Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

Physiotherapeuten: Nicht jede Massage ist steuerfrei

Physiotherapeuten: Nicht jede Massage ist steuerfrei

Kernaussage

Heilberufliche Leistungen sind nur von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie ein therapeutisches Ziel verfolgen. Leistungen, die lediglich der Wellness oder der Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens dienen, fallen nicht hierunter.

Neue Verwaltungsanweisung

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M. hat nun die Leistungen von Physiotherapeuten bzw. staatlich geprüften Masseuren unter die Lupe genommen. Deren Leistungen sind nur dann steuerbefreit, wenn sie ärztlich verordnet sind oder es sich um Leistungen im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme handelt. Leistungen, die ohne ärztliche Anordnung lediglich aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden bzw. der Wellness dienen, sind dagegen nicht steuerbefreit. Behandlungen im Anschluss an eine ärztliche Diagnose, für die die Patienten die Kosten selbst tragen, sind nun auch nur noch steuerbefreit, wenn sie ärztlich verordnet sind. Anderenfalls handelt es sich um steuerpflichtige Präventionsmaßnahmen. Soweit physiotherapeutische Leistungen steuerpflichtig sind, kommt der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung.

Konsequenzen

Physiotherapeuten müssen sich darauf einstellen, dass die Finanzverwaltung die genannten Vorgaben überprüfen wird. Hierbei fordert der Fiskus, dass die Steuerbefreiung in jedem Einzelfall nachzuweisen ist. Dies dürfte insbesondere für die ärztlichen Verordnungen gelten. Die entsprechenden Unterlagen sind daher aufzubewahren. Soweit steuerpflichtige Umsätze vorliegen, bedeutet dies nicht zwingend, dass auch Umsatzsteuer abzurechnen und abzuführen ist. Sofern die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer (17.500 EUR) nicht überschritten wird, kann dies unterbleiben. Soweit Umsatzsteuer entsteht, ist zu berücksichtigen, dass korrespondierend hierzu das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht. Der Vorsteuerabzug ist jedoch nur möglich, wenn ordnungsgemäße Eingangsrechnungen vorliegen. Hierauf sollte geachtet werden, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass Umsatzsteuer entsteht.

Standardsoftware auf Datenträger ist immaterielles Wirtschaftsgut

Standardsoftware auf Datenträger ist immaterielles Wirtschaftsgut

Kernproblem

Steuerpflichtige können für die zukünftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens unter bestimmten Voraussetzungen gewinnmindernde Abzugsbeträge von bis zu 40 % der geplanten Kosten geltend machen (ab 2008 als Investitionsabzugsbetrag, davor als Ansparabschreibung). Der Abzug setzt jedoch die „Beweglichkeit“ des Anlageguts voraus. Beweglich oder unbeweglich können nach allgemeiner Auffassung nur materielle Wirtschaftsgüter sein, nicht dagegen immaterielle. Wird ein Abzugsbetrag für eine geplante Anschaffung von Software begehrt, wird das in den meisten Fällen zu Problemen führen, denn die Finanzverwaltung sieht grundsätzlich nur Trivialprogramme von bis zu 410 EUR als materiell an.

Sachverhalt

Ein selbstständiger Systementwickler und Systeminstallateur beantragte eine Ansparabschreibung auf den beabsichtigten Erwerb von Systemsoftware von fast 70.000 EUR. Das Finanzamt gewährte zunächst den Abzug und machte ihn dann später im Rahmen einer Betriebsprüfung wieder rückgängig. Der Prüfer war der Auffassung, bei Systemsoftware handele es sich unabhängig von der Handelsüblichkeit um ein immaterielles Wirtschaftsgut. Das Finanzgericht dagegen sah in datenträgergebundenen Standardprogrammen – im Gegensatz zu Individualsoftware – materielle und bewegliche Wirtschaftsgüter. Das Finanzamt zog vor den Bundesfinanzhof (BFH) und bekam Recht.

