Ein Anspruch auf Kindergeld eines EU-Staatsbürgers kann sich aus dem sog. abgeleiteten Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 und dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 7 Abs. 2 VO 492/2011 ergeben

Zusammenfassung des Urteils des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30.11.2023 (9 K 1192/23 Kg):

  1. Hintergrund: Der Kläger, ein EU-Bürger, lebte mit seiner schulpflichtigen Tochter und der Kindsmutter zusammen und übte die elterliche Sorge aus. Nach Beendigung seiner Beschäftigung im Oktober 2022 und dem anschließenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch wurde das Kindergeld für seine Tochter ab Dezember 2022 von der Familienkasse eingestellt.
  2. Rechtsstreit: Der Kläger erhob Einspruch gegen die Einstellung des Kindergeldes, da seine Tochter erst 12 Jahre alt war. Die Familienkasse wies den Einspruch zurück, da die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt wurden und keine Freizügigkeitsberechtigung nach § 62 EStG erkennbar war.
  3. Urteil des Finanzgerichts: Das Gericht gab der Klage statt. Obwohl der Kläger die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG nicht erfüllte, da keine freizügigkeitsbegründende Erwerbstätigkeit oder Arbeitssuche im Streitzeitraum feststellbar war, begründete sich sein Anspruch auf Kindergeld aus einem abgeleiteten Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 und einem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 7 Abs. 2 VO 492/2011.
  4. Entscheidende Faktoren: Entscheidend war, dass dem Kind des Klägers ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO 492/2011 zustand und der Kläger als Elternteil die elterliche Sorge tatsächlich wahrnahm und beschäftigt war bzw. gewesen ist. Die Existenz ausreichender Mittel und Krankenversicherungsschutz waren dabei unerheblich.
  5. Unionsrechtliche Ansprüche: Aufgrund der unionsrechtlichen Ansprüche auf Gleichbehandlung stand dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld zu. § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG war in diesem Fall nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, da er sonst Kindergeldberechtigte mit nur abgeleitetem Freizügigkeitsrecht vom Kindergeldanspruch ausschließen würde.
  6. Rechtskraft: Das Urteil war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Finanzgericht Düsseldorf, Newsletter Januar 2024