schneider beschlossen, in der nächsten Bundesratssitzung gemeinsam mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz einen Entschließungsantrag zum Thema „Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit und gegen Steuerbetrug“ einzubringen, um kriminelle Steuerhinterziehung einzudämmen. Der Entschließungsantrag enthält ein Bündel von Maßnahmen um Steuerbetrug wirksam zu verhindern und aufzudecken. Damit soll die Bundesregierung zum verstärkten Handeln veranlasst werden.

Gefordert werden: u.a.:

neue Sanktionsmöglichkeiten gegen Banken, im Einzelfall bis zum Lizenzentzug,
ein effektiverer zwischenstaatlicher Informationsaustausch,
ein Aussetzen und Neuverhandeln von Doppelbesteuerungsabkommen mit Steueroasen
und eine deutliche Verlängerung der Verjährungsfristen für Steuerhinterziehung.

„Der Bundesfinanzminister hat in der laufenden Legislaturperiode außer Ankündigungen wenig gegen dieses massive Problem getan. Dabei zeigen der Skandal um Steueroasen, geheime Offshore-Finanzplätze und die alarmierend hohe Zahl von 40-50.000 Datensätzen auf der jüngst gekauften CD, dass sich immer noch zu viele Steuerhinterzieher in Sicherheit wiegen“, begründete Finanzminister Schneider diesen Schritt.

Nach seriösen Schätzungen entgehen dem Staat jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe.

Schneider erklärte dazu: „Wir müssen die Bundesregierung leider zum Handeln treiben. Durch ihre Untätigkeit auf diesem Feld schafft sie wachsenden Unmut bei den Bürgern. Wer Steuern hinterzieht lebt auf Kosten seiner Mitbürger. Wir werden dafür sorgen, dass der Ehrliche nicht länger der Dumme ist.“

Herausgeber: Nds. Finanzministerium

 

Häusliches Arbeitszimmer: Kosten trotz Poolarbeitsplatz abzugsfähig

Im Streitfall begehrte ein Arbeitnehmer den Werbungskostenabzug für sein häusliches Arbeitszimmer. Anhand einer Bescheinigung seiner Dienststelle wies er nach, dass bei seinem Arbeitgeber nur sog. Poolarbeitsplätze – auf acht Arbeitnehmer kommen drei Arbeitsplätze – bereitgehalten werden. Das Finanzamt lehnte den Abzug unter Hinweis darauf ab, dass dem Kläger von seinem Arbeitgeber ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde. Der Kläger müsse sich bescheinigen lassen, dass einem Antrag auf Zuweisung eines vollumfänglich nutzbaren Arbeitsplatzes nicht entsprochen werden könne.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und darauf hingewiesen, dass dem Kläger in den Streitjahren kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe, so dass der Abzugsauschluss nicht eingreife. Zwar handele es sich bei dem Büroarbeitsplatz in seiner Dienststelle um einen anderen Arbeitsplatz, dieser habe dem Kläger jedoch nicht für sämtliche beruflichen Zwecke zur Verfügung gestanden. Da der Kläger aufgrund der Unterdeckung an Arbeitsplätzen nicht jederzeit auf einen solchen hätte zugreifen können, habe er einen Großteil der im Rahmen seiner Tätigkeit anfallenden vor- und nachbereitenden Arbeiten im häuslichen Arbeitszimmer verrichten müssen. Dies rechtfertige den (beschränkten) Werbungskostenabzug.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Die Entscheidung im Volltext: 10 K 822/12 E

Finanzgericht Düsseldorf, 10 K 822/12 E

Datum:23.04.2013Gericht:Finanzgericht DüsseldorfSpruchkörper:10. SenatEntscheidungsart:UrteilAktenzeichen:10 K 822/12 E Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 6. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250,- € zu berücksichtigen.

Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 27. Juni 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 930,- € berücksichtigt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand2Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt als Betriebsprüfer beim Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (nachfolgend: FAfGKBp) Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.  Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten in der Dienststelle hatte sich der Kläger vor Jahren ein häusliches Arbeitszimmer eingerichtet.