Entscheidung

Der BFH hielt an dem Grundsatz fest, dass Computerprogramme grundsätzlich immaterielle Wirtschaftsgüter sind. Dies gelte auch dann, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert sind. Ausnahmen seien für Datensammlungen möglich, die keine Befehlselemente und allgemein bekannte und jedermann zugängliche Daten enthielten, wie z. B. Zahlen oder Buchstaben. Für eine Beurteilung komme es darauf an, auf welches Wirtschaftsgut sich der künftige Anschaffungsvorgang beziehe. Nicht maßgebend sei die Funktion der Software nach ihrer Verbindung mit dem bei dem Erwerber bereits vorhandenen Gerät. Wo sich der Schwerpunkt des Gesamtpakets nach der Verbindung befinde, sei unerheblich. So beschränke sich im Streitfall der materielle Gehalt auf den Datenträger. Dieser diene dem Transport der Software sowie dem Übertrag in einen Computer und verliere anschließend seine Bedeutung.

Konsequenz

Unterläuft bei Auswahl der Investition ein Fehler, drohen Zinsnachteile. Ein Austausch mit einem anderen Wirtschaftsgut kommt dann meist aus zeitlichen Gründen wegen des fehlenden Finanzierungszusammenhangs nicht mehr in Betracht.

Verdeckte Sacheinlage bei doppelter Zahlung des Einlagebetrags

Verdeckte Sacheinlage bei doppelter Zahlung des Einlagebetrags

Kernaussage

Als verdeckte Sacheinlage wird eine Umgehung der Einlagevorschriften des GmbH- und Aktienrechts bezeichnet. Dabei vereinbaren die Parteien formell eine Bareinlagepflicht, erklären diese gegenüber dem Registergericht und zahlen die Barschuld ein. Tatsächlich besteht jedoch die Abrede, das eingezahlte Geld sofort nach Eintragung der Bargründung bzw. Barkapitalerhöhung gegen einen Vermögensgegenstand eines Gesellschafters durch Kaufvertrag auszutauschen. Schließlich hat die Gesellschaft nur Sachwerte, für die aber die gesetzlichen Publizitäts- und Bewertungsvorschriften umgangen wurden. Der Gesellschafter hat hingegen das eingezahlte Bargeld in Form des Kaufpreises zurückerhalten. Ein solches Austauschgeschäft ist nach der GmbH-Gesetzesnovelle nun nicht mehr nichtig, sondern bleibt gültig. Die Einlageschuld konnte zwar durch die erstmalige Zahlung nicht erfüllt werden, doch wird der Wert der verdeckten Sacheinlage auf die offene Einlageschuld angerechnet. Entsprach der Wert des Gegenstand der verdeckten Einlage also tatsächlich der Höhe der Bareinlageschuld, treffen den Gesellschafter keine negativen Konsequenzen. Blieb der Wert der Einlage dahinter zurück, so wird im Ergebnis eine Differenzhaftung angewendet. Hierzu entschied der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt folgendes: Zahlt ein Gesellschafter den Einlagebetrag nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein zweites Mal an die GmbH, verbunden mit der Anweisung, die Zahlung an ihn zur Tilgung aus einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch zurück zu überweisen, liegt darin eine verdeckte Sacheinlage in Form des Hin- und Herzahlens.

Sachverhalt

Die Beklagten sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die wiederum Alleingesellschafterin einer insolventen GmbH, war. Bereits vor Eintragung einer Kapitalerhöhung im Jahr 2000 gingen auf Konten der GmbH 2 Mio. DM mit dem Vermerk „T-Gruppe Stammkapitalerhöhung“ ein. Eine von den Beklagten beherrschte KG hatte der GbR insoweit ein Darlehen gegeben. Bei Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses waren die 2 Mio. DM fast vollständig verbraucht. Später nahm die GbR ein Bankdarlehen über 2 Mio. DM auf und überwies die Summe an die GmbH mit Verwendungszweck „Stammeinlage“. Am selben Tag überwies die GmbH den Betrag weiter an die KG um deren Darlehensforderung gegen die GbR zu tilgen. Nach Insolvenz der GmbH im Jahr 2007 klagte der Insolvenzverwalter gegen die Beklagten wegen Nichterbringung der Einlage und gewann vor dem Oberlandesgericht. Der BGH hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück.

