FAQ zur neuen Grundsteuer: Einspruch, Bewertung, Rechtsnachfolge & mehr

1. Allgemeine Fragen zur Bewertung und Belastung

1.1 Werden Wohnungen in gemischt genutzten Gebäuden höher belastet?
Ja. Bei gemischt genutzten Grundstücken (anteilig gewerblich > 20 %) greift das Sachwertverfahren und eine höhere Steuermesszahl. Das führt zu einer höheren Steuerbelastung der Wohnanteile gegenüber reinen Wohnobjekten.

1.2 Warum gibt es so drastische Unterschiede bei der Neubewertung, z. B. 1900 % mehr?
Durch das Bundesmodell wirkt sich der gestiegene Bodenrichtwert unmittelbar auf den Grundsteuerwert aus – ohne ausreichende Kappung oder Berücksichtigung individueller Gegebenheiten. Daher gibt es extreme Erhöhungen in gefragten Lagen.


2. Einspruchsrecht & Verfahrensfragen

2.1 Wer darf gegen den Grundsteuerwert-Bescheid Einspruch einlegen?
Nur derjenige, dem der Bescheid bekanntgegeben wurde – das ist in der Regel der im Grundbuch eingetragene Eigentümer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe.

2.2 Muss der alte Eigentümer Einspruch einlegen, wenn er weiß, dass der Wert zu hoch ist?
Er ist nicht verpflichtet, aber im Rahmen von Treu und Glauben kann eine Pflicht bestehen, besonders wenn der Fehler offensichtlich ist. Es empfiehlt sich, dies vertraglich im Kaufvertrag zu regeln.

2.3 Kann der neue Eigentümer den Einspruch fortführen?
Nein, der ursprüngliche Einspruchsführer bleibt zuständig (§ 182 Abs. 2 AO). Der neue Eigentümer sollte aber zur Beteiligung am Verfahren hinzugezogen werden.

2.4 Was tun, wenn der Wertbescheid an den alten Eigentümer ging, aber der neue Eigentümer betroffen ist?
Der neue Eigentümer kann innerhalb der Frist Einspruch einlegen, wenn ihm der Bescheid nachweislich zugegangen ist – ansonsten ist er auf die Mitwirkung des Veräußerers angewiesen.

2.5 Muss man bei Bescheiden über Zurechnungsfortschreibung auch Einspruch einlegen?
Nur wenn die Zurechnung an sich fehlerhaft ist. Eine Verfassungswidrigkeit der Reform reicht nicht aus, um gegen diesen Bescheid allein erfolgreich Einspruch einzulegen.


3. Aussetzung der Vollziehung (AdV)

3.1 Kann man gegen den Grundsteuerwert oder -messbetrag AdV beantragen?
Ja, beim Finanzamt. Nur nach Ablehnung durch das Finanzamt ist ein Antrag nach § 69 Abs. 4 FGO beim Finanzgericht zulässig.

3.2 Und was ist mit dem Grundsteuerbescheid der Gemeinde?
Wenn die Gemeinde ohne Mitteilung durch das Finanzamt tätig wurde, kann Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid eingelegt und AdV beantragt werden – ebenfalls beim Finanzamt.


4. Sonderfälle bei der Bewertung

4.1 Ist Denkmalschutz beim Grundsteuerwert berücksichtigt?
Nein, aber beim Steuermessbetrag (§ 15 Abs. 5 GrStG) durch einen Abschlag von 10 % auf die Messzahl. Voraussetzung ist, dass das Grundstück als Denkmal offiziell gelistet ist.

4.2 Wie weist man Denkmalschutz nach, wenn er nicht in der Liste steht?
Nur eine amtliche Listung zählt – ein Hinweis auf frühere AfA oder private Einschätzungen reicht nicht aus.

4.3 Was tun bei übergroßen oder unregelmäßigen Grundstücken, die nicht vollständig Bauland sind?
Man sollte prüfen, ob ein niedrigerer Verkehrswert gem. § 220 Abs. 2 BewG angesetzt werden kann. Gegebenenfalls sollte ein Gutachten beauftragt werden.

4.4 Ist eine Wertfortschreibung möglich, wenn sich die Nutzung (z. B. Milieuschutz) nach dem 01.01.2022 geändert hat?
Grundsätzlich nein – Milieuschutz oder Nutzungseinschränkungen nach dem Bewertungsstichtag stellen keine „tatsächlichen Veränderungen“ i. S. d. Gesetzes dar.


5. Gutachterausschuss & Bodenrichtwerte

5.1 Muss der Gutachterausschuss seine Berechnungen offenlegen?
Leider nein – die Bodenrichtwerte sind nicht justiziabel. Eine Offenlegung der Daten wäre aus Sicht der Praxis wünschenswert, ist aber derzeit nicht vorgesehen.

5.2 Was tun, wenn der Bodenrichtwert offensichtlich überhöht ist?
Ein Verkehrswertgutachten kann helfen, eine Abweichung nachzuweisen. Ob das Finanzamt dies anerkennt, ist einzelfallabhängig.


6. Berliner Sonderfälle

6.1 Kann man gegen Berliner Bescheide wegen des niedrigen Hebesatzes Einspruch einlegen?
Ein Einspruch mit dem Argument, der Hebesatz sei aus sachfremden Gründen zu niedrig (z. B. 470 %), wird nicht erfolgversprechend sein – eine Verfassungswidrigkeit ist kaum belegbar.

6.2 Was gilt bei tatsächlicher Wohnnutzung, wenn das Grundbuch etwas anderes sagt?
Entscheidend ist die tatsächliche Nutzung – wenn eine Wohnnutzung vorliegt, kann ein zu hoher Hebesatz ggf. erfolgreich angegriffen werden.