3Ende 2008 wurde der Standort der Behörde verlegt. Laut einer Bescheinigung der Dienststelle vom 10. Dezember 2010 werden hier Poolarbeitsplätze im Verhältnis von acht Prüfern zu drei Arbeitsplätzen vorgehalten. Die Möglichkeit, per 1. Oktober 2009 aufgrund der zusätzlichen Anmietung eines weiteren Geschosses eine Aufstockung um elf weitere Arbeitsplätze durchzusetzen, wurde nach einer Bescheinigung der Dienststelle vom 8. April 2011 aus organisatorischen und wirtschaftlichen Erwägungen nicht genutzt.

4Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 1.146,20 € und im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 Aufwendungen von 929,06 € für das häusliche Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend.

5Mit Einkommensteuerbescheid vom 3. Mai 2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2009 auf 6.551,- € fest. Die geltend gemachten Kosten für das Arbeitszimmer berücksichtigte er unter Hinweis darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung darstelle, nicht. Der Bescheid erging vorläufig hinsichtlich der Anwendung der Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer.

6Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 bat der Kläger unter Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010 um Berichtigung u.a. der Einkommensteuererklärung 2009. Dabei machte der Kläger nunmehr zusätzlich die Kosten für zwei Teppiche in Höhe von insgesamt 204,47 € (zusammen somit: 1.259,86 €) für das Arbeitszimmer geltend.

7Nachdem der Beklagte den Antrag auf Berichtigung mit Bescheid vom 22. November 2010 abgelehnt und den Kläger aufgefordert hatte, eine Wohnflächenberechnung, Nachweise der Aufwendungen und eine Aufstellung der Kosten einzureichen, übermittelte der Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 seine Berechnung der Wohnfläche, auf die Bezug genommen wird. Dabei wies der Kläger u.a. darauf hin, dass das Schlafzimmer im Dachgeschoss aufgrund der beiderseitigen Schrägen nicht zum Wohnraum gehöre und eigentlich nicht in die Wohnflächenberechnung einzubeziehen sei. Das Büro hatte sich der Kläger nach dieser Aufstellung in einem Kellerraum des aus 2 Eigentumswohnungen bestehenden Hauses eingerichtet.

8Ohne die Teppiche kam der Kläger nunmehr zu einem Kostenanteil von 1.055,39 € für das Arbeitszimmer.

9Mit Bescheid vom 6. Januar 2011 lehnte der Beklagte erneut den Antrag auf nachträgliche Berücksichtigung der Arbeitszimmerkosten – diesmal unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 7. August 2003 (VI R 17/01, BStBl II 2004, 78) ‑ ab, weil dem Kläger von seinem Arbeitgeber ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde.

10Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 11. Januar 2011 Einspruch ein und machten geltend, dass der Arbeitnehmer in dem zitierten Urteil jederzeit über einen Arbeitsplatz habe verfügen können. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.

11Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 führte der Beklagte aus, aufgrund des Tätigkeitsbildes als Großbetriebsprüfer sei eine tagtägliche Nutzung eines Arbeitsplatzes außerhalb der zu prüfenden Betriebe nicht erforderlich. Ein Poolarbeitsplatz, welcher mit anderen Großbetriebsprüfern zu teilen sei, sei als ausreichend anzusehen, da die Kollegen den Arbeitsplatz auch nicht tagtäglich aufsuchen müssten. Da dem Kläger nach dem Geschäftsverteilungsplan der Dienststelle ein Zimmer mit fünf weiteren Kollegen zugewiesen sei, werde um Mitteilung gebeten, wieviele Arbeitsplätze in diesem Zimmer vorhanden seien.

12Nachfolgend ergänzte der Beklagte seine Ausführungen wie folgt:

13Sei die Anzahl der vorhandenen Schreibtische geringer als die Anzahl der Prüfer, die sich den Raum teilten, sei maßgebend, ob die Mitarbeiter den zur Verfügung stehenden Raum in dem für sie konkret erforderlichen Umfang nutzen könnten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die Mitarbeiter von Prüfungsfinanzämtern überwiegend im Außendienst befinden würden. Teilten sich acht Prüfer gemeinsam einen Raum mit nur drei Schreibtischen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der einzelne Prüfer den Raum nicht für sämtliche erforderlichen Tätigkeiten nutzen könne, weil die vorhandenen Schreibtische bereits von anderen Prüfern besetzt seien. In diesem Fall stehe den acht betroffenen Prüfern kein „anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung, wenn sie auch auf Antrag keinen Arbeitsplatz im Prüfungs- oder einem Festsetzungsfinanzamt gestellt bekommen würden, den sie für sämtliche erforderlichen Tätigkeiten nutzen könnten.