Entscheidung

Die Voreinzahlung der GbR führte nicht zum Erlöschen der Einlageforderung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wurde aufgrund der Nichttilgung der Einlageverpflichtung trotz Zahlung die Bereicherungsforderung des Gesellschafters eingebracht. Dies stellt einen Fall der verdeckten Sacheinlage dar. Die GbR hat mit der zweiten Einzahlung zu verdecken versucht, dass sie ihre Bereicherungsforderung gegen die GmbH aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung als Sacheinlage eingebracht hat. Die nochmalige Zahlung des Einlagebetrags führte auch nicht zum Erlöschen, da dieser Betrag noch am selben Tag zurückfloss, da die Rückzahlung mittelbar auf Anweisung über die KG an die GbR erfolgte.

Konsequenz

Entscheidend ist vorliegend – und darüber muss nun auch das Oberlandesgericht erneut entscheiden – ob dem Gesellschafter der Nachweis gelingt, dass die eingebrachte Bereicherungsforderung bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung vollwertig war.

Suche nach Mitarbeitern zwischen „25 und 35“ ist diskriminierend

Suche nach Mitarbeitern zwischen „25 und 35“ ist diskriminierend

Kernfrage

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen unter anderem wegen des Alters. Folge einer Diskriminierung ist die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs. Dieser Schutz beginnt im Arbeitsrecht bereits bei der Stellenausschreibung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob eine diskriminierende Stellenbeschreibung auch dann zu einem Entschädigungsanspruch führen kann, wenn der Arbeitgeber gar keinen Bewerber eingestellt hat.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber hatte in einer Stellenausschreibung Arbeitnehmer „im Alter zwischen 25 und 35 Jahren“ gesucht. Der 53jährige Kläger hatte sich daraufhin beworben, war aber nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden, obwohl er nach seiner Auffassung geeignet gewesen wäre. Der Kläger verlangte daraufhin Schadensersatz wegen Altersdiskriminierung. Tatsächlich hatte der Arbeitgeber gar keinen Arbeitnehmer auf die Stellenausschreibung eingestellt und sogar einen älteren Arbeitnehmer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Der Kläger sei auch insbesondere deshalb nicht eingeladen worden, hieß es, weil er über 500 Kilometer weit weg wohne.

Entscheidung

Nachdem die Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, hob das BAG dieses Urteil auf und verwies zur erneuten Entscheidung zurück. Die Vorinstanz habe unzulässiger Weise angenommen, dass der Schadensersatzanspruch schon deshalb ausgeschlossen sei, weil kein anderer Bewerber eingestellt worden war. Diese Tatsache sei kein Ausschlussgrund einer Entschädigung. In der neuerlichen Verhandlung muss die Vorinstanz klären, ob der Bewerber objektiv geeignet gewesen wäre und tatsächlich eine Altersdiskriminierung vorgelegen hat.

Konsequenz

Die Entscheidung birgt Risiken für Arbeitgeber, weil nicht einmal wirtschaftliche Gründe für eine Nichteinstellung bei einer diskriminierenden Stellenausschreibung den Schadensersatzanspruch ausschließen. Aus diskriminierungsrechtlicher Sicht ist die Entscheidung konsequent, weil der Arbeitgeber ansonsten durch Nichteinstellung Schadensersatzansprüche unterlaufen könnte.

