Doppelte Haushaltsführung bei Zweitwohnung in der Nähe des Familienwohnsitzes

Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung kann auch dann vorliegen, wenn die Zweitwohnung näher am Familienwohnsitz als an der Arbeitsstätte liegt. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 27. Juni 2013 (Az. 3 K 4315/12 E) entschieden.

Der Kläger ist als Professor an einer Universität beschäftigt. Der Ort, an dem er mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebt, liegt etwa 2 Stunden von seiner Arbeitsstätte entfernt. Aus diesem Grund hatte der Kläger ursprünglich eine Zweitwohnung in der Nähe der Universität. Diese gab er jedoch auf und bezog eine neue Zweitwohnung, die 83 km von der Universität, aber nur 47 km vom Familienwohnsitz entfernt liegt.

Das beklagte Finanzamt erkannte keine Kosten für eine doppelte Haushaltsführung an, da die Zweitwohnung aufgrund der zu großen Entfernung nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers angesehen werden könne. Die Entfernung zur Familienwohnung sei für die Wahl der Zweitwohnung zumindest mitbestimmend gewesen. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Zweitwohnung besonders verkehrsgünstig gelegen sei und er die Universität innerhalb von 50 Minuten erreichen könne. Darüber hinaus verfüge der Ort der Zweitwohnung auch über in seinem Fachbereich sehr gut ausgestattete Bibliotheken, die er 3 bis 5 Mal pro Monat aufsuche.

Das Gericht gab der Klage statt. Für eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung sei es erforderlich, dass der Arbeitnehmer „am Beschäftigungsort“ wohne. Hierfür sei nicht eine Wohnung in der politischen Gemeinde der Arbeitsstätte erforderlich; es reiche vielmehr aus, dass die Wohnung in deren Einzugsgebiet liege. Maßgeblich sei, dass die Arbeitsstätte von dort aus in zumutbarer Weise täglich aufgesucht werden könne, was bei einer Fahrzeit von 50 Minuten pro Strecke trotz der Entfernung von 83 km der Fall sei. Da der Kläger überdies auch die vor Ort liegenden Bibliotheken beruflich nutze, komme dem Umstand der günstigen Lage zum Familienwohnsitz kein überlagerndes Gewicht mehr zu. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. VI R 59/13).

 

Finanzgericht Münster, 3 K 4315/12 E

Datum:
27.06.2013
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 4315/12 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgaberecht
Tenor:

Die Einkommensteuerfestsetzungen 2010 vom 23.07.2012 und 2011 vom 05.07.2012, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012, werden nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert. Die Berechnung der Steuer obliegt dem Beklagten.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 1/9 und der Beklagte 8/9.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der Steuerfestsetzung der Veranlagungszeiträume 2010 und 2011 als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) berücksichtigt werden können.

3Die Kläger sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 2010 und 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Professor für … an der … in B    und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Die Klägerin bezieht als angestellte Buchhändlerin im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beschäftigungsort der Klägerin und Familienwohnsitz der Kläger mit den beiden gemeinsamen Kindern ist H   .

4Bereits im Jahr 2007 wechselte der Kläger von P    an die Universität nach B   , als er dort die Möglichkeit erhielt, vertretungsweise einen Lehrstuhl zu übernehmen. Um sich mit den Gepflogenheiten in B    und der Universität vertraut machen zu können, nahm er eine Wohnung in der Nähe der Universität. Parallel zur Lehrstuhlvertretung durchlief der Kläger ein Berufungsverfahren für eine andere Professur an der Universität in B   , die er dann im Herbst 2007 erhielt. Bereits im Spätsommer 2007 kündigte der Kläger seine Wohnung in B    und suchte nach einer für sich geeigneten Wohnung in E   . Er entschied sich für E    deshalb, weil dort die …bibliothek und auch die …bibliothek ansässig sind, die im Fachbereich des Klägers sehr gut ausgestattet sind. In seinem Fachgebiet „…“ besteht die Arbeit des Klägers im Wesentlichen im Literaturstudium. Die Bibliotheken sucht er dabei im Schnitt drei bis fünf mal im Monat auf, wobei die Nutzung entsprechend seines Arbeitsfortschritts unterschiedlich intensiv ist. Maßgeblich ist aus Sicht des Klägers der schnell mögliche Zugriff.

5Die Lehrverpflichtungen des Klägers belaufen sich im Schnitt auf fünf Veranstaltungen pro Woche. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor eines Instituts und somit bestimmten Verwaltungsaufgaben und Verpflichtungen, z. B. an Fachbereichssitzungen teilzunehmen, betraut.