14Aus den bisher vorgelegten Bescheinigungen gehe nicht hervor, dass dem Kläger auch auf Antrag kein entsprechender Arbeitsplatz habe zur Verfügung gestellt werden können.

15Mit Schreiben vom 10. November 2011 forderte der Beklagte die Beibringung einer Bescheinigung, die konkret wiedergebe, dass ein Antrag des Klägers auf eine feste räumliche Zuweisung im Dienstgebäude gestellt und abgelehnt worden sei.

16Dem entgegneten die Kläger, der Kläger sei in einem Prüfungsfinanzamt mit ca. 120 Prüfern tätig. Schätzungsweise 60-80 Prüfer hätten keinen Arbeitsplatz in der Dienststelle bei höchstens 11 möglichen Arbeitsplätzen. In diesen 11 Arbeitsplätzen seien aber schon die Arbeitsplätze für Prüfungen an Amtsstelle enthalten. Aus diesen tatsächlichen Gegebenheiten habe sich schon kein Grund ergeben, einen Arbeitsplatz in der Dienststelle zu beantragen. Dies sei für die Anerkennung der Aufwendungen auch nicht Voraussetzung.

17Mit Einkommensteuerbescheid vom 6. Juni 2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2010 – wiederum ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer ‑ auf 6.587,- € fest.

18Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 7. Juni 2011 Einspruch ein. Unter dem 27. Juni 2011 erging für 2010 ein aus hier nicht mehr streitigen Gründen geänderter Einkommensteuerbescheid.

19Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.

20Zur Begründung machte er geltend, die Feststellung, dass kein anderer Arbeitsplatz im Sinne von § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 und 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 zur Verfügung stehe, sei u.a. an die Voraussetzung geknüpft, dass der Dienstherr auch auf Antrag keinen Arbeitsplatz schaffen könne. Das vergebliche Bemühen um eine feste räumliche Zuweisung im Dienstgebäude sei durch Negativbescheid zu belegen. Der Kläger habe weder in der Vergangenheit, noch aktuell mit Indizwirkung für die Streitjahre einen Antrag auf feste räumliche Zuweisung im Dienstgebäude gestellt.

21Was die Durchsetzung der von ihm in Anspruch genommenen Steuervergünstigungsvorschrift angehe, vermöge die von ihm prognostizierte Erfolglosigkeit jedoch nicht von der Sinnhaftigkeit des Antragsverfahrens abzulenken und von seiner Durchführung zu entlasten. Nur so sei gewährleistet, dass Aussagen zu den Unterbringungsmöglichkeiten eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Prüfung zugrunde liege. Diese Notwendigkeit belegten auch die Angaben zu dem im Streitfall maßgebenden Sachverhalt. Sie dokumentierten, dass individuelle Lösungen bei Nachfrage nicht vollkommen ausgeschlossen seien. Ob die Bescheinigung vom 8. April 2011 mangelndes Interesse derer dokumentiere, die über ein häusliches Arbeitszimmer verfügten, sei nicht eindeutig ablesbar, aber denkbar.

22Mit der am 1. März 2012 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

23Ergänzend machen sie geltend, laut Ziffer VI 15 des Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. März 2011 über die einkommensteuerliche Behandlung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entfalle die Erforderlichkeit des häuslichen Arbeitszimmers nur dann, wenn ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, der so beschaffen sei, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen sei.

24Nach Ziffer VI 18 werde lediglich das konkrete Darlegen des Nicht-zur-Verfügung-Stehens eines anderen Arbeitsplatzes verlangt. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers werde hingegen nicht für unbedingt erforderlich erachtet, sondern lediglich als Indiz für das Nicht-zur-Verfügung-Stehen eines anderen Arbeitsplatzes gesehen.