Zuschätzungen auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs zulässig

Zuschätzungen auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs zulässig

Kernaussage

Bei einem so genannten Zeitreihenvergleich werden Umsatz und Wareneinsatz in verschiedenen Perioden, z. B. Kalenderwochen, gegenübergestellt und Schwankungen beim Rohgewinnaufschlagsatz festgestellt. Wenn die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, darf das Finanzamt auf Grundlage eines solchen Zeitreihenvergleichs Zuschätzungen vornehmen.

Sachverhalt

Der Kläger betrieb eine Speisegaststätte. Ein Teil seiner Einnahmen erfasste er in einer Registrierkasse. Daneben führte er eine weitere Barkasse, deren Einnahmen nicht über die Registrierkasse abgerechnet wurden. Zudem wurden bei einer Betriebsprüfung die Tagesendsummenbons der elektronischen Kasse nicht vollständig oder ohne Datum vorgelegt. Das Finanzamt sah die Buchführung nicht als ordnungsgemäß an und schätzte Umsätze und Gewinne auf Grundlage des Zeitreihenvergleichs hinzu. Dabei ermittelte es wöchentliche Rohgewinnaufschlagsätze und bildete für 10 Wochen Mittelwerte. Den jeweils höchsten Mittelwert wendete es auf den erklärten Wareneinkauf an. Dieses führte zu erhöhten Werten im Gewinn und der Umsatzsteuer. Hiergegen wehrte sich der Kläger.

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte indes der Ansicht des Finanzamts. Eine Schätzungsbefugnis der Behörde bestand dem Grunde nach, weil die Buchführung des Klägers für die streitgegenständlichen Jahre nicht ordnungsgemäß war, da nicht alle Bareinnahmen in der Registrierkasse erfasst wurden. Zwar dürften Kasseneinnahmen täglich auch nur in einer Summe in ein Kassenbuch eingetragen werden, dann müsse aber das Zustandekommen dieser Summe nachgewiesen werden. Wegen des hohen Anteils des Bargeschäfts im Betrieb des Klägers kam der Kassenführung eine erhebliche Bedeutung zu. Der Zeitreihenvergleich stelle eine geeignete Schätzungsmethode für eine Speisegaststätte dar, so die Richter. Es handelte sich um einen inneren Betriebsvergleich. Dies gelte zumindest dann, wenn sich innerhalb des Schätzungszeitraums keine wesentlichen Änderungen in der Betriebsstruktur ergeben hätten.

Konsequenz

Die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung sind in ausreichender Sorgfalt zu beachten, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass das Finanzamt Schätzmethoden anwendet, die zu Ergebnissen weit oberhalb der realen Einkünfte führen.

Kriterien für Schätzungen bei Steuerhinterziehung

Kriterien für Schätzungen bei Steuerhinterziehung

Kernaussage

Wird eine Anklage wegen Steuerhinterziehung auf eine Schätzung gestützt, obwohl eine exaktere Berechnung nach weiteren Ermittlungen möglich ist, so rechtfertigt dies die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts. Dies entschied kürzlich das Oberlandesgericht Celle.

Sachverhalt

Den Angeschuldigten wurde seitens der Staatsanwaltschaft u. a. Verkürzung von Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag sowie Einkommensteuer in mehreren Fällen vorgeworfen. Ihnen wurde zur Last gelegt, gemeinschaftlich als Verantwortliche einer GmbH 179 als „geringfügig beschäftigt“ gemeldete Arbeitnehmer als Reinigungskräfte an Autobahnraststätten in größerem Maße beschäftigt und dadurch Sozialversicherungsbeiträge in Millionenhöhe vorenthalten zu haben. Zudem sollen die Angeschuldigten Einnahmen aus Tellergeldern nicht verbucht und dadurch Umsatzsteuer von rd. 58.000 EUR hinterzogen sowie aus diesen Tellergeldern verdeckte Lohnzahlungen geleistet und dadurch Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag von rd. 24.000 EUR hinterzogen haben. Mit der Begründung, die Anklage stütze sich auf unzulässige Schätzungen, lehnte das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos.

