📅 Urteil vom 01.08.2025 (C-92/24, C-93/24, C-94/24)
📢 Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 01.08.2025
📌 Kernaussage: Auch bei einer Steuer, die nicht als Körperschaftsteuer ausgestaltet ist, darf ein Mitgliedstaat nicht mehr als 5 % der Dividenden aus anderen EU-Staaten erfassen – sofern das Befreiungssystem nach der Mutter-Tochter-Richtlinie (2011/96/EU) gewählt wurde.
Hintergrund
In den Jahren 2014 und 2015 bezog die italienische Bank Banca Mediolanum Dividenden von Tochtergesellschaften mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten. Während 5 % dieser Dividenden – unionsrechtlich zulässig – der italienischen Körperschaftsteuer (IRES) unterworfen wurden, erfasste die Bank als Finanzintermediär zusätzlich 50 % der Dividenden in der regionalen Steuer auf Produktionstätigkeiten (IRAP), basierend auf einer spezialgesetzlichen Regelung für Finanzintermediäre.
Banca Mediolanum beantragte die Erstattung dieses IRAP-Anteils und argumentierte, die nationale Regelung verstoße gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie 2011/96/EU. Die italienische Steuerverwaltung lehnte ab, der Fall landete beim EuGH.
Die Entscheidung des EuGH
Der Gerichtshof stellt klar:
- Die Mutter-Tochter-Richtlinie verlangt bei Anwendung des Befreiungssystems, dass Mitgliedstaaten keine Besteuerung der Dividenden vornehmen dürfen, die von Tochtergesellschaften aus anderen EU-Staaten an Muttergesellschaften im Inland ausgeschüttet werden – bis auf die Ausnahme von 5 % zur Deckung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben.
- Diese Vorgabe gilt unabhängig davon, ob es sich bei der betreffenden Steuer um eine Körperschaftsteuer handelt oder nicht – entscheidend ist allein, ob die Bemessungsgrundlage (teilweise) die Dividenden umfasst.
- Eine nationale Regelung, die wie in Italien bei Finanzintermediären 50 % der Dividenden zusätzlich zur IRES der IRAP unterwirft, verstößt gegen das Unionsrecht.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil des EuGH stärkt erneut den Schutz vor wirtschaftlicher Doppelbesteuerung innerhalb der EU. Es gilt:
✅ Verbot der Besteuerung über 5 % hinaus, wenn das Befreiungssystem nach der Mutter-Tochter-Richtlinie angewendet wird – unabhängig von der Bezeichnung oder Art der Steuer.
✅ Finanzintermediäre (z. B. Banken, Investmentgesellschaften) sind nicht von diesem Schutz ausgenommen.
✅ Auch regionale oder sektorale Sondersteuern (wie die IRAP in Italien) müssen sich an der Richtlinie messen lassen.
Empfehlung für Unternehmen und Berater
Unternehmen mit grenzüberschreitenden Beteiligungsstrukturen sollten prüfen, ob in ihrem Mitgliedstaat vergleichbare Sonderregelungen existieren – etwa über Bankenabgaben, Finanztransaktionssteuern oder spezielle Gewerbesteuermodelle –, die Dividenden von EU-Tochtergesellschaften erfassen.
Beratungshinweis: Eine unzulässige Besteuerung kann zu Erstattungsansprüchen führen. Laufende oder abgeschlossene Steuerverfahren sollten auf Basis des Urteils neu bewertet werden.