25Der Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, mit den anderen Prüfern zu jeweils unterschiedlichen Tageszeiten die Arbeitsplätze zu nutzen oder morgens mit ihnen um die Arbeitsplätze zu kämpfen. Die Dienstzeiten seien bei den Prüfern vergleichbar. Eine dienstliche Regelung hinsichtlich einer Zuordnung der Arbeitsplätze an die Prüfer unter Berücksichtigung der Frage, wer Innendienst zu verrichten habe, existiere nicht.

26Die Kläger beantragen,

27

  • 281 den Beklagten zu verpflichten, unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 6. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250,- € zu berücksichtigen,
  • 292 unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2010 vom 27. Juni 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 930,- € zu berücksichtigen,
  • 303 hilfsweise, die Revision zuzulassen.

31Der Beklagte beantragt,

32

  • 331 die Klage abzuweisen,
  • 342 hilfsweise, die Revision zuzulassen.

35Ergänzend macht er geltend, es reiche eine Bescheinigung, aus der hervorgehe, dass bei Stellung eines entsprechenden Antrages auf Erhalt eines Arbeitsplatzes diesem nicht hätte entsprochen werden können. Jedoch auch eine solche Bescheinigung liege nicht vor. Sie sei aber unerlässlich und solle belegen, dass dem Kläger in den Streitjahren auch auf entsprechenden Antrag hin kein Arbeitsplatz im FAfGKBp oder einem wohnortnahen Festsetzungsfinanzamt zur Verfügung gestellt worden wäre, den er für sämtliche erforderlichen Tätigkeiten hätte nutzen können.

36Dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2012 (EFG 2012, 1432) sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht zu folgen. Das Finanzgericht habe nicht geprüft, ob dem Kläger auf Antrag ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden wäre.

37Unter dem 11. April 2013 hat der Beklagte ein Schreiben der Oberfinanzdirektion Rheinland überreicht, auf das Bezug genommen wird. In diesem Schreiben ist u.a. ausgeführt, in dem vom Finanzministerium genehmigten Raumbedarfsplan für das FAfGKBp würden Prüfer von Großbetrieben mit 70 % des Stellensolls berücksichtigt. Das FAfGKBp nutze nicht alle zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten selbst. Diese Räumlichkeiten könnten jedoch im Bedarfsfall ebenfalls Prüfern als Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Das FAfGKBp habe bisher nicht bemängelt, dass die Unterbringungssituation nicht ausreichend sei. Bei einer Begehung des Finanzamtes im März 2011 sei festgestellt worden, dass dort zum damaligen Zeitpunkt 12 % (14 von 116) der Betriebsprüfer einen persönlich zugewiesenen Arbeitsplatz ständig nutzten und aufgrund der räumlichen Situation noch zahlreiche weitere Arbeitsplätze persönlich hätten zugewiesen werden können.

38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Bauakten des Hauses der Kläger, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

39Entscheidungsgründe

40Die Klage ist begründet.

41Die Bescheide vom 6. Januar 2011 (betr. 2009) und vom 27. Juni 2011 (Einkommensteuerbescheid 2010), jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012, sind rechtswidrig und verletzen die Kläger insoweit in ihren Rechten (§§ 101 Satz 1, 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung ‑FGO‑), als der Beklagte die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat.

42Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt –BGBl‑ I, S. 1768) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 EStG u.a. dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 1. Halbs. der Vorschrift die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt. Auf die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 3 2. Halbs. EStG mögliche unbeschränkte Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für den Fall, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, kommt es vorliegend nicht an, da der Kläger in keinem Streitjahr über 1.250 € liegende Aufwendungen geltend macht.

43§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG in der vorgenannten Fassung ist auf die hier relevanten Streitjahre anzuwenden, denn nach der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt diese Vorschrift für alle offenen Fälle ab 2007.

44Dem Kläger stand in den Streitjahren für seine berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz im Sinne der vorgenannten gesetzlichen Regelung zur Verfügung.