Entscheidung

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist dem Tatrichter eine Schätzung hinterzogener Steuern und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge nur in folgenden Fällen gestattet: Für eine annähernd genaue Berechnung fehlen aussagekräftige Beweismittel (Belege und Aufzeichnungen), die Parameter der Schätzgrundlage sind tragfähig, die Schätzung ist aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt (z. B., wenn eine exakte Berechnung einen unangemessenen Aufklärungsaufwand erfordert und bei exakter Berechnung für den Schuldumfang nur vernachlässigbare Abweichungen zu erwarten sind). Schließlich ist im Rahmen der Gesamtwürdigung des Schätzergebnisses der Zweifelssatz zu beachten und die Grundlagen der Schätzung müssen im tatrichterlichen Urteil für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargestellt werden. Hier waren die Berechnungen zwar tatsachenfundiert, eine genauere Ermittlung wäre indes durch Vernehmung der Arbeitnehmer mit verhältnismäßigem Aufwand möglich gewesen. Damit war eine Schätzung der Schwarzlohnsummer nicht zulässig.

Konsequenz

Bei der Ermittlung von Schwarzlohnsummen darf nicht vorschnell auf Schätzungen ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der vorliegenden Beweismittel möglich erscheint.

Verkauf eines Gewerbebetriebs im Nachlass durch den Verwalter innerhalb der Sperrfrist ist schädlich

Verkauf eines Gewerbebetriebs im Nachlass durch den Verwalter innerhalb der Sperrfrist ist schädlich

Kernaussage

Im Rahmen des Erwerbs durch Schenkung oder von Todes wegen sieht das Gesetz bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen eine Steuerbefreiung für Betriebsvermögen bzw. einen verminderten Wertansatz vor. Diese Steuerbefreiung entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit der Erwerber innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb den Gewerbebetrieb oder Gesellschaftsanteile veräußert. Hierzu entschied das Hessische Finanzgericht (FG) kürzlich, dass auch die Veräußerung der Geschäftsanteile einer zum nachlass gehörenden GmbH & Co. KG durch den Nachlasspfleger eine schädliche Verfügung darstellt, die sich der Erbe zurechnen lassen muss.

Sachverhalt

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung des Freibetrages für Betriebsvermögen nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sowie einen verminderten Wertansatz für einen zum Nachlass gehörenden, in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betriebenen, Gewerbebetrieb und entsprechende Herabsetzung der Erbschaftssteuer auf den Erwerb von Todes wegen nach seiner Großmutter (Erblasserin). Für den 1997 erworbenen Nachlass war ein Nachlasspfleger bestellt worden, der den Gewerbebetrieb bzw. die Anteile an der GmbH & Co. KG sowie der Komplementär-GmbH im Jahr 2000 veräußerte. Das beklagte Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger – und weiteren als Erben beteiligten Personen – jeweils Erbschaftsteuer fest. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos; die Revision zum Bundesfinanzhof wurde nicht zugelassen.

Entscheidung

Freibetrag und verminderter Wertersatz wurden zu Recht wegen des Verkaufs der Geschäftsanteile an der KG und der Komplementär-GmbH versagt. Nach den einschlägigen Vorschriften des ErbStG bleiben u. a. Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften im bei einem Erwerb von Todes wegen bis zu einem Wert von 500.000,00 DM außer Ansatz, wobei für den Fall, dass vom Erblasser keine Aufteilung des Freibetrages verfügt wurde, dieser jedem Erben entsprechend seinem Erbteil zusteht. Nach Anwendung der Freibetragsregelung ist der verbleibende Wert des Vermögens mit 60 vom 100 anzusetzen (verminderter Wertansatz). Diese steuerlichen Vergünstigungen fallen jedoch rückwirkend weg, wenn der Erwerber das erworbene Vermögen innerhalb von 5 Jahren seit dem Erwerb verkauft. So war es auch im Streitfall: der Kläger musste sich als Erwerber das schädliche „Veräußerungs“-Verhalten des Nachlassverwalters innerhalb der Behaltensfrist zurechnen lassen.

Konsequenz

Der Wegfall des Freibetrags und des verminderten Wertansatzes tritt unabhängig davon ein, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen bzw. der Geschäftsanteil veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde.

Zur Ansparrücklage nach Realteilung einer GbR

Zur Ansparrücklage nach Realteilung einer GbR

Kernproblem

Bis einschließlich 2006 konnten bilanzierende Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparrücklage). Im Jahr der Anschaffung/Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts wurde die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst. Bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn zulässigerweise durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelten und bei denen insoweit keine Rücklagen gebildet werden konnten, trat an die Stelle der Rücklagenbildung/-auflösung ein entsprechender Betriebsausgabenabzug bzw. eine entsprechende Betriebseinnahme.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, übte seine Tätigkeit gemeinsam mit einem weiteren Rechtsanwalt in einer Sozietät (GbR) aus. 2004 trennten sich die Gesellschafter im Wege der Realteilung. Der Mandantenstamm der Sozietät ging zu gleichen Teilen auf die beiden Gesellschafter über. Die übrigen Wirtschaftsgüter, wie Mobiliar und Fachliteratur, führten der Kläger und sein ehemaliger Mitgesellschafter jeweils zu Buchwerten in ihren Einzelpraxen fort. In der Gewinnfeststellungserklärung der Sozietät für 2003, die erst nach erfolgter Realteilung abgegeben wurde, machte der Kläger eine Ansparabschreibung für die beabsichtigte Anschaffung eines Pkw als (Sonder-)Betriebsausgabe geltend. Das Finanzamt ließ die Ansparabschreibung mit der Begründung unberücksichtigt, dass diese betriebsbezogen sei und die Realteilung eine Betriebsaufgabe darstelle.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Nach dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Förderungszweck ist der Sonderbetriebsausgabenabzug auch dann zuzulassen, wenn sich die beabsichtigte Investition erst im Betriebsvermögen eines nach der Realteilung fortgeführten Unternehmens niederschlagen kann. Dies dann, sofern der Einzelunternehmer seine bisher im Rahmen der Mitunternehmerschaft erbrachte unternehmerische Tätigkeit unter Einsatz seines bisherigen Betriebsvermögens unverändert fortführt. Mit der Übernahme des hälftigen Mandantenstamms, den zu Buchwerten übernommenen Teilen der Fachliteratur und des Mobiliars hat der Kläger keinen neuen Betrieb gegründet, sondern lediglich sein bisheriges unternehmerisches Engagement fortgeführt.

Konsequenz

Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurde die bisherige Ansparabschreibung ab 2007 durch einen außerbilanziellen Investitionsabzugsbetrag ersetzt. Aber auch nach der neuen Rechtslage dürfte die Entscheidung des BFH in vergleichbaren Fällen zum Tragen kommen.

Herrschender Gesellschafter darf bei Kündigung des EAV mitstimmen

Herrschender Gesellschafter darf bei Kündigung des EAV mitstimmen

Rechtslage

Bislang war streitig, in wessen Kompetenzbereich die Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags fällt. Die überwiegende Literaturauffassung stufte sie als Geschäftsführungsmaßnahme in Form eines ungewöhnlichen Geschäfts mit dem herrschenden Gesellschafter ein, wobei dieser im Rahmen des Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung einem Stimmrechtsverbot unterliegen sollte. Nach Ansicht der Rechtsprechung fiel die Maßnahme als innergesellschaftlicher Organakt in den Kompetenzbereich der Gesellschafterversammlung, so dass der herrschende Gesellschafter keinem Stimmrechtsverbot unterlag. Der Bundesgerichtshof (BGH) schloss sich dieser Auffassung nunmehr an.

Sachverhalt

An dem Stammkapital der beklagten GmbH sind 2 GmbHs zu 90 % und zu 10 % beteiligt. Im Juli 1999 schloss die Beklagte als beherrschtes Unternehmen mit der Mehrheitsgesellschafterin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Der Vertrag war bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos, im Übrigen nach Ablauf von 5 Jahren, mit einer Frist von 6 Monaten zum jeweiligen Jahresende kündbar. Nachdem über das Vermögen der Minderheitsgesellschafterin im Jahr 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, beantragte der Insolvenzverwalter in der Gesellschafterversammlung der Beklagten, über die fristlose Kündigung des Unternehmensvertrages zu beschließen. Der Antrag wurde mit Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung

Der BGH wies die Anfechtungsklage als unbegründet zurück. Die Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin waren mitzuzählen, denn sie unterlag keinem Stimmrechtsverbot und war nicht aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet, für die Kündigung zu stimmen. Der Beschluss über die Kündigung betrifft einen sog. körperschaftlichen Sozialakt, der neben den inneren Angelegenheiten der Gesellschaft zugleich den persönlichen Rechtskreis des Gesellschafters betrifft. Bei solchen inneren Angelegenheiten ist dem Gesellschafter die Mitwirkung nur zu versagen, wenn es gerade um die Billigung oder Missbilligung seines Verhaltens als Gesellschafter oder Geschäftsführer geht und er dadurch Richter in eigener Sache wird. Die Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags hingegen betrifft vorwiegend die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft und verändert ihre Organisationsstruktur.

Konsequenz

Die Entscheidung verdient Zustimmung und ist konsequent, da auch der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages als gesellschaftsrechtlicher Organisationsakt qualifiziert wird. Der Minderheitsgesellschafter sollte sich bereits bei Abschluss des Vertrages über die Beschränkung der Rechte bewusst sein.

Leistungen kommunaler Wasserversorgungsunternehmen und Umsatzsteuer

Leistungen kommunaler Wasserversorgungsunternehmen und Umsatzsteuer

Rechtslage

Lange war umstritten, ob Hauswasseranschlüsse dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gab das Bundesfinanzministerium (BMF) in 2009 seine damalige Rechtsposition auf und erkannte den Ansatz des ermäßigten Steuersatzes für den Fall an, dass der Wasserversorger auch den Hausanschluss erstellte. Das seinerzeitige Schreiben beantwortete jedoch nicht alle Fragen.

Neue Verwaltungsanweisung

Ergänzend zum Schreiben des BMF hat aktuell die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen zur umsatzsteuerlichen Behandlung kommunaler Wasserversorgungsunternehmen Stellung bezogen. Die Verfügung befasst sich mit dem Legen von Hauswasseranschlüssen, der Vermietung von Wasseruhren und Standrohren zur Bereitstellung von Bauwasser sowie der Weiterleitung von Ablesedaten an Gemeinden und Landkreise. Hausanschlussleistungen sind demnach auch begünstigt, wenn sie gegenüber Anschlusskunden erbracht werden, die nicht direkt vom Betreiber des Wassernetzes mit Wasser beliefert werden, sondern über einen Dritten, der dieses seinerseits vom Betreiber des Wassernetzes bezieht. Dem Regelsteuersatz unterliegen hingegen Hausanschlussleistungen, die außerhalb des eigenen Versorgungsgebietes durchgeführt werden, sowie Leistungen am Hausnetz selbst.

Konsequenzen

Die Verfügung klärt einige Fälle, die bisher beim BMF offen geblieben sind. Sie ist daher von Wasserversorgern zu beachten. Entsprechend den Ausführungen des BMF geht die Verfügung ebenfalls davon aus, dass das Legen eines Wasseranschlusses nur in Kombination mit einer Wasserlieferung begünstigt ist. Ob dies der Vorgabe des EuGH entspricht, bleibt abzuwarten.