Das Bundeskabinett hat am 30. März 2022 den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung beschlossen. Damit wird bei der sog. Vollverzinsung ab dem 1. Januar 2019 für alle offenen Fälle eine rückwirkende Neuregelung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen getroffen.
Gesetzliche Anpassung des Zinssatzes
Der Gesetzentwurf senkt den Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 auf 0,15 % pro Monat (= 1,8 % pro Jahr). Die Angemessenheit dieses Zinssatzes ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes mindestens alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren – erstmals also spätestens zum 1. Januar 2026.
Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt hierzu:
„Wir senken den Zinssatz für Nachforderungen und Erstattungen von derzeit 6 Prozent auf 1,8 Prozent per annum. Damit tragen wir dem derzeitigen Niedrigzinsniveau Rechnung. Die praktische Anwendbarkeit bleibt erhalten: Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und auch die Finanzbehörden können sich auf Rechts- und Planungssicherheit verlassen. Mit der Evaluierungsklausel sorgen wir dafür, dass der Zinssatz auch zukünftig angemessen bleibt.“
Hintergrund der Neuregelung
Die Neuregelung setzt den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juli 2021 (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, BGBl. I 2021 S. 4303) um. Bei der rückwirkenden Neuberechnung der Zinsen wird dem Vertrauensschutz Rechnung getragen.
Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird durch die Neuregelung gewährleistet. Auch in Zukunft erfolgt ein angemessener und verfassungskonformer Ausgleich von Zins- sowie Liquiditätsvor- und -nachteilen.
Umsetzung der Neuregelung
Die Neuregelung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 gilt für alle Steuern, auf die die Vollverzinsung anzuwenden ist.
Darüber hinaus wird der Erlass von Nachzahlungszinsen bei vor Fälligkeit freiwillig geleisteten Zahlungen gesetzlich verankert und damit auch auf die von Kommunen verwaltete Gewerbesteuer erstreckt.
Weitere Anpassungen
Neben der Zinssatzregelung sieht das Gesetz auch einzelne, zeitnahe Anpassungen der Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen vor, um diese an unionsrechtliche Vorgaben anzupassen.
Diese gesetzliche Anpassung stellt sicher, dass das deutsche Steuerrecht den aktuellen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst bleibt und gleichzeitig den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.