6In den Einkommensteuererklärungen 2010 und 2011 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Für 2010 beliefen sich die Aufwendungen auf insgesamt 9.164 Euro und für 2011 auf 8.078 Euro. Im Wesentlichen handelte es sich um die Kosten der Unterkunft des Klägers in E   , diverse Einrichtungsgegenstände und die Aufwendungen für die Heimfahrten nach H   . Die Aufwendungen für die in E    angemietete Garage betragen 480 Euro jährlich. Zu den Einzelheiten wird auf die Angaben in den Steuererklärungen 2010 und 2011 (Blatt 15/16 und Blatt 84/85 der Steuerakte) Bezug genommen.

7Die Entfernung der vom Kläger bewohnten Wohnung in E    zum Familienwohnsitz nach H    beträgt 47 km, die Entfernung zur Arbeitsstätte in B    83 km.

8Die Wohnung in E   , A-Straße 44, ist in einer Entfernung von ca. 4 Kilometern zur …bibliothek belegen. Die Autobahn nach B    ist schnell zu erreichen.

9Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 durch Bescheid vom 03.08.2011 und für 2011 durch Bescheid vom 29.06.2012 berücksichtigte der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zur doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten, da der Wohnsitz in E    zu weit vom Arbeitsort entfernt liege und deshalb nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers angesehen werden könne.

10Die Einkommensteuerfestsetzung 2011 änderte der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen durch Einkommensteuerbescheid vom 05.07.2012.

11Gegen die Einkommensteuerfestsetzungen erhoben die Kläger Einspruch am 31.08.2011 (2010) und am 30.07.2012 (2011). Sie verwiesen darauf, dass der Beschäftigungsort sich begrifflich nicht auf die politische Gemeinde beschränke, in der sich die Arbeitsstätte des Steuerpflichtigen befinde, sondern auch das Einzugsgebiet umfasse. Soweit sich die Zweitwohnung in der Nähe des Beschäftigungsortes befinden müsse, könne diese Nähe auch zeitlich begründet sein. Dies gelte im Fall des Klägers deshalb, weil er seine Arbeitsstätte von der besonders verkehrsgünstig gelegenen Wohnung in E    innerhalb von 50 Minuten erreichen könne. Diese Fahrtzeit werde ausweislich der Rechtsprechung für eine Strecke zwischen Wohnung und Beschäftigungsort für Pendler als zumutbar erachtet. Gegenüber einer Fahrt zum Arbeitsort von seinem Familienwohnsitz aus ergebe sich eine tägliche Fahrzeitersparnis von mindestens zwei Stunden. Darüber hinaus eröffne ihm die Wohnung in E    den unproblematischen Zugang zu dort vorhandenen Bibliotheken, die einen für seine Tätigkeit unerlässlichen Literaturbestand auswiesen. Natürlich ermögliche es die Wohnung in E    auch, den familiären Kontakt nach H    über die Woche unkomplizierter zu halten. Dies sei jedoch nicht der für die Wohnungswahl ausschlagende Grund gewesen.

12Den Einkommensteuerbescheid 2010 änderte der Beklagte durch Bescheide vom 05. und 23.07.2012 aus hier nicht streitigen Gründen.

13Durch Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012, bekannt gegeben durch einfachen Brief, wies er die Einsprüche als unbegründet zurück. Es treffe zwar zu, dass der Begriff der Wohnung am Beschäftigungsort weit auszulegen sei. Sei jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Entfernung zwischen Zweitwohnsitz und Beschäftigungsort wesentlich höher als die zwischen Zweitwohnsitz und Familienwohnsitz, komme nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ebenfalls die private Lebensführung als Ursache der doppelten Haushaltsführung in Betracht. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Entfernung zwischen dem Zweitwohnsitz in E    und dem Familienwohnsitz in H    für den Bezug der Zweitwohnung mitbestimmend gewesen und die doppelte Haushaltsführung deshalb nicht ausschließlich beruflich veranlasst sei. Soweit sich der BFH in seinem Urteil vom 19.04.2012 (VI R 59/11, BFH/NV 2012, 1378) dahingehend geäußert habe, dass auch bei einer Entfernung von 141 km zwischen Zweitwohnsitz und Beschäftigungsort eine doppelte Haushaltsführung gegeben sein könne, liege dem vom BFH entschiedenen Fall ein anderer Sachverhalt zu Grunde, da dort der Arbeitgeber seinen Firmensitz vom Ort des beruflich bedingten Zweitwohnsitzes wegverlegt habe.

14Mit der dagegen am 14.12.2012 erhobenen Klage beantragen die Kläger gleichzeitig Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist.