45Ein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Die Abzugsbeschränkung setzt keinen eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich voraus. Auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung sein (BFH-Urteil vom 7.8.2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, Bundessteuerblatt –BStBl‑ II 2004, 78; FG Niedersachsen, Urteil vom 22. Juni 2010, 12 K 482/08, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG‑ 2011, 602). Des Weiteren setzt die gesetzliche Regelung auch nicht voraus, dass dem Steuerpflichtigen ein „angemessener“ oder „ruhiger“ anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (FG Niedersachsen, Urteil vom 22. Juni 2010, 12 K 482/08, EFG 2011, 602). So ist Publikumsverkehr für die Frage, ob es sich um einen anderen Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung handelt, grundsätzlich ebenfalls unbeachtlich (BFH-Urteile vom 7.8.2003 VI R 118/00, BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82 und vom 7.8.2003 VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83).

46Ein solcher Arbeitsplatz steht allerdings nur dann „für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit … zur Verfügung“, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob ein ‑ an sich vorhandener ‑ anderer Arbeitsplatz auch tatsächlich für alle Aufgabenbereiche dieser Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und insbesondere aus dem ihr zugrunde liegenden Leitgedanken der „Erforderlichkeit“ von Aufwendungen. Der Steuerpflichtige ist auch dann auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen, wenn er dort einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten muss (BFH-Urteil vom 7.8.2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78).

47Die Beurteilung, ob ein anderer Arbeitsplatz für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit genutzt werden kann, ist anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 5.3.2008 VI B 95/07, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‑BFH/NV‑ 2008, 956 m.w.N.; BFH-Urteil vom 5.10.2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127).

48Entsprechend den vorstehenden Grundsätzen ist der Arbeitsplatz des Klägers im FAfGKBp als Büroarbeitsplatz ein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung. Dieser stand dem Kläger jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht für sämtliche beruflichen Zwecke zur Verfügung.

49Auf die Prüfung vor Ort hat sich ein Betriebsprüfer, der – wie der Kläger – überwiegend Großbetriebe prüft, an Hand der Steuerakten des jeweiligen Falles vorzubereiten. Die Ergebnisse seiner Prüfung hat der Außenprüfer in Form eines Prüfungsberichtes niederzulegen, dessen Abfassung wesentlicher Teil seiner Tätigkeit ist. Für diese vor- und nachbereitenden Arbeiten im Rahmen einer Außenprüfung bedarf der Prüfer eines Büroarbeitsplatzes. Dementsprechend hat auch der Kläger geschildert, dass er – nachdem er die Akten bei der Finanzbehörde abgeholt hat – zunächst alle daraus ersichtlichen, relevanten Daten in seinem PC speichert, um sodann die Entscheidung zu treffen, ob er den Betrieb überhaupt prüft und gegebenfalls den Prüfungsumfang für sich festzulegen. Die Prüfung einschließlich der Schlussbesprechung werde dann regelmäßig im Unternehmen durchgeführt. Im Anschluss daran fertige er den BP-Bericht, wobei er die rechtliche Würdigung unter Einbeziehung der mit Hilfe seines dienstlichen Notebooks zugänglichen Datenbanken wie Juris und SIS erarbeite. Schließlich bereite er das Ergebnis seiner Prüfung für das Festsetzungsfinanzamt soweit vor, dass etwaige Änderungsbescheide im Prinzip fertig seien. Die von ihm erstellten Eingabewertbögen überlasse er sodann den Festsetzungsfinanzämtern. Dazu müsse er seine während der Prüfung ermittelten Daten umarbeiten, da diese seitens der Finanzämter bei Erstellung der Festsetzungsbescheide aufgrund der nicht kompatiblen Programme nicht unmittelbar genutzt werden könnten.

50Ein für die vorstehend wiedergegebenen Arbeitsschritte erforderlicher Büroarbeitsplatz stand dem Kläger in den Räumen des FAfGKBp nach objektiven Gesichtspunkten nicht zur Verfügung.

51Die Oberfinanzdirektion Rheinland selbst hat in ihrem Schreiben vom 10. April 2013 ‑ bezogen auf die Prüfer von Großbetrieben ‑ eine 30 %ige Unterdeckung bei den Arbeitsplätzen im FAfGKBp eingeräumt.

52Nach dem Vorbringen der Beteiligten und den schriftlichen Angaben des Vorstehers im Einspruchsverfahren waren die räumlichen und personellen Verhältnisse in den Streitjahren so, dass im Gebäude drei Poolarbeitsplätze für 8 Prüfer vorhanden waren. Bei isolierter Betrachtung der den Sachgebieten zugeordneten Zimmer ist somit ebenfalls unstreitig keine 100 %ige Deckungsquote festzustellen. Denn bei acht Prüfern und drei Poolarbeitsplätzen ergibt sich eine (noch ungünstigere) 37 %ige Unterdeckung. Damit lag die Unterdeckung in den Jahren 2009 und 2010 wesentlich höher als im Veranlagungszeitraum 2008, in dem sie sich auf 13,35 % belief und in dem der Beklagte die Kosten des Arbeitszimmers als Werbungskosten anerkannt hat.

53Einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit musste der Kläger von daher jedenfalls in den Streitjahren in seinem häuslichen Arbeitszimmer verrichten. Zwar ist es, wie oben ausgeführt, irrelevant, ob der Steuerpflichtige sich ein Großraumbüro mit anderen teilen muss und dort keinen fest zugewiesenen eigenen Schreibtisch hat. Erforderlich für einen „anderen Arbeitsplatz“ i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG ist aber, dass der Steuerpflichtige jederzeit für die dienstlich erforderlichen Büroarbeiten auf einen für ihn nutzbaren Arbeitsplatz zugreifen kann. Davon kann bei 3 Arbeitsplätzen für 8 Prüfer nicht ausgegangen werden. Der Steuerpflichtige kann nicht darauf verwiesen werden, zu verschiedenen Tageszeiten auf der Suche nach einem freien Schreibtisch „sein Glück zu versuchen“ oder morgens mit anderen Prüfern einen Wettstreit um den letzten verfügbaren Arbeitsplatz auszutragen (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 29.2.2012, 7 K 3963/11 E, EFG 2012, 1432). Eine dienstliche Regelung, wonach an bestimmten Tagen die vorhandenen Arbeitsplätze individuell der entsprechenden Anzahl an Prüfern zugeordnet wurde, weil diese nach den Prüfgeschäftsplänen Innendienst zu verrichten hatten, existierte jedenfalls nicht.

54Abgesehen davon steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es dem Kläger angesichts der geschilderten Ausstattung des Dienstzimmers, welches ihm und den übrigen Kollegen des Sachgebietes zugeteilt worden war, beispielsweise überhaupt nicht möglich gewesen wäre, dort die Akten, die er zur Vor- und Nachbereitung einer Prüfung benötigte, während dieser mehr als einen Tag dauernden Arbeitsphasen ordnungsgemäß dauerhaft aufzubewahren. Das Poolzimmer wird nach den Schilderungen des Klägers zudem unter Umständen auch sachgebietsübergreifend genutzt, so dass er dann gezwungen ist, irgendwo in dem Dienstgebäude nach einem freien Arbeitsplatz zu suchen.

55Dass der Kläger eingeräumt hat, er habe bislang noch immer einen freien Schreibtisch bzw. eine freie Telefonanlage zum Abrufen der E-Mails und Updaten seines Rechners gefunden, ändert nichts an dem Ergebnis. Denn ein Arbeiten in dem geschilderten, konkret notwendigen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise wird dem Kläger in dem Dienstgebäude dadurch nicht ermöglicht.

56Selbst nach der zusätzlichen Anmietung eines weiteren Geschosses ab Oktober 2009 haben sich die Verhältnisse im FAfGKBp nicht derart geändert, dass dem Kläger nunmehr ein eigener Arbeitsplatz im Amt zur Verfügung gestanden hätte. Vielmehr ist dem Kläger unter dem 10. Dezember 2010 bescheinigt worden, dass nach wie vor ein Poolarbeitsplatz in einem Verhältnis von acht Prüfern zu drei Arbeitsplätzen vorgehalten wird.

57Auch der Beklagte scheint ausweislich seines Schreibens vom 14. März 2011 (1. Seite, letzter Satz) sowie der Einspruchsentscheidung (2. Seite, letzter Absatz) davon auszugehen, dass der Kläger in den Streitjahren den Büroarbeitsplatz im FAfGKBp nicht in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen konnte. Für diesen Fall stellt er jedoch die zusätzliche Anforderung auf, dass dem Steuerpflichtigen auch auf seinen Antrag hin kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.

58Auf die Frage, ob dem Kläger auch auf seine Nachfrage hin ein Arbeitsplatz seitens seines Arbeitgebers in dem Dienstgebäude hätte eingerichtet werden können, kommt es hier aber nicht an. Ein vergebliches Bemühen gegenüber dem Arbeitgeber um einen Arbeitsplatz setzt der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 EStG nicht voraus (vgl. auch Söhn in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 4 Rdnr. Lb 145).

59Die Frage, ob jemand nicht nur keinen Arbeitsplatz hat, sondern er sich auch keinen Arbeitsplatz einrichten kann, stellt sich – unter dem Blickwinkel der Erforderlichkeit ‑ in erster Linie bei Selbständigen (ständ. BFH-Rspr., s. z.B. BFH-Urteil vom 7.4.2005 IV R 43/03, BFH/NV 2005, 1541) und mag unter Umständen auch bei einem Arbeitnehmer von Relevanz sein, dem die Organisation seines Arbeitsplatzes allein obliegt (vgl. FG München, Urteil vom 24. November 2011, 11 K 1167/11, EFG 2012, 1047). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass diese Steuerpflichtigen andernfalls durch entsprechende Gestaltung des außerhäuslichen Arbeitsplatzes das grundsätzliche Abzugsverbot für das häusliche Arbeitszimmer unterlaufen könnten.

60Diese Fälle unterscheiden sich jedoch von dem Vorliegenden, in dem der Arbeitgeber selbst beim Erstbezug des Dienstgebäudes offensichtlich darum bemüht war, nur denjenigen Arbeitnehmern einen festen Arbeitsplatz zuzuweisen, die sich zu Hause kein Arbeitszimmer einrichten konnten. Denn nur so kann die Schilderung des Klägers verstanden werden, anlässlich des Umzuges im Jahr 2008 seien die Prüfer gefragt worden, ob sie an einem Dienstzimmer interessiert seien. Es habe sich aber möglichst niemand melden sollen, der über ein häusliches Arbeitszimmer verfüge. Der Kläger hatte danach jedenfalls keine Position inne, die es ihm ermöglicht hätte, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen in den Streitjahren sich selbst einen anderen Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG in dem Dienstgebäude des FAfGKBp zu verschaffen.

61Soweit der Beklagte geltend macht, der Kläger hätte jederzeit Räume eines Festsetzungsfinanzamtes in seinem Bezirk nutzen können, mag es zwar zutreffen, dass es in den verschiedenen Finanzämtern nutzbare Räume gegeben hat, sofern diese nicht für andere Zwecke – Dienstbesprechungen, Personalratssitzungen u.Ä. – benötigt wurden. Der Kläger kann aber nicht darauf verwiesen werden, sich zur Erledigung seiner schriftlichen Arbeiten irgendeinen freien Schreibtisch in irgendeinem Finanzamt in erreichbarer Nähe zu suchen (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 29. Februar 2012 7 K 3963/11 E, EFG 2012, 1432). Maßgebend ist allein, ob ihm im Dienstgebäude des FAfGKBp, dem der Kläger zugewiesen ist, ein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung für seine sämtlichen beruflichen Zwecke zur Verfügung steht.

62Da dem Kläger somit im Ergebnis in den Streitjahren kein anderer Arbeitsplatz für die berufliche Tätigkeit zur Verfügung stand, waren die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, welches unstreitig die Anforderungen erfüllt, die an ein häusliches Arbeitszimmer i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 EStG zu stellen sind, im Streitjahr 2009 mit 1.250 € und im Streitjahr 2010 mit 930,- € abzugsfähig. Hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten ausweislich ihrer Erklärung zu Protokoll des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ebenfalls Übereinstimmung.

63Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

64Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung –ZPO‑.

65Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob Arbeitnehmer dann, wenn weniger Büroarbeitsplätze als Mitarbeiter im Büro vorhanden sind, einen anderen Arbeitsplatz i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG haben bzw. ob das Nichtvorhandensein eines anderweitigen Arbeitsplatzes im Sinne der Vorschrift dann davon abhängt, dass sich der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber um die Zuweisung eines vollumfänglich nutzbaren Arbeitsplatzes vergeblich bemüht, ist bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Schärfere Regelung für Probezeit vor Pensionszusage

Schärfere Regelung für Probezeit vor Pensionszusage

Rechtslage
Für Pensionszusagen gilt allgemein, dass dafür Rückstellungen in der Steuerbilanz gebildet werden können. Die Bildung ist nur dann wirksam, wenn eine zivilrechtlich wirksame Zusage erteilt wurde, die den formellen Voraussetzungen der einkommensteuergesetzlichen Bestimmungen entspricht und die Zusage in einer Gesamtbetrachtung nicht zu einer Überversorgung führt. Finanzverwaltung und Rechtsprechung fordern weitere spezielle Voraussetzungen, damit eine Versorgungszusage steuerlich nicht am Prinzip der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) scheitert. Es soll verhindert werden, dass Gewinnverwendungen und Vermögensvorteile der Gesellschaft unangemessenerweise in steuerwirksame Betriebsausgaben transferiert werden (vGA). Zu erfüllende Kriterien sind: Erdienbarkeit der Zusage, anerkennungsrechtliche Probezeit, Angemessenheit der Bezüge, Finanzierbarkeit, Finanzierungsendalter, Üblichkeit und besondere Unverfallbarkeitsvoraussetzungen. Hier spielt insbesondere die Länge der Probezeit eine besondere Rolle. Erst nach deren Ablauf gilt die Pensionszusage als durch das Anstellungsverhältnis veranlasst. Jetzt hat das Bundesfinanzministerium (BMF) detailliert zu der Frage der Probezeit bei Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften Stellung genommen.

Neue Verwaltungsanweisung  
Das BMF unterscheidet zunächst zwischen zusage- und versorgungsfreier Zeit: Als Probezeit ist der Zeitraum zwischen Dienstbeginn und erstmaliger Vereinbarung einer schriftlichen Pensionszusage (zusagefreie Zeit) zu verstehen. Der Zeitraum zwischen Erteilung und erstmaliger Anspruchsberechtigung (versorgungsfrei Zeit) zählt nicht zur Probezeit. Grundsätzlich ist eine Probezeit von 2-3 Jahren einzuhalten. Bei einer neu gegründeten Kapitalgesellschaft muss diese zuvor allerdings ihre künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zuverlässig abschätzen können, die frühestens nach 5 Jahren möglich sein soll. Bei früherer Erteilung wird eine vGA unterstellt. Eine kürzere Probezeit als 5 Jahre ist möglich, wenn das Unternehmen in anderer Rechtsform seit Jahren tätig war und z. B. durch Betriebsaufspaltung oder Umwandlung die neue Rechtsform erhalten hat. Bei so genannten Management-Buy-Outs soll eine Probezeit von 1 Jahr genügen. Auch die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Probezeitregelung wurden verschärft: Wird die Pensionszusage noch während der Probezeit vereinbart, sind sämtliche Rückstellungen als vGA zu behandeln, auch solche, die erst nach Ende der Probezeit zu bilden sind. Damit ist auch das Haftungsrisiko für die Beratung im Zusammenhang mit der Erteilung einer Pensionszusage erheblich gestiegen.

Konsequenz
Das BMF schließt sich mit der Verwaltungsanweisung der strengen Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2010 an. Die Anweisungen gelten für alle nach dem 29.7.2010 (dem Veröffentlichungsdatum des BFH-Urteils) erteilten Pensionszusagen. Für solche Zusagen, die danach erteilt wurden, ist daher unbedingt zu prüfen, ob sie den strengeren Anforderungen genügen. Gegebenenfalls muss eine bestehende aufgehoben und eine neue erteilt werden; eventuell kann eine Klärung durch Einholen einer verbindlichen Auskunft angezeigt sein.