1. Wann kann der Begünstigungstransfer genutzt werden?
Nach dem Bundesfinanzhof (BFH) ist der Begünstigungstransfer für Betriebsvermögen, vermieteten Wohnraum und das selbstgenutzte Familienheim im Rahmen einer Erbauseinandersetzung auch möglich, wenn das Vermögen mehr als sechs Monate nach dem Erbfall übertragen wird. Dies steht im Widerspruch zur bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, die eine Übertragung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall verlangte (Hinweise in H E 13a.11 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019).
2. Hintergrund des BFH-Urteils
Der BFH hat mit Urteil vom 15.05.2024 (II R 12/21) entschieden, dass der Transfer der Steuerbegünstigungen unter Miterben nur voraussetzt, dass die Übertragung der Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Eine bestimmte Frist ist dabei nicht vorgeschrieben.
3. Sachverhalt im Streitfall
Der Kläger (K) und sein Bruder erbten zu gleichen Teilen das Vermögen ihrer Eltern, die im Jahr 2015 kurz nacheinander verstarben. Zum Nachlass gehörten u.a. Grundstücke und Kommanditbeteiligungen.
- Die Erbschaftsteuer wurde zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt, und K erhielt die Steuerbegünstigungen nach § 13a ErbStG und § 13c ErbStG a.F. sowie eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für die selbstgenutzte Wohnung.
- Zur Erbauseinandersetzung übertrugen K und sein Bruder verschiedene Vermögenswerte, darunter Grundstücke und Kommanditbeteiligungen. K beantragte danach eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids, um die Begünstigungen nach §§ 13a ff. ErbStG neu zuzuordnen.
- Das Finanzamt lehnte dies mit dem Hinweis ab, dass eine Erbauseinandersetzung steuerlich nur zeitnah nach dem Erbfall berücksichtigt werden könne.
- Der BFH sah dies anders und entschied, dass eine Erbauseinandersetzung auch später erfolgen kann.
4. Grundsätze zur Erbauseinandersetzung und Begünstigungstransfer
- Wenn mehrere Personen erben und das Vermögen später untereinander aufteilen, können die Begünstigungen für bestimmte Vermögensgegenstände im Rahmen der Erbschaftsteuer neu aufgeteilt werden.
- Die steuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen, vermietete Immobilien oder das selbstgenutzte Familienheim sind neu zuzuordnen, wenn im Rahmen der Nachlassteilung Vermögen auf andere Miterben übertragen wird.
- Die Höhe der erbschaftsteuerlichen Begünstigung wird durch die erhaltenen Vermögensteile beeinflusst, ohne dass eine andere Zurechnung der Erwerbsgegenstände erfolgt.
5. BFH-Urteil: Übertragung auch nach sechs Monaten möglich
- Der BFH entschied, dass das Gesetz keine feste Frist für die Erbauseinandersetzung vorgibt. Der Begünstigungstransfer kann daher auch nach Ablauf der sechs Monate erfolgen, solange die Teilung des Nachlasses im inneren Zusammenhang mit dem Erbfall steht.
- Die BFH-Entscheidung widerspricht der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, die einen engen zeitlichen Rahmen vorsah.
6. Praxishinweis
- Das Urteil schafft mehr Flexibilität bei der Aufteilung des Nachlasses. Eine strikte Frist, bis wann eine Erbauseinandersetzung erfolgen muss, wird nicht mehr vorgegeben.
- Voraussetzung bleibt jedoch, dass die Teilung noch in einem inneren Zusammenhang mit dem Erbfall steht. Erben sollten sich dennoch nicht unbegrenzt Zeit lassen, um den Begünstigungstransfer zu nutzen.
- Für die Praxis bedeutet dies, dass Miterben mehr Spielraum haben, sich über die Verteilung des Vermögens zu einigen, auch wenn dies mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Fazit: Der BFH hat klargestellt, dass der Begünstigungstransfer im Rahmen der Erbauseinandersetzung auch dann möglich ist, wenn die Übertragung von Vermögen mehr als sechs Monate nach dem Erbfall erfolgt. Wichtig ist, dass die Teilung des Nachlasses im inneren Zusammenhang mit dem Erbfall steht. Dies verschafft Miterben mehr Flexibilität und nimmt Zeitdruck aus der Nachlassteilung.
Quelle: BFH, Urteil vom 15.05.2024 – II R 12/21