15Sie tragen dazu vor, die den Klägern am 22.10.2012 zugegangene Einspruchsentscheidung sei per E-Mail an den Klägervertreter weitergeleitet worden. Dieser habe am 07.11.2012 auf Wunsch der Kläger, trotz Ablehnung einer Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung am 29.10.2012, die Klage gefertigt und per Post an das Finanzgericht Münster versandt. Dies sei ausreichend gewesen, da das Fristende auf den 19.11.2012 berechnet worden sei. Da entgegen der sonstigen Erfahrungen eine Eingangsbestätigung für diese Klage nicht eingegangen sei, habe das Büro des Klägervertreters auf Nachfrage beim Finanzgericht Münster am 05.12.2012 erfahren, dass ein Klageeingang nicht zu verzeichnen gewesen sei. Davon habe der Klägervertreter persönlich am 11.12.2012 nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub erfahren. Dass die Klageschrift rechtzeitig gefertigt und versandt worden sei, ergebe sich aus dem Postausgangsbuch und der eidesstattlichen Versicherung der absendenden Bearbeiterin. Auf die in Kopie vorgelegten Dokumente (Blatt 6 und 5 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

16Die Kläger beantragen,

17unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung bzgl. der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die Einkommensteuerfestsetzung 2010 gemäß Bescheid vom 23.07.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012 zu ändern und Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 9.164 Euro zu berücksichtigen,

18unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung bzgl. der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die Einkommensteuerfestsetzung 2011 gemäß Bescheid vom 05.07.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2012 zu ändern und Werbungkosten wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 8.078 Euro zu berücksichtigen,

19hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

20Der Beklagte beantragt,

21die Klage abzuweisen,

22hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

23Unabhängig von der rechtzeitigen Erhebung der Klage hält er an seiner in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung fest.

24Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 18.04.2013 erörtert. Der Klägervertreter hat im Termin das Fristenkontroll- und das Postausgangsbuch im Original vorgelegt. Zu den Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll (Blatt 75/76 der Gerichtsakte) hingewiesen.

25Der Senat hat in der Sache am 27.06.2013 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

26Entscheidungsgründe

27I.

28Die Klage ist zulässig.

29Sie ist insbesondere fristgemäß erhoben, da bezüglich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

30Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) einen Monat und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Einspruchsentscheidung dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 122 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) gilt die Einspruchsentscheidung bei Übersendung mit einfachem Brief mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Danach hätte im vorliegenden Fall die Klagefrist mit Ablauf des 19.11.2012 geendet, und die am 14.12.2012 erhobene Klage ist verfristet. Jedoch sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben. Gemäß § 56 FGO kann einem Kläger, der die Klagefrist unverschuldet versäumt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses einen entsprechenden Antrag stellt, die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft macht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.

31Im vorliegenden Fall geht der Senat davon aus, dass die Klagerhebung unverschuldet nicht fristgemäß erfolgte. Denn der Klägervertreter hat im Erörterungstermin durch die Vorlage des Fristenkontrollbuchs und des Postausgangsbuchs im Original sowie durch die Schilderung des Arbeitsablaufs in seiner Kanzlei glaubhaft dargelegt, dass die maßgebliche Klageschrift bereits am 07.11.2012 gefertigt und auch tatsächlich versandt wurde. Dass die Klage das Gericht nicht erreicht hat, ist den Klägern nicht als von ihnen zu vertretender Umstand zuzurechnen. Vielmehr ist von einem Verlust der Klageschrift auf dem Postweg auszugehen. Wiedereinsetzungsantrag und Nachholung der Klageerhebung als maßgeblicher Rechtshandlung sind auch innerhalb der 14tägigen Frist nach Wegfall des Hindernisses, das ist hier das Telefonat vom 05.12.2012 mit dem Finanzgericht Münster, erfolgt.

32II.

33Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

34Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt dabei nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch „am Beschäftigungsort wohnt“. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass die letztgenannte Voraussetzung nicht nur dann erfüllt ist, wenn der Arbeitnehmer sich in der politischen Gemeinde seiner Arbeitsstätte eine Wohnung nimmt, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer in der Umgebung, d. h. im Einzugsgebiet der politischen Gemeinde wohnt (vgl. BFH, Beschluss vom 02.10.2008 VI B 33/08, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Von diesen Grundsätzen ist der BFH bereits in seinem Urteil vom 09.11.1971 (VI R 96/70, BStBl II 1972, 134) ausgegangen. In der gleichen Entscheidung hat der BFH aber auch betont, ein Wohnen am Beschäftigungsort sei nicht mehr anzunehmen, wenn bei der Wahl des Wohnortes offenbar die Lage der Familienwohnung eine maßgebende Rolle gespielt habe, so wenn sich die Zweitwohnung des Arbeitnehmers an einem Ort befinde, der näher zum Ort der Familienwohnung als zur Arbeitsstätte gelegen sei und an dem andere Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsstätte in der gleichen politischen Gemeinde hätten wie der einen doppelten Haushalt führende Arbeitnehmer, üblicherweise nicht wohnten. In einem derartigen Fall schließe § 12 Nr. 1 EStG unter Umständen eine Anerkennung von Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung aus. In seinem Urteil vom 19.04.2012 (VI R 59/11, BStBl II 2012, 833) geht der BFH davon aus, dass ein Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort jedenfalls dann wohnt, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann. Maßgeblich sei dabei, dass die fragliche Wohnung in der Weise am Beschäftigungsort, nämlich so zur Arbeitsstätte gelegen sei, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen könne. Ob dies der Fall sei, sei aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wobei insbesondere die individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte maßgeblich seien. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei zwar ein wesentliches, allerdings nicht allein entscheidungserhebliches Merkmal.

35Ausgehend von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen hat der Senat im vorliegenden Fall die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger mit der Wohnung in E    eine Wohnung am Beschäftigungsort inne hat.

36Ausgangspunkt der Überlegungen des Senats ist dabei die Tatsache, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz in B    nicht in zumutbarer Weise von seinem Familienwohnsitz in H    aus arbeitstäglich – wie dies angesichts des Vorlesungsplans des Klägers zumindest in der Vorlesungszeit erforderlich ist – erreichen kann. Denn sowohl der Weg über … als auch über … war und ist in erheblicher Weise baustellen- und staubelastet, sodass ein arbeitstägliches Pendeln mit Fahrzeiten von bis zu zwei Stunden pro Strecke nicht zumutbar und damit die Nutzung einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort angezeigt ist.

37Die vom Kläger in E    genommene Zweitwohnung ist auch als Wohnung am Beschäftigungsort anzusehen, da sie unter Zugrundelegung der Grundsätze des Urteils des BFH, vom 19.04.2012 (VI R 59/11, BStBl II 2012, 833) noch als im Einzugsbereich von B    belegen anzusehen ist. Denn die Anforderung des BFH, dass der Arbeitsplatz von der Zweitwohnung aus in zumutbarer Weise zu erreichen sein muss, erfüllt die vom Kläger in E    genommene Wohnung. Der Kläger kann nämlich von dieser Wohnung aus – vom Beklagten unbestritten – seinen Arbeitsplatz trotz der Entfernung von 83 Kilometern in unter einer Stunde Fahrzeit erreichen. Im übrigen handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine heutzutage durchaus übliche Pendelstrecke und Pendelzeit. Hinzu kommt, dass E    mit den dort ansässigen Bibliotheken, zu denen die Wohnung des Klägers ebenfalls günstig gelegen ist, einen weiteren für den Beruf des Klägers gewichtigen Standortvorteil bietet, ohne dass es nach Auffassung des Senats letztlich ausschlaggebend ist, wie häufig der Kläger diese Bibliotheken nutzt. Dass der Kläger sie tatsächlich nutzt, steht aufgrund des differenzierten Vortrags des Klägers zur Ausstattung der Bibliotheken in seinem Fachgebiet in B    und E    und zur nur geringen Digitalisierungsquote hinsichtlich der Literaturbestände seines Fachbereichs zur Überzeugung des Senats fest und wird im Übrigen vom Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen. Ein diesbezüglich gleichwertiger Standort für eine Zweitwohnung im Einzugsbereich von B    ist nicht ersichtlich.

38Bei dieser Sachlage kommt dem Umstand, dass E    auch zur Familienwohnung des Klägers günstig gelegen ist und so den familiären Kontakt unter der Woche erleichtert, kein die vorrangig berufliche Veranlassung überlagerndes Gewicht mehr zu.

39Entsprechend der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung sind der Besteuerung nunmehr 180 Tage für die Fahrten von der Zweitwohnung in E    zum Arbeitsplatz nach B    zugrunde zu legen. Zu den Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung gehören auch die Kosten für die Anmietung einer Garage am Beschäftigungsort (vgl. BFH, Urteil vom 13.11.2012 VI R 50/11, BStBl. II 2013, 286), wie sie der Kläger geltend gemacht hat.

40Die Steuerberechnung obliegt dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

41Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

42Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 155 FGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

